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Infektion mit 𝘈𝘴𝘱𝘦𝘳𝘨𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘧𝘶𝘮𝘪𝘨𝘢𝘵𝘶𝘴 verändert nicht nur die Lunge – auch Darm und Stoffwechsel

Neue Studie zeigt: 

Infektion mit 𝘈𝘴𝘱𝘦𝘳𝘨𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘧𝘶𝘮𝘪𝘨𝘢𝘵𝘶𝘴 verändert nicht nur die Lunge – auch Darm und Stoffwechsel spielen eine überraschende Rolle.

𝗘𝗶𝗻 𝘂𝗻𝘀𝗶𝗰𝗵𝘁𝗯𝗮𝗿𝗲𝗿 𝗘𝗶𝗻𝗱𝗿𝗶𝗻𝗴𝗹𝗶𝗻𝗴 𝘀𝘁𝗲𝗹𝗹𝘁 𝗱𝗮𝘀 𝗲𝗺𝗽𝗳𝗶𝗻𝗱𝗹𝗶𝗰𝗵𝗲 𝗚𝗹𝗲𝗶𝗰𝗵𝗴𝗲𝘄𝗶𝗰𝗵𝘁 𝗶𝗻 𝘂𝗻𝘀𝗲𝗿𝗲𝗿 𝗟𝘂𝗻𝗴𝗲 𝗮𝘂𝗳 𝗱𝗶𝗲 𝗣𝗿𝗼𝗯𝗲: 

𝗗𝗲𝗿 𝗦𝗰𝗵𝗶𝗺𝗺𝗲𝗹𝗽𝗶𝗹𝘇 𝘼𝙨𝙥𝙚𝙧𝙜𝙞𝙡𝙡𝙪𝙨 𝙛𝙪𝙢𝙞𝙜𝙖𝙩𝙪𝙨 , 𝗶𝗻 𝗱𝗲𝗿 𝗡𝗮𝘁𝘂𝗿 𝗵𝗮𝗿𝗺𝗹𝗼𝘀, 𝗸𝗮𝗻𝗻 𝗯𝗲𝗶 𝗴𝗲𝘀𝗰𝗵𝘄ä𝗰𝗵𝘁𝗲𝗺 𝗜𝗺𝗺𝘂𝗻𝘀𝘆𝘀𝘁𝗲𝗺 𝘇𝘂𝗿 𝗲𝗿𝗻𝘀𝘁𝗲𝗻 𝗚𝗲𝗳𝗮𝗵𝗿 𝘄𝗲𝗿𝗱𝗲𝗻 – 𝘂𝗻𝗱 𝗱𝗶𝗲 𝗴𝗲𝘀𝗮𝗺𝘁𝗲 𝗕𝗮𝗸𝘁𝗲𝗿𝗶𝗲𝗻𝘄𝗲𝗹𝘁 𝗶𝗻 𝗱𝗲𝗿 𝗟𝘂𝗻𝗴𝗲 𝘃𝗲𝗿ä𝗻𝗱𝗲𝗿𝗻. 

𝗗𝗼𝗰𝗵 𝗱𝗮𝗺𝗶𝘁 𝗻𝗶𝗰𝗵𝘁 𝗴𝗲𝗻𝘂𝗴: 𝗔𝘂𝗰𝗵 𝗱𝗲𝗿 𝗗𝗮𝗿𝗺 𝘂𝗻𝗱 𝗱𝗲𝗿 𝗦𝘁𝗼𝗳𝗳𝘄𝗲𝗰𝗵𝘀𝗲𝗹 𝘀𝗰𝗵𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗯𝗲𝗶 𝗲𝗶𝗻𝗲𝗿 𝗟𝘂𝗻𝗴𝗲𝗻𝗶𝗻𝗳𝗲𝗸𝘁𝗶𝗼𝗻 𝗯𝗲𝗲𝗶𝗻𝗳𝗹𝘂𝘀𝘀𝘁 𝘇𝘂 𝘀𝗲𝗶𝗻.

𝗘𝗶𝗻 𝗣𝗶𝗹𝘇, 𝗱𝗲𝗿 𝗺𝗲𝗵𝗿 𝗯𝗲𝘄𝗶𝗿𝗸𝘁 𝗮𝗹𝘀 𝗴𝗲𝗱𝗮𝗰𝗵𝘁

𝘈𝘴𝘱𝘦𝘳𝘨𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘧𝘶𝘮𝘪𝘨𝘢𝘵𝘶𝘴 ist fast überall zu finden – in Erde, Kompost oder in der Luft. 

Für gesunde Menschen ist er meist harmlos. 

Doch bei Patient*innen mit geschwächtem Immunsystem kann er eine schwere Lungeninfektion verursachen, die sogenannte invasive Aspergillose. 

Der Pilz kann möglicherweise den Sauerstoffgehalt in der Lunge so weit verändern, dass er für bestimmte Bakterien – wie 𝘓𝘪𝘨𝘪𝘭𝘢𝘤𝘵𝘰𝘣𝘢𝘤𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘮𝘶𝘳𝘪𝘯𝘶𝘴, der typischerweise im Darm, in der Mundhöhle und in der Lunge von Mäusen vorkommt – ein geeigneteres Umfeld schafft, um besser zu überleben und zu gedeihen. Diese Wechselwirkung könnte möglicherweise den Krankheitsverlauf beeinflussen und in neuen Behandlungsstrategien resultieren.

𝗩𝗼𝗻 𝗱𝗲𝗿 𝗟𝘂𝗻𝗴𝗲 𝗯𝗶𝘀 𝘇𝘂𝗺 𝗗𝗮𝗿𝗺 – 𝗮𝗹𝗹𝗲𝘀 𝗵ä𝗻𝗴𝘁 𝘇𝘂𝘀𝗮𝗺𝗺𝗲𝗻

Dass Darm und Lunge in engem Austausch stehen, ist schon länger bekannt. 

Neue Daten eines Forschungsteams aus Jena vertiefen nun dieses Verständnis. Die Forschenden fanden Hinweise, dass sich nicht nur das Lungenmikrobiom, sondern auch das Darmmikrobiom und bestimmte Stoffwechselprodukte im Blut während der Infektion der Lunge mit 𝘈𝘴𝘱𝘦𝘳𝘨𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘧𝘶𝘮𝘪𝘨𝘢𝘵𝘶𝘴 verändern. 

Diese sogenannte „Darm-Lungen-Achse“ könnte in Zukunft eine bedeutende Rolle in der Therapie spielen. 

Die Arbeit wurde im Exzellenzcluster Balance of the Microverse, von Wissenschaftler*innen des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt und kürzlich im Journal Cell Reports veröffentlicht.

𝗠𝗲𝘁𝗵𝗼𝗱𝗶𝗸 𝘂𝗻𝗱 𝗦𝗰𝗵𝗹ü𝘀𝘀𝗲𝗹𝗯𝗲𝗳𝘂𝗻𝗱𝗲

Das Forschungsteam nutzte ein Mausmodell für invasive Aspergillose. Um herauszufinden, wie sich die Infektion auf die Mikroben in Lunge und Darm auswirkt, haben die Forschenden die genetischen Marker der Mikroorganismen untersucht. Um die klinischen Bedingungen möglichst realistisch nachzubilden, wurden auch die Effekte einer Immunsuppression sowie einer antimykotischen Behandlung mit Voriconazol berücksichtigt. Das Team setzte spezialisierte Methoden ein, darunter DNA-Sequenzierung zur Identifizierung von Bakterien in Lunge und Darm sowie quantitative PCR zur Messung der Menge des Pilzerregers Aspergillus fumigatus und des dominanten Bakteriums 𝘓𝘪𝘨𝘪𝘭𝘢𝘤𝘵𝘰𝘣𝘢𝘤𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘮𝘶𝘳𝘪𝘯𝘶𝘴 in der Lunge. Darüber hinaus wurden metabolomische Analysen von Plasma und Lungengewebe durchgeführt. Diese Analysen erfassen und quantifizieren alle Stoffwechselprodukte in einem biologischen System, um Veränderungen im Stoffwechsel zu verstehen. Zudem isolierten die Forschenden lebende Bakterien aus den unteren Atemwegen der Mäuse und kultivierten sie gemeinsam mit 𝘈𝘴𝘱𝘦𝘳𝘨𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘧𝘶𝘮𝘪𝘨𝘢𝘵𝘶𝘴, um mögliche Wechselwirkungen zu untersuchen. Ein Schlüsselergebnis der Studie war, dass die Pilzinfektion sowohl das Lungen- als auch das Darmmikrobiom aus dem Gleichgewicht bringt. In der Lunge führt dies zu einer Anreicherung anaerober Bakterien. Besonders auffällig war das verstärkte Wachstum von 𝘓𝘪𝘨𝘪𝘭𝘢𝘤𝘵𝘰𝘣𝘢𝘤𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘮𝘶𝘳𝘪𝘯𝘶𝘴, was darauf hindeutet, dass der Pilz eine mikroaerophile Nische (geringe Sauerstoffkonzentrationen) schafft, die dieses Bakterium begünstigt.

𝗚𝗿𝗲𝗻𝘇𝗲𝗻 𝗱𝗲𝗿 𝗦𝘁𝘂𝗱𝗶𝗲 – 𝘄𝗮𝘀 (𝗻𝗼𝗰𝗵) 𝗻𝗶𝗰𝗵𝘁 𝗯𝗲𝗮𝗻𝘁𝘄𝗼𝗿𝘁𝗲𝘁 𝗶𝘀𝘁

Die Analyse des Lungenmikrobioms ist eine Herausforderung, da die Menge der bakteriellen DNA in der Lunge sehr gering ist und von menschlicher DNA überlagert wird. „Obwohl wir zahlreiche Kontrollproben analysiert haben, könnten die Ergebnisse immer noch einige Fehlklassifizierungen enthalten, wenn es sich um Bakterien handelt, die in extrem geringen Mengen vorhanden sind“, sagt Liubov Nikitashina, Erstautorin der Studie. Die geringe DNA-Ausbeute beschränkte die bakterielle Identifizierung meist auf die Gattungsebene. Verbesserte Methoden für die bakterielle DNA-Extraktion aus solch schlecht besiedelten Körperstellen könnten künftige Studien noch aussagekräftiger machen.
Die Studie wirft wichtige Fragen für zukünftige Forschungen auf: Welche Rolle spielen anaerobe Bakterien wie 𝘓𝘪𝘨𝘪𝘭𝘢𝘤𝘵𝘰𝘣𝘢𝘤𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘮𝘶𝘳𝘪𝘯𝘶𝘴 bei der Modulation von 𝘈𝘴𝘱𝘦𝘳𝘨𝘪𝘭𝘭𝘶𝘴 𝘧𝘶𝘮𝘪𝘨𝘢𝘵𝘶𝘴-Infektionen? Könnte die Anreicherung dieser Bakterien in der Lunge als diagnostischer Marker dienen oder sogar neue therapeutische Ansätze ermöglichen?

𝗘𝗶𝗻 𝗸𝗹𝗲𝗶𝗻𝗲𝗿 𝗣𝗶𝗹𝘇 𝗺𝗶𝘁 𝗴𝗿𝗼ß𝗲𝗿 𝗪𝗶𝗿𝗸𝘂𝗻𝗴

Gerade für immungeschwächte oder bereits schwer erkrankte Menschen – etwa auf Intensivstationen oder mit Krebserkrankung – sind Pilzinfektionen ein ernstes Problem. 

Die neuen Erkenntnisse liefern wichtige Hinweise, wie sich solche Infektionen besser verstehen und möglicherweise verhindern lassen. Vielleicht lässt sich künftig gezielt das Mikrobiom beeinflussen, um den Körper im Kampf gegen den Pilz zu unterstützen – oder neue Medikamente entwickeln, die genau hier ansetzen.

Die Arbeiten an diesem Projekt wurden mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Europäischen Union gefördert.

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Prof. Dr. Axel A. Brakhage
Molekulare und Angewandte Mikrobiologie
Abteilungsleiter

+49 3641 532-1001
axel.brakhage@leibniz-hki.de

Originalpublikation:
Nikitashina L, Chen X, Radosa L, Li K, Straßburger M, Seelbinder B, Böhnke W, Vielreicher S, Nietzsche S, Heinekamp T, Jacobsen ID, Panagiotou G, Brakhage AA (2025) The murine lung microbiome is disbalanced by the human-pathogenic fungus Aspergillus fumigatus resulting in enrichment of anaerobic bacteria, Cell Reports 44

DOI: 

https://doi.org/10.1016/j.celrep.2025.115442

Tremor und Morbus Parkinson

Nicht-invasive Ultraschall-Therapie bringt Tremor-Patient*innen anhaltende Besserung ihrer Symptome / 

Einmalig in Süddeutschland / Therapie auch bei der Parkinson-Erkrankung und neuropathischen Schmerzen einsetzbar

Die Tasse mit heißem Kaffee zitterfrei in der Hand halten – ein Moment, der für viele Tremor-Patient*innen ein neues Lebensgefühl bedeutet. 

Am Universitätsklinikum Freiburg gibt es gegen den Essentiellen Tremor jetzt eine neue, schonende Behandlungsoption: 

Erstmals in Süddeutschland ist hier eine Therapie möglich, die gezielt ins Gehirn eingreift – ohne Operation, ohne den Kopf zu eröffnen, ohne Schnitt, ohne Implantat. 

Mit fokussiertem Ultraschall (HiFUS) können bestimmte Hirnareale millimetergenau behandelt und so das Zittern ausgeschaltet werden – sicher, präzise und mit kurzer Erholungszeit. Die Therapie ist auch bei der Parkinson-Erkrankung und neuropathischen Schmerzen zugelassen.

„Mit dem neuen System können wir den Tremor-Patient*innen eine sichere, schonende und langfristig wirksame Therapie anbieten, für die eine Operation nicht in Frage kommt“, sagt Prof. Dr. Volker A. Coenen, Leiter der Abteilung für Stereotaktische Neurochirurgie an der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Freiburg. „Der Effekt tritt sofort ein und nach der Behandlung können die Betroffenen wieder zitterfrei trinken, essen oder schreiben, was oft fast unmöglich war. Damit können die Betroffenen wieder ein normales Leben führen.“

Was ist ein Tremor?

Ein Tremor ist eine Form der Bewegungsstörung, bei der es zu unwillkürlichem Zittern kommt – am häufigsten an Händen oder Armen, seltener an Kopf oder Rumpf. In Deutschland ist etwa eine von 100 Personen vom sogenannten Essentiellen Tremor betroffen – einem Zittern ohne erkennbare neurologische Ursache. Diese Form tritt oft familiär gehäuft auf und verstärkt sich, wenn Muskeln aktiv angespannt werden, etwa beim Schreiben oder Trinken. Bei Parkinson-Erkrankten mit Tremor ist es meist umgekehrt: Das Zittern nimmt bei gezielten Bewegungen eher ab.

In den USA üblich, in Deutschland Pionierarbeit

HiFUS wird in den USA bereits seit rund zehn Jahren erfolgreich eingesetzt. In Deutschland war die Verfügbarkeit bisher jedoch stark eingeschränkt. „Der Grund war vor allem die fehlende Abrechnungsmöglichkeit über die Krankenkassen. Dieses Problem ist nun endlich gelöst. An der Wirksamkeit gibt es keine Zweifel“, erläutert Coenen und ergänzt: „Wir freuen uns sehr, dass wir die Therapie anbieten können. Und wir haben auch gesehen, dass sich viele Patient*innen diese Therapie sehr wünschen.“

Präzise Behandlung ohne Schnitt – neue Option für schwer Betroffene

Die schmerzfreie HiFUS-Behandlung erfolgt vollständig ohne Schnitte oder Implantate: Patient*innen liegen während des Eingriffs in einem Magnetresonanztomografen (MRT), mit dem die Behandlung in Echtzeit überwacht wird. Über einen speziellen Helm werden über 1.000 Ultraschallstrahlen gebündelt und punktgenau auf ein Areal des Thalamus gerichtet, das als wichtige Durchleitungsstation für die Tremor-Signale im Gehirn dient. Durch die entstehende Wärme werden die überaktiven Nervenzellen gezielt deaktiviert, ohne umliegendes Gewebe zu schädigen.

„Die Patient*innen sind während der gesamten HiFUS-Behandlung wach und erleben die Wirkung auf ihren Tremor direkt mit. Das ist für Patient*innen und Behandelnde ein ganz besonderer Moment“, erklärt Neurochirurg Dr. Bastian Sajonz, Oberarzt der Abteilung für Stereotaktische Neurochiurgie des Universitätsklinikums Freiburg. Die Methode eignet sich insbesondere für Patient*innen, die auf Medikamente nicht ausreichend ansprechen oder keine tiefe Hirnstimulation wünschen.

Schnelle und anhaltende Erholung

Die neue HiFUS-Therapie überzeugt nicht nur durch ihre Präzision, sondern auch durch eine kurze Erholungszeit und ein geringes Risiko für Komplikationen. Das Ultraschallgerät der neuesten Generation ermöglicht zudem eine verbesserte Darstellung der Zielregion im Gehirn und einen optimierten Arbeitsablauf für das Behandlungsteam. Dadurch kann noch präziser gearbeitet werden und der Eingriff dauert kürzer.

„Viele Patient*innen können das Krankenhaus bereits nach wenigen Tagen verlassen und rasch in ihren Alltag zurückkehren“, sagt Sajonz. Internationale Studien belegen eine anhaltende Symptomverbesserung über mehrere Jahre. Die HiFUS-Behandlung in Freiburg ist Teil der klinischen Routineversorgung; eine Kostenübernahme erfolgt durch die Krankenkassen.

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Weitere Informationen: www.uniklinik-freiburg.de/stereotaxie

Kontakt: hifus@uniklinik-freiburg.de

Mitrochondien

Forschende der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben eine neue Methode entwickelt, um die Energieproduktion der menschlichen Zellen besser zu verstehen. Störungen in diesem Prozess führen zu schweren und häufig tödlich verlaufenden Erkrankungen, die die Skelettmuskel- und Nervenzellen, aber auch das Herz betreffen können. Die Ergebnisse sind in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ erschienen.

Mitochondrien sind die „Kraftwerke der Zelle“. Sie liefern dem Körper die Energiewährung Adenosin-Triphosphat (ATP), die alle Körperaktivitäten antreibt. Bei der ATP-Herstellung verbrauchen die Mitochondrien unter anderem zirka 95 Prozent des eingeatmeten Sauerstoffs. Dieser Prozess findet an der sogenannten Atmungskette in den Mitochondrien statt, die aus zahlreichen einzelnen Proteinen aufgebaut wird. Funktionsstörungen in der Atmungskette führen zu schweren und häufig tödlichen Erkrankungen, die Skelettmuskel- und Nervenzellen, aber auch das Herz betreffen können.

Mitochondrien besitzen ihr eigenes Erbgut, die mitochondriale DNA, kurz mtDNA. Diese wird für die Herstellung von dreizehn zentralen Proteinen der Atmungskette benötigt. Viele der mitochondrialen Erbkrankheiten beruhen auf Veränderungen der mtDNA, wodurch es zu Funktionsausfällen der Atmungskette und damit zu einer Störung der Energieversorgung der Zelle kommt. Wie die mtDNA abgelesen und in Proteine übersetzt wird, ist bisher nur unzureichend geklärt. Grund dafür ist, dass es bislang keine Techniken gibt, die Proteinproduktion in Mitochondrien zu beeinflussen.

Forschenden um Prof. Dr. Peter Rehling, Direktor des Instituts für Zellbiochemie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und Mitglied des Göttinger Exzellenzclusters „Multiscale Bioimaging: Von Molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC), sind nun einen Schritt weiter: Ihnen ist es gelungen, eine neue Technologie zu entwickeln, mit der sich die Proteinbildung in den Mitochondrien lebender Zellen verändern lässt. Die mit Hilfe dieser neuen Technik gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es, grundlegende Prinzipien der zellulären Energieproduktion zu verstehen und damit auch Rückschlüsse auf die Entstehung „Mitochondrialer Erkrankungen“ zu gewinnen. Das bereits im Jahr 2023 begonnene Projekt „Mechanistische Erkenntnisse zur mitochondrialen Genexpression“, kurz „MiXpress“, wird durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) mit knapp zwei Millionen Euro für fünf Jahre gefördert.

Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht.

Originalpublikation:
Cruz-Zaragoza LD, Dahal D, Koschel M, Boshnakovska A, Zheenbekova A, Yilmaz M, Morgenstern M, Dohrke J-N, Bender J, Valpadashi A, Henningfeld KA, Oeljeklaus S, Kremer LD, Breuer M, Urbach O, Dennerlein S, Lidschreiber M, Jakobs S, Warscheid B & Rehling P. Silencing mitochondrial gene expression in living cells. Science (2025). DOI: 10.1126/science.adr3498

Die Studie im Detail

Der Prozess der Bildung wichtiger Proteine der Atmungskette in den Mitochondrien ist sehr komplex. Störungen im Ablauf können zu einer Vielzahl von Krankheiten führen, einschließlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Erkrankungen des Nervensystems. „Um die molekularen Mechanismen der Proteinbildung in Mitochondrien zu verstehen, brauchen wir experimentelle Ansätze, die es uns erlauben, die einzelnen Schritte zu beeinflussen”, sagt Prof. Rehling, Seniorautor der Publikation. „Solche Technologien helfen uns zu verstehen, wie Störungen eines biologischen Prozesses die Zellen verändern. Zudem können wir damit untersuchen, wie die Zellen auf solche Veränderungen reagieren, um diese auszugleichen.“ Bisher fehlten jedoch experimentelle Strategien, um die Proteinbildung in Mitochondrien zu untersuchen. Bereits etablierte Techniken, wie zum Beispiel die Genschere (CRISPR), mit der das Erbgut gezielt verändert werden kann, funktionieren in den Mitochondrien nicht, da die Membran der Mitochondrien eine unüberwindbare Barriere für die Genschere darstellt.

Gezielte Ausschaltung von Proteinen in lebenden Zellen

Mit der neuen Technik der Göttinger Forschenden wird die Barriere der Mitochondrien überwunden. Sie verwenden ein chemisch verändertes kleines Proteinfragment, das als Chimär bezeichnet wird. Es enthält die notwendige Information, eine Art „Postleitzahl“, um in die Mitochondrien zu gelangen. Dort angekommen, greift es gezielt in den Prozess der Proteinbildung ein. Damit ein Protein gebildet werden kann, muss zunächst eine Kopie des Erbgutes, in diesem Fall der mtDNA, erstellt werden. Diese Kopie enthält den Bauplan des zu bildenden Proteins. Das Chimär wurde im Vorfeld so gebaut, dass es sich gezielt an den Bauplan eines ausgewählten Proteins anlagert und dadurch die weiteren Schritte zur Erstellung eines funktionsfähigen Proteins blockiert. Auf diese Weise kann untersucht werden, wie sich der Stoffwechsel der Zelle verändert, wenn bestimmte Proteine nicht mehr gebildet werden.

Die Forschenden waren zudem in der Lage, die Proteinbildung in den Mitochondrien von Herzmuskel- und Leberzellen zu beeinflussen. „Mit Hilfe der neuen Technologie kann jetzt erstmals untersucht werden, wie Zellen auf sehr spezifische Störungen der Proteinproduktion reagieren", so Dr. Luis Daniel Cruz-Zaragoza, Gruppenleiter am Institut für Zellbiochemie der UMG und Erstautor der Studie. „Damit ergeben sich völlig neue Möglichkeiten, Einblicke in die Entstehung mitochondrialer Erkrankungen zu gewinnen und darauf aufbauend neue Therapien zu entwickeln.“

Der Göttinger Exzellenzcluster MBExC

Der Göttinger Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC) wird seit Januar 2019 im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert. Mit einem einzigartigen Forschungsansatz untersucht MBExC die krankheitsrelevanten Funktionseinheiten elektrisch aktiver Herz- und Nervenzellen, von der molekularen bis hin zur Organebene mithilfe von innovativen bildgebenden Verfahren, wie optischer Nanoskopie, Röntgenbildgebung und Elektronentomographie. Hierfür vereint MBExC zahlreiche universitäre und außeruniversitäre Göttingen Campus-Partner. Das übergeordnete Ziel: den Zusammenhang von Herz- und Hirnerkrankungen zu verstehen, Grundlagen- und klinische Forschung zu verknüpfen, und damit neue Therapie- und Diagnostikansätze mit gesellschaftlicher Tragweite zu entwickeln.

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Prof. Dr. Peter Rehling, Institut für Zellbiochemie, Telefon 0551 / 39-65947,
peter.rehling@med.uni-goettingen.de, www.biochemie.uni-goettingen.de

Originalpublikation:
Cruz-Zaragoza LD, Dahal D, Koschel M, Boshnakovska A, Zheenbekova A, Yilmaz M, Morgenstern M, Dohrke J-N, Bender J, Valpadashi A, Henningfeld KA, Oeljeklaus S, Kremer LD, Breuer M, Urbach O, Dennerlein S, Lidschreiber M, Jakobs S, Warscheid B & Rehling P. Silencing mitochondrial gene expression in living cells. Science (2025). DOI: 10.1126/science.adr3498
Weitere Informationen finden Sie unter
- Rehling-Labor
- Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC)

Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Gallengänge

Forschungsteam des Exzellenzclusters PMI zeigt, dass das Immunsystem bei primär sklerosierender Chloangitis verstärkt auf das Epstein-Barr-Virus reagiert./ Publikation in Nature Medicine

Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Gallengänge, bei der anhaltende Entzündungen in Kombination mit einer Vernarbung des Gewebes (Fibrose) zu einer Verengung der Gallengänge und schließlich zum Leberversagen führen. 

Für PSC gibt es bislang keine Heilung, in fortgeschrittenen Stadien stellt eine Lebertransplantation die einzige Behandlungsmöglichkeit dar. Obwohl es sich um eine seltene Erkrankung handelt, ist PSC in Nordeuropa und den USA für 10–15 % aller Lebertransplantationen verantwortlich. Die Belastung für die Betroffenen sowie die Gesundheitskosten sind hoch. 60-80 Prozent der PSC-Erkrankten leiden außerdem unter einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Die Ursachen für PSC sind bislang weitgehend unbekannt, doch werden zunehmend genetische Veranlagungen und fehlregulierte Immunreaktionen als mögliche Auslöser identifiziert.

Nun haben Forschende des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) in Kiel gezeigt, dass bei Menschen mit PSC eine verstärkte Immunantwort gegen das Epstein-Barr-Virus (EBV) vorliegt. Dies deutet auf einen möglichen Zusammenhang zwischen einer Reaktivierung des EBV und der Entstehung der Erkrankung hin. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt im renommierten Fachmagazin Nature Medicine veröffentlicht.

Umfassende molekulare und statistische Analysen zeigen einen Zusammenhang

Die Forschenden haben dazu das Immunsystem bei Personen mit PSC und gesunden Probanden genau untersucht. Dabei konzentrierten sie sich sowohl auf T-Zellen als auch auf B-Zellen, beides wichtige Zellen des menschlichen Immunsystems. T-Zellen haben auf ihrer Oberfläche hochspezifische Rezeptoren, so genannte T-Zell-Rezeptoren (TCR). Diese erkennen bestimmte Strukturen von Krankheitserregern, die von einer Gruppe von Proteinen, den sogenannten humanen Leukozytenantigenen (HLAs), präsentiert werden. Die Gesamtheit der einzigartigen TCRs in einer Probe wird als T-Zell-Repertoire bezeichnet.

Mithilfe moderner Sequenzierungstechnologien analysierte das Team Blutproben von über 500 Personen mit PSC und mehr als 900 gesunden Kontrollpersonen, um T-Zell-Rezeptoren zu identifizieren, die bei PSC-Betroffenen vermehrt vorkommen. Dabei stellten sie fest, dass bestimmte Rezeptoren bei Personen mit PSC häufiger auftreten als bei gesunden Kontrollpersonen. Allein aus den Sequenzen lässt sich jedoch nicht ableiten, welche Krankheitserreger von diesen Rezeptoren erkannt werden. Um dies herauszufinden, verglichen die Forschenden die Sequenzen mit spezialisierten Datenbanken, die Informationen aus früheren Studien darüber enthalten, welche TCRs welche Krankheitserreger erkennen.

„Wir haben herausgefunden, dass die Gruppe der T-Zell-Rezeptoren, die wir bei Personen mit PSC häufiger gefunden haben - und somit eindeutig mit der Krankheit in Verbindung gebracht werden können -, mehrere TCRs enthält, die an verschiedene Proteine des Epstein-Barr-Virus (EBV) binden“, erklärt Dr. Hesham ElAbd, Erstautor der Studie und Postdoc am Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel. „Das deutet auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der verstärkten Immunantwort auf EBV und der Entstehung von PSC hin“, so ElAbd weiter.

Zusammenhang auch auf B-Zell-Ebene bestätigt

„Wir wollten ganz sichergehen, dass die beobachteten Effekte wirklich richtig und belastbar sind. Daher haben wir uns nicht nur die T-Zellen, sondern auch B-Zellen angesehen“, erklärt ElAbd. B-Zellen produzieren Antikörper, die im Blut zirkulieren und ähnlich wie die T-Zellen mit ihren Rezeptoren ebenfalls spezifisch Teile von Krankheitserregern erkennen, binden und so Immunantworten gegen diese Erreger initiieren. Die Zusammensetzung aller Antikörper im Blut eines Menschen kann Hinweise darauf geben, mit welchen Krankheitserregern das Immunsystem bereits in Kontakt getreten ist und welche Infektionen akut vorliegen.

Das Forschungsteam verwendete eine Hochdurchsatz-Methode zur Bestimmung der antigenerkennenden Eigenschaften von Antikörpern – das sogenannte Phagen-Immunpräzipitations-Sequenzieren (PhIP-Seq) – um die Antikörperspezifität, also das Antikörperrepertoire, von Personen mit PSC und passenden gesunden Kontrollpersonen zu analysieren. Auf diese Weise beobachteten die Forschenden auch auf der B-Zellebene bei Personen mit PSC eine stärkere Immunantwort auf mehrere EBV-Antigene im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen.

Eppstein-Barr-Virus ist bei PSC reaktiviert

Mehr als 95% der Bevölkerung ist mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) infiziert. Bei manchen Menschen führt die Erstinfektion zu einer infektiösen Mononukleose, bekannt als Pfeiffersches Drüsenfieber. Bei den meisten verläuft sie jedoch ohne Symptome. Anschließend verbleibt das Virus inaktiv im Körper und geht in die sogenannte Latenzphase über. EBV wechselt mit der Zeit zwischen einer lytischen - das heißt aktiven - und einer latenten Phase ab, wobei das Wiederauftreten aus dem latenten in den lytischen Zustand als EBV-Reaktivierung bezeichnet wird.

"Das Immunsystem greift in der lytischen Phase andere EBV-Proteine an als in der Latenzphase. Unsere Analysen haben gezeigt, dass sich das Virus bei Personen mit PSC in einem reaktivierten Zustand befindet. Diese Reaktivierung scheint bei der Entwicklung der PSC eine Rolle zu spielen, ähnlich wie bei anderen chronischen Entzündungskrankheiten", erklärt ElAbd. Frühere Studien haben gezeigt, dass die EBV-Reaktivierung auch mit anderen Autoimmun- und immunvermittelten Entzündungskrankheiten wie rheumatoider Arthritis, Multipler Sklerose und Lupus in Verbindung steht.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigten ihre Ergebnisse auch durch die Analyse amerikanischer Gesundheitsdaten von über 116 Millionen Personen. Auch die epidemiologischen Daten zeigten einen Zusammenhang zwischen Pfeifferschem Drüsenfieber und der Entwicklung von PSC.

„Die vorliegenden Ergebnisse zeigen den Zusammenhang zwischen dem Virus und PSC, aber sie lassen bisher noch keinen kausalen Zusammenhang herstellen. Dazu bedarf es weiterer Untersuchungen“, betont Professor Andre Franke, Seniorautor der Studie und Direktor des IKMB. „Falls ein kausaler Zusammenhang besteht, ist es außerdem wichtig zu verstehen, wie das Epstein-Barr-Virus die Entstehung von PSC beeinflusst“, so Franke weiter. Das müssen nun weitere Studien zeigen. „Auch bleibt die Frage offen, warum manche Menschen, die das Epstein-Barr-Virus in sich tragen, PSC entwickeln, während die meisten Menschen das trotz Virus nicht tun. Hier müssen weitere Faktoren eine Rolle spielen, wie etwa die Gene und die Umwelt“, so Franke weiter. Das Forschungsteam konnte bereits erste Hinweise darauf finden, dass Personen, die nach einer EBV-Infektion eine PSC oder Multiple Sklerose entwickeln, später im Leben als der Durchschnitt Pfeiffersches Drüsenfieber bekommen haben, d.h. eine frühe Infektion scheint von Vorteil für den Menschen zu sein.

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit Forschungsteams des Osloer Universitätsspitals Rikshospitalet, der Medizinischen Universität Wien, des Universitätsspitals Basel, und der Universität Basel sowie dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf durchgeführt.

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Professor Dr. Andre Franke
Institut für Klinische Molekularbiologie, CAU und UKSH
Medizinische Fakultät
Tel.: 0431 500 15110
Mail: a.franke@mucosa.de

Originalpublikation:
ElAbd, H., Pesesky, M. et al.: T and B cell responses against Epstein–Barr virus in primary sclerosing cholangitis. Nat Med (2025). https://doi.org/10.1038/s41591-025-03692-w

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Symposium „Perspektiven einsamer und nicht-einsamer Menschen auf Einsamkeit und soziale Einbindung

Das Symposium „Perspektiven einsamer und nicht-einsamer Menschen auf Einsamkeit und soziale Einbindung“, das vom 2. bis 4. Juli 2025 in Hannover stattfindet, widmet sich der gesellschaftlichen Herausforderung Einsamkeit. Ziel ist die Entwicklung sozialraumorientierter Präventions- und Interventionsansätze. Besonderes Augenmerk liegt auf der aktiven Einbindung betroffener Personen.

Die Auseinandersetzung mit Einsamkeit ist eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung. Unter dem Titel „Perspektiven einsamer und nicht-einsamer Menschen auf Einsamkeit und soziale Einbindung“ bringt ein interdisziplinäres Symposium vom 2. bis 4. Juli 2025 führende Wissenschaftler:innen, Praktiker:innen sowie betroffene Personen zusammen. Ziel ist es, sozialraumorientierte Ansätze zur Prävention und Linderung von Einsamkeit zu entwickeln.

Ein besonderes Merkmal des Symposiums ist die aktive Einbindung von Menschen, die selbst Erfahrungen mit Einsamkeit gemacht haben. „Es geht uns nicht nur darum, über Einsamkeit zu sprechen, sondern vor allem mit denjenigen, die sie erleben“, betont Prof. Dr. Michael Noack, von der Hochschule Niederrhein, der das Symposium zusammen mit dem Team des Projektes der Wüstenrot Stiftung „Einsamkeit. Neue Anforderungen an lebendige Quartiere“ initiiert hat. Dieser Dialog ist entscheidend, um die spezifischen Bedürfnisse und Perspektiven Betroffener in praxisorientierte Lösungsansätze einzubeziehen.

Das Symposium wird im Rahmen der Themenwoche „Gem/Einsamkeit“ von der Volkswagen Stiftung gefördert und umfasst in einem dreitägigen Programm Keynotes, moderierte Diskussionsrunden und Zukunftswerkstätten. Themenschwerpunkte sind unter anderem der Abbau von Informationsbarrieren und der Umgang mit Einsamkeit verbundenen Scham.

Eine Teilnahme am Symposium ist nur auf Einladung möglich. Bei Rückfragen oder Interesse wenden Sie sich bitte an Alina Esch per Mail an alina.esch@stud.hn.de.

Wann: 2. bis 4. Juli 2025
Wo: Xplanatorium Schloss Herrenhausen, Kongresszentrum, Herrenhäuser Str. 5, 30419 Hannover

Dein Geruchssinn

Geruch von Nahrung aktiviert Gehirnzellen, die bei Mäusen das Hungergefühl verringern

• Nervenzellen, die direkt mit dem Riechkolben verbunden sind, lösen ein Sättigungsgefühl aus.
• Diese Nervenzellen lösen bei fettleibigen Mäusen kein Sättigungsgefühl aus
• Ergebnisse sind für die Verhaltenstherapie von Adipositas von Bedeutung.


Kein Hunger mehr nach dem Kochen? Dafür ist ein neu identifiziertes Netzwerk von Nervenzellen verantwortlich, wie eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung bei Mäusen herausgefunden hat. Sie entdeckten eine direkte Verbindung von der Nase zu bestimmten Nervenzellen im Gehirn. Diese werden durch den Geruch von Nahrung aktiviert und lösen ein Sättigungsgefühl aus. Dies war bei fettleibigen Mäusen nicht der Fall. Diese Entdeckung könnte darauf hindeuten, dass bei der Behandlung von Übergewicht der Umgang mit Gerüchen vor dem Essen je nach Gewicht unterschiedlich gestaltet werden müsste.

Mithilfe von Gehirnscans untersuchten die Forschenden, welche Regionen im Gehirn der Mäuse auf Futtergerüche reagieren. Dabei konnten sie eine neue Gruppe von Nervenzellen in dem medialen Septum identifizieren. Diese Nervenzellen reagieren in zwei Schritten auf Nahrung: Wenn die Maus Nahrung riecht, werden die Nervenzellen aktiv und erzeugen ein Sättigungsgefühl. Dies geschieht innerhalb weniger Sekunden, da sie direkt mit dem olfaktorischen Bulbus (Riechkolben) verbunden sind. Dabei reagieren die Nervenzellen ausschließlich auf verschiedene Futtergerüche. Sobald die Mäuse zu essen begannen, wurden die Nervenzellen im zweiten Schritt gehemmt. Insgesamt aßen die Mäuse weniger, wenn die Nervenzellen vor dem Essen aktiv waren.

„Wir glauben, dass dieser Mechanismus den Mäusen in freier Wildbahn dabei hilft, sich vor Raubtieren zu schützen. Indem sie kürzer fressen, verringern sie die Wahrscheinlichkeit, gefangen zu werden“, erklärt Janice Bulk, Erstautorin der Studie.

Übergewicht stört die Wahrnehmung

Bei fettleibigen Mäusen wurde dieselbe Gruppe von Nervenzellen nicht aktiviert, wenn die Tiere Nahrung rochen. Die Mäuse fühlten sich nicht satter und aßen insgesamt nicht weniger. Es ist bereits bekannt, dass Fettleibigkeit den Geruchssinn beeinträchtigt, was sich auch auf die Aktivität der Nervenzellen im olfaktorischen Bulbus auswirkt. Auch die neu identifizierte Gruppe von Nervenzellen könnte davon betroffen sein.

Und beim Menschen?

Das menschliche Gehirn enthält die gleiche Gruppe von Nervenzellen wie das der Maus, es ist jedoch noch nicht bekannt, ob diese Nervenzellen auch auf Essensgerüche reagieren. Studien anderer Forschungsgruppen haben gezeigt, dass das Riechen bestimmter Gerüche vor einer Mahlzeit den Appetit verringern kann. Im Gegensatz dazu wurde in anderen Studien gezeigt, dass in der gleichen Situation von übergewichtigen Personen deutlich mehr gegessen wird.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, den Geruchssinn bei der Appetitregulierung und der Entstehung von Fettleibigkeit zu berücksichtigen. Unsere Studie zeigt, wie stark unsere täglichen Essgewohnheiten durch den Geruch von Lebensmitteln beeinflusst werden. Da wir herausgefunden haben, dass dieser Signalweg nur bei normalgewichtigen Mäusen den Appetit reduziert, nicht aber bei fettleibigen Mäusen, eröffnet unsere Studie einen neuen Ansatz, um übermäßiges Essen bei Adipositas zu reduzieren“, sagt Sophie Steculorum, Leiterin der Studie und Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung.

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Sophie M. Steculorum, Ph.D.
E-Mail: sophie.steculorum@sf.mpg.de

Originalpublikation:
Janice Bulk, Joscha N. Schmehr, Tobias Ackels, Rui de Oliveira Beleza, Andre Carvalho, Ayden Gouveia, Lionel Rigoux, Vincent Hellier, Anna Lena Cremer, Heiko Backes, Andreas Schaefer, Sophie M. Steculorum
A food-sensitive olfactory circuit drives anticipatory satiety
Nature Metabolism, 11.6.2025
https://www.nature.com/articles/s42255-025-01301-1

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.sf.mpg.de

Nach Pfingsten 2025: Wit am Arbeitsplatz

Studie der Uni Hohenheim zeigt: Emotionen im Job besser nicht unterdrücken, sondern sinnvoll nutzen – richtig dosierte Äußerung von Ärger kann Produktivität sogar fördern

Wut im Job – ein absolutes No-Go? Nicht

 unbedingt! Eine Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart zeigt: Wut am Arbeitsplatz kann überraschend positive Effekte haben. Über zwei Wochen hinweg befragten die Forschenden 214 Angestellte in zehn unterschiedlichen Branchen dreimal täglich zu ihren Ärger-Erlebnissen sowie ihrem Umgang damit und ihren Arbeitsergebnissen. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Annahme, dass Wut zwangsläufig die Produktivität beeinträchtigt, fanden die Forschenden, dass es darauf ankommt, wie wir mit Wut umgehen und wie gut sozial eingebunden sich Angestellte fühlen. Im günstigen Fall kann Wut sogar dazu beitragen, berufliche Ziele zu erreichen – vorausgesetzt, sie wird konstruktiv bewältigt.

„Ärger an sich ist kein Produktivitätskiller. In den 1.611 Momentaufnahmen konnten wir keinen direkten Zusammenhang zwischen Ärger und kognitiver Energie oder Produktivität feststellen“, fasst Studienleiter Dr. Robin Umbra vom Fachgebiet Wirtschafts- und Organisationspsychologie die Ergebnisse der Studie zusammen. „Ärger bleibt neutral, bis wir entscheiden, wie wir damit umgehen.“

„Ausschlaggebend ist die Bewältigungsstrategie und wie sozial eingebunden wir sind: Menschen, die ihren Ärger konstruktiv angehen und offen und respektvoll die Ursache ihres Unmuts ansprechen, können die Energie, die durch Wut freigesetzt wird, produktiv nutzen“, so Fachgebietsleiterin Prof. Dr. Ulrike Fasbender. So gelinge es ihnen oft, Konflikte zu lösen und Arbeitsziele effektiver zu erreichen. Ein Ansatz, den die Forschenden als „konfrontative Bewältigung“ bezeichnen. Wichtig ist dabei, dass Menschen sich sozial eingebunden fühlen, denn nur dann kann diese Energie positiv genutzt werden.

Hingegen neigen manche Menschen dazu, ihren Ärger still in sich hinein zu fressen oder gedanklich immer wieder über die Situation nachzugrübeln, ohne aktiv eine Lösung zu suchen. Dieses „grübelnde Bewältigen“ führt häufig zu negativen Konsequenzen wie Erschöpfung, Konzentrationsproblemen und einem Rückgang der Produktivität.

Zusammengehörigkeitsgefühl als Voraussetzung

Ein entscheidender Faktor ist dabei die Einbindung ins Team: Beschäftigte, die ein ausgeprägtes „Wir-Gefühl“, also Zusammenarbeit und Zugehörigkeit erleben, gehen tendenziell anders mit Wut bzw. deren Bewältigung um. Sie nutzen die Energie dieser Emotion häufiger als Antrieb, um die Teamarbeit zu verbessern und gemeinsame Ziele zu erreichen. „In vertrauensvollen Teams kann Ärger Probleme sichtbar machen und als Motivationsfunke dienen“, so das Resümee von Dr. Umbra. Dies gelte auch für eher grüblerisch veranlagte Menschen.

Aus Sicht der Forschenden sollte deshalb der Umgang mit Wut und anderen Emotionen am Arbeitsplatz in Unternehmen überdacht werden. „So könnten Mitarbeitende geschult werden, Ärger frühzeitig zu erkennen und gezielt in positive Energie umzuwandeln. Indem Unternehmen Emotionen als wichtige Ressource begreifen, können sie nicht nur das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten verbessern, sondern auch deren Produktivität und Kreativität steigern“, sagt Dr. Umbra. 

„Statt Gefühle zu unterbinden, sollten Führungskräfte genau hinsehen, die Emotionen anderer erkennen, darauf reagieren und auch das Wir-Gefühl stärken. Dann wird Ärger zur Informationsquelle statt zum Risiko.“

Weitere Informationen
Link zur Publikation: 

https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2025.1538...

Text: Stuhlemmer

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Dr. Robin Umbra, Universität Hohenheim, Fachgebiet Wirtschafts- und Organisationspsychologie,
T +49 (0)711 459 24 752, E robin.umbra@uni-hohenheim.de

Prof. Dr. Ulrike Fasbender, Universität Hohenheim, Fachgebiet Wirtschafts- und Organisationspsychologie,
T +49 (0)711 459 24754, E ulrike.fasbender@uni-hohenheim.de

Originalpublikation:
https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2025.1538...

Einladungslisten zur Angstauslösung

Studien haben gezeigt, dass Konfrontationen mit angstauslösenden Reizen wie Spinnen oder großer Höhe in der virtuellen Realität Betroffenen helfen können. 

Doch nicht alle Menschen profitieren von einer solchen Intervention. 

Eine aktuelle Studie soll die Frage beantworten, ob es einen Weg gibt, Interventionen in virtueller Realität für diese Personen wirksamer zu gestalten. 

Für die Studie werden Teilnehmende zwischen 18 und 65 Jahren mit Höhenangst gesucht. 

Interessierte können sich per E-Mail an das Studienteam wenden: 

vrundhoehe2023-klipsy@rub.de


MaAB-CAVE:

Ablauf und Voraussetzungen

Die Studie umfasst unter anderem einen Verhaltenstest in realer Höhe sowie computergestützte Aufgaben. Es finden drei Termine statt: zwei davon an aufeinanderfolgenden Tagen, ein weiterer rund drei Monate später. Der gesamte Zeitaufwand beträgt rund sieben bis acht Stunden. Als Aufwandsentschädigung erhalten Teilnehmende 85 Euro.

Für die Studie sind keine Vorerfahrungen mit Virtual-Reality-Technologie nötig. Teilnehmende müssen über ausreichende Deutschkenntnisse sowie normales oder korrigiertes Sehvermögen verfügen. 


TOP:

Ausgeschlossen sind Personen mit psychischen oder neurologischen Vorerkrankungen, Herzerkrankungen oder Herzschrittmachern sowie Menschen, die in der Vergangenheit bereits an vergleichbaren Studien mit Höhenkonfrontationen teilgenommen haben.

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Kayleigh Piovesan
Department of Clinical and Behavioral Neurosciences
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28469
E-Mail: 

kayleigh.piovesan@ruhr-uni-bochum.de

Verdauungsprodukte mit Sättigungseffekt

Eine aktuelle Studie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München zeigt: Auch weniger bitter schmeckende Erbsenproteinhydrolysate können ebenso starke Sättigungssignale in Magenzellen auslösen wie ihre bittereren Pendants. Entscheidend ist, dass bei ihrer Verdauung im Magensaft neue bittere Proteinfragmente entstehen, welche die Ausschüttung von Magensäure und des Botenstoffs Serotonin stimulieren – beide Signale tragen im Körper maßgeblich zum Sättigungsgefühl bei. Die Studienergebnisse eröffnen neue Perspektiven für die Entwicklung pflanzlicher Lebensmittel, die Gesundheit, Geschmack und Nachhaltigkeit sinnvoll vereinen.

Erbsenproteinhydrolysate sind Pulver aus enzymatisch oder chemisch aufgespaltenen Erbsenproteinen. Sie bestehen aus einer Mischung von kleinen Proteinfragmenten, sogenannten Peptiden, sowie freien Aminosäuren. Derzeit gewinnen sie in der Lebensmittelproduktion zunehmend an Bedeutung, da sie als gut verträglich gelten, ein hochwertiges Aminosäureprofil aufweisen und das Sättigungsgefühl fördern.

„Ein großes Manko ist jedoch ihr oft intensiver Bittergeschmack, den viele Verbraucherinnen und Verbraucher ablehnen“, erklärt Katrin Gradl, Erstautorin der Studie und Doktorandin am Leibniz-Institut. „Unser Ziel war es daher, Wege zu finden, diese geschmackliche Hürde zu überwinden, ohne die sättigende Wirkung der Produkte zu verlieren“, ergänzt Studienleiterin Veronika Somoza.

Die Herausforderung

Bittere Peptide können im Magen jedoch Signale auslösen, die den Sättigungseffekt verstärken. Den Bittergeschmack der Proteinhydrolysate lediglich zu reduzieren, könnte daher auch ihre sättigende Wirkung mindern. „Unsere früheren Untersuchungen mit Milchproteinen hatten jedoch gezeigt, dass solche bioaktiven, bitteren Peptide nicht zwingend im Ausgangsprodukt enthalten sein müssen, sondern auch erst während der Verdauung im Magensaft entstehen können“, erklärt Co-Autor Phil Richter aus dem Team von Veronika Somoza.

Vor diesem Hintergrund simulierte das Forschungsteam die Magenverdauung eines bitteren und eines weniger bitteren Proteinhydrolysats mithilfe künstlichen Magensafts und analysierte anschließend die neu entstandenen Peptide.

Verdauungsprodukte mit Sättigungseffekt

Mittels chemischer und computergestützter Analysemethoden sowie sensorischer Tests identifizierte das Forschungsteam in beiden Verdauungsprodukten jeweils drei bittere Peptide. Alle sechs Peptide stimulierten in einer menschlichen Magenzelllinie die Freisetzung von Magensäure und Serotonin – unabhängig von der ursprünglichen Bitterkeit des Produkts. „Bemerkenswert war, dass die Peptide aus dem weniger bitteren Hydrolysat die Serotoninfreisetzung besonders stark anregten“ berichtet Katrin Gradl. Darüber hinaus wiesen die Forschenden nach, dass zwei Bitterrezeptortypen an der Auslösung der Sättigungssignale in den Testzellen beteiligt waren.

Fazit: Auch aus weniger bitteren Erbsenproteinhydrolysaten können sich durch den Verdau im Magensaft bioaktive Peptide bilden, die über Bitterrezeptoren Sättigungssignale auslösen. Veronika Somoza betont jedoch: „Um den Einfluss dieser Peptide auf das menschliche Essverhalten und die Gewichtskontrolle endgültig zu beurteilen, sind Humanstudien erforderlich.“ Dennoch zeigt die Studie schon jetzt molekulare Mechanismen auf, die sich nutzen lassen, um gezielt Proteinhydrolysate geschmacklich zu optimieren – ohne dabei durch Bitterstoffe ausgelöste, sättigende Effekte einzuschränken.

Publikation:

Gradl, K., Richter, P., and Somoza, V. (2025). Bitter peptides formed during in-vitro gastric digestion induce mechanisms of gastric acid secretion and release satiating serotonin via bitter taste receptors TAS2R4 and TAS2R43 in human parietal cells in culture. Food Chem 482, 144174. 10.1016/j.foodchem.2025.144174. https://doi.org/10.1016/j.foodchem.2025.144174

Förderung:

Das IGF-Vorhaben 21916 N der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI) wurde im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Hintergrundinformation:

Pflanzliche Proteine gelten als umweltfreundliche Alternative zu tierischen Proteinen, da ihre Herstellung etwa fünf- bis zehnmal weniger Energie und Wasser und rund 80 Prozent weniger Agrarflächen benötigt.

Krankhaftes Übergewicht (Adipositas) gilt als Volkskrankheit mit schwerwiegenden Folgen wie Typ-2-Diabetes oder bestimmten Krebsarten. Eine proteinreiche Ernährung kann helfen, das Körpergewicht besser zu kontrollieren, da sie das Sättigungsgefühl erhöht und so einer übermäßigen Energieaufnahme entgegenwirkt. Ebenso gibt es Studien, die zeigen, dass verkapselt verabreichte Bitterstoffe bei gesunden Erwachsenen über die Aktivierung extraoraler Bitterrezeptoren eine Sättigung auslösen.

Serotonin ist eines der wichtigsten Hormone, welche die Nahrungsaufnahme regulieren. Mehr als 90 Prozent des Serotonins in unserem Körper befindet sich in bestimmten Zellen der Magen-Darm-Schleimhaut und des Nervensystems.

Sowohl der Darm als auch der Magen sind an der hormonellen Hunger-Sättigungsregulation beteiligt. Einige Bitterstoffe können die Magensäuresekretion anregen, die Serotoninausschüttung aus Magenzellen erhöhen, die Magenentleerung verzögern sowie eine sättigende Wirkung entfalten. Interessanterweise zählen auch Eiweißbausteine wie bitter schmeckende Peptide und Aminosäuren zu den Bitterstoffen mit Sättigungseffekt.

MaAB-CAVE:

Sättigungsmechanismen im Magen auf der Spur / Bittere Eiweißfragmente stimulieren Magensäuresekretion 

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Prof. Dr. Veronika Somoza
Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM)
Leiterin der Arbeitsgruppe Metabolic Function & Biosignals
Lise-Meitner-Str. 34
85354 Freising
E-Mail: v.somoza.leibniz-lsb@tum.de

Katrin Gradl
Arbeitsgruppe Metabolic Function & Biosignals
E-Mail: k.gradl.leibniz-lsb@tum.de

Dr. Phil Richter
Arbeitsgruppe Metabolic Function & Biosignals
Tel.: +49 8161 71-2932
E-Mail: p.richter.leibniz-lsb@tum.de

Hormon Leptin

Übergewicht ist ein weltweites Gesundheitsproblem, von dem viele Menschen betroffen sind. 

In den letzten Jahren wurden sehr vielversprechende Medikamente gegen Übergewicht entwickelt. 

Trotz dieser Erfolge gibt es Patienten, die auf diese Medikamente nicht ansprechen oder unter Nebenwirkungen leiden. 

Daher gibt es immer noch einen Mangel an Therapien. Forschende am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung haben nun eine kleine Gruppe von Nervenzellen im Hypothalamus von Mäusegehirnen entdeckt, die das Essverhalten und die Gewichtszunahme beeinflussen. 

Diese Entdeckung könnte die Entwicklung von gezielten Medikamenten gegen Übergewicht ermöglichen.

• Forschende haben eine bestimmte Gruppe von Nervenzellen im Hypothalamus des Gehirns entdeckt, die das Essverhalten und die Gewichtszunahme beeinflussen.
• Diese Nervenzellen werden durch das Hormon Leptin gesteuert, das den Appetit unterdrückt.
• Entdeckung bietet Potenzial für die Entwicklung weiterer gezielter Therapien gegen Übergewicht

Die Forschungsgruppe identifizierte die sogenannten PNOC/NPY-Nervenzellen im Gehirn von Mäusen. Wenn diese Zellen aktiviert werden, erhöhen sie die Nahrungsaufnahme und führen zu Fettleibigkeit. Interessanterweise gibt es diese Nervenzellen auch im menschlichen Gehirn. Mithilfe neuartiger genetischer und molekularbiologischer Methoden konnten die Forschenden die Nervenzellen auf Einzelzellebene analysieren und in verschiedene Cluster unterteilen. Innerhalb dieser großen Gruppe von Nervenzellen ist nur ein Cluster für das beobachtete Essverhalten verantwortlich.

MaAB-CAVE:

Entfernung von Leptin-Rezeptoren

Frühere Studien haben gezeigt, dass die PNOC-Nervenzellen im Hypothalamus besonders aktiv sind, wenn Mäuse eine fettreiche Ernährung erhalten. In weiteren Analysen fanden die Forscher heraus, dass etwa 10 % dieser Nervenzellen einen Rezeptor für das Hormon Leptin besitzen. 

Leptin wird im Fettgewebe gebildet und unterdrückt den Appetit im Gehirn. 

Wurde der Leptinrezeptor in dieser Gruppe von PNOC-Nervenzellen entfernt, aßen die Mäuse mehr und wurden übergewichtig.

„Es war überraschend, dass eine so kleine Gruppe von Nervenzellen speziell zu Fettleibigkeit führt“, erklärt Marie Holm Solheim, Erstautorin der Studie.

Die Forscher planen, diese Nervenzellen weiter zu untersuchen, um weitere spezifische Angriffspunkte für potenzielle Medikamente zu finden und sie für pharmakologische Eingriffe zugänglich zu machen

„Wir hoffen, dass Medikamente, die auf diese spezialisierte Gruppe von Nervenzellen wirken, vielversprechende Therapiealternativen bieten", sagt Jens Brüning, Leiter der Studie. „Allerdings ist es noch ein weiter Weg, bis diese eingesetzt werden können.“

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Prof. Dr. Jens Brüning, brueningsf.mpg.de

Originalpublikation:
Marie H. Solheim, Sima Stroganov, Weiyi Chen, P. Sicilia Subagia, Corinna A. Bauder, Daria Wnuk-Lipinski, Almudena Del Río-Martín, Tamara Sotelo-Hitschfeld, Cait A. Beddows, Paul Klemm, Garron T. Dodd, Sofia Lundh, Anna Secher, F. Thomas Wunderlich, Lukas Steuernagel, Jens C.
Hypothalamic PNOC/NPY neurons constitute mediators of leptin-controlled energy homeostasis
Cell, June 2025
https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(25)00403-9

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.sf.mpg.de

Magenkarzinom

Das Leitlinienprogramm Onkologie hat die S3-Leitlinie zum Magenkarzinom aktualisiert.

Besonders relevant: neue Inhalte zur verbesserten Prävention, auch bei familiär erhöhtem Risiko, sowie zu neuen Biomarkern und zielgerichteten Therapien.

Das Leitlinienprogramm Onkologie hat die S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Adenokarzinome des Magens und ösophagogastralen Übergangs umfassend überarbeitet. Besonders wichtig sind die neuen Inhalte zur verbesserten Prävention, auch bei familiär erhöhtem Risiko, sowie zu neuen Biomarkern und zielgerichteten Therapien. Die S3-Leitlinie entstand unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) sowie unter Mitwirkung von 29 weiteren Fachgesellschaften und Organisationen. Finanziert wurde die Aktualisierung der Leitlinie von der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie.

Magenkarzinome und Karzinome des ösophagogastralen Übergangs sind weltweit eine der häufigsten tumorbedingten Todesursachen.

 In Deutschland erkrankten laut Robert Koch-Institut im Jahr 2022 rund 9.000 Männer und rund 5.600 Frauen an Magenkrebs. Die Erkrankungs- und Sterberaten sind rückläufig, die Überlebensaussichten jedoch im Vergleich zu anderen Krebserkrankungen ungünstig. Der Grund dafür ist unter anderem, dass in etwa 40 Prozent der Fälle die Erkrankung bei Diagnosestellung bereits metastasiert ist.

„In den letzten Jahren gab es beim Thema Magenkrebs enorme Fortschritte, etwa bei Prognosemarkern, Endoskopie-Techniken, verbesserten Schnittbildverfahren und neuen chirurgischen, neoadjuvanten und palliativen Therapiekonzepten“, so Professor Markus Möhler. Gemeinsam mit PD Dr. Yvonne Huber, beide von der Universitätsmedizin Mainz, koordinierte er die Erstellung der Leitlinie. „Wir freuen uns daher, dass wir nach sechs Jahren eine aktualisierte Version der Leitlinie auf den Weg bringen.“

Molekulare Diagnostik und zielgerichtete Therapien

Die molekulare Diagnostik, wie MSI, HER2, PDL1 CPS und Claudin 18.2, sind der neue Standard für personalisierte Therapien und erfordern ausreichend Biopsien am primären Tumor oder gegebenenfalls bei einem Rezidiv aus den Metastasen. Der Einsatz gezielter Antikörper, der Immuntherapie und der Chemotherapie spielen beim Ösophagus- und Magenkarzinom daher eine immer wichtigere Rolle. Sie kommen vor und nach der Operation oder in palliativen Situationen zum Einsatz. Etabliert hat sich auch das FLOT-Regime (ein Chemotherapieschema), das durch signifikanten Überlebensvorteil in der perioperativen Indikation künftig mit Immuntherapie zugelassen wird. 

In der palliativen Erst- und Zweitlinientherapie können neue zielgerichtete Medikamente oder Immuntherapien zum Einsatz kommen – die S3-Leitlinie Magenkrebs gibt hier klare Handlungsempfehlungen.

Unabhängig von der Durchführung einer tumorspezifischen Therapie soll allen Patient*innen mit nicht-heilbaren Magenkrebserkrankungen eine Palliativversorgung angeboten werden. „Bei nicht-heilbaren Magenkrebserkrankungen müssen die Therapieziele regelmäßig überprüft werden. Wir haben die Leitlinie daher um palliativmedizinische Aspekte aus der S3-Leitlinie Palliativversorgung erweitert“, sagt Huber. Die S3-Leitlinie Magenkrebs wurde zudem um Supportive Maßnahmen ergänzt, unter anderem mit Blick auf eine mögliche Mangelernährung.

Die aktualisierte S3-Leitlinie ist hier abrufbar: 

https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/magenkarzinom

Die neue Leitlinie und innovative Therapien des Magenkarzinoms hat die DGVS auch im Rahmen ihres Podcasts Gastro Geplauder mit Dr. Huber und Prof. Möhler thematisiert. Die Folgen finden Sie unter:
Magenkrebs im Fokus: Was die neue S3-Leitlinie verändert - GASTRO GEPLAUDER: Der gastroenterologische Wissens-Podcast: 

https://open.spotify.com/episode/6Q2fD5bHxD4NDUOc8I0Whi

Leitlinie Magenkarzinom: Was die neuen, innovativen Therapiekonzepte bringen - GASTRO GEPLAUDER: Der gastroenterologische Wissens-Podcast: https://open.spotify.com/episode/35l3mjht8pworB9x4ek0sF

Zudem sind die Inhalte in der kostenfreien Leitlinien-App integriert. Android-Smartphone- und iPhone-Nutzer können die Leitlinien-App hier herunterladen: www.leitlinienprogramm-onkologie.de/app/


Das Leitlinienprogramm Onkologie
Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Leistungserbringer und Patient*innen zur angemessenen Vorgehensweise bei speziellen Gesundheitsproblemen. Sie stellen ein wesentliches Instrument zur Förderung von Qualität und Transparenz medizinischer Versorgung dar. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. und die Deutsche Krebshilfe haben sich mit dem im Februar 2008 gestarteten Leitlinienprogramm Onkologie das Ziel gesetzt, gemeinsam die Entwicklung und Fortschreibung sowie den Einsatz wissenschaftlich begründeter und praktikabler Leitlinien in der Onkologie zu fördern und zu unterstützen. Mittlerweile umfasst das Leitlinienprogramm 36 S3-Leitlinien, die zu einem großen Teil auch als laienverständliche Patientenleitlinien vorliegen. Mehr unter: https://leitlinienprogramm-onkologie.de

Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V.
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 7000 in Klinik und Forschung tätige Ärztinnen und Ärzte unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle der Patientinnen und Patienten.

 https://dgvs.de

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Deutsche Krebsgesellschaft e. V.
Angelina Gromes und Clara Teich
Tel.: 030 3229329-60

Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e. V.
Janina Wetzstein
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
Tel.: 0711-89 31 457

MaAB-CAVE: Weichkäse, Räucherlachs und Knackwurst.

Eine aktuelle Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien zeigt: 

Am besten sind Listerien in Fisch und Käse vor dem Stress im Magen-Darm-Trakt geschützt. 

In Wurst ist die Überlebensfähigkeit der potenziell tödlichen Bakterien hingegen deutlich geringer. 

Dafür verantwortlich ist laut den Forscher:innen die unterschiedliche Lebensmittelmatrix der Lebensmittel, also die Zusammensetzung ihrer Inhaltsstoffe. Genau hier sehen die Forscher:innen deshalb auch einen Ansatzpunkt, um das Listerien-Risiko zu reduzieren.

Mit Listeria (L.) monocytogenes kontaminierte Lebensmittel sind die Hauptursache für Listeriose beim Menschen, einer seltenen jedoch gefährlichen Infektionskrankheit. 

Bis dato war jedoch unklar, wie sich eine unterschiedliche Lebensmittelmatrix auf das Überleben und die Virulenz im Magen-Darm-Trakt auswirkt. Um auf diese Frage erstmals eine Antwort zu geben, untersuchten die Forscher:innen drei verzehrfertige Lebensmittel: 

MaAB-CAVE:

Weichkäse, Räucherlachs und Knackwurst. 

Diese wurden anhand eines Lebensmittel-Infektionsmodells des Magen-Darm-Trakts untersucht. Dazu Nadja Pracser vom Zentrum für Lebensmittelwissenschaften und Öffentliches Veterinärwesen der Vetmeduni: „Wir beobachteten stammabhängige Wachstumsraten, wobei die Lebensmittelmatrix keinen signifikanten Einfluss hatte. Die Art der Nährstoffquellen veränderte jedoch die Genexpression. Das jeweilige Lebensmittel beeinflusste deutlich das Überleben von Listerien im Magen-Darm-Trakt und auch die Virulenz.“

Überlebensrate von Listerien in Fisch und Käse höher als in Wurst

Die Überlebensrate von L. monocytogenes war in Käse und Fisch höher als in Wurst, was laut den Forscher:innen auf deren geringere Pufferkapazität gegenüber den pH-Dynamiken im Magen-Darm-Modell zurückzuführen ist. Weiters war die Invasionseffizienz in den Darmepithelzellen des Modells (Caco-2-Zellen) bei Fisch am höchsten, was möglicherweise mit seiner Fettsäurezusammensetzung zusammenhängt. 

Zudem veränderten die Lebensmittelmatrizen und die Bedingungen im Magen-Darm-Trakt die transkriptionellen Profile von stressassoziierten und Virulenz-Genen. „Die Passage durch das Magen-Darm-Trakt-Modell führte zur Hochregulierung von 23 Stressgenen und 29 Virulenzgenen“, so Nadja Pracser.


Veränderung des Fett- und Proteingehalts könnte Lebensmittelsicherheit erhöhen

Laut den Forscher:innen könnte die Veränderung des Fett- und Proteingehalts in Lebensmitteln ein Weg sein, die Überlebensfähigkeit von L. monocytogenes in Hochrisiko-Lebensmitteln im Magen-Darm-Trakt zu verringern und so die Lebensmittelsicherheit zu verbessern.

 „Die Ergebnisse unserer Studie deuten außerdem darauf hin, dass die Eigenschaften von Räucherlachs in Kombination mit den Bedingungen im Magen-Darm-Trakt die Virulenz erhöhen. Zukünftige Forschungen könnten den Mechanismus hinter diesem Effekt aufdecken, um ihn für Verbesserungen im Bereich der Lebensmittelsicherheit zu nützen“, erklärt Kathrin Kober-Rychli vom Zentrum für Lebensmittelwissenschaften und Öffentliches Veterinärwesen der Vetmeduni.
Außerdem betont Kathrin Kober-Rychli: 

„Der Umstand, dass die Lebensmittelmatrix einen direkten Einfluss auf das Verhalten und das pathogene Potenzial von L. monocytogenes hat, unterstreicht, wie wichtig das Verständnis dieser Wechselwirkungen für die Lebensmittelsicherheit und die öffentliche Gesundheit ist.“

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Priv.-Doz. Dr. Kathrin Kober-Rychli
Zentrum für Lebensmittelwissenschaften und Öffentliches Veterinärwesen
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni)
Kathrin.Rychli@vetmeduni.ac.at

Originalpublikation:
Der Artikel „The type of food influences the behaviour of Listeria monocytogenes in a food- gastrointestinal-infection model“ von Nadja Pracser, Andreas Zaiser, Luminita Ciolacu, Franz-Ferdinand Roch, Narciso M. Quijada, Sarah Thalguter, Monika Dzieciol, Beate Conrady, Martin Wagner und Kathrin Rychli wurde in „npj Science of Food“ veröffentlicht.
https://www.nature.com/articles/s41538-025-00436-5

Anstieg der Diphtheriefälle

Ein Diphtherieausbruch im Jahr 2022 führte in Westeuropa zum stärksten Anstieg gemeldeter Infektionen seit 70 Jahren. 

Klinische und genomische Daten des Ausbruchs deuten auf eine Übertragungsquelle entlang etablierter Migrationsrouten nach Europa hin. 

Eine rasche Reaktion konnte den Ausbruch eindämmen, doch immer noch führen Bakterienstämme von damals zu Neuinfektionen in der Region.

Im Laufe des Jahres 2022 wurde in mehreren europäischen Ländern eine ungewöhnliche hohe Anzahl Infektionen mit Corynebacterium diphtheriae gemeldet. 


Betroffen waren hauptsächlich geflüchtete Personen, die kurz zuvor nach Europa gekommen waren. 


Ansteckungen innerhalb der Wohnbevölkerung in den vom Anstieg der Diphtheriefälle betroffenen Ländern wurden damals nicht dokumentiert.

Eine soeben im renommierten New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlichte Studie zeichnet nun erstmals die Übertragungswege nach. 

Ein europäisches Forschungskonsortium analysierte die genomischen Profile von 363 bakteriellen Isolaten. Diese stammten von Patienten aus den zehn Ländern, die zwischen Januar und Ende November 2022 einen Anstieg der Diphtheriefälle gemeldet und die Sequenzierungsdaten gemeinsam analysiert hatten: Deutschland (118 Isolate), Österreich (66 Isolate), das Vereinigte Königreich (59 Isolate), die Schweiz (52 Isolate), Frankreich (30 Isolate), Belgien (21 Isolate), Norwegen (8 Isolate), den Niederlanden (5 Isolate), Italien (3 Isolate) und Spanien (1 Isolat).

Diphtherieübertragungen entlang der Reiserouten von Migranten

«Die im Jahr 2022 gemeldeten Diphtheriestämme weisen ein hohes Mass an genetischer Identität auf, wie unsere Studie zeigt. Dies deutet auf eine gemeinsame Infektionsquelle oder darauf hin, dass es bestimmte Orte entlang der Reiserouten bei der Migration in europäische Länder gibt, an denen eine anhaltende Diphtherieübertragung stattfindet», sagt Andreas Hoefer, Mikrobiologie-Experte am European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) und Co-Erstautor der Studie.

Die Studiendaten zeigen, dass fast alle der 362 Patienten (98 %) männlich waren. 

Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Datenerfassung betrug 18 Jahre. 

Die überwiegende Mehrheit (96 %) von ihnen war vor kurzem aus ihrem Herkunftsland in die Länder gereist, in denen dann Diphtherie diagnostiziert wurde. 

Von den 266 Patienten (73 %), für die Informationen über ihr Herkunftsland vorlagen, stammten 222 (83 %) aus Afghanistan oder Syrien. 

Die meisten Patienten folgten einer Migrationsroute entlang der westlichen Balkanländer in ihre Zielländer. Insgesamt wurden 28 Transitländer gemeldet.
Von den 346 Patienten, für die klinische Daten verfügbar waren, erkrankten 268 (77 %) an kutaner Diphtherie, die zu Hautwunden führt, und 52 (15 %) an einer respiratorischen Form der Krankheit, die den Rachenraum betrifft. «Diphtherie kann ein breites Spektrum an klinischen Symptomen zeigen. Besonders bei Toxin-bildenden Bakterien sind Komplikationen der Atemwege gefürchtet, da diese lebensbedrohlich sein können», sagt Adrian Egli, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich und einer der Studienverantwortlichen.

Austausch von Sequenzierungsdaten ermöglicht rasche Reaktion in ganz Europa

«Die rasche gemeinsame Nutzung von Sequenzierungsdaten unter den Meldeländern ermöglichte es, die Gemeinsamkeiten der Diphtheriestämme über die Grenzen hinweg zu definieren», ergänzt Sylvain Brisse, Professor am Institut Pasteur und einer der Studienverantwortlichen.

«Die Entdeckung des ersten respiratorischen Diphtheriefalls in Österreich nach fast 30 Jahren im Jahr 2022 hat gezeigt, wie wichtig der grenzüberschreitende Informationsaustausch und die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Ausbrüchen sind», sagt Co-Autorin Stefanie Schindler, Mikrobiologin bei der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). «Wir haben im Sommer 2022 einen starken Anstieg Toxin-produzierender Diphtheriebakterien in Deutschland festgestellt und zunächst unsere österreichischen und schweizerischen Kollegen im informellen europäischen Diphtherienetzwerk informiert», sagt Andreas Sing, Leiter des Konsiliarlabors für Diphtherie am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).

Die Analyse der Sequenzen gab auch Aufschluss über die Empfindlichkeit der Bakterienstämme gegenüber der Behandlung mit den gängigen Antibiotika – was durch antimikrobielle Empfindlichkeitstests bestätigt wurde. Dies half, die Massnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens und die Reaktionen auf Ausbrüche entsprechend zu gestalten, insbesondere auch zur Identifizierung und Screenings auf eine Resistenz gegen das Antibiotika Erythromycin.

MaAB-CAVE: 

Impfschutz aktualisieren und wachsam bleiben!

Der Impfstatus der Patienten war aufgrund der unvollständigen medizinischen Dokumentation schwierig zu beurteilen. Gemäss den verfügbaren Daten waren nur vier Patienten gegen Diphtherie geimpft. Zehn gaben an, nicht geimpft worden zu sein, und bei 290 war der Impfstatus unbekannt. Die Wahrscheinlichkeit, an Diphtherie zu erkranken, ist für Personen mit vollständig abgeschlossener Diphtherieimpfserie sehr gering. Um den Impfschutz zu aktualisieren, reicht häufig eine Auffrischungsimpfung zehn Jahre nach der letzten Dosis.

Sabrina Bacci, Leiterin der Abteilung Vaccine Preventable Diseases and Immunisation und Immunisierung beim ECDC, kommt zum Schluss: «Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass der Impfschutz gegen Diphtherie bei allen Menschen auf dem neuesten Stand ist. Dies gilt insbesondere für gefährdete Bevölkerungsgruppen wie Migranten, Obdachlose, Drogenabhängige, ungeimpfte Personen und ältere Menschen mit Vorerkrankungen sowie Personen, die beruflich mit diesen Gruppen in Kontakt sind. Das bedeutet auch, dass Ärzte die häufigen Diphtheriesymptome kennen und darauf achten müssen, vor allem wenn ihre Patienten eine berufliche oder sonstige Verbindung zu den gefährdeten Bevölkerungsgruppen haben.»

Bis Ende 2022 trugen rasche Reaktionsmassnahmen wie die Ermittlung von Kontaktpersonen und die Untersuchung auf Sekundärfälle dazu bei, den Diphtherieausbruch einzudämmen. Seither wurden in einigen Ländern noch weitere Übertragungen beobachtet, die mit den Diphtheriestämmen des Ausbruchs vor drei Jahren in Zusammenhang stehen, wie die genomischen Daten der Bakterien zeigen. «Sowohl Angehörige der öffentlichen Gesundheit als auch Gesundheitsdienstleister müssen deshalb wachsam bleiben, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern», ergänzt Andreas Hoefer.

Diphtherie: Krankheit und Impfung

Diphtherie ist eine meldepflichtige, durch Impfung vermeidbare Infektionskrankheit, die durch die Diphtherietoxin-produzierenden Bakterien Corynebacterium diphtheriae und Corynebacterium ulcerans verursacht wird. Die Bakterien werden durch Tröpfchen aus dem Atemtrakt einer infizierten Person (z. B. durch Husten oder Niesen) übertragen. Befällt die Krankheit die Haut, kann sie durch Kontakt mit Wunden oder Läsionen einer infizierten Person übertragen werden (kutane Diphtherie). Der Mensch ist das einzige bedeutende Reservoir für C. diphtheriae. Personen, die mit Diphtheriebakterien infiziert sind, können – ob mit oder ohne Symptome – die Bakterien in sich tragen und andere anstecken.
Dank der Massenimmunisierung mit einem wirksamen Impfstoff ist Diphtherie in Europa heute eine seltene Krankheit. Die Impfung hat die Zahl der weltweiten Fälle in den letzten Jahrzehnten deutlich verringert. Die Impfung gegen Diphtherie ist Teil der nationalen Routineimpfprogramme in Europa (in Kombination mit Impfstoffen gegen andere Krankheiten).

Weitere Informationen: 

https://www.ecdc.europa.eu/en/diphtheria/factshttps://vaccination-info.europa.eu/en/disease-factsheets/diphtheria

MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildungen  VOR ORT


Prof. Dr. med. Dr. phil. Adrian Egli
Institut für Medizinische Mikrobiologie
Universität Zürich
+41 44 634 26 60
aegli@imm.uzh.ch

Originalpublikation:
Andreas Hoefer, Helena Seth-Smith et al. On behalf of the 2022 European Diphtheria Consortium. Corynebacterium diphtheriae outbreak among migrant populations in Europe. NEJM. June 4, 2025. DOI: https://doi.org/10.1056/NEJMoa2311981

Fettsenker, sogenannte Statine

Fettsenker, sogenannte Statine, werden bei hohen Cholesterinwerten verschrieben, um vor Arterienverkalkung, Herzinfarkt und Schlaganfall zu schützen. 

Dass Statine außerdem antidepressiv wirken könnten, darauf weisen Ergebnisse kleinerer Studien hin. 

Dem gingen Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin nun in einer kontrollierten Studie nach. 

Sie konnten allerdings keine antidepressiven Zusatzeffekte durch Statine nachweisen. Die Forschenden empfehlen daher die Verordnung von Statinen als Cholesterinsenker gemäß den allgemeinen Leitlinien, nicht aber zur Behandlung von Depressionen. Die Studie ist jetzt im Fachmagazin JAMA Psychiatry* erschienen.

Großangelegte Charité-Studie widerlegt Hinweise auf positiven Zusatzeffekt

Cholesterinsenker sind die weltweit am häufigsten verordneten Medikamente. Sie senken die Produktion von Cholesterin in der Leber, wirken entzündungshemmend und vermindern so das Risiko für das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Hätten Statine tatsächlich einen antidepressiven Effekt, könnte man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, sagt Prof. Christian Otte, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité am Campus Benjamin Franklin und Leiter der Studie. „Depression und Adipositas, also Fettleibigkeit, gehören zu den häufigsten Erkrankungen auf der gesamten Welt. Und sie treten tatsächlich oft zusammen auf: Wer adipös ist, hat ein höheres Risiko für eine Depression – ist man depressiv, besteht wiederum ein höheres Risiko für Adipositas.“ Häufig sind die Cholesterinwerte bei adipösen Patient:innen erhöht, sodass zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen Statine verabreicht werden.

Hochqualitative, kontrollierte Studie

In einer großangelegten Studie ist das Forschungsteam um Christian Otte den Hinweisen auf eine mögliche antidepressive Wirkung von Statinen nachgegangen. An der Studie nahmen 161 Patient:innen teil, die an Depression und gleichzeitig an Adipositas erkrankt waren. Alle Teilnehmenden wurden während der zwölfwöchigen Studie mit einem Standard-Antidepressivum (Escitalopram) behandelt. Der einen Hälfte der Teilnehmenden wurde zusätzlich ein Cholesterinsenker (Simvastatin) verabreicht, der anderen Hälfte stattdessen ein Scheinmedikament. 

Wer dabei das Statin und wer das Placebo erhielt, wurde ausgelost und blieb bis zum Ende der Studie für Teilnehmende und Ärzte-Team unbekannt – eine randomisierte und doppelblinde Untersuchung also, die zu belastbaren Ergebnissen führt. „Das Vorgehen sollte uns zeigen, ob wir bei Teilnehmenden, die das Statin erhielten, einen stärkeren antidepressiven Effekt ausmachen können als in der Placebo-Gruppe“, erklärt Privatdozentin Dr. Woo Ri Chae, Wissenschaftlerin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Co-Erstautorin.

Die Schwere der Depression der Patient:innen haben die Forschenden zu Beginn und zum Ende des Studienzeitraums mithilfe etablierter klinischer Interviews sowie anhand von Selbstauskunft-Fragebögen erfasst. Aus Blutproben der Teilnehmenden wurden zudem Blutfettwerte und der Wert für das sogenannte C-reaktive Protein (CRP) bestimmt, ein bekannter Anzeiger für Entzündungsprozesse im Körper. „Menschen mit Adipositas und/oder Depression weisen im Blut häufig leicht erhöhte Entzündungswerte auf. Diese können bei einem Teil der Betroffenen sogar für die Depression verantwortlich sein“, erklärt Christian Otte. „Und genau hier setzte unsere Hypothese für einen möglichen antidepressiven Effekt von Statinen an: Wenn sich durch die Statin-Gabe die Entzündungswerte bessern, könnte dies bei manchen Studienteilnehmenden womöglich mit einem antidepressiven Effekt einhergehen.“

Klassische Antidepressiva bleiben Goldstandard

Zu Beginn der Studie waren die Teilnehmenden moderat bis schwer depressiv. Über die zwölfwöchige Studienphase besserte sich die Depressionssymptomatik bei allen Patient:innen deutlich – jedoch ohne Unterschied zwischen der Statin- und der Placebo-Gruppe. „Durch die Gabe des Cholesterinsenkers besserten sich wie erwartet die Blutfettwerte, und auch der Entzündungsmarker CRP nahm deutlich ab“ sagt Woo Ri Chae. „Doch leider ging dies nicht einher mit einer zusätzlichen antidepressiven Wirkung.“ Christian Otte ergänzt: "Was die Behandlung von Depressionen angeht, haben Statine demnach keinen zusätzlichen Nutzen. Klassische Antidepressiva bleiben nach jetzigem Kenntnisstand der Goldstandard.“ Statine sollten gemäß der geltenden Leitlinien zum Schutz vor Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verordnet werden – und das selbstverständlich auch bei Patient:innen, die zusätzlich unter Depressionen leiden, empfehlen die Forschenden.

In weiterführenden Studien wird das Team um Christian Otte die während der Forschungsarbeit gewonnenen Blutproben noch eingehender zellulär und molekular untersuchen, um mögliche individuelle Unterschiede und Zusammenhänge aufzudecken. Zudem arbeiten die Forschenden mit Hochdruck weiter an verbesserten Behandlungsstrategien für Patient:innen mit Depressionen, die zugleich an weiteren Erkrankungen leiden.

*Otte C et al. Simvastatin as add-on treatment to escitalopram in patients with major depression and obesity: a randomized clinical trial. JAMA Psy. 2025 June 04. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2025.0801

Über die Studie
Die Arbeiten wurde im Rahmen des Programms Klinische Studien mit hoher Relevanz für die Patientenversorgung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

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Prof. Christian Otte
Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Campus Benjamin Franklin
Charité – Universitätsmedizin Berlin
T: +49 30 450 517 501
Email: christian.otte@charite.de

Originalpublikation:
*Otte C et al. Simvastatin as add-on treatment to escitalopram in patients with major depression and obesity: a randomized clinical trial. JAMA Psy. 2025 June 04. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2025.0801
Weitere Informationen finden Sie unter
https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/2834608
https://psychiatrie.charite.de/metas/person/person/address_detail/univ_prof_dr_med_christian_otte/

Nutzung des Performance-Feedbacks in Kombination mit Trainings- und Schulungsmöglichkeiten

Rankings unter Kolleg*innen in Krankenhausteams können manche Ärzt*innen zu besserer Leistung anspornen, auf andere aber demotivierend wirken. 

Ein verhaltensökonomisches Experiment zeigt, dass das „richtige“ Design eines Rankings demotivierende Effekte vermeiden kann und die Versorgungsqualität für Patient*innen steigert / Veröffentlichung in „Management Science“

Wenn die Qualität medizinischer Leistungserbringung von individuellen Ärzt*innen innerhalb eines Krankenhausteams anhand eines Rankings verglichen wird, entscheidet das Design des Rankings, ob die Ergebnisse eher zu besserer Leistung anspornen oder eher demotivierend wirken. 

Der vorgegebene Qualitätswert, ab dem ein hervorragender Rang erreicht werden kann und eine Leistung als ausgezeichnet gilt, darf weder zu niedrig angesetzt, noch darf er zu schwer zu erreichen sein. Das ist das Ergebnis einer Studie, die ein Forschungsteam aus dem Bereich der Gesundheitsökonomie an der Universität zu Köln gemeinsam mit einer Kollegin der Universität Münster durchgeführt hat. Die Ergebnisse sind unter dem Titel „How the Design of Ranking Systems and Ability Affect Physician Effort” in der Fachzeitschrift Management Science erschienen.

In Krankenhäusern ist die hohe Qualität der Patientenversorgung das wichtigste Ziel. Eine der Managementmaßnahmen, die Krankenhausleitungen zur Qualitätssteigerung zur Verfügung stehen, sind relative Leistungsvergleiche in Form von Rankings. Verhaltensökonomische Studien zeigen, dass im Gesundheitswesen Feedbacksysteme, die nicht auf finanzielle Anreize für gute Leistungen, sondern auf kollegiale Anerkennung setzen, motivierend wirken können: Feedback durch Rankings macht die eigene Leistung im Vergleich zu anderen innerhalb einer Gruppe oder eines Teams transparent. Das wiederum fördert den sozialen Vergleich und soll die Motivation steigern, sich zu verbessern.

In einem solchen Ranking wird jedem Arzt und jeder Ärztin entsprechend der erreichten Leistung in einem individuell messbaren Qualitätsindikator ein Rang zugeordnet. Die Ranggrenzen legen fest, welchem Rang eine ärztliche Leistung bei einer messbaren Kennzahl (zum Beispiel Rate der Entdeckung von Adenomen, einer Darmtumorform) zugeordnet wird. Die Gestaltung eines solchen Rankings stellt eine Herausforderung für die Führungskräfte dar, denn eine hohe Ranggrenze kann motivierend auf die Ärzt*innen wirken, die eine realistische Chance haben, diese Grenze zu überschreiten. Andererseits kann sie diejenigen Ärzt*innen demotivieren, die glauben, das Ziel selbst bei hoher Anstrengung nicht erreichen zu können. Dadurch entsteht ein Dilemma.

In einem sogenannten „Lab-in-the-Field“-Experiment wurden 112 praktizierende Ärzt*innen sowie 240 Medizinstudierende in kleinen Teams mit einer medizinisch kontextualisierten Entscheidungssituation konfrontiert: Sie konnten unter Inkaufnahme eigener Kosten den Behandlungserfolg für abstrakte Patient*innen maximieren, wobei ihr individueller Einsatz direkt die Versorgungsqualität für echte Patient*innen bestimmte. Vorab wurde eine individuelle Fähigkeitseinstufung vorgenommen, um reale Unterschiede in den Leistungsfähigkeiten abzubilden. Anschließend variierten die Forschenden systematisch das Design der Rankings – insbesondere die Anzahl und Position von Schwellenwerten, die zu einer Einstufung in unterschiedliche Ränge führten. Dadurch konnten sie analysieren, welche Kombinationen von Ranggrenzen motivierend wirken und welche eher demotivieren. Das Ergebnis ist, dass kein festgelegtes Rankingdesign automatisch in jedem Team zu besseren Leistungen führt. Vielmehr soll ein Ranking individuell in Abhängigkeit von den individuellen Fähigkeiten der Teilnehmer*innen gestaltet werden.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein gut durchdachtes Ranking sorgfältig auf die Leistungsmöglichkeiten beziehungsweise Fähigkeiten des Teams abgestimmt sein sollte“, sagt Yero Ndiaye, Doktorand am Staatswissenschaftlichen Seminar der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät. „Die Herausforderung liegt darin, die richtige Balance zu finden, um möglichst viele Ärztinnen und Ärzte zu motivieren, ohne einen Teil der Belegschaft zu frustrieren.“

Aus den Resultaten folgen Empfehlung für Führungskräfte, die Feedback in Form von Rankings in ihren Krankenhäusern einführen wollen. Ein Ranking kann ein durchaus wertvolles Instrument ist, um die Motivation von Ärzt*innen zu steigern, allerdings sollten Führungskräfte in Krankenhäusern die unterschiedlich motivierende beziehungsweise demotivierende Wirkung in Abhängigkeit von den Fähigkeiten der Ärzt*innen beachten. Um Demotivation einzelner Ärzt*innen zu vermeiden, sind Rankingdesigns so zu gestalten, dass die Ranggrenzen an die Fähigkeitsverteilung des Ärzt*innenteams angepasst sind; somit existiert für alle ein Rang, der durch höhere Leistung erreicht werden kann.

„Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung in der klinischen Praxis sind allerdings die Erfassung und kontinuierliche Messung von Leistungskennzahlen auf individueller Leistungserbringerebene und die regelmäßige Nutzung des Performance-Feedbacks in Kombination mit Trainings- und Schulungsmöglichkeiten für die Ärzt*innen. Weitere Evidenz hierzu ist allerdings noch in länger angelegten Feldexperimenten in Kliniken notwendig“, resümiert Studienleiter Professor Dr. Daniel Wiesen am Department of Operations Management der Universität zu Köln.

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Professor Dr. Daniel Wiesen
Professor of Health Management
Department of Operations Management
+49 221 470 89171
wiesen@wiso.uni-koeln.de

Yero Ndiaye M.Sc.
Staatswissenschaftliches Seminar
+49 221 470 5491
ndiaye@wiso.uni-koeln.de

Originalpublikation:
https://pubsonline.informs.org/doi/full/10.1287/mnsc.2022.00990

Analyse der Atemluft

Nicht zu viel und nicht zu wenig: 

Die Dosierung der Wirkstoffe bei einer Vollnarkose muss optimal eingestellt sein. Besonders bei Kindern ist das keine simple Sache. 

Eine Pilotstudie zeigt nun, dass die Analyse der Atemluft helfen kann, ein gängiges Narkosemittel präzise zu dosieren. Und nicht nur das: Aus der Analyse der Atemluft lässt sich auch bestimmen, wie der Körper auf die Anästhesie reagiert.

Die Luft, die wir ausatmen, enthält eine Vielzahl an Molekülen, die aus unserem Körper stammen. Mit Messgeräten, die speziell dafür an der Universität Basel entwickelt wurden, lassen sich Stoffwechselprodukte sowie Medikamente und ihre Abbauprodukte im Atem aufspüren. Dies machen sich Forschende um Prof. Dr. Pablo Sinues vom Departement Biomedical Engineering und dem Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) zunutze: Im Fachjournal «Anesthesiology» berichten sie, dass sich mit dieser Methode eine Anästhesie bei Kindern besser überwachen liesse, als es bisher möglich war.

Das Anästhetikum Propofol ist seit über 30 Jahren im Einsatz und gilt als sicheres Medikament, um eine Vollnarkose einzuleiten und aufrecht zu erhalten. Die optimale Dosierung ist gerade bei Kindern eine Herausforderung: Als Parameter kommen Körpergrösse, Gewicht, Geschlecht und Alter zur Anwendung. Die Exposition des Gehirns, wo sich der Effekt entfaltet, können Fachleute nur anhand indirekter Rückschlüsse bestimmen. Vitalzeichen und Bewegungen oder auch Messungen der Hirnaktivität dienen als Anhaltspunkte für nötige Anpassungen der Propofolmenge, damit das Kind weder aufwacht noch einer zu hohen Konzentration ausgesetzt ist.

Aufwändige Bluttests

Die Messung der Propofolkonzentration im Blut wäre ein guter Anhaltspunkt, um abzuschätzen, wie viel des Wirkstoffs das Gehirn erreicht. Allerdings gibt es bisher keinen Bluttest, der schnell genug Ergebnisse liefert.

Deshalb hat Sinues’ Team in Zusammenarbeit mit der Abteilung für pädiatrische Anästhesie am UKBB untersucht, ob eine Atemanalyse bei der Dosierung unterstützen und während der Vollnarkose quasi in Echtzeit Ergebnisse liefern könnte. «Propofol ist recht flüchtig und lässt sich gut im Atem messen», so Sinues.

Ihre Pilotstudie umfasste zehn Kinder, die sich aus verschiedenen Gründen einer Operation unter Vollnarkose unterziehen mussten. Bei ihnen nahmen die Forschenden vor und während der Anästhesie alle 30 Minuten gleichzeitig Atem- und Blutproben.

Dr. Jiafa Zeng, Erstautor der Studie, sammelte die ausgeatmete Luft der Patientinnen und Patienten mit der Hilfe und Anleitung des verantwortlichen Anästhesisten Dr. Nikola Stankovic. Die Atemluftprobe sammelten sie dabei in speziell dafür entwickelten Kunststoffbeuteln, um sie im Labor mittels Massenspektrometrie zu analysieren. «Das Gerät ist zu gross, um es im Operationssaal unterzubringen», erklärt Zeng. Die Blutproben untersuchten Forschende am Universitätsspital Zürich Tage bis Wochen nach der jeweiligen Entnahme.

Atemanalyse zeigt auch Stress im Körper

Der Vergleich der Messwerte zeigte: Der Wirkstoff und seine Abbauprodukte liessen sich zuverlässig im Atem nachweisen. Zudem entsprachen die Ergebnisse der Atemanalyse sehr gut den im Blut gemessenen Konzentrationen.

Die Atemanalyse zeigte aber noch mehr, nämlich eine ganze Reihe von Stoffen, die der Organismus in Reaktion auf eine bestimmte Art von Stress während einer Narkose und Operationen produziert. Fachleute sprechen von oxidativem Stress. «Wir können mit dieser Methode also nicht nur die Propofolkonzentration bestimmen, sondern auch messen, wie der Körper auf die Anästhesie und die Operation reagiert», erklärt Pablo Sinues. Die sehr seltenen Fälle, in denen Propofol zu Komplikationen führt – insbesondere bei Kindern –, liessen sich anhand dieser Messwerte womöglich frühzeitig erkennen.

Atemluft statt Blutproben

Mit Unterstützung eines Eccellenza-Stipendiums des Schweizerischen Nationalfonds erforschen Sinues und sein Team seit mehreren Jahren, wie man Atemanalysen für die Diagnostik und individuelle Dosierung von Medikamenten einsetzen kann. Insbesondere Kinder und ältere Personen könnten davon profitieren.

In früheren Arbeiten konnten die Forschenden beispielsweise zeigen, dass sich Epilepsie-Medikamente und ihre Abbauprodukte im Atem messen lassen, und diese Werte helfen können, die Medikamente richtig zu dosieren. Bisher sind dafür regelmässige Bluttests nötig. Auch den Zustand hospitalisierter Kinder mit Diabetes konnten sie mit dieser Methode gut überwachen.

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Prof. Dr. Pablo Sinues, Universität Basel, Department of Biomedical Engineering, E-Mail: pablo.sinues@unibas.ch

Originalpublikation:
Jiafa Zeng, Nikola Stankovic, Kapil Dev Singh, Regula Steiner, Urs Frey, Thomas Erb, Pablo Sinues
Breath Analysis of Propofol and Associated Metabolic Signatures: A Pilot Study Using Secondary Electrospray Ionization High-Resolution Mass Spectrometry.
Anesthesiology (2025), doi: 10.1097/ALN.0000000000005531