Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Hämoadsorption bringt keinen Vorteil bei der chirurgischen Behandlung von Herzklappenentzündungen
Ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Jena untersuchte in einer kontrollierten multizentrischen Studie, ob die Reduktion von Entzündungsmarkern im Blut bei der chirurgischen Behandlung von bakteriellen Infektionen im Herzinneren einen Vorteil bringt.
- Die jetzt im Fachjournal Circulation vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass das Verfahren keinen Einfluss auf den klinischen Erfolg der Behandlung hat, obwohl die Konzentration der Zytokine deutlich gesenkt werden kann.
Die REMOVE-Studie des Universitätsklinikums Jena zeigte, dass die Reduktion von Entzündungsmarkern im Blut bei der chirurgischen Behandlung von Herzklappenentzündungen nicht zur Verringerung der Organschädigung führt. Anna Schroll Universitätsklinikum Jena
Die Entzündung der Herzklappen ist eine lebensbedrohliche Erkrankung.
- Eine solche Endokarditis kann entstehen, wenn Bakterien von einem entzündeten Zahn oder einem infizierten Venenzugang, in selteneren Fällen auch Pilze, mit dem Blut ins Herz gelangen und dort Entzündungen verursachen.
- In mehr als der Hälfte der Fälle bleibt nur die operative Entfernung der Entzündungsbereiche und die Rekonstruktion oder der Ersatz der infizierten Herzklappen.
- Wegen der hohen Ausschüttung von Entzündungsbotenstoffen erfasst die Infektion den gesamten Körper, so dass diese Herzoperation mit einem besonders großen Risiko verbunden ist.
Klinischer Nutzen der Hämoadsorption unzureichend belegt
Das intensivmedizinische Verfahren der Hämoadsorption bietet die
Möglichkeit, durch einen Filterprozess außerhalb des Körpers ähnlich der
Dialyse bestimmte Stoffe wie z.B. Entzündungsmarker aus dem Blut zu
entfernen.
Diese Methode wird bei generalisierten Entzündungen genutzt, um die Zytokinkonzentration im Blut zu verringern.
Ziel dabei ist es, die Immunreaktion des Körpers besser zu beherrschen, die Gewebe und Organe schädigt.
- Zum Einsatz kommt die Hämoadsoption auf den Intensivstationen bei der Behandlung von Sepsis, schweren COVID-19-Erkrankungen und auch bei Endokarditis.
„Allerdings ist der klinische Nutzen dieses plausibel klingenden
Ansatzes nur unzureichend durch Studien geprüft“, betont der
Intensivmediziner Prof. Dr. Michael Bauer, Sprecher des CSCC, das als
Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum für Sepsis und
Sepsisfolgen am Universitätsklinikum Jena vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung gefördert wurde.
Im Rahmen des Zentrums startete ein interdisziplinäres Studienteam vor
acht Jahren die REMOVE-Studie, um den Nutzen der Hämoadsorption bei
Endokarditis-Operationen zu testen. „Wir wollten überprüfen, ob der
Einsatz des Verfahrens bei der chirurgischen Behandlung der
Herzklappenentzündung die organschädigenden Folgen der generalisierten
Entzündung und damit das Risiko des Eingriffs verringern kann“, erklärt
Studienleiter Dr. Mahmoud Diab von der Jenaer Klinik für Herz- und
Thoraxchirurgie.
- Da bei diesen Operationen die Herz-Lungen-Maschinen eingesetzt werden muss, stellt die extrakorporale Blutfilterung dabei kein zusätzliches invasives Verfahren dar.
Kontrollierte Multicenter-Studie mit klinischen Endpunkten
Das Besondere an der REMOVE-Studie: Als multizentrische kontrollierte
und randomisierte Studie erfüllt sie die höchsten Qualitätskriterien,
und erstmals bewertete sie nicht die Filterwirkung, sondern das
klinische Ergebnis. Das Projektteam schloss an 14 herzchirurgischen
Zentren in Deutschland insgesamt 282 Patienten ein, die wegen einer
Endokarditis operiert werden mussten. Diese wurden nach dem
Zufallsprinzip in zwei Gruppen geteilt – bei der einen kam während des
Eingriffs der Adsorptionsfilter zu Einsatz, bei der Kontrollgruppe
nicht.
In Zeitreihenmessungen wurde in beiden Studiengruppen bei jeweils 25
Patienten die Zytokinkonzentration im Blut erfasst. Das Hauptaugenmerk
des Studienteams richtete sich jedoch darauf, ob und welchem Maße die
generalisierte Entzündung nach der Operation die Funktion der Organe
beeinträchtigte. Neben einer auf der abgestuften Funktionsbewertung von
sechs Organsystemen beruhenden Einschätzung betrachtete die Studie auch
die Sterblichkeit innerhalb eines Monats und wie lange Beatmung,
medikamentöse Blutdruckunterstützung und Nierenersatztherapie notwendig
waren.
Keine positive Auswirkung für die Organfunktion
Das REMOVE-Team konnte die Ergebnisse jetzt im Fachjournal Circulation
veröffentlichen:
Die Studie ergab für keine der betrachteten klinischen Zielgrößen einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Patientengruppen.
- Die Hämoadsorption brachte weder bezüglich der Schwere des Organversagens noch bezüglich der Sterblichkeit oder der notwendigen Unterstützungsverfahren einen Vorteil.
Etwa ein Fünftel der Studienpatienten in beiden Gruppen verstarb innerhalb eines Monats.
Häufige Komplikationen wie ein Schock oder akutes Nierenversagen traten
in beiden Gruppen in gleichem Maße auf. Erstautor Mahmoud Diab:
„Obwohl die Messungen eine deutliche Reduktion der Zytokinkonzentration in der Hämoadsorptions-Gruppe belegen, ergab sich daraus nicht die erhoffte Verbesserung für die Patienten.
Unsere Studie zeigt, dass die Hämoadsorption bei Endokarditisoperationen keine positive Auswirkung für die Funktion der Organe und damit für das Behandlungsergebnis hat.“
„Multizentrische Vergleichsstudien mit einem so umfassenden Protokoll stellen einen gewaltigen Koordinationsaufwand dar und sind in der Herzchirurgie noch recht selten“, betont Prof. Dr. Torsten Doenst, Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Jenaer Uniklinikum und Letztautor der Studie.
„Aber nur die Prüfung in solchen Studien ermöglicht es uns, den Patienten nachweislich helfende Therapien zur Verfügung zu stellen.
Wir freuen uns, dass wir mit REMOVE einen Beitrag zur evidenzbasierten Herzchirurgie leisten konnten.“
PD Dr. med. Mahmoud Diab
Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie, Universitätsklinikum Jena
Mahmoud.Diab@med.uni-jena.de
Telefon: 03641 9-322978
Kastanienstraße 1
07747 Jena
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Dr. Uta von der Gönna
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E-Mail-Adresse: pr-dekanat@med.uni-jena.de
Originalpublikation:
Diab M, et al. Cytokine Hemoadsorption During Cardiac Surgery versus Standard Surgical Care for Infective Endocarditis (REMOVE): Results from a Multicenter, Randomized, Controlled Trial, Circulation. 2022 Feb 25. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056940
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03266302 Studienregister
http://www.uniklinikum-jena.de/cscc/ CSCC-Homepage, die Studie wurde im Rahmen des CSCC vom BMBF gefördert: FKZ 01EO1502
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