Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neue Röntgentechnologie: Dunkelfeld-Röntgen verbessert Diagnose von Lungenerkrankungen
Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben ein neues Röntgenverfahren für die Lungendiagnostik erstmalig erfolgreich bei Patienten eingesetzt.
Dunkelfeld-Röntgen macht frühe Veränderungen in der Alveolarstruktur infolge der Lungenkrankheit COPD sichtbar, benötigt dafür jedoch nur ein Fünfzigstel der in der Computertomographie üblichen Strahlendosis.
Dies erlaubt eine breite medizinische Anwendung in der Früherkennung und dem Therapieverlauf von Lungenerkrankungen.
Das Dunkelfeld-Röntgenverfahren macht frühe Veränderungen in der
Alveolarstruktur infolge der Lungenkrankheit COPD sichtbar. Prof. Franz
Pfeiffer hofft, damit die Früherkennung von Lungenkrankheiten deutlich
zu verbessern. Andreas Heddergott / TUM
Millionenfach führen schwere Erkrankungen des Atmungssystems zu stark eingeschränkter Lebensqualität.
Jedes Jahr sterben allein in Deutschland mehr als 100.000 Menschen an schweren Lungenerkrankungen.
Typisch für eine lebensgefährliche chronisch obstruktive
Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease, COPD) sind
teilweise zerstörte Lungenbläschen und eine Aufblähung der Lunge
(Emphysem).
In normalen Röntgenaufnahmen sind die feinen Unterschiede im Gewebe
jedoch kaum sichtbar.
Detaillierte diagnostische Informationen liefern erst fortschrittliche medizinische Bildgebungstechnologien, bei denen im Computer viele Einzelbilder zusammengesetzt werden.
Eine schnelle und
kostengünstige Option mit geringer Strahlenbelastung für Früherkennung
und Nachuntersuchungen fehlt bisher.
Diese Lücke könnte ein an der TU München entwickeltes Verfahren
schließen:
das Dunkelfeld-Röntgen. In der aktuelle Ausgabe von „Lancet
Digital Health“ präsentiert ein Forschungsteam, angeführt von Franz
Pfeiffer, Professor für biomedizinische Physik und Direktor des Munich
Institute of Biomedical Engineering der TUM, nun Ergebnisse einer ersten
klinischen Studie mit Patienten, bei der die neue Röntgen-Technologie
zur Diagnose der Lungenkrankheit COPD eingesetzt wurde.
Der Wellencharakter des Röntgenlichts macht‘s möglich
Die konventionelle Röntgen-Bildgebung beruht auf der Abschwächung des
Röntgenlichts auf seinem Weg durch das Gewebe. Die
Dunkelfeld-Technologie dagegen nutzt Anteile des Röntgenlichts, die
gestreut werden und beim konventionellen Röntgen unbeachtet bleiben.
Die neue Methode nutzt damit das physikalische Phänomen der Streuung auf
ähnliche Weise wie die schon länger bekannte Dunkelfeldmikroskopie mit
sichtbarem Licht: Diese macht es möglich, Strukturen weitgehend
transparenter Objekte sichtbar zu machen. Im Mikroskop erscheinen sie
als helle Strukturen vor einem dunklen Hintergrund, was der Methode
ihren Namen verleiht.
„An Grenzflächen zwischen Luft und Gewebe beispielsweise ist die
Streuung des Röntgenlichts besonders stark“, erklärt Pfeiffer. „Dadurch
lassen sich in einem Dunkelfeldbild der Lunge Bereiche mit intakten,
also luftgefüllten, Lungenbläschen klar von Regionen unterscheiden, in
denen weniger intakte Lungenbläschen vorhanden sind.“
Geringere Strahlendosis
Eine Untersuchung mit der Dunkelfeld-Röntgen-Technik ist außerdem mit
einer deutlich geringeren Strahlendosis verbunden als die heute
verwendete Computertomografie. Denn sie erfordert nur eine einzelne
Aufnahme pro Patientin oder Patient, während für die Computertomografie
zahlreiche Einzelaufnahmen aus verschiedenen Richtungen erstellt werden
müssen.
„Wir rechnen mit einer um den Faktor Fünfzig reduzierten
Strahlenbelastung“, sagt Franz Pfeiffer. Darüber hinaus haben die ersten
klinischen Ergebnisse bestätigt, dass das Dunkelfeld-Röntgen
zusätzliche bildliche Informationen über die zugrundeliegende
Mikrostruktur der Lunge liefert.
„Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen der Alveolarstruktur und
dem funktionellen Zustand der Lunge ist diese Fähigkeit für die
Lungenheilkunde von großer Bedeutung,“ erklärt Dr. Alexander Fingerle,
Oberarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie
am Klinikum rechts der Isar der TUM. „In Zukunft könnte das
Dunkelfeld-Röntgen so zu einer besseren Früherkennung von COPD und
anderen Lungenerkrankungen beitragen.“
Zukünftig bessere Röntgengeräte für die Früherkennung
Franz Pfeiffer hofft, mit diesen ersten klinischen Ergebnissen an
Patienten die Durchführung weiterer klinischer Studien und die
Entwicklung marktfähiger Geräte zu beschleunigen, die die
Dunkelfeld-Methode nutzen.
„Mit der Dunkelfeld-Röntgen-Technologie haben wir aktuell eine Chance,
die Früherkennung von Lungenkrankheiten deutlich zu verbessern und
gleichzeitig auch breiter als bisher einzusetzen,“ betont Pfeiffer.
Da die Dunkelfeld-Bildgebung nicht auf COPD beschränkt ist, sind auch
weitere translationale Studien zu anderen Lungenpathologien wie Fibrose,
Pneumothorax, Lungenkrebs und Lungenentzündung, einschließlich
COVID-19, von großem Interesse.
PD Dr. med. Andreas Sauter bei der Auswertung von Röntgenaufnahmen im
Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie im Klinikum
rechts der Isar der Technischen Universität München. Andreas Heddergott / TUM
Die Arbeiten wurden unterstützt durch das European Research Council im
Rahmen eines Advanced Grants, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und
die Philips Medical Systems DMC GmbH. Mitautor Thomas Köhler (Philips)
war Rudolf Diesel Industry Fellow des TUM Institute for Advanced Study
(TUM-IAS), das aus Mitteln der Exzellenzinitiative des Bundes und der
Länder sowie des Marie Curie COFUND-Programm der EU gefördert wird. Ein
Teil der Arbeiten wurde in Kooperation mit der Karlsruhe Nano Micro
Facility (KNMF), einer Helmholtz-Forschungsinfrastruktur am Karlsruher
Institut für Technologie (KIT), durchgeführt.
Prof. Dr. Franz Pfeiffer
Lehrstuhl für Biomedizinische Physik
Department für Physik / Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE)
James-Franck-Str. 1, 85748 Garching, Germany
Tel.: +49 89 289 12551 (Büro) – +49 89 289 12552 (Sekretariat)
E-Mail: franz.pfeiffer@tum.de
Dr. Andreas Battenberg Technische Universität München
E-Mail-Adresse: battenberg@zv.tum.de
Originalpublikation:
Konstantin Willer, Alexander
Fingerle, Wolfgang Noichl, Fabio De Marco, Manuela Frank, Theresa Urban,
Rafael Schick, Alex Gustschin, Bernhard Gleich, Julia Herzen, Thomas
Koehler, Andre Yaroshenko, Thomas Pralow, Gregor Zimmermann, Bernhard
Renger, Andreas Sauter, Daniela Pfeiffer, Marcus Makowski, Ernst
Rummeny, Philippe Grenier, Franz Pfeiffer
X-ray dark-field chest imaging for detection and quantification of
emphysema in patients with chronic obstructive pulmonary disease: a
diagnostic accuracy study
Lancet Digital Health, Volume 3, ISSUE 11, e733-e744, November 01, 2021 – DOI: 10.1016/S2589-7500(21)00146-1
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://www.thelancet.com/journals/landig/article/PIIS2589-7500(21)00146-1/ Originalpublikation
https://www.groups.ph.tum.de/e17/ Website der Arbeitsgruppe
https://www.bioengineering.tum.de Website des Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE)
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