Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neues Verständnis von Aortendissektionen
- Eine Aortendissektion ist eine lebensbedrohliche Aufspaltung der Aortenwand, über deren Entstehung derzeit noch wenig bekannt ist.
Forschende der TU Graz entwickelten nun Algorithmen und Modelle um die Diagnose und Behandlung frühzeitig zu unterstützen.
Haben die Entstehung und den Verlauf von Aortendissektionen im Fokus und vereinfachen deren Diagnose: Katrin Ellermann (Institut für Mechanik) und Gerhard Holzapfel (Institut für Biomechanik). lunghammer.at © Lunghammer – TU Graz
- Aortendissektionen werden in den meisten Fällen durch einen Einriss der inneren Schicht der Aortenwand, der Intima, ausgelöst.
- Dies hat zur Folge, dass Blut in den so entstandenen Zwischenraum strömt und ein sogenanntes „falsches Lumen“ bildet, welches die mechanische Belastung der Aortenwand grundlegend verändert.
- Im Verlauf der Aortendissektion kann sich das so entstandene falsche Lumen aneurysmatisch erweitern, was zum Durchreißen der Aortenwand und damit zum Tod führen kann.
- Genauso aber kann es zur Bildung eines Thrombus, also eines Blutgerinnsels im falschen Lumen kommen, welcher im günstigsten Fall das falsche Lumen ausfüllt und damit schlimmere Folgen verhindern kann.
Trotz der
schwerwiegenden Folgen sind die Gründe für diese Erkrankung noch nicht
umfassend erklärbar, und ihr Verlauf ist schwer prognostizierbar.
Seit drei Jahren arbeiten Forschende der TU Graz im
fakultätsübergreifenden Leadprojekt „Mechanik, Modellierung und
Simulation von Aortendissektionen“ daran, diesen Umstand zu ändern:
Mittels computergestützter biomechanischer Methoden wollen sie die
Entstehung und den Verlauf von Aortendissektionen besser erklärbar
machen. Mittlerweile hat sich aus dem Projekt ein eigener
Forschungsschwerpunkt entwickelt, der auch über die kommenden drei Jahre
hinaus, für die das Projekt nun nach einem erfolgreichen
Zwischenhearing verlängert wurde, Bestand haben soll.
Erfolge in der ersten Projektphase
In den bisherigen drei Projektjahren konnte das Leadprojekt-Team wichtige Erfolge aufzeigen.
Die Forschenden entwickelten unter anderem eine neue, nicht-invasive
Methode, die bereits verfügbare Bildgebungsverfahren verwendet um die
Diagnose von Aortendissektionen und die medizinische Überwachung zu
vereinfachen. Simulationen der Strömungsdynamik von Blut haben dabei
gezeigt, dass mit dieser Methode der Verlauf der Krankheit präziser
vorhergesagt und der individuelle Status der Dissektion untersucht
werden kann.
Darüber hinaus wurden umfangreiche mechanische Tests an menschlichem
Gewebematerial durchgeführt, welche die Unterschiede in den mechanischen
und strukturellen Eigenschaften von gesundem und erkranktem Gewebe
aufzeigen, wie etwa die Reißfestigkeit, die Steifigkeit und die
Proteinverteilung in der Aortenwand.
Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden Materialmodelle von der Aortenwand entwickelt, um mittels anspruchsvoller Computermodelle die Entstehung und den Verlauf von Aortendissektionen besser verstehen zu können.
In Modellierungsversuchen ergründeten die Forschenden zudem das Entstehen von Blutgerinnsel im falschen Lumen und den Einfluss der Strömungsdynamik des Blutes auf den Verlauf von Aortendissektionen.
Schlussendlich entwickelte das Leadprojekt-Team auch eine Software, die den Ausgangszustand der Aorta vor einer Dissektion rekonstruieren und so für die Prognose eingesetzt werden kann.
Vorherrschender Spannungszustand im falschen und richtigen Lumen bei (a) diastolischem und bei (b) systolischem Blutdruck im Vergleich mit CT Aufnahmen. © Biomech – TU Graz
Pläne für die zweite Projektphase
Die nun genehmigte zweite Projektphase baut auf den vielversprechenden
Ergebnissen auf.
Die interdisziplinäre Gruppe möchte das Verständnis für Entstehung und Verlauf von Aortendissektionen vertiefen und u.a., basierend auf der Bayes’schen Wahrscheinlichkeitstheorie, Artifical Intelligence-Technologien entwickeln, die den Krankheitsverlauf vorhersagen können.
Dabei sollen bestehende klinische Daten (big data) analysiert werden, um die zugrundeliegende Ursache der akuten Aortendissektion oder deren Zusammenhänge mit anderen Anomalien der Aorta aufzudecken.
- In weiterer Folge sollen nicht nur Indikationen zur operativen Sanierung, sondern auch der weitere Krankheitsverlauf vorhergesagt werden und die Erkrankung primärprophylaktisch präklinisch behandelt werden können.
Übergeordnetes Ziel der weiteren drei Projektjahre ist es, verstärkt
Kliniken und Firmen mit an Bord zu nehmen, das Forschungszentrum zu
etablieren, und es zu einem fixen Bestandteil der Grazer
biomedizinischen Forschung zu machen.
Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde Gerhard Holzapfel mit der
William-Prager-Medaille 2021 der „Society of Engineering Science“ sowie
mit der Koiter-Medaille 2021 der „American Society of Mechanical
Engineers“ ausgezeichnet.
Diese Forschung ist im Field of Expertise „Human & Biotechnology“
verankert, einem von fünf strategischen Forschungsschwerpunkten der TU
Graz.
Leadprojekte an der TU Graz
Die TU Graz fördert mit der Schiene Leadprojekte
fachbereichsübergreifende, herausragende wissenschaftliche Vorhaben.
Ausgewählt werden die zu fördernden Projekte von einer internationalen,
unabhängigen Fachjury. Ein genehmigtes Leadprojekt wird für drei Jahre
mit rund 2 Millionen Euro gefördert und kann nach einer erfolgreichen
Evaluierung durch eine ebenfalls internationale, unabhängige Jury um
weitere drei Jahre verlängert werden. Derzeit wird in zwei weiteren
Leadprojekten – im Projekt „Verlässlichkeit im Internet der Dinge“ und
im Projekt „Porous Materials@Work“ – geforscht.
Gerhard A. HOLZAPFEL
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
TU Graz | Institut für Biomechanik
Tel.: +43 316 873 35500
holzapfel@tugraz.at
www.biomech.tugraz.at
Rechbauerstraße 12
8010 Graz
Österreich
Steiermark
Mag. Barbara Gigler
Telefon: +43 316 873-6006
Fax: +43 316 873-6008
E-Mail-Adresse: barbara.gigler@tugraz.at
Telefon: +43 316 873 6066
Fax: +43 316 873 106066
E-Mail-Adresse: christoph.pelzl@tugraz.at
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://www.tugraz.at/projekte/biomechaorta/home/ (Projekt-Website)
https://www.biomech.tugraz.at/ (Institut für Biomechanik der TU Graz)
https://www.tugraz.at/institute/ifm/home/ (Institut für Mechanik der TU Graz)
https://go.tugraz.at/Leadprojekte (Leadprojekte der TU Graz)
https://go.tugraz.at/HumanBiotechnology (FoE "Human & Biotechnology")
https://go.tugraz.at/PA-Aortendissektion (Weiteres Bildmaterial)
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