Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Ein Meilenstein für die Telemedizin
Nach jahrelanger Vorbereitung startet mit der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) initiierten PASSPORT-HF Studie die Erprobung der pulmonalarteriellen Druckmessung bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz.
- Sollten sich die erwarteten positiven Ergebnisse bestätigen, werden die getesteten Prozesse in die Regelversorgung aufgenommen.
Somit stellt die Studie im deutschen Gesundheitswesen und für die Versorgung herzkranker Patienten einen Meilenstein dar: sie untersucht auf höchster Qualitätsstufe ein innovatives, sektorenübergreifendes, telemedizinisches Versorgungskonzept.
In Würzburg erhielt der erste Proband das CardioMEMS™HF System und wird von einer Studienschwester betreut
Daheim leitet der Franke täglich seine Werte des Lungenblutdrucks ab. Je nach Ergebnis wird die Therapie flexibel angepasst. Kirstin LInkamp DZHI
Lange hat das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) für die Telemedizin in der Versorgung herzinsuffizienter Patienten gekämpft. Denn das hochkomplexe Krankheitsbild benötigt eine umfassende Betreuung durch spezialisierte Pflegekräfte, um Entgleisungen rechtzeitig zu erkennen.
Endlich besteht konkrete Aussicht darauf, dass herzkranke Patienten leitlinien- und bedarfsgerecht versorgt werden können.
Denn erstmals haben der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung telemedizinisch erbrachte kardiologische Leistungen in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommen.
- Im Rahmen der PASSPORT-HF-Studie darf ab jetzt die ambulante telemedizinische Nachsorge von Herzinsuffizienzpatienten abgerechnet werden.
Trifft die
Studie die Erwartungen, werden diese Leistungen und Vergütungen in
Deutschland in die Regelversorgung übernommen. In der randomisierten
PASSPORT-HF-Studie prüft das DZHI im Auftrag des Gemeinsamen
Bundesausschusses (G-BA) die Anwendung des CardioMEMS™HF Systems. In den
USA wurde bereits gezeigt, dass Herzinsuffizienzpatienten sich mittels
Monitoring des Lungenblutdrucks besser behandeln lassen und
Krankenhausaufenthalte und Sterblichkeit verringert sind. Der erste
PASSPORT-Patient hat jetzt in der Uniklinik Würzburg den Sensor erhalten
und wurde von seiner Studienschwester ins System eingewiesen.
Eine verschleppte Grippe hat Michael Huber (Name wurde auf Wunsch des
Patienten geändert) im Alter von 30 Jahren zum Patienten mit einer
schweren Herzinsuffizienz gemacht. „Für mich war es eine Erkältung“,
sagt der heute 39-Jährige aus dem oberfränkischen Forchheim. Doch die
Erkältung hielt ein halbes Jahr an. Als er zunehmend bei Belastung blau
anlief, klingelten beim Hausarzt die Alarmglocken, die Untersuchungen
ergaben eine Herzmuskelentzündung, die das Herz schon massiv geschwächt
hatte. Mit Tabletten und einem implantierten Defibrillator kämpfte er
sich zurück ins Leben, arbeitete Vollzeit als Verkäufer – bis der
Defibrillator im August diesen Jahres 53 Mal in nur einer Woche einen
Schock auslöste. Wassereinlagerungen und Leber- und Nierenversagen kamen
hinzu. Michael Huber wurde das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz an
der Uniklinik Würzburg empfohlen. Hier bot man ihm die Teilnahme an der
neuen PASSPORT-HF Studie an.
- Fernüberwachung des Drucks in der Lungenarterie kann die Prognose verbessern
Die vom DZHI geleitete und vom Institut für Herzinfarktforschung
Ludwigshafen durchgeführte randomisierte PASSPORT-HF Studie prüft die
Anwendung des CardioMEMS™ HF Systems im deutschen Gesundheitssystem. Das
System besteht aus drei Komponenten:
Ein Sensor wird Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz in die Lungenarterie implantiert; ein „intelligentes Kissen“ dient als Mess-Station; eine sichere Datenbank empfängt die täglich gemessenen Werte, wo sie vom Betreuerteam beurteilt werden können.
- Ein Druckanstieg in der Pulmonalarterie lässt meist schon Wochen vorher eine drohende Entgleisung erkennen.
- So kann durch eine geeignete Therapieanpassung eine weitere Verschlechterung, ein Krankenhausaufenthalt oder Schlimmeres verhindert werden.
PASSPORT-HF wird an etwa 40 Zentren in Deutschland durchgeführt. 560
Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium III*), die
im vergangenen Jahr mindestens einmal im Krankenhaus wegen einer
Herzinsuffizienz behandelt wurden, sollen aufgenommen und zunächst über
zwölf Monate betreut werden. Die eine Gruppe (Intervention) erhält das
CardioMEMS™ HF System und kann mit Hilfe der Lungendruckwerte durch die
Behandlungsteams intensiviert behandelt werden. Die andere Gruppe
(Kontrolle) wird zu Studienbeginn angeleitet, sich selbst zu beobachten,
also Blutdruck, Herzfrequenz, Gewicht und Wassereinlagerungen im Körper
zu messen und zu dokumentieren. Die Ergebnisse werden telefonisch
abgefragt und zur Optimierung der Therapie herangezogen.
Rechtzeitig reagieren und Therapie flexibel anpassen
Michael Huber sagte sofort zu. Das Los entschied, dass er das
CardioMEMS™ HF System erhält. Somit ist er deutschlandweit der erste
Patient, dem im Rahmen der PASSPORT-HF Studie ein Sensor implantiert
wurde. Das Studienteam um Prof. Dr. Stefan Störk wies Michael Huber im
Krankenhaus in das System ein. Daheim leitet der Franke nun täglich mit
dem speziellen Auslesegerät seine Werte ab. Je nach Ergebnis wird die
Therapie flexibel angepasst. „Ich habe große Hoffnung, dass bei einer
Verschlechterung jetzt viel schneller und damit rechtzeitig reagiert
werden kann“, sagt Michael Huber und ist froh, dass er an der Studie
teilnehmen darf.
Herzinsuffizienz-Pflegekräfte sind das Herzstück der Behandlung
„Das CardioMEMS™ HF System liefert uns neue, bisher nicht zugängliche
Informationen, Tag für Tag. Die Druckwerte sind jedoch nur ein Teil der
Versorgungskette, sie stellen selbst noch keine Therapie dar“, sagt der
Leiter der Studie, Prof. Dr. Stefan Störk.
„Wichtig ist, dass die übertragenen Messwerte regelmäßig von einer geschulten Herzinsuffizienz-Pflegekraft und im Bedarfsfall zusätzlich vom Arzt betrachtet und interpretiert werden, sodass Medikation und Therapie zeitnah angepasst werden können.
Der Mehrwert des CardioMEMS™ HF Systems
hängt ganz entscheidend davon ab, dass der Patient die tägliche Messung
durchführt und dann auch die Behandlungsempfehlungen umsetzt.“
Seit vielen Jahren setzt sich das DZHI für eine umfassende Versorgung
von Patienten mit Herzinsuffizienz ein. Denn das hochkomplexe
Krankheitsbild benötigt eine umfassende, multidisziplinäre Versorgung.
Um drohende Entgleisungen frühzeitig zu erkennen und
Krankenhausaufenthalte zu vermeiden, wurde am DZHI für
Hochrisikopatienten das Versorgungsprogramm HeartNetCare-HF™ entwickelt.
Der Schlüssel zum Erfolg dieses Programms sind spezialisierte Herzinsuffizienzschwestern und -pfleger.
Schon in der Klinik schulen sie Patienten und ihre Angehörigen in der Selbstüberwachung von Blutdruck, Herzfrequenz, Körpergewicht und Beschwerden.
Nach der Entlassung bricht der Kontakt nicht ab, sie telefonieren regelmäßig mit ihren Patienten, kontrollieren die Werte und stellen bei Bedarf in Absprache mit den Ärzten die Dosierung der Medikamente um.
HeartNetCare-HF™ ist das erste Versorgungsprogramm, für das im deutschen Gesundheitssystem ein Wirksamkeitsnachweis erbracht wurde.
Schon nach sechs Monaten war die Sterblichkeit in der HeartNetCare-HF™ Gruppe im Vergleich zur herkömmlich behandelten Patientengruppe um 38% vermindert!
Das sind Ergebnisse, die mit keinem einzelnen Medikament erreicht werden können.
Besonders ältere und schwerer erkrankte Patienten profitierten von der Telefonbetreuung.
- Den größten Überlebensgewinn hatten Patienten, bei denen eine depressive Verstimmung als Begleiterkrankung vorlag.
- Auch die Lebensqualität und körperliche Leistungsfähigkeit besserten sich signifikant.
Die Patienten nahmen ihre Medikamente regelmäßiger ein und betrieben eine effektivere Selbstüberwachung.
Michael Huber wurde von seiner Studienschwester im Rahmen der PASSPORT-HF Studie in das CardioMEMS™ HF System eingewiesen. Kirstin Linkamp DZHI
Dank PASSPORT-HF dürfen erstmals Pauschalen für telekardiologische Leistungen abgerechnet werden
Leider gab es für diese vielversprechende Betreuungsform bisher von den
Krankenkassen keine Finanzierung.
Doch die Aufnahme der Leistungsziffern
für Telemedizin in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) gibt
Hoffnung. Vorerst darf nur im Rahmen der PASSPORT-Studie abgerechnet
werden. Trifft die vom Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) beauftragte
PASSPORT-HF Studie jedoch die Erwartungen, werden die Leistungen in die
Regelversorgung übernommen.
„Damit legt die PASSPORT-Studie den Grundstein für kardiales
Telemonitoring und ebnet den Weg für die Telekardiologie in
Deutschland“, freut sich Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter der Klinischen
Forschung und Epidemiologie am DZHI.
„Die Abrechnungsziffern sind
ambulant abrechenbar und ermöglichen erstmals eine sektorenübergreifende
und telemedizinische Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz.
Insgesamt wird so die leitlinien- und bedarfsgerechte Versorgung
herzkranker Patienten gestärkt.“
* Die New York Heart Association (NYHA) hat die Herzinsuffizienz in vier Stadien eingeordnet.
Zur Herzinsuffizienz
Fast vier Millionen Menschen leiden in Deutschland unter einer
Herzinsuffizienz. Die Ursachen sind komplex. Die Lebenserwartung nimmt
stetig zu und akute kardiovaskuläre Erkrankungen werden immer häufiger
überlebt – nicht selten mit einer Herzinsuffizienz als Langzeitfolge.
Hinzu kommen zahlreiche weitere Erkrankungen sowie gravierende
Einschränkungen der Lebensqualität. Diese Volkskrankheit stellt sowohl
für die Betroffenen als auch für das Gesundheits-system eine enorme
Belastung dar.
Über das CardioMEMS™ HF System
Erste Studien in den USA, Deutschland, Irland und den Niederlanden haben
gezeigt, dass das gerätebasierte Telemonitoring mit dem CardioMEMS™ HF
System die Prognose von Herzinsuffizienzpatienten erheblich verbessert.
Die von der Würzburger Kardiologin Christiane Angermann geleitete
MEMS-HF-Studie ergab zum Beispiel eine Reduzierung der
Hospitalisierungsrate nach der Implantation des Sensors im Vergleich zum
Jahr vorher um mehr als 60 Prozent. Die Lebensqualität verbesserte sich
– besonders ausgeprägt bei Patienten mit starker Drucksenkung in der
Pulmonalarterie.
Die depressiven Symptome bildeten sich deutlich zurück und die Schwere der Erkrankung nahm ab (dauerhafte Verbesserung der NYHA-Klasse bei mehr als 40% der Patienten sowie deutlicher Abfall des Herzschwächemarkers NT-proBNP).
Prof. Dr. Stefan Störk, stoerk_s@ukw.de
Kirstin Linkamp, Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz Universitätsklinikum Würzburg
Josef-Schneider-Str. 2
Haus D3
97080 Würzburg
Deutschland
Bayern
Susanne Just
Telefon: 0931/201-59447
Fax: 0931/201-60 59447
E-Mail-Adresse: just_s@ukw.de
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