Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Wie das weibliche Gehirn beim Lernen auf Antidepressiva reagiert
Frauen werden häufiger Antidepressiva verschrieben – so sind nach Krankenkassendaten zwei von drei Erkrankte, denen ein Medikament gegen Depressionen verschrieben wurde, weiblich.
In vielen präklinischen Studien werden jedoch immer noch hauptsächlich männliche Teilnehmer getestet, obwohl es klare Hinweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Erkrankung und dem Ansprechen auf Medikamente gibt.
Julia Sacher & ihr Team untersuchten 64 gesunde Frauen, um zu sehen, wie ihr Gehirn auf die Kombination aus motorischem Lernen und der Einnahme eines gängigen Antidepressivums reagiert.
Im Gegensatz zu früheren klinischen Studien fanden sie keine Verbesserung des motorischen Lernens.
- Es wird angenommen, dass einige dieser Antidepressiva auch bei der motorischen Erholung nach einem Schlaganfall helfen.
- Während die altersspezifischen Schlaganfallraten bei Männern höher sind, erleiden Frauen häufigere und schwerere Schlaganfallereignisse und erholen sich mit geringerer Wahrscheinlichkeit.
In vielen präklinischen Studien werden jedoch immer noch hauptsächlich männliche Teilnehmer getestet, obwohl es klare Hinweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Erkrankung und dem Ansprechen auf Medikamente gibt.
Um diese Wissenslücke zu schließen,
haben WissenschaftlerInnen um Julia Sacher vom Max-Planck-Institut für
Kognitions- und Neurowissenschaften 64 gesunde Frauen untersucht, um zu
sehen, wie ihr Gehirn auf die Kombination aus motorischem Lernen und der
Einnahme eines gängigen Antidepressivums reagiert. Überraschenderweise
und im Gegensatz zu früheren klinischen Studien fanden sie keine
Verbesserung des motorischen Lernens bei den Teilnehmerinnen.
"Wir gaben den gesunden Teilnehmerinnen ein sehr gebräuchliches
Antidepressivum, Escitalopram genannt, und haben getestet, wie gut sie
bei einer motorischen Aufgabe in einem MRT-Scanner abschneiden. Erwartet
wurde, dass das Medikament ihre Leistung bei dieser Aufgabe verbessern
würde. Tatsächlich fanden wir aber heraus, dass dies nicht der Fall
war", erklärt Studienautor Eóin Molloy die Ergebnisse. "Die motorischen
Leistungen der Frauen, die das Medikament einnahmen, und der Frauen, die
ein Placebo erhielten, waren also sehr ähnlich".
Was die WissenschaftlerInnen jedoch herausfanden, war, dass in den zentralen motorischen Regionen des Gehirns eine andere Reaktion als beim Placebo auftrat.
"Es gab eine deutlich abgeschwächte Gehirnreaktionen in den Regionen, die an der Ausführung dieser Art von Aufgabe beteiligt sind", fährt Molloy fort. "Wir denken, dass die geringere Reaktion im Gehirn bedeuten könnte, dass das Gehirn weniger hart arbeiten muss, um die Aufgabe zu erfüllen.
Das Medikament könnte also die Effizienz des
Gehirns bei ähnlicher Ausführung der Aufgabe durchaus verbessern.“
Warum haben die WissenschaftlerInnen nun erneut Daten gesammelt, die
mehr erklären sollen, als andere Erkenntnisse, die bis zu diesem
Zeitpunkt vorlagen? Frühere Studien, die positive Ergebnisse gezeigt
hatten, waren von der Stichprobengröße her zu klein. Und aktuelle große
klinische Studien, die keine positive Wirkung des Antidepressivums bei
Schlaganfallpatienten zeigten, waren methodisch problematisch. So
mussten die Teilnehmer beispielsweise keine standardisierte motorische
Lernaufgabe in Kombination mit dem Medikament durchführen. Ein
Hauptgrund war aber, Frauen zu testen, deren körpereigene Sexualhormone
durch die Pille herunterreguliert werden. "Dies ist wichtig, weil in
vielen ähnlichen präklinischen Studien noch immer hauptsächlich
männliche Teilnehmer getestet werden, obwohl es klare Hinweise auf
geschlechtsspezifische Unterschiede sowohl im Ansprechen auf diese Art
von Medikamenten im Allgemeinen als auch in der Frage gibt, wie dieses
Medikament die Ausführung einer motorischen Lernaufgabe beeinflussen
kann", sagt Studienleiterin Julia Sacher. "Sexualhormone haben eine
signifikante Wirkung, und darüber hinaus ist die Mehrheit der Patienten,
denen diese Medikamente verschrieben werden, weiblich.“
Die Frauen aus ihrer Studie nahmen das Medikament sieben Tage lang in
einer klinisch relevanten Dosis ein - ähnlich dem, was verschrieben
würde, wenn eine Patientin wegen einer antidepressiven Behandlung zum
Arzt ginge.
Die Idee, sie dann eine Woche lang ununterbrochen zu testen
und Hirnmessungen durchzuführen, geht einen Schritt über das hinaus, was
frühere Studien getan haben. Für eine erfolgreiche Übertragung der
Ergebnisse von gesunden StudienteilnehmerInnen auf PatientInnen sind
zukünftige Studien an Frauen mit einem natürlichen Zyklus, an Männern
sowie an gesunden älteren TeilnehmerInnen und SchlaganfallpatientInnen
notwendig.
- Julia Sacher und ihr Team glauben außerdem, dass es einen Zusammenhang zwischen Hormonschwankungen und der Wirkung von Antidepressiva auf das weibliche Gehirn geben könnte, einschließlich der Frage, wie PatientInnen sich von neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen oder Schlaganfall erholen, und gehen diesem Verdacht derzeit in Folgestudien nach.
Dr. Julia Sacher
Minverva-Forschungsgruppenleiterin
+49 341 9940-2409
sacher@cbs.mpg.de
Stephanstraße 1a
04103 Leipzig
Postfach 500355
04303 Leipzig
Deutschland
Sachsen
Telefon: +49 341 9940-148
E-Mail-Adresse: verenamueller@cbs.mpg.de
Originalpublikation:
Eóin N Molloy, Karsten Mueller,
Nathalie Beinhölzl, Maria Blöchl, Fabian A Piecha, André Pampel,
Christopher J Steele, Ulrike Scharrer, Gergana Zheleva, Ralf Regenthal,
Bernhard Sehm, Vadim V Nikulin, Harald E Möller, Arno Villringer, Julia
Sacher:
"Modulation of premotor cortex response to sequence motor learning during escitalopram intake"
Journal of Cerebral Blood Flow & Metabolism: https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0271678X20965161
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