Medizin am Abend Berlin Fazit: Verminderte Hirnleistung bei schwachem Herz
Eine Herzinsuffizienz bedarf einer umfassenden Therapie und exakten
Medikamenteneinnahme.
- Diese können viele Patienten aber nicht einhalten.
- Dies liegt jedoch häufig gar nicht am Willen oder Nachlässigkeit der
Patienten, sondern an einer durch die Herzschwäche begünstigten Störung
des Gedächtnisses und der Aufmerksamkeit.
Ein Würzburger Forscherteam
hat jetzt bestätigt, dass 41 Prozent der untersuchten
Herzschwäche-Patienten Defizite in der Reaktionszeit aufwiesen, 46
Prozent Defizite im verbalen Gedächtnis.
Im Kopf-MRT zeigten die
Patienten im Vergleich zu herzgesunden Normalpersonen eine stärkere
Atrophie des Temporallappens, der eine wichtige Rolle für die
Gedächtnisbildung innehat.
Die Studie Cognition.Matters-HF zeigt: Das schwache Herz beeinflusst
die Hirnfunktion; links das MRT-Bild des Hippocampus von gesunden
Probanden, rechts die Atrophie bei Herzschwäche-Patienten. DZHI/UKW
Das Besondere an der jüngst im "Journal of the American College of
Cardiology: Heart Failure" (JACC: Heart Failure) veröffentlichten
Beobachtungsstudie Cognition.Matters-HF ist, dass am Uniklinikum
Würzburg 148 Patienten mittleren Alters mit einer mindestens ein Jahr
zuvor diagnostizierten Herzschwäche innerhalb von zwei Tagen zahlreichen
kardiologischen, neurologischen und neuropsychologischen Tests
unterzogen wurden.
Dazu zählten neben dem EKG und der Echokardiographie,
also dem Herzultraschall, auch Herz-Kreislaufuntersuchen inklusive
6-Minuten-Gehtest sowie neurologische Untersuchungen mit Ultraschall der
Halsgefäße, neuropsychologischen Tests und eine Kernspintomografie des
Gehirns.
Diese Untersuchungen werden nach einem Jahr, drei Jahren und
fünf Jahren wiederholt. Das Team unter Leitung der Kardiologen Dr. Anna
Frey und Prof. Dr. Stefan Störk, sowie des Neurologen Prof. Dr. Guido
Stoll der Universitätsklinik Würzburg hat im Jahr 2011 mit der Studie
begonnen. Inzwischen haben gut ein Drittel der Patienten bereits die
5-Jahres-Untersuchung abgeschlossen.
Neben der zügigen und aufwändigen Evaluation unterscheidet
Cognition.Matters-HF noch etwas von bisherigen
Herz-Hirn-Studien.
„Um
die MRT-Bilder unserer Herzschwäche-Patienten auszuwerten, haben wir die
Bilder mit insgesamt 288 gesunden Probanden gleichen Geschlechts und
Alters aus einer Österreichischen Schlaganfall-Studie verglichen.
„Ohne
die Kooperation mit Professor Reinhold Schmidt aus der Grazer
Universitätsklinik für Neurologie hätten wir nicht solche
aussagekräftigen Hinweise für eine Verbindung zwischen
insuffizienten
Herzen und kognitiven Defiziten und Veränderungen im Gehirn erhalten“,
bedankt sich Professor Stoll, leitender Oberarzt der Neurologischen
Klinik und Poliklinik am Uniklinikum Würzburg.
- „Mit dieser wegweisenden
Studie haben wir die Hypothese weiter untermauert, dass das schwache
Herz die Gehirnfunktion beeinträchtigt und insbesondere Auffälligkeiten
im Temporallappen als wahrscheinliche Ursache identifizieren können.
Interessanterweise waren die häufig angeschuldigten Läsionen in der
weißen Substanz des Gehirn bei den Herzinsuffizienzpatienten und dem
Kontrollkollektiv gleich stark ausgeprägt“.
Würzburger Forscher fanden heraus, dass die Atrophien des
Temporallappens bei Herzschwächepatienten im Zusammenhang mit ihren
kognitiven Beeinträchtigungen standen.
DZHI/Kochanowski
Doch wieso beeinflusst das kranke Herz die Herzfunktion?
„An der
Pumpfunktion scheint es nicht zu liegen“, erklärt die Erstautorin der
Studie Dr. Anna Frey.
„Es findet sich nämlich kein direkter Zusammenhang
zwischen der eingeschränkten Pumpleistung und den Einschränkungen der
Kognition.
Auffällig bei den Patienten mit kognitiven Störungen war
jedoch die geringere Ausdauer.
Beim
6-Minuten-Gehtest schnitten die
Patienten mit verminderter Herz- und Hirnfunkton nicht so gut ab wie
diejenigen, deren Hirnfunktion unauffällig war.
„Die Ergebnisse von Cognition.Matters-HF zeigen den Bedarf an weiteren
Studien, die auf eine Verbesserung der kognitiven Funktionen bei
herzinsuffizienten Patienten abzielen“, bestätigt der Ärztliche Direktor
des Uniklinikums Würzburg, Professor Georg Ertl.
„Denn die durch
die
verminderte Herz- und Hirnleistung betroffenen Patienten befinden sich
in einem Dilemma.
- Eine Herzschwäche erhöht aufgrund des komplexen
Therapieplans mit regelmäßiger Prüfung der Vitalwerte, konsequenter
Einnahme der Medikamente und Beschränkung der Trinkmenge die kognitiven
Anforderungen.
Demgegenüber stehen die verminderten kognitiven
Fähigkeiten.
Viele Patienten können aus diesem Grund den Therapieplan
schlichtweg nicht einhalten.
Das hat zur Folge, dass sich sowohl die
Lebensqualität als auch die Erkrankung zunehmend verschlechtern.
Unseren
Untersuchungen zufolge droht den Herzinsuffizienzpatienten mit
linksventrikulärer Ejektionsfraktion und Defiziten in verschiedenen
kognitiven Domänen das Risiko, innerhalb des ersten Jahres nach
Studienbeginn zu versterben.“
Professor Stefan Störk, Leiter der Herzinsuffizienz-Ambulanz des
Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz Würzburg zieht folgendes Fazit
aus der Studie für die Arbeit mit den Patienten:
„Cognition.Matters-HF
bestärkt uns Ärzte darin, dass wir die Herzschwäche-Patienten künftig
noch intensiver betreuen müssen.
Das fängt bei der Diagnose an, die wir
patientengerecht vermitteln müssen,
idealerweise in Gegenwart eines
Angehörigen, geht weiter über den Behandlungsplan, den wir möglichst
schriftlich mitgeben, und hört auf bei der Unterstützung der Patienten
durch
eine Herzinsuffizienz-Schwester, die den Patienten regelmäßig
kontaktiert, seine Werte überprüft, die Medikamenteneinnahme
kontrolliert und ihn s
omit bis zur Stabilisierung der Symptome
begleitet.
Wir wussten bereits aus eigenen früheren Studien, dass dieser
Ansatz von entscheidender Bedeutung ist.
Auf dem Boden der Ergebnisse
von
Cognition.Matters-HF verstehen wir jetzt zunehmend besser, warum das
so ist.
Mit Hilfe von kognitiven Tests können wir in Zukunft
hoffentlich bereits bei der Diagnosestellung hierzu eine Aussage treffen
und den Patienten noch zielgerichteter helfen.“
Anna Frey warnt jedoch vor einer Pauschalisierung, dass jeder Patient
mit einer Herzschwäche zwangsläufig eine Gedächtnisstörung hat oder
haben wird:
„Immerhin haben wir bei 32 Prozent aller Studienteilnehmer
mit Herzinsuffizienz keine Auffälligkeiten im Gehirn gefunden.
Lediglich
16 Prozent unserer Patienten hatten ernsthafte kognitive Störungen.“
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Dr. Anna Frey, frey_a@ukw.de
Prof. Dr. Stefan Störk, stoerk_s@ukw.de
Prof. Dr. Guido Stoll, stoll_g@ukw.de
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Kirstin Linkamp, DZHI
Universitätsklinikum Würzburg
Susanne Just
Telefon: 0931/201-59447
Fax: 0931/201-60 59447
E-Mail-Adresse:
just_s@ukw.de
Originalpublikation:
Die ausführliche Publikation finden Sie hier:
http://heartfailure.onlinejacc.org/content/6/7/583