Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Wie wirksam ist die Bauchlagerung?
Alltag auf der Intensivstation:
Um einen Patienten mit akutem Lungenversagen fachgerecht und komplikationslos vom Rücken auf den Bauch umzulagern, sind durchschnittlich fünf Personen im Einsatz.
Die Maßnahme hat sich bei schwerkranken COVID-19-Patienten bewährt.
Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Bauchlagerung sogar besonders erfolgreich.
Das hat Jenny Tropmann, Krankenpflegerin am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, in ihrer Bachelorarbeit dargestellt.
Je nach Körpergröße, Gewicht und eingesetzter Medizintechnik können bei der Umlagerung eines Patienten auf der Intensivstation fünf Personen beteiligt sein (Foto: Marcel Mompour). HDZ NRW
„Schwerkranke Patientinnen und Patienten benötigen hochkomplexe Pflegeprozesse“, sagt die 24-Jährige.
„Das war schon immer so, ist aber
erst durch die SARS-CoV-2-Pandemie in den Blickpunkt der Öffentlichkeit
geraten.“ Auf der COVID-19-Intensivstation des HDZ NRW werden derzeit 4
Schwerkranke pflegerisch und medizinisch versorgt. Die Pflegekräfte
überwachen Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung. Sie sind mit
der aufwendigen Medizintechnik – darunter extrakorporale
Lungenunterstützungssysteme (ECMO) - vertraut, bedienen Beatmungs- und
Infusionsgeräte und setzen bei Nieren- oder Leberversagen entsprechende
Ersatzverfahren ein.
„Drehen Sie einmal einen mit diesen Geräten ausgestatteten Patienten in
die Seitenlage oder die empfohlene Bauchlage“, sagt Jenny Tropmann.
Dazu brauche es ein perfekt geschultes Team, eine gute Vorbereitung der erforderlichen Lagerungsmaterialien zur Dekubitusprophylaxe, um ein Wundliegen zu verhindern - einschließlich der Sicherung der verschiedensten Gerätschaften.
Und natürlich klar geregelte Absprachen untereinander.
Auch auf Körpergröße und Gewicht der Patienten müsse bei
der Umlagerung geachtet werden. „Dieses Prozedere routinemäßig ohne
Komplikationen zu beherrschen, ist eine äußerst anspruchsvolle
Pflegeintervention.“
Mit der Bauchlagerung hat sich die Krankenpflegerin eingehender im
Rahmen ihres berufsbegleitenden Studiums beschäftigt. Anhand einer
systematischen Untersuchung der zum Thema vorhandenen wissenschaftlichen
Veröffentlichungen hat sie in ihrer Übersichtsarbeit nachgewiesen, dass
eine Bauchlagerung das Sterblichkeitsrisiko insgesamt im Vergleich zur
Rückenlage prozentual verringern kann, - sofern bestimmte Kriterien
beachtet werden.
Warum ist die Bauchlagerung so sinnvoll und wird bei akutem
Lungenversagen, das als „ARDS“ (engl. Acute Respiratory Distress
Syndrome) bezeichnet wird, ausdrücklich empfohlen? „
- Auf dem Bauch liegend verteilt sich der über die Beatmungsgeräte zugeführte Sauerstoff besser und gleichmäßiger in der Lunge“, antwortet Tropmann.
„Die Lunge
wird entlastet, Belüftung und Durchblutung bessern sich auf diese
Weise.“
Mehr als zehn Prozent aller Intensivpatienten leiden an einem akuten
Lungenversagen. Bei einem schweren Verlauf verstirbt fast die Hälfte der
Betroffenen. Mit ihrer Forschungsarbeit belegt Jenny Tropmann, dass
gerade bei dieser Patientengruppe eine Bauchlagerung das
Sterblichkeitsrisiko um bis zu 15 Prozent senken kann.
- Die Methode ist umso wirksamer, je früher sie angewandt wird.
„Zudem sollten die
Patienten möglichst lange auf dem Bauch gelagert werden, die Leitlinien
der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften empfehlen sogar 16 Stunden.“
Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Arbeit auf der Intensivstation?
„In einem Klinikum wie dem HDZ NRW sind die Spezialkenntnisse der
Mitarbeitenden und das Erfahrungswissen aufgrund der hohen Routine im
Alltag auf den Stationen enorm groß“, sagt die Gesundheits- und
Krankenpflegerin. „Um Patienten bestmöglich zu versorgen, ist es
wichtig, unsere pflegerischen Maßnahmen regelmäßig zu hinterfragen und
zu überprüfen. Nur so können wir das, was wir tun, auch nachhaltig
begründen, wissenschaftlich belegen und damit auch weiter verbessern,
wenn das notwendig erscheint.“
Anerkennung hat Jenny Tropmann mit ihrer Arbeit nicht nur mit einer
ersten Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift gefunden, sondern auch
in ihrem direkten Umfeld im HDZ. „Das ist ein hochaktuelles und sehr
schönes Beispiel für unser Konzept der evidenzbasierten Pflege, das wir
Schritt für Schritt im gesamten Klinikum umsetzen“, sagt Pflegedirektor
Christian Siegling, der mit diesem Qualitätsanspruch ein besonderes
Augenmerk auf die Akademisierung der Pflegeberufe richtet.
Der Anspruch an Medizin und Pflege in einem Spezialklinikum ist zu Recht hoch.
Mit einem entsprechenden Weiterbildungsangebot und gezielten Einarbeitungskonzepten in kollegialen Teams sprechen wir daher alle Fachkräfte an, die mit einem solchen Qualitätsanspruch bei uns arbeiten möchten“, sagt er. „Und natürlich sind Pflegende mit einem akademischen Grad oder auf dem Weg zu einem Studienabschluss ebenso herzlich willkommen!“
Jenny Tropmann arbeitet in der Krankenpflege auf der kardiochirurgischen Intensivstation E.01 im HDZ NRW, Bad Oeynhausen (Fotograf: Marcel Mompour). HDZ NRW
Jenny Tropmann
Krankenpflege am HDZ NRW, Bad Oeynhausen
Anna Reiss Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum - Herz- und Diabeteszentrum NRW Bad Oeynhausen
Georgstr. 11
32545 Bad Oeynhausen
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
E-Mail-Adresse: info@hdz-nrw.de
Telefon: 05731/971955
Fax: 05731/972028
E-Mail-Adresse: areiss@hdz-nrw.de
Originalpublikation:
Tropmann J. Müller I.: Wirksamkeit der Bauchlagerung bei ARDS. Intensiv 2021; 29(05): 242-246 © 2021 Thieme. DOI: 10.1055/a-1530-3209
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