Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: DGE: Vitamin D bei COVID-19? Fachgesellschaft empfiehlt für Risikopatienten Kompromiss
- Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass schwer an COVID-19 Erkrankte einen niedrigen Vitamin D-Spiegel haben.
Dies führt zur Diskussion, ob die vorsorgliche Einnahme des Sonnenvitamins vor der Krankheit schützen könne.
Eine Vitamin D-Gabe alleine zur COVID-19-Infektionsprophylaxe oder -therapie ist derzeit jedoch nicht angebracht, sagt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in einer aktuellen Stellungnahme.
Die wissenschaftliche Beweislage sei hierfür nicht ausreichend.
Die DGE weist zudem darauf hin, dass ein Zuviel des Vitamins auch schädlich sein könne.
Bis belastbare Studien vorliegen, empfiehlt die Fachgesellschaft einen Kompromiss:
Zur Sicherstellung einer ausreichenden Vitamin D-Versorgung rät sie für Risikogruppen die Einnahme von 400-1000 IE pro Tag des Vitamins an.
Dazu gehören Ältere, Bewohner von Pflegeeinrichtungen und chronisch kranke Menschen, die sich nur selten im Freien aufhalten.
Mit diesem Vorgehen nutze man mögliche,
bisher jedoch nicht eindeutig belegte Vorteile, ohne das Risiko
potenzieller Nachteile einer Überdosierung in Kauf zu nehmen.
- Vitamin D ist eigentlich ein Hormon, welches unter dem Einfluss von Sonnenlicht in der Haut gebildet wird und das an zahlreichen Prozessen im Körper beteiligt ist.
Unter anderem ist es unverzichtbar für gesunde Knochen.
- Manche Studien lieferten Hinweise, dass Vitamin D möglicherweise respiratorischen Erkrankungen wie Lungenentzündungen vorbeugt und auch wichtig für die Herz-Kreislauf-Gesundheit ist.
Ebenso gab es Anzeichen, dass es das Risiko für Diabetes und einige Krebsarten senken könnte.
In den bisherigen Behandlungsstudien waren diese Effekte im Vergleich zu einem Scheinmedikament (Placebo) jedoch nicht eindeutig zu belegen.
„Da die Datenlage nicht eindeutig ist, können bislang auch keine klaren Empfehlungen im Hinblick auf eine Vitamin D-Behandlung für diese Einsatzgebiete gegeben werden“, fasst Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE zusammen.
- Hinzu komme ein von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlicher Stoffwechselweg von Vitamin D im Körper:
„Dieser Umstand könnte auch die teils widersprüchlichen
Studienergebnisse erklären“, so Weber, der Leiter des Schwerpunkts
Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen am Universitätsmedizin Mainz
ist.
Verschärft wurde diese Diskussion zuletzt durch die Corona-Pandemie.
Zahlreiche Studien zeigen niedrige Vitamin D-Spiegel bei schwereren Verläufen von COVID-19.
„Dies lässt die Rufe nach einer vorsorglichen Vitamin D-Einnahme immer lauter werden“, so Weber.
- Doch die klinischen Studien zum Einfluss von Vitamin D bei COVID-19 sind hauptsächlich Beobachtungsstudien und damit aus wissenschaftlicher Sicht nicht ausreichend beweiskräftig.
„Sie zeigen lediglich, dass zwei Ereignisse
zusammen auftreten, aber nicht, dass das eine die Ursache des anderen
ist“, sagt Weber. So weisen auch häufig Patienten, die an anderen
Krankheiten leiden, einen niedrigen Vitamin D-Spiegel auf. „Es gibt
viele plausible Erklärungen dafür, dass eine schwere Krankheit niedrige
Vitamin D-Spiegel zur Folge haben kann“, so Weber. Damit sei auch
erklärt, warum die Gabe von Vitamin D keinen Erfolg bei der Behandlung
dieser Krankheit mit sich bringt, meint er. Um eine Empfehlung zur
Vitamin D-Gabe abzuleiten, brauche es daher weitere große
Placebo-kontrollierte, klinische Studien.
Denn ein Zuviel an Vitamin D könne auch schaden.
- „Es gehört zur kleinen Gruppe der fettlöslichen Vitamine.
- Diese werden nicht mit dem Urin ausgeschieden, wenn ein Zuviel vorhanden ist.
Vielmehr sammeln sie sich im Körper an“, erklärt Professor Dr. med. Helmut Schatz, ehem. Direktor der Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum und Vorstandsmitglied der DGE.
- Ein Überschuss an Vitamin D könne neben Übelkeit und Erbrechen auch Nierensteine und Nierenschäden auslösen.
Des Weiteren habe eine aktuelle Studie Hinweise
dafür erbracht, dass Vitamin D-Gaben von mehr als 1000 IE/D sogar einen
negativen Effekt mit erhöhtem Sturzrisiko bei älteren, gebrechlichen
Menschen bewirken könnten (Appel et al., 2021).
„Gesichert ist jedoch, dass das Vermeiden von Vitamin D-Mangelzuständen
besonders bei Risikopatienten hilfreich ist.
Dies erreichen wir bereits durch Dosierungen von 400-1000 IU/Tag“, so Professor Dr. med. Günter Stalla, Präsident der DGE vom Medizinischen Versorgungszentrum Medicover Neuroendokrinologie in München.
Weiterhin gelte:
Zur Stärkung der Abwehrkräfte und der allgemeinen Gesundheit sind eine vollwertige und nicht zu üppige Ernährung und vor allem regelmäßige Bewegung im Freien wirksam.
“So lassen sich - insbesondere in den Sommermonaten - auch nebenbei die Vitamin D Spiegel auf natürliche Weise auffüllen“, fügt Stalla hinzu.
- „Die bisherige Datenlage rechtfertigt bis auf Weiteres keine hochdosierte Gabe von Vitamin D als Prophylaxe von COVID-19 bei der Allgemeinbevölkerung außerhalb der wissenschaftlich gesicherten Einsatzgebiete“, fasst Stalla zusammen.
- Darunter falle auch die routinemäßige Bestimmung der Vitamin D-Spiegel auf Kosten der Krankenkassen.
Die vollständige Stellungnahme der DGE zur Rolle von Vitamin D in der Corona-Pandemie ist auf der Website der DGE abrufbar:
https://www.endokrinologie.net/aktuelles-details/stellungnahme-vitamin-d-corona-...
Quellen:
Appel L, Michos ED, Christine M. Mitchell CM et al. The Effects of Four
Doses of Vitamin D Supplements on Falls in Older Adults. A
Response-Adaptive, Randomized Clinical Trial Ann Intern Med. 2021
doi:10.7326/M20-3812
Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den
Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen –
zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten
Zellen in Hoden und Eierstöcken – „endokrin“ ausgeschüttet, das heißt
nach „innen“ in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben „exokrine“
Drüsen wie Speichel- oder Schweißdrüsen ihre Sekrete nach „außen“ ab.
Terminhinweis:
64. Deutscher Kongress für Endokrinologie, 3. bis 5. März 2021 (Online-Veranstaltung)
Kongressmotto: „Von Seltenem und Häufigem“
http://www.dge2021.de
10559 Berlin
Deutschland
Berlin
E-Mail-Adresse: office@awmf.org
Dennis MakoscheyGeschäftsführer
Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Prof. Dr. med. Matthias M. Weber (Mediensprecher)
Dr. Adelheid Liebendörfer
Postfach 30 11 20, D-70451 Stuttgart
Tel.: 0711 8931-173, Fax: 0711 8931-167
E-Mail: liebendoerfer@medizinkommunikation.org
http://www.endokrinologie.net, http://www.hormongesteuert.net
http://www.dge2021.de
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