Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Haarausfall kann verhindert werden: Neuer Mechanismus entdeckt, der die Langlebigkeit von Stammzellen steuert
Ein internationales Forschungsteam hat im Mausmodell gezeigt, dass das Protein Rictor eine Schlüsselrolle für den Zellstoffwechsel und die Langlebigkeit von Stammzellen im Haarfollikel spielt / Veröffentlichung in „Cell Metabolism“
Ein Forschungsteam aus Köln und Helsinki hat einen Mechanismus entdeckt, der Haarausfall verhindert: Haarfollikelstammzellen, die für das Nachwachsen der Haare unerlässlich sind, können ihrer Zellalterung entgegenwirken.
Dazu passen sie ihren Stoffwechselzustand dem umliegenden Gewebe, das durch eine niedrige Sauerstoffkonzentration gekennzeichnet ist, an.
Das Team wurde von Professorin Sara Wickström (Universität Helsinki und
Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns) und der Dermatologin
Professorin Sabine Eming (Universität Köln) geleitet und umfasst
Forscher des Exzellenzclusters der Universität Köln für Altersforschung
CECAD, des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns, des
Sonderforschungsbereichs SFB 829 „Molekulare Mechanismen zur Regulierung
der Hauthomöostase“, des Zentrums für Molekulare Medizin (ZMMK) (alle
in Köln) und der Universität Helsinki. Der Artikel „Glutamine Metabolism
Controls Stem Cell Fate Reversibility and Long-Term Maintenance in the
Hair Follicle“ wurde in Cell Metabolism veröffentlicht.
Die Haut und ihre Bestandteile wie z.B. die Haarfollikel sind täglich
Umwelteinflüssen ausgesetzt.
Beschädigtes Zellmaterial wird kontinuierlich entfernt und erneuert.
Im Durchschnitt werden täglich 500 Millionen Zellen und 100 Haare abgestoßen; dies entspricht etwa 1,5 Gramm Gewebe.
Das abgestoßene Gewebe wird durch Stammzellen ersetzt, die stark proliferativ und langlebig sind. Die Gewebefunktion hängt von der Aktivität und Gesundheit dieser Stammzellen ab. Eine beeinträchtigte Funktion oder eine verringerte Anzahl führt zu Alterung. „Obwohl die entscheidende Rolle von Stammzellen bei der Alterung bekannt ist, ist wenig über die Mechanismen bekannt, die eine langfristige Aufrechterhaltung der Funktion dieser wichtigen Zellen regulieren. Der Haarfollikel mit seinen gut charakterisierten Funktionen und klar identifizierbaren Stammzellen war ein perfektes Modellsystem, um diese wichtige Frage zu untersuchen“, sagt Sara Wickström.
Um die Eigenschaften besser zu verstehen, die Stammzellen funktionell
von ihren differenzierten Tochterzellen unterscheiden, untersuchte das
Team die Transkriptions- und Stoffwechselprofile der beiden
Zellpopulationen. „Interessanterweise zeigten diese Studien, dass
Stammzellen und Tochterzellen unterschiedliche Stoffwechselmerkmale
aufweisen“, sagt Dr. Christine Kim, eine leitende Wissenschaftlerin der
Untersuchungen. „Unsere ersten Ergebnisse in der Zellkultur gaben einen
starken Hinweis darauf, dass Rictor beteiligt sein wird.“ Rictor ist
eine wichtige molekulare Komponente des mTOR-Signalwegs, der
grundlegende Prozesse des Zellstoffwechsels einschließlich Wachstum,
Energie- und Sauerstoffverbrauch von Zellen reguliert.
In umfassenden Untersuchungen zeigte das Team, dass der Verlust der
Stammzellfunktion im Haarfollikel mit einem Verlust der metabolischen
Flexibilität einhergeht.
Am Ende jedes Regenerationszyklus, in dem ein neues Haar generiert wird, kehrt ein Teil der Stammzellen in seine Stammzellnische und damit in einen gewissen metabolischen Ruhestand zurück.
Dr. Xiaolei Ding, ein weiterer leitender Wissenschaftler der Arbeit, erklärt: „Eine wesentliche Erkenntnis der Studie ist, dass diese sogenannte ‚Schicksalsumkehrbarkeit‘ der Stammzelle, eine Verschiebung vom Glutaminstoffwechsel und der Zellatmung hin zur Glykolyse erfordert.“
- Im Ruhezustand befinden sich die Stammzellen in einer Umgebung mit geringer Sauerstoffkonzentration und nutzen daher eher Glukose als Kohlenstoffquelle für die Energie- und Proteinsynthese.
- Die Verschiebung von Zellatmung hin zur Glykolyse wird durch die niedrige Sauerstoffkonzentration in der Stammzellnische und der Aktivierung der mTOR-Signalkaskade ausgelöst.
Die Inaktivierung von Rictor beeinträchtigt die Fähigkeit der Stammzellen ihren Metabolismus im Ruhezustand anzupassen.
Somit löst eine mangelnde Aktivierung der mTOR-Signalkaskade letztlich eine Erschöpfung der Stammzellen aus und bedingt einen altersbedingten Haarausfall.
Ding und Eming entwickelten vor Kurzem ein genetisches Mausmodell zur
Untersuchung der Rictor-Funktion in der Epidermis. „Interessanterweise
zeigten diese Mäuse, denen Rictor fehlt, mit zunehmendem Alter
Haarausfall und eine Abnahme der Zahl der Haarfollikelstammzellen“, sagt
Ding.
„In Zukunft wird es ein wichtiges Ziel sein zu verstehen, wie sich diese
vorklinischen Befunde auf die Stammzellbiologie im Menschen übertragen
lassen und möglicherweise pharmazeutisch genutzt werden könnten, um
Alterungsprozessen im Haarfollikel entgegenzuwirken und Haarausfall zu
vermeiden“, sagt Eming.
„In diesem Zusammenhang erscheint uns die Beobachtung, dass durch die äußerliche Anwendung eines Glutaminase-Inhibitors die Stammzellfunktion in Mäusen mit gestörter Rictor-Funktion wiederhergestellt werden kann, besonders interessant.
Diese Ergebnisse belegen somit das Prinzip, dass die Modifizierung von
Stoffwechselwegen ein wirksamer Ansatz zur Steigerung der
Regenerationskapazität unseres Gewebes sein könnte.“
Prof. Dr. Sara Wickström
Außerplanmäßige Professorin Helsinki Institute of Life Science, Universität Helsinki
und
Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns
Tel: +358 2941 25640
sara.wickstrom@helsinki.fi
Prof. Dr. Sabine A. Eming
Professorin der Dermatologie Universität zu Köln
und
Gruppenleiterin CECAD
+49 221 478 3196
sabine.eming@uni-koeln.de
Dr. Anna Euteneuer
+49 221 478 84043
anna.euteneuer@uni-koeln.de
Publikation:
„Glutamine Metabolism Controls Stem Cell Fate Reversibility and Long-Term Maintenance in the Hair Follicle“ in Cell Metabolism
Digital object identifier (DOI): https://doi.org/10.1016/j.cmet.2020.08.011
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