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CAVE: Untersucher: Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis/Harnsteinleiden

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit:  Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis

Neue Empfehlungen zur Volkskrankheit Harnsteine

  • Die Volkskrankheit Harnsteine tritt in vielen Ländern der Welt mit zunehmender Häufigkeit auf. 

In Deutschland wird davon ausgegangen, dass rund fünf Prozent der erwachsenen Bevölkerung mindestens einmal im Leben unter Harnsteinen leiden – Männer doppelt so häufig wie Frauen. 

  • Veränderte Ernährungsgewohnheiten und Lebensumstände, aber auch eine verbesserte Diagnostik, die Harnsteine häufiger eindeutig nachweist, gelten als Gründe. 
 
Um die Behandlung von Harnsteinleiden in Klinik und Praxis zu unterstützen, hatte die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) schon 2008 eine erste ärztliche S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis initiiert, die jetzt abermals aktualisiert worden ist.

„Die DGU erweitert ihr Leitlinienprogramm konsequent und hält es mit regelmäßigen Updates kontinuierlich aktuell.

Nun haben wir unter Federführung unseres Arbeitskreises Harnsteine der Akademie der Deutschen Urologen die Überarbeitung der Leitlinie zur Urolithiasis abgeschlossen“, sagt DGU-Pressesprecher Prof. Dr. Christian Wülfing. Die neue Version der Leitlinie enthält insgesamt 132 Empfehlungen und Statements.

Wichtige Änderungen der aktualisierten Leitlinie betreffen unter anderem die Bereiche Harnsteine bei Kindern, metabolische Diagnostik und Metaphylaxe sowie die konservative Therapie. 

„Ein Großteil insbesondere kleinerer Harnsteine geht spontan über den Harn ab.

Falls nicht, können sie heute in aller Regel minimal-invasiv therapiert werden.

  • Die hohe Rezidivrate von bis zu 50 Prozent erfordert jedoch die Identifikation von Risikopatienten.

Diese Patienten bedürfen einer erweiterten metabolischen Diagnostik und diätetischer beziehungsweise medikamentöser Metaphylaxe-Maßnahmen, wodurch das Rezidivrisiko je nach Steinart und Ursache sehr deutlich gesenkt werden kann“, erläutert DGU-Leitlinienkoordinator Prof. Dr. Christian Seitz.

  • Bei Patienten mit neu diagnostiziertem Harnleiterstein bis zu 7 mm Durchmesser kann der Spontanabgang unter regelmäßiger Kontrolle abgewartet werden. 

In der Leitlinienversion von 2015 wurde dies nur für Steindurchmesser bis zu 5 mm empfohlen.

  • Etwa ein Prozent aller Steinereignisse betreffen Kinder unter 18 Jahren, wobei im ersten Lebensjahrzehnt Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen.
Im zweiten Lebensjahrzehnt ist es eher umgekehrt.

  • Bei Kindern sollte aufgrund des Rezidivrisikos schon nach dem ersten Steinabgang eine zugrundeliegende metabolische Störung diagnostiziert und behandelt werden.

Allgemein empfiehlt die Leitlinie gesunden Menschen zur Vorbeugung von Nieren- und Harnleitersteinen eine gleichmäßig über den Tag verteilte Trinkmenge von 2,5 bis 3 Litern sowie eine kochsalzarme Ernährung mit hohem Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln. 

Bei Patienten mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko oder bei Dialysepatienten sind möglicherweise individuelle Flüssigkeitsmengen zu beachten. 
  • Auch Bewegungsmangel fördert Harnsteinbildung und sollte vermieden werden.

An der Überarbeitung der 131 Seiten starken Leitlinie und dem Konsensusprozess waren neben der DGU acht weitere Fachgesellschaften und Berufsgruppen sowie acht Arbeitskreise der Akademie der Deutschen Urologen und ein Arbeitskreis der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie beteiligt. Organisation und umfangreiche Literaturrecherche lagen bei UroEvidence, dem Wissenstransferzentrum der DGU. Die neue „S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis“ ist auf der Webseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) unter der Registernummer 043-025 veröffentlicht. (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-025.html)

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https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-025.html 

(S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis)

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Morbus Crohn - chronisch entzündliche Darmerkrankung

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neuer Therapieansatz zur Behandlung von Fisteln

Als erste Klinik in der Schweiz wendet das Universitätsspital Zürich (USZ) eine innovative Therapie zur Behandlung von Analfisteln an. 

Im Labor gezüchtete Stammzellen werden ins Gewebe gespritzt, um die Abheilung von Fisteln zu fördern. 
 Analfisteln sind krankhafte Gänge, die den Analkanal mit der  Körperoberfläche am After verbinden.
Analfisteln sind krankhafte Gänge, die den Analkanal mit der Körperoberfläche am After verbinden. USZ
 
Patientinnen und Patienten mit Analfisteln haben häufig einen langen Leidensweg.

Analfisteln sind krankhafte Gänge, die den Analkanal mit der Körperoberfläche am After verbinden. 

  • In diesen Kanälen sammeln sich Stuhl und Sekrete an. 

Es kommt zu eitrigen Entzündungen, die starke Schmerzen insbesondere beim Sitzen und beim Stuhlgang verursachen. 

Zusätzlich haben Fisteln an dieser Körperstelle einen grossen Einfluss auf die Lebensqualität der meist jungen Patientinnen und Patienten – auch aufgrund der Geruchsbildung und Beeinträchtigungen im Sexualleben.

Rund ein Drittel der Patientinnen und Patienten mit Analfisteln leidet gleichzeitig unter Morbus Crohn, einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, die starke Bauchschmerzen, Durchfall und Gewichtsverlust verursacht. 

Dieser Patientengruppe kommt aus medizinischer Sicht eine spezielle Bedeutung zu, da aufgrund der Grunderkrankung Analfisteln ausgebildet werden und chronische Entzündungen die Heilung oft verhindern. 

Die Betroffenen müssen sich wiederholt mit Medikamenten oder mit operativen Eingriffen behandeln lassen, wobei die notwendigen Operationen teilweise entstellende Vernarbungen verursachen.

Die Erfolgschancen dieser Patientinnen und Patienten mit den heutigen Therapiemöglichkeiten sind vergleichsweise gering.

Injektionen von Spenderzellen

«Bei der neuen hochspezialisierten Therapie für diese Patientinnen und Patienten spritzen wir Stammzellen, die aus dem Fettgewebe von Spenderinnen und Spendern gewonnen werden, ins Gewebe, das die Fisteln umgibt», sagt Prof. Matthias Turina, Leitender Arzt an der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie am USZ. Bei diesem 40-minütigen ambulanten Eingriff in Narkose verabreichen die Viszeralchirurgen den Patientinnen und Patienten vier Injektionen des Stammzell-Medikamentes, welche insgesamt 120 Millionen Zellen enthalten.

  • Die Stammzellen senden Botenstoffe in das umliegende Gewebe aus, die die Entzündung hemmen und das Immunsystem unterstützen. Bei einer erfolgreichen Therapie entsteht dadurch neues Gewebe und die Fisteln heilen ab.

Transport im Handgepäck

Hergestellt wird das Stammzell-Produkt in Spanien. Während zwei Wochen werden die gespendeten Zellen im Labor gezüchtet und aufbereitet. Nach Fertigstellung der Stammzelllösung muss diese innerhalb von 48 Stunden verabreicht werden. Der Transport der Stammzellen nach Zürich ist eine logistische Herausforderung: Während des Transports müssen die Zellen bei konstanter Temperatur gekühlt werden und dürfen während des Fluges nicht geschüttelt werden. Zu starke Bewegungen würden die Zellen sofort zerstören. Ein Kurier nimmt deshalb die kostbare Fracht im Handgepäck mit ins Flugzeug, was entsprechende Bewilligungen und Papiere erfordert.

Fünf Patienten erfolgreich behandelt

Im Februar 2019 konnte das USZ diese Therapie als erstes Spital in der Schweiz durchführen. «Seither haben wir fünf Patienten mit der neuen Methode behandelt. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend», erklärt Dr. Daniela Cabalzar-Wondberg, Oberärztin im Team von Prof. Matthias Turina. «Sie zeigen in der Mehrzahl der Fälle eine schnelle Heilung der Wunden und einen damit verbundenen raschen Rückgang der Beschwerden». Im Ausland wird die Therapie bereits seit 2018 angewendet. In der Schweiz liegt die Bewilligung der Swissmedic seit Anfang dieses Jahres vor. Zugelassen ist die Behandlung für Patientinnen und Patienten, die an Morbus Crohn erkrankt sind, an komplexen Analfisteln leiden und unzureichend auf eine medikamentöse Therapie angesprochen haben.

  • Begleitstudien zeigen, dass die Therapie die Chance einer Abheilung der Analfisteln auf über 50 Prozent erhöht.

Am USZ kümmern sich Experten unterschiedlicher Disziplinen um diese Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn.

Die erste Anlaufstelle ist die Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie.

Direktor Prof. Gerhard Rogler freut sich über die neuen Möglichkeiten:

«Mit dieser innovativen Therapie können wir die Lebensqualität vieler von Analfisteln geplagten Patientinnen und Patienten massiv verbessern».

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Prof. Matthias Turina, Leitender Arzt, Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie
Dr. Daniela Cabalzar-Wondberg, Oberärztin, Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie
Prof. Gerhard Rogler, Direktor Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
PD Dr. Luc Biedermann, Leitender Arzt, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie

Rämistrasse 100
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Schweiz
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lic. phil. Martina Pletscher
Telefon: +41 44 255 86 20
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Nathalie Plüss
Telefon: +41 44 255 86 60
E-Mail-Adresse: nathalie.pluess@usz.ch


Originalpublikation:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27477896

 

UBC-MIBC: Blasentumor: Untersuchung weisse Blutkörperchen

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Weiße Blutkörperchen geben Auskunft über Therapieerfolg

FAU-Forscher arbeiten an Test für aggressiven Blasentumor-Typ 
 
Wie lange überlebt ein Patient mit in die Muskeln eingedrungenen Blasenkrebs?

Welche Therapie wirkt am besten?

  • Fundierte Antwort auf diese Fragen könnte in Zukunft ein Test auf hohe oder niedrige Mengen weißer Blutkörperchen im Tumorgewebe solcher Tumoren geben. 

Das hat ein interdisziplinäres Forscherteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) herausgefunden und in der Fachzeitschrift „Cancer Immunology Research“ veröffentlicht*.

  • Muskel-invasive Blasenkarzinome (MIBC) machen etwa zwei Drittel der invasiven urothelialen Blasenkarzinome (UBC) aus und weisen eine hohe Morbidität und Mortalität auf. 
  • Männer sind mehr als dreimal so häufig von UBC betroffen wie Frauen.

Die FAU-Forscher haben nun herausgefunden, dass der Therapieerfolg und das Überleben dieser Patienten durch die Bestimmung der weißen Blutkörperchen, die als stromale tumorinfiltrierenden Lymphozyten (sTIL) bezeichnet werden, vorhergesagt werden können. 

Diese Lymphozyten werden dabei als einfacher morphologischer Parameter und als Biomarker eingesetzt:

Ihre Menge und räumliche Verteilung innerhalb des Tumor-Immun-Milieus erlauben Prognosen über die Stadien der Tumorentzündung und Tumorsubtypen und helfen bei der Personalisierung der Patiententherapie. 

In weiteren Studien wollen sie ihre Ergebnisse nun überprüfen und die Methode weiterentwickeln.

Ein interdisziplinäres Forscherteam der FAU am Pathologischen Institut unter Leitung von Prof. Dr. Arndt Hartmann und Dr. Markus Eckstein analysierte in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Bernd Wullich von der urologischen Klinik und Prof. Dr. Reiner Strick von der Frauenklinik des Uni-Klinikums Erlangen für die Studie die Daten von 542 Patienten mit dem aggressivsten Typ von Blasentumor, der in die Muskelschicht eindringt.

*http://cancerimmunolres.aacrjournals.org/content/7/6/923

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Dr. Markus Eckstein
Tel.: 09131/85-22525
markus.eckstein@uk.erlangen.de

Dr. Susanne Langer
E-Mail-Adresse: susanne.langer@fau.de

Schlossplatz 4
91054 Erlangen
Deutschland
Bayern 

Orginalpublikation:
http://cancerimmunolres.aacrjournals.org/content/7/6/923

Anorexia nervosa: Magersucht

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Magersucht kann in den Genen liegen

Anorexia nervosa, besser bekannt als Magersucht, ist nach Angaben des National Center of Excellence for Eating Disorders, USA, die psychiatrische Erkrankung mit der höchsten Sterblichkeitsrate. 

Im Rahmen einer internationalen Studie unter Beteiligung der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen konnte jetzt aufgezeigt werden, dass die Erkrankung auch genetische Ursachen haben kann. 

Hierüber berichtet jetzt das renommierte Wissenschaftsmagazin Nature Genetics. 
 
Betroffene, die an Anorexia nervosa erkranken, führen ihrem Körper dauerhaft zu wenig Nahrung zu. 
  • Manche verweigern Nahrungsaufnahme fast vollständig. 
  • In der Folge entsteht zum Teil gravierendes Untergewicht, das bis zum Tod führen kann. 

Lange Zeit vermutete man die Ursachen der Magersucht ausschließlich in der Psyche der Erkrankten.

Im Rahmen der gerade publizierten internationalen Studie ist es den beteiligten Wissenschaftlern nun erstmals gelungen, insgesamt acht genetische Varianten zu identifizieren, die eindeutig mit Anorexia nervosa assoziiert sind.  
  • „Die identifizierten genetischen Faktoren beeinflussen auch den Bildungserfolg, den Stoffwechsel und die körperliche Aktivität. 
Das könnte beispielsweise mit erklären, warum Menschen mit Anorexia nervosa häufig unter einer Hyperaktivität leiden“, erklärt Prof. Johannes Hebebrand von der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am LVR-Klinikum Essen, der an der Studie mitgewirkt hat.
  • Bislang ist die Erfolgsbilanz der Behandlung von Magersucht vergleichsweise schlecht und auch nach einer erfolgreichen Therapie verlieren Betroffene nicht selten erneut gefährlich stark an Gewicht. 
„Dies mag auch daran liegen, dass metabolische Auslöser nicht in Betracht gezogen wurden“, erklärt Prof. Anke Hinney aus der genannten Klinik.

„Die nun gewonnenen Erkenntnisse können zu neuen Therapien führen, die nicht nur an der Psyche, sondern auch am Stoffwechsel der Patienten ansetzen.

Basis der vom King's College London aus geleiteten internationalen Studie bildete die Untersuchung der Daten von knapp 17.000 Patienten an rund 100 Einrichtungen in 17 Ländern.


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Christine Harrell, Tel. 0201/723 1615, christine.harrell@uk-essen.de
Prof. Johannes Hebebrand: https://www.uni-due.de/rke-kj/hebebrand.php

Forsthausweg 2
47057 Duisburg
Deutschland
Nordrhein-Westfalen 

Ulrike Bohnsack
Telefon: 0203 / 379-2429
Fax: 0203 / 379-2428
E-Mail-Adresse: ulrike.bohnsack@uni-due.de

Originalpublikation:
* Genome-wide association study identifies eight risk loci and implicates metabo-psychiatric origins for anorexia nervosa, Nature Genetics, 2019; doi: 10.1038/s41588-019-0439-2
https://www.nature.com/articles/s41588-019-0439-2

Mangelernährung oder Malnutrition: Fehlende Energie und Nährstoffe

Medizin am Abend  Berlin - MaAB-Fazit: Wie entsteht Mangelernährung im Alter?

Ernährungswissenschaftlerin Prof. Volkert über Risikogruppen und Ursachen 
 
  • Immer mehr alte Menschen leiden an Mangelernährung. 

Welche Faktoren an der Entstehung beteiligt sind und wie sie sich gegenseitig beeinflussen, untersucht Prof. Dr. Dorothee Volkert mit ihrem Team vom Institut für Biomedizin des Alterns (IBA) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).

Zusammen mit 33 Wissenschaftlern aus elf Ländern hat sie ein Modell entwickelt, in dem mögliche Ursachen erstmals strukturiert und gewichtet dargestellt werden.

Das Modell wurde vor Kurzen im wissenschaftlichen Fachmagazin „Gerontology & Geriatric Medicine“ veröffentlicht*.

Frau Professor Volkert, was ist Mangelernährung und wie wirkt sie sich aus?

Grundsätzlich spricht man von Mangelernährung oder Malnutrition, wenn dem Körper Energie und Nährstoffe fehlen, die er für einen reibungslosen Stoffwechsel braucht.

Die Folgen einer Mangelernährung sind vielfältig und hängen vom Ausmaß und von den fehlenden Nährstoffen ab. 
  • Bei einer generellen Mangelernährung, bei der anhaltend sämtliche Nährstoffe fehlen, reichen die Folgen von Gewichtsverlust über eine Schwächung des Immunsystems bis hin zu funktionellen Beeinträchtigungen der Muskulatur und aller Organe. 
  • Der Körper greift auf alle Reserven zurück.
Kann Mangelernährung jeden treffen und wie entsteht sie?

Mangelernährung kann grundsätzlich in jedem Alter auftreten, und ist insbesondere im Krankheitsfall anzutreffen, bei älteren Menschen – per Definition ab 65 Jahren – ist das Risiko für Mangelernährung durch diverse Altersversänderungen deutlich höher.

Wer zum Beispiel Probleme beim Gehen oder mit dem Treppensteigen hat, kauft seltener ein und findet auch das Kochen anstrengender.

Wer alleine lebt, lässt öfter mal eine Mahlzeit ausfallen. 

  • Und wer an einer Depression oder einer anderen schweren Erkrankung leidet, hat oft kaum noch Appetit.

Die Ursachen von Mangelernährung im Alter sind vielfältig, die Fachliteratur führt mehr als 120 Faktoren aus verschiedenen Lebensbereichen auf. Welche dieser sogenannten Determinanten die wichtigsten sind und wie sich die unterschiedlichen Faktoren gegenseitig beeinflussen, ist jedoch nicht geklärt. Derzeit gibt es in der wissenschaftlichen Community kein einheitliches Verständnis über die Bedeutung einzelner Faktoren und deren Zusammenspiel. Und: Die wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden sind so unterschiedlich, dass sich die Studienergebnisse kaum vergleichen lassen und kein theoretisches Rahmenmodell zur Entstehung von Mangelernährung im Alter existiert.

Wie ist Ihr Determinanten-Modell für die Entstehung von Mangelernährung im Alter aufgebaut?

Unser neu entwickeltes Modell „Determinations of Malnutrition in Aged Persons“ – kurz DoMAP – veranschaulicht mögliche Determinanten und ihre Beziehung zu Mangelernährung und will zu einem gemeinsamen Verständnis der Vielzahl von Faktoren und unterschiedlichen Entstehungsmechanismen beitragen. Es besteht aus drei ineinander liegenden Dreiecksebenen. Die Mangelernährung steht im Zentrum und ist umgeben von den drei zentralen Entstehungsmechanismen der ersten Ebene:

geringe Zufuhr, erhöhter Bedarf und reduzierte Bioverfügbarkeit. 

Die angrenzende zweite Ebene beinhaltet Faktoren, die direkt einen dieser Mechanismen verursachen – zum Beispiel Appetitlosigkeit als Ursache für geringe Zufuhr oder Durchfall als Ursache für reduzierte Bioverfügbarkeit.

Die dritte Ebene beinhaltet Faktoren, die eher indirekt wirken und den Faktoren in Ebene zwei zu Grunde liegen – zum Beispiel eine Depression als Ursache für Appetitlosigkeit oder ein Schlaganfall als Ursache für Kau- und Schluckbeschwerden, die wiederum eine geringe Zufuhr bewirken.

Wie haben Sie das Modell entwickelt?

Im Rahmen der europäischen Wissensplattform „Mangelernährung im Alter“ (MaNuEL)” haben wir in einem mehrstufigen Konsensprozess insgesamt 33 Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen eingebunden. Zunächst haben wir den aktuellen Wissensstand zusammengetragen und diskutiert und darauf basierend einen ersten Entwurf des DoMAP-Modells erarbeitet. Beim Abschlusstreffen aller MaNuEL-Partner wurde dieser Entwurf zur Diskussion gestellt und anschließend in mehreren schriftlichen Runden kommentiert und entsprechend angepasst.

Welche Auswirkungen hat das DoMAP-Modell in der Praxis?

Das DoMAP-Modell soll zu einem gemeinsamen Verständnis der Vielzahl von Faktoren beitragen, die zu einer Mangelernährung führen können.

Im klinischen Alltag kann es als direkte Handreichung für Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegepersonal dienen, um rechtzeitig Personen mit erhöhtem Risiko für Mangelernährung zu identifizieren und ihnen zu helfen.

Darüber hinaus hat das Determinantenmodell großes Potenzial für zukünftige Forschung.

Damit die Studien in Zukunft vergleichbare Ergebnisse liefern, arbeiten wir im nächsten Schritt gerade an einem Vorschlag zur standardisierten, einheitlichen Erfassung sowohl von Mangelernährung als auch der Determinanten, die wir in unser Modell aufgenommen haben.

* doi: 10.1177/2333721419858438
https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/2333721419858438


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Prof. Dr. Dorothee Volkert
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Dr. Susanne Langer Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Schlossplatz 4
91054 Erlangen
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E-Mail-Adresse: susanne.langer@fau.de

Originalpublikation:
doi: 10.1177/2333721419858438

Seitenvorliebe: Emotionale Bindung zum Baby

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Warum zwei von drei Babys links gewiegt werden

Mehr als zwei Drittel aller Menschen tragen ein Baby vorzugsweise auf dem linken Arm. 

Bei Frauen sind es sogar drei Viertel, ebenso unter Rechtshänderinnen und Rechtshändern. 

Das ist das Ergebnis einer Analyse von 40 Studien aus den vergangenen 60 Jahren, die ein Team aus der Biopsychologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) durchgeführt hat. 

  • Als einen Grund für diese Vorliebe nehmen die Experten an, dass die Verarbeitung von Emotionen vor allem in der rechten Gehirnhälfte erfolgt, die mit der linken Körperseite verknüpft ist. 

Das Team um Erstautor Julian Packheiser berichtet im Journal Neuroscience and Biobehavioral Reviews vom 26. Juni 2019.
Erste Studie von 1960

Seit 1960 haben sich international Forscherinnen und Forscher damit beschäftig, ob und warum Menschen beim Wiegen von Babys eine Seitenvorliebe haben.

Manche Studien belegten eine Vorliebe, andere nicht.

„Um den Effekt zu klären, haben wir alle Studien zu diesem Thema gesucht, die wir finden konnten“, sagt Julian Packheiser. 40 Untersuchungen bezogen die Bochumer Forscher in ihre Analyse ein.

Unterm Strich konnten sie festhalten, dass zwischen 66 und 72 Prozent aller Menschen einen Säugling mit dem linken Arm halten. Bei Rechtshändern sind es mit 74 Prozent sogar noch mehr, während es bei Linkshändern nur 61 Prozent sind.

Ähnlich ist das Verhältnis bei Männern und Frauen: 64 Prozent aller Männer und 73 Prozent aller Frauen halten ein Baby mit dem linken Arm.

„Es kann natürlich sein, dass es Zusammenhänge zwischen Geschlecht und Händigkeit gibt“, erklärt Packheiser.

Immerhin haben Männer eine um 23 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, Linkshänder zu sein als Frauen. „Dieser Zusammenhang wurde aber leider in keiner Studie betrachtet“, so der Forscher.

Emotionen könnten entscheidend sein

Über die Gründe für die Seitenvorliebe wurde schon viel spekuliert.

Vielleicht halten Rechtshänderinnen und Rechtshänder das Baby nur deswegen links, damit sie die rechte, geschicktere Hand frei haben.

Da Emotionen vorrangig in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet werden, könnte es aber auch sein, dass Menschen dazu neigen, ihr Baby in ihr mit der rechten Hirnhälfte verknüpftes linkes Gesichtsfeld zu bringen. 

  • Das könnte besonders für Mütter gelten, die schon während der Schwangerschaft eine starke emotionale Bindung zu ihrem Kind aufbauen.

Was Männer anbelangt, setzen die Bochumer Forscher die Ergebnisse der Analyse in Beziehung zu einer eigenen Studie zu Umarmungen.

Darin hatten sie herausgefunden, dass Männer, denen es unangenehm ist, andere Männer zu umarmen, sich wegen der starken negativen Emotionen eher von links in den Arm nehmen.

 „In weiteren Studien müsste man also den emotionalen Kontext des Baby-Haltens mit einbeziehen“, sagt Julian Packheiser.

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Graduiertenkollegs „Situated Cognition“ (GRK 2185/1) und eines Grants OC 127/9-1.

Originalveröffentlichung

Julian Packheiser, Judith Schmitz, Gesa Berretz, Marietta Papadatou-Pastou, Sebastian Ocklenburg: Handedness and sex effects on lateral biases in human cradling: Three metaanalyses, in: Neuroscience and Biobehavioral Reviews, 2019, DOI: 10.1016/j.neubiorev.2019.06.035

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Julian Packheiser
Abteilung Biopsychologie
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
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E-Mail: julian.packheiser@rub.de
Originalpublikation:
Julian Packheiser, Judith Schmitz, Gesa Berretz, Marietta Papadatou-Pastou, Sebastian Ocklenburg: Handedness and sex effects on lateral biases in human cradling: Three metaanalyses, in: Neuroscience and Biobehavioral Reviews, 2019, DOI: 10.1016/j.neubiorev.2019.06.035

Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0149763419301691 - Paper online

Bindungshormon Oxytocin: Postpartalen Bindungsstörung

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Mütter mit Bindungsstörung: 

Lässt sich Freude am eigenen Baby erlernen?

Dr. Monika Eckstein erforscht am Zentrum für Psychosoziale Medizin Heidelberg die Effekte von Neurofeedback auf die Mutter-Kind-Interaktion und wurde dafür nun mit dem Anita- und Friedrich-Reutner-Preis der Medizinischen Fakultät Heidelberg ausgezeichnet 
 
  • Der Kontakt zu einem vertrauten Mitmenschen tut gut und baut Stress ab, dafür sorgt das Gehirn durch die Aktivierung des internen Belohnungssystems und Ausschüttung des Bindungshormons Oxytocin. 

Doch wie lässt sich Personen helfen, bei denen dieser Mechanismus gestört ist?

Medizin am Abend Berlin ZusatzThema: Geburtshelfer  

Dieser Frage geht am Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums Heidelberg die Psychologin Dr. Monika Eckstein nach und ist dafür nun mit dem Anita- und Friedrich-Reutner-Preis der Medizinischen Fakultät Heidelberg ausgezeichnet worden. In einer aktuellen Studie untersucht die Nachwuchswissenschaftlerin, ob bei Müttern, die keine enge Bindung zu ihrem Baby aufbauen können, dieser positive Rückkopplungsmechanismus durch gezieltes Training mittels Neurofeedback aktiviert werden kann. Weitere Projekte sind in Planung. „Dr. Monika Eckstein forscht sehr engagiert in einem für die psychotherapeutische Versorgung wichtigen Themenbereich, denn die Frage nach der Bindungsfähigkeit spielt bei fast allen psychischen Beschwerden eine Rolle. Ihre Arbeit ist beispielhaft für die Translation von Erkenntnissen aus der neurobiologischen Forschung hin zu klinischen Interventionen. Ich hoffe, dass der Preis sie auf ihrem Weg bestärkt“, sagte Prof. Dr. Andreas Draguhn, Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg, anlässlich der Preisverleihung am 13. Juli 2019.

Beziehung zu Mitmenschen: erlernt und über Hormone vermittelt

  • Die Beziehung zu Mitmenschen, die soziale Interaktion, beeinflusst unser Gefühlsleben sowie das psychische und physische Wohlbefinden. 
  • Wie jemand mit seinen Mitmenschen in Kontakt und Beziehung tritt, ist einerseits erlernt, andererseits über Hormone vermittelt, unter anderem über das Beziehungshormon Oxytocin. 

Monika Eckstein beschäftigt sich bereits seit ihrer Promotion mit den Wechselwirkungen zwischen Lernerfahrung und Oxytocin in der sozialen Interaktion und konnte in einer Studie mit Freiwilligen zeigen, dass Oxytocin die Verknüpfung von Gesichtern mit Furcht oder auch dem Gefühl von Sicherheit unterstützt. In aktuellen Arbeiten am Zentrum für Psychosoziale Medizin Heidelberg, wo sie seit 2015 tätig ist, entdeckte sie außerdem mit Hilfe von Hirnscans im Magnetresonanztomographen (funktionelles MRT), dass bei der positiven sozialen Interaktion von Paaren das hirneigene Belohnungszentrum aktiviert, Stress reduziert und das Schmerzempfinden gedämpft werden.

„Meine Studien deuten darauf hin, dass positive soziale Interaktionen durch wiederholte Erfahrungen mit einem emotionalen Gehalt, z.B. einem Gefühl der Geborgenheit, verknüpft werden können – was sich auch auf das körperliche Wohlbefinden auswirkt. Das möchte ich für die Anwendung im klinischen Alltag und die Entwicklung innovativer Interventionen nutzbar machen“, so die Preisträgerin.

Derzeit untersucht sie im Rahmen einer von der Dietmar Hopp Stiftung geförderten Studie, ob sich ihre Erkenntnisse nutzen lassen, um Müttern zu helfen, die im Kontakt zu ihrem Baby Schwierigkeiten haben, positive Gefühle zu empfinden. 

 „Mütter mit einer solchen postpartalen Bindungsstörung leiden sehr unter der Situation.

  • Therapeutische Unterstützung würde nicht nur die Lebensqualität der Mütter verbessern, sondern auch die psychisch gesunde Entwicklung der Kinder fördern“, erläutert Eckstein. 

In der Studie testet sie die Wirksamkeit eines wiederholten Neurofeedbacks mittels funktioneller MRT: Die Mütter sind während der Messung im MRT aufgefordert, die Aktivität in einem bestimmten Hirnareal willentlich zu steigern, z.B. indem sie an eine beglückende oder lustige Situation mit dem Kind zurückdenken.

Gleichzeitig erhalten sie in Echtzeit eine Rückmeldung über die Aktivität des Belohnungszentrums im Gehirn bei diesen Gedanken:

„Die Probandinnen lernen, beim Anblick ihres Kindes eine spezifische Gehirnaktivität zu erzeugen und damit positive Gefühle aufzurufen.

Wir hoffen, dass das Gehirn auf dies Weise lernt, den Kontakt zum Kind insgesamt positiv zu verknüpfen, und durch Oxytocin- und auch Dopamin-Ausschüttung die Mutter-Kind-Bindung gefestigt wird“, beschreibt die Psychologin die Ziele des Projekts.

Darüber hinaus hat sie bereits Pläne für zukünftige Projekte:

„Es könnte durchaus lohnend sein, Partnerschaft und soziales Umfeld im medizinischen und therapeutische Kontext zu berücksichtigen: 

  • So könnten die stress- und schmerzlindernden Effekte von sozialer Interaktion mit Partner und Familie in Therapien nutzbar gemacht werden. 

Dies möchte ich zukünftig noch weiter fokussieren.“ Monika Eckstein studierte von 2006 bis 2012 in Düsseldorf, Tübingen und am National Institute of Health in Bethesda, USA, Psychologie. Ihre Promotion schloss sie 2015 an der Universität Bonn ab.

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Dr. Monika Eckstein
Institut für Medizinische Psychologie im
Zentrum für Psychosoziale Medizin (ZPM)
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Tel.: 06221 56 7871

Julia Bird Universitätsklinikum Heidelberg

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Fax: 06221 564544
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Informationen über Dr. Monika Eckstein:

https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/zentrum-fuer-psychosoziale-medizin-zpm/in...

Informationen zum Projekt:

https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/zentrum-fuer-psychosoziale-medizin-zpm/in...

 

Das Risiko für Fehl- und Frühgeburten

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: DGE: Schwangerschaft – Levothyroxin senkt bei Frauen mit TPO-Antikörpern Risiko für Fehl- und Frühgeburt nicht

Seit langem wird diskutiert, ob in der Schwangerschaft bei Frauen mit Thyreoperoxidase-Antikörpern, aber ansonsten normaler Schilddrüsenfunktion eine Behandlung mit Levothyroxin sinnvoll ist, um das Risiko für Fehl- und Frühgeburten zu senken. 

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachThema: Erzieherausbildung  

  • Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass die Hormongabe bei dieser Patientinnengruppe den Schwangerschaftserfolg nicht erhöht. 

Entsprechend betonen Experten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), dass Schilddrüsenfunktion und Jodversorgung bei Schwangeren grundsätzlich sehr wichtig sind, die Behandlung mit Levothyroxin bei Frauen mit normaler Schilddrüsenfunktion und mit TPO-Antikörpern jedoch nicht evidenzgesichert ist. 
 
  • Während der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Schilddrüsenhormonen um bis zu 50 Prozent an. 
  • Für die gesunde Entwicklung des Kindes ist eine normale Schilddrüsenfunktion der Mutter sehr wichtig. 
  • Es ist essenziell, dass das Thema `Schilddrüse´ in der Schwangerenbetreuung und der Zeit danach präsent ist. 

Die zusätzliche Jodzufuhr während der Schwangerschaft und Stillzeit ist eine zentrale Maßnahme, sowie – wenn eine Indikation vorliegt – auch die Gabe von Levothyroxin, das identisch mit dem körpereigenen Schilddrüsenhormon T4 ist“, sagt Professor Dr. Dr. med. Dagmar Führer, Sprecherin der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.

  • Es sei jedoch unverzichtbar genau zu prüfen, ob ein solcher Anlass für die Behandlung mit diesem Schilddrüsenhormon überhaupt gegeben ist.

Werden bei einer Frau mit einer normalen Schilddrüsenfunktion, die schwanger werden will oder es bereits ist, Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-Antikörper) gefunden, ist das weitere Vorgehen uneinheitlich. 

Der Grund: 

TPO-Antikörper sind mit einem höheren Risiko für Fehl- oder Frühgeburten assoziiert.

 „Es wird seit langem diskutiert, ob in dieser Situation – insbesondere bei vorausgegangenen Fehlgeburten oder unerfülltem Kinderwunsch – eine Levothyroxingabe günstig sein kann“, erklärt Führer, Direktorin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel/Zentrallabor – Forschung und Lehre am Universitätsklinikum Essen.

Dieser Sachverhalt wurde nun erstmals in einer doppelblinden und plazebokontrollierten Studie aus Großbritannien, an der 952 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch oder vorausgegangener Fehlgeburt teilnahmen, untersucht. Forscher unter der Leitung von Dr. Rima Dhillon-Smithob gingen der Frage nach, ob die Gabe von Levothyroxin bei Frauen mit euthyreoter Stoffwechsellage (TSH < 4 mU/l) und TPO-Antikörpern die Lebendgeburtenrate erhöht. Die eine Hälfte der Frauen erhielt während der gesamten Schwangerschaft täglich Levothyroxin 50 μg, die andere Hälfte nahm ein Plazebo ein. Die Ergebnisse in beiden Gruppen waren vergleichbar. 266 der 470 Frauen (56,6 Prozent), die Levothyroxin erhielten, und 274 von 470 Frauen (58,3 Prozent), die ein Plazebo erhielten, wurden schwanger; 76 Teilnehmerinnen der Levothyroxingruppe (37,4 Prozent) und 178 der Plazebogruppe (37,9 Prozent) brachten ein lebendes Kind zur Welt. Professor Führer fasst zusammen: „Die Qualität der Studie ist hoch und die Ergebnisse deshalb relevant:  

Levothyroxin erhöht nicht den Schwangerschaftserfolg für Frauen mit normaler Schilddrüsenfunktion und TPO-Antikörper.“
Die ergänzende Gabe von Levothyroxin sei hier deshalb nicht evidenzgesichert.

Auf zwei weitere wichtige Aspekte weist Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE und Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, hin: 

  • „Bei den schwangeren Patientinnen könnten durch eine medizinisch nicht notwendige Verordnung von Schilddrüsenhormonen eventuell Ängste entstehen. 
  • Zudem wird das Gesundheitssystem unnötig belastet.“ 
Für die DGE-Experten sind die Ergebnisse der NEJM-Studie so überzeugend, dass sie hoffen, dass sie in nationale und internationale Leitlinien Eingang finden und in der Praxis diese neuen Erkenntnisse auch konsequent umgesetzt werden.

Literatur:
Dhillon‑Smith, Rima K. et al. Levothyroxine in Women with Thyroid Peroxidase Antibodies before Conception
N Engl J Med 2019;380:1316-25. DOI: 10.1056/NEJMoa1812537
Abstract: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1812537

Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen – zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken – „endokrin“ ausgeschüttet, das heißt nach „innen“ in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben „exokrine“ Drüsen wie Speichel- oder Schweißdrüsen ihre Sekrete nach „außen“ ab.



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Schlafapnoe: Gesundheitliche Folgen - Pickwick-Syndrom

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit:  

„Das Schlafen mit offenem Munde ist meistens der Fresser und Säufer Art“

Schlafmediziner aus Jena und Dresden entdecken eine erstaunlich detaillierte Beschreibung der Schlafapnoe und deren gesundheitlicher Folgen in einer Schrift des Thüringer Arztes Georg Grau, die 1688 in Jena veröffentlicht wurde. 

 Im 1688 in Jena veröffentlichten Buch „Hypnologia“ des Thüringer Arztes Georg Grau entdecken Schlafmediziner aus Dresden und Jena eine erstaunlich detaillierte Beschreibung der Schlafapnoe.
 Im 1688 in Jena veröffentlichten Buch „Hypnologia“ des Thüringer Arztes Georg Grau entdecken Schlafmediziner aus Dresden und Jena eine erstaunlich detaillierte Beschreibung der Schlafapnoe.
 
Die Beschreibung der extremen Schläfrigkeit des dicken Joe in Charles Darwins „Pickwick Papers“ gilt als die erste Schilderung der Schlafapnoe bei sehr beleibten Menschen in der Belletristik, diese wird deshalb auch Pickwick-Syndrom genannt.

Die klinische Bedeutung der durch Übergewicht bedingten Atembeeinträchtigung, die zu Atemaussetzern in der Nacht und damit zu massiven Schlafstörungen führt, ist erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts Thema der medizinischen Fachliteratur.

Im Buch „Hypnologia“ des Thüringer Arztes Georg Grau, das 1688 in Jena veröffentlicht wurde, haben der Dresdner Schlafmediziner und Medizinhistoriker Prof. Dr. Ekkehard Paditz und Jenaer Schlafmediziner Dr. Sven Rupprecht eine wesentlich frühere Darstellung der Schlafapnoe entdeckt. Gemeinsam machten sie im englischsprachigen „European Respiratory Journal“ die entsprechenden Abschnitte eines der ersten auf Schlafmedizin spezialisierten Bücher für die heutige Fachwelt zugänglich.



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Pionier in der Schlaf- und Atemwegsmedizin

Gegliedert in 30 Fragen behandelt das barocke Kompendium verschiedene Aspekte des gesunden und des gestörten Schlafes.

„Erstaunlich genau beschreibt Georg Grau eine Reihe von Symptomen, die wir heute als das vollständige klinische Bild der obstruktiven Schlafapnoe kennen“, so der Schlafmediziner Dr. Sven Rupprecht vom Universitätsklinikum Jena. Grau schildert die sozialen Folgen des Schnarchens:

  • „Das Schnarchen ist eine verdrießliche, beschwerliche und unannehmliche Nacht-Music“ ebenso wie Verengung der Luftwege: 

„auch dem Athem seinen Raum benehmen.“

Er erkennt Übergewicht, abendlichen Alkoholgenuss und Schlafen in Rückenlage als Risikofaktoren und schildert auch die gesundheitlichen Folgen der Schlafapnoe:

 „als der Alp oder Nachtdrücken, schwere Noth, Gicht, Krampff, Schlag und andere mehr.“

Georg Grau, dessen Name sich in verschiedenen Schreibweisen findet, stammte aus dem fränkischen Coburg und immatrikulierte sich 1650 an der Jenaer Universität, wo er 1660 zum Doktor der Medizin promovierte wurde. Er arbeitete anschließend als Arzt in Römhild und Behrungen in Thüringen, und veröffentliche weitere Bücher, darunter auch ein Lehrbuch für Hebammen.  

Seine Ausführungen zu den Atemstörungen im Schlaf beruhen auf der genauen medizinischen Beobachtung, obwohl er noch der Vier-Säfte-Lehre als Erklärungsmodell anhängt. Sven Rupprecht: „Auch wenn Georg Grau den Zusammenhang von Tagesmüdigkeit und Schlafapnoe nicht erkannte, charakterisierte er bereits im 17. Jahrhundert die Schlafapnoe und ihre gesundheitlichen Folgen, was ihn zu einem Pionier in der Schlaf- und Atemwegsmedizin macht.“

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Dr. Sven Rupprecht, M.Sc.
Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Jena
Tel: 03641/9396679
E-Mail: sven.rupprecht@med.uni-jena.de

Dr. Uta von der Gönna Universitätsklinikum Jena
Bachstraße 18
07743 Jena
Deutschland
Thüringen
Telefon: 03641/ 93 42 93
Fax: 03641/ 93 30 13
E-Mail-Adresse: pr-dekanat@med.uni-jena.de

Originalpublikation:
Rupprecht S, et al. To rout or snort in the sleepe: a detailed medical description of sleep disordered breathing and its consequences by Georg Grau in 1688. Eur Respir J. 2019, 53(5). pii: 1801799. doi: 10.1183/13993003.01799-2018 https://erj.ersjournals.com/content/53/5/1801799.long

Georg Grau. Hypnologia, Das ist, Etliche Fragen und darauf gethane Antworten von dem Schlaf. Jena 1688. Digitale Version in der SLUB Dresden, https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/9240/, unveränderter Nachdruck im Verlag kleanthes, Dresden 2013

 

Nervenverletzungen - Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit

Medizin am Abend Berlin - MaAB - Fazit: Nervenschmerzen nach Unfällen erforschen und behandeln

DGUV fördert neue Stiftungsprofessur am Bergmannsheil
 
Am BG Universitätsklinikum Bergmannsheil wird eine neue W1-Stiftungsprofessur für Neuronale Regenerationsforschung eingerichtet.

Sie wird nach dem abgeschlossenen universitären Berufungsverfahren besetzt von Dr. Elena Enax-Krumova, Mitarbeiterin der Neurologischen Universitätsklinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. Martin Tegenthoff).

Die Professur wird für bis zu sechs Jahre mit einer Fördersumme von 630.000 Euro von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) finanziert, die mit der Ruhr-Universität Bochum und dem Bergmannsheil eine entsprechende Vereinbarung geschlossen hat.

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: Gutachtertätigkeiten  

 Dr. Elena Enax-Krumova wird im Rahmen ihrer Juniorprofessur innovative klinische Rehabilitationsverfahren nach Nervenverletzungen entwickeln und erproben.


Pressebild: Prof. Dr. Martin Tegenthoff und Jun.-Prof. Dr. Elena Enax-Krumova
Prof. Dr. Martin Tegenthoff und Jun.-Prof. Dr. Elena Enax-Krumova
Bildnachweis: Volker Daum/Bergmannsheil

Andauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit

„Nervenverletzungen nach Unfällen können bei Betroffenen zu Lähmungen und Gefühlsstörungen und lang andauernder Beeinträchtigung im Arbeits- und Privatleben führen“, sagt Prof. Tegenthoff.

„Wir haben erheblichen Bedarf nach neuen und wirksamen Behandlungskonzepten für diese Menschen, deshalb freuen wir uns sehr, dass wir unsere Forschung dank der Unterstützung der DGUV mit der Stiftungsprofessur für Frau Dr. Enax-Krumova erheblich intensivieren können.“

Periphere Nervenverletzungen entstehen im Rahmen von Unfällen mit stumpfer oder scharfer Gewalteinwirkung, aber auch durch Zugwirkung eines Nervs zum Beispiel infolge von Knochenbrüchen. 
  • Sie treten vor allem an Armen und Beinen auf und sind häufig inkomplett, das heißt, sie äußern sich in einem teilweisen, nicht in einem vollständigen Funktionsverlust. 
  • Nervenschäden mit neurologischen Ausfällen (zum Beispiel Lähmungen oder Gefühlsstörungen) können unterschiedliche Verläufe haben und bei einem Teil der Betroffenen zu anhaltenden Beeinträchtigungen führen.
  • Selbst nach korrekter leitlinien-gerechter Behandlung leiden rund 30 Prozent dieser Patienten dauerhaft an den neurologischen Ausfällen und zusätzlichen Nervenschmerzen, also neuropathischen Schmerzen. 

Trotzdem ist bislang kaum erforscht, wie man die Regeneration von beeinträchtigten peripheren Nerven optimieren kann.

Den Heilungsverlauf verbessern

Ein erster Forschungsschwerpunkt im Rahmen der Juniorprofessur ist, ein standardisiertes Monitoring für Patienten mit Nervenverletzungen zu entwickeln und zu etablieren.

Damit sollen Regenerationsprozesse in Abhängigkeit vom primären Verletzungsmuster erfasst und Gruppen von Patienten identifiziert werden, die einen schweren Krankheitsverlauf und eine verzögerte Heilung aufweisen beziehungsweise neuropathische Schmerzsyndrome entwickeln.

Hierzu ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den operativen Disziplinen im Bergmannsheil (Unfallchirurgie, Plastische Chirurgie und Handchirurgie) geplant, die die Primärversorgung von Verletzen leisten.

Insbesondere ist eine Zusammenarbeit zwischen der Neurologie und der Schmerzmedizin vorgesehen. Ziel dabei ist es, gezielte therapeutische Strategien und Interventionen ableiten zu können, um die neurale Regeneration zu verbessern. Dabei geht es insbesondere auch um die Funktion der sogenannten myelinisierten Fasern, die nach heutigem Wissensstand schlechter regenerieren.

Ein weiterer Ansatz wird die Entwicklung pharmakologischer und nicht-pharmakologischer individualisierter Therapiestrategien sein. 

  • Damit soll der Heilungsverlauf für die als Risikopatienten identifizierten Personen frühzeitig unterstützt und verbessert werden.

Über das Bergmannsheil

Das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil zählt zu den größten Akutkliniken der Maximalversorgung im Ruhrgebiet. 1890 als erste Unfallklinik der Welt zur Versorgung verunglückter Bergleute begründet, vereint das Bergmannsheil heute 23 hochspezialisierte Kliniken und Fachabteilungen unter einem Dach. Rund 2.200 Mitarbeiter stellen die qualifizierte Versorgung von rund 84.000 Patienten pro Jahr sicher.

Das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil gehört zur Unternehmensgruppe der BG Kliniken. Die BG Kliniken sind spezialisiert auf die Akutversorgung und Rehabilitation schwerverletzter und berufserkrankter Menschen. In neun Akutkliniken, zwei Kliniken für Berufskrankheiten und zwei Ambulanzen versorgen über 13.000 Beschäftigte mehr als 560.000 Fälle pro Jahr. Träger der BG Kliniken sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Weitere Informationen: www.bergmannsheil.de, www.bg-kliniken.de

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Jun.-Prof. Dr. Elena Enax-Krumova
Neurologische Universitätsklinik und Poliklinik
Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil gGmbH
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum
Tel.: 0234 / 302-3402
E-Mail: elena.krumova@rub.de

Robin Jopp
Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil gGmbH
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum
Tel.: 0234 / 302-6125
E-Mail: robin.jopp@bergmannsheil.de

Weitere Informationen für international Medihzin am Abend Berlin
http://www.bergmannsheil.de - Website des BG Universitätsklinikums Bergmannsheil

Heterotaxie: Herzdefekte

Medizin am Abend Berlin - MaAB - Fazit: Heterotaxie: 

Wenn das Herz nicht am richtigen Fleck sitzt

  • Manchmal passieren bei der Embryonalentwicklung Fehler und die eigentlich asymmetrische Anordnung der Organe im menschlichen Körper gerät durcheinander. 

Solche Heterotaxiepatienten leiden oft an schweren Herzfehlern. 

Nun haben Forschende der Universität Ulm die molekularen Ursachen dieser Herzdefekte untersucht. 

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachThema: Hygienefachpersonal 

Insgesamt scheinen die "Zellkraftwerke" Mitochondrien eine entscheidende Rolle zu spielen. 

Prof. Melanie Philipp und PD Dr. Martin Burkhalter nutzen für ihre Forschung unter anderem Zebrafische
Prof. Melanie Philipp und PD Dr. Martin Burkhalter nutzen für ihre Forschung unter anderem Zebrafische Foto: Eberhardt/Uni Ulm


Im menschlichen Körper haben alle Organe ihren vorbestimmten Platz. Gerät diese asymmetrische Anordnung während der Embryonalentwicklung durcheinander („Heterotaxie“), drohen schwere Fehlbildungen wie Herzdefekte. 

Forschende der Universität Ulm haben nun mit internationalen Kollegen die genetischen und molekularen Ursachen von Herzdefekten bei solchen Heterotaxiepatienten untersucht.

In der Fachzeitschrift „The Journal of Clinical Investigation“ nehmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insbesondere die Zellkraftwerke („Mitochondrien“) in den Blick.

  • Dafür, dass das Herz und andere Organe nicht nur sprichwörtlich am rechten Fleck sitzen, sorgen Zilien. 
  • Mittlerweile gilt es als wissenschaftlich gesichert, dass diese antennenartigen Gebilde auf der Oberfläche bestimmter Zellen sehr früh in der Entwicklung die spätere asymmetrische Anordnung der menschlichen Organe regulieren.

Doch bei einem geringen Anteil der Bevölkerung (1: 15 000) läuft bei der Embryonalentwicklung etwas schief.

  • Im optimalen Fall sind alle Organe spiegelbildlich verortet, wodurch keine gesundheitlichen Probleme entstehen. 
  • Allerdings kann die Anordnung der Organe auch komplett durcheinander geraten und Betroffene entwickeln eine sogenannte Heterotaxie: 
Solche Patienten leiden oft an schweren Herzfehlern, die in vielen Fällen unmittelbar nach der Geburt operiert werden müssen.

Nun haben Forschende um Professorin Melanie Philipp und PD Dr. Martin Burkhalter Hinweise gefunden, dass die „Zellkraftwerke“ Mitochondrien einen entscheidenden Einfluss auf die Bildung von Zilien haben. Somit scheinen sie bei der Entstehung heterotaxieassoziierter Herzfehler eine Rolle zu spielen.

Bei Mitochondrien handelt es sich um Organellen, die Zellen unter anderem mit Energie versorgen.
  • Konkret konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass Heterotaxiepatienten eine erheblich geringere Anzahl an Mitochondrien in ihren Blutzellen aufweisen. 

Darüber hinaus haben sie bei den Betroffenen häufiger eine schwere Genmutation nachgewiesen, die zu einer beeinträchtigten Mitochondrienfunktion im Vergleich zu gesunden Probanden führt.

Auch im Zebrafischmodell bestätigte sich der Einfluss der Zellkraftwerke bei der Entwicklung von Asymmetrie- und Herzdefekten: „Zebrafischembryonen, in denen Mitochondrien gehemmt oder verstärkt aktiv sind, weisen signifikant häufiger Fehlbildungen des Herzens auf als Kontrollgruppen“, erklärt Melanie Philipp, die viele Jahre am Ulmer Institut für Biochemie und molekulare Biologie geforscht hat, und nun an die Universität Tübingen gewechselt ist.

Aber wie wirken Zilien und Mitochondrien bei der Entwicklung von Asymmetriedefekten zusammen? Mittels Elektronenmikroskopie hat die internationale Forschergruppe tatsächlich eine physische Verbindung in Form einer Mikrotubuli-Brücke zwischen den Zellkraftwerken und Zilien nachgewiesen.

Darüber hinaus konnten sie in Fibroblasten der Haut von Heterotaxiepatienten und Zebrafischembryonen zeigen, dass die Zilienlänge invers mit der Mitochondrienfunktion korreliert: 

Zellen, die eine geringere Mitochondrienfunktion haben, weisen demnach längere Zilien auf.

Ihre Funktionsfähigkeit ist jedoch im Vergleich zu normal langen Zilien deutlich eingeschränkt.
Und auch Zebrafisch-Embryonen, bei denen genetische Veränderungen von Heterotaxiepatienten nachgestellt werden, bilden sowohl Asymmetrie- als auch Ziliendefekte aus. Aus der Summe dieser Ergebnisse ziehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen klaren Schluss: „Während der Embryonalentwicklung und lange bevor sich ein Herz gebildet hat, haben Mitochondrien einen entscheidenden Einfluss auf Zilien und die spätere Herzentwicklung.“

Diese Erkenntnisse könnten die Diagnostik von heterotaxieassoziierten Herzfehlern vereinfachen und womöglich eines Tages zu neuen Therapien von sogenannten Ziliopathien beitragen – etwa durch die Manipulation von Mitochondrien.

Aber nicht nur Patienten mit defekten Zilien dürften von diesen Erkenntnissen profitieren:

„Menschen, die erblich bedingt nur schlecht funktionierende Mitochondrien haben, können Erkrankungen entwickeln, die bisher dysfunktionalen Zilien zugeordnet wurden“, so Martin Burkhalter.

Das neu gewonnene Wissen erleichtert daher nicht nur das Erkennen von ‚mitochondrialen’ Erkrankungen, sondern gibt diesen Patienten auch eine mögliche Erklärung für einzelne Symptome ihrer Erkrankung.

Die Forschenden von den Universitäten Ulm, Indiana (Indianapolis, USA), Lissabon (Universidade Nova de Lisboa), vom Netzwerk Angeborene Herzfehler (gefördert durch das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung Berlin, DZHK) sowie von den Universitätskliniken Hamburg-Eppendorf und Münster sind von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und durch das Boehringer Ingelheim Ulm University Biocenter (BIU) gefördert worden. Weiterhin unterstützten die „National Institutes of Health“(NHS) und die University of Indiana das Forschungsprojekt.

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Prof. Dr. Melanie Philipp
Universität Tübingen (zuvor: Universität Ulm)
Department für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Pharmakogenomik
Abteilung für Pharmakogenomik
melanie.philipp@uni-tuebingen.de
07071/29 73082


Helmholtzstraße 16
89081 Ulm
Deutschland
Baden-Württemberg


Annika Bingmann
Telefon: 0731-50 22121
E-Mail-Adresse: annika.bingmann@uni-ulm.de

Originalpublikation:
Martin D. Burkhalter, Arthi Sridhar, Pedro Sampaio, Raquel Jacinto, Martina S. Burczyk, Cornelia Donow, Max Angenendt, Competence Network for Congenital Heart Defects Investigators, Maja Hempel, Paul Walther, Petra Pennekamp, Heymut Omran, Susana S. Lopes, Stephanie M. Ware, and Melanie Philipp. Imbalanced mitochondrial function provokes heterotaxy via aberrant ciliogenesis. The Journal of Clinical Investigation 2019.
https://doi.org/10.1172/JCI98890

Psychische Störungen, Panikattacken, Angststörungen, Depression

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neues Projekt: Angsttherapie mit App für Kinder

Wie wirksam eine frühe einmalige Behandlung gegen spezifische Ängste bei Kindern wirkt, möchte ein internationales Forschungsteam in einem neuen Projekt herausfinden. 

Zum Therapiekonzept gehört auch eine personalisierte App; sie unterstützt die Behandelten dabei, sich selbstständig an die angstauslösenden Situationen heranzuwagen. 

Die Netherlands Organisation for Health Research and Development fördert das Vorhaben mit dem Titel „Early intervention and treatment prediction in childhood specific phobias: combining One-Session-Treatment with app-based technology“ mit 450.000 Euro für fünf Jahre. 
 
Dr. Anke Klein, Psychologin an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und Universiteit Leiden, koordiniert das Vorhaben, an dem auch Prof. Dr. Silvia Schneider, Leiterin des RUB-Lehrstuhls für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie, sowie weitere Partner aus den Niederlanden, aus Australien und den USA beteiligt sind.

Das Kickoff-Treffen für das Projekt fand am 15. Juli 2019 in Bochum statt, wo sich international führende Kinder-Angstforscher zu einem Symposium versammelten.

Therapiesitzung und App

An der Studie sollen 168 Kinder im Alter zwischen 6 und 13 Jahren teilnehmen, die in vier psychotherapeutischen Zentren in Deutschland und den Niederlanden behandelt werden.

Die Behandlung besteht aus einem dreistündigen One-Session-Treatment, sowie einer vierwöchigen Übungsphase zu Hause. Die Kinder lernen in Anwesenheit ihrer Eltern, sich ihren Ängsten zu stellen. Die Hälfte der Behandelten erhält nach der ersten Sitzung eine personalisierte App, die zum Beispiel an das Geschlecht, Alter und die Art der Angst angepasst ist. Sie enthält unter anderem kurze Filmsequenzen von der Therapiesitzung, die es den Kindern ermöglicht, auf in der Sitzung erzielte Erfolge zurückzublicken und sich durch diese selbst zu ermutigen.

Vor und nach den Behandlungen erheben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie ausgeprägt die Angst ist, um die Effektivität der Intervention mit und ohne App vergleichen zu können.

„Unsere Studie ist der nächste Schritt, um eine kurze, günstige und effektive Therapie für Kinder zu entwickeln, die unter Ängsten leiden oder ein hohes Risiko haben, Ängste zu entwickeln“, sagt Projektleiterin Anke Klein.

Phobien im Kindesalter steigern Risiko für andere Erkrankungen

Schätzungsweise zehn Prozent aller Menschen leiden im Kindesalter an einer ausgeprägten Angst vor einem speziellen Objekt, zum Beispiel vor Dunkelheit oder vor bestimmten Tieren wie Spinnen oder Hunden.

  • Die spezifische Phobie ist damit die häufigste psychische Störung bei Kindern; sie geht mit einem erhöhten Risiko für andere Störungen im Verlauf des Lebens einher, beispielsweise Panikattacken, generalisierte Angststörung oder Depression.

„Wir brauchen daher eine leicht zugängliche Intervention für Kinder, die nicht stigmatisieren darf und sowohl Eltern als auch Kindern bei der Selbstkontrolle hilft“, sagt Silvia Schneider, Leiterin des Zentrums für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.

Das Bochumer Zentrum wird daher eine führende Rolle in Koordination und Rekrutierung übernehmen.

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Dr. Anke Klein
Klinische Kinder- und Jugendpsychologie
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 27356
E-Mail: anke.klein@rub.de

Universitätsstr. 150
44780 Bochum
Postfach 10 21 48
44780 Bochum
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
E-Mail-Adresse: info@ruhr-uni-bochum.de

Dr. Jutta Weiler 
Meike Drießen
Telefon: 0234/32-26952
Fax: 0234/32-14136
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Jens Wylkop M.A.
Telefon: 0234/32-28355
Fax: 0234/32-14136
E-Mail-Adresse: jens.wylkop@uv.ruhr-uni-bochum.de


TOP-Untersucher-CAVE: Infektion eines künstlichen Hüft- oder Kniegelenks

Medizin am Abend Berlin - MaAB- Fazit: Künstliches Knie- und Hüftgelenk: 

  • Lebenslange Wachsamkeit bei Infekten und kleinen Verletzungen

Die Infektion eines künstlichen Hüft- oder Kniegelenks gehört zu den gefürchtetsten Komplikationen in der Endoprothetik (1). 

Sie kann auch noch Jahrzehnte nach der Implantation auftreten – und zieht dann oft langwierige und aufwendige Behandlungen mit mehreren Operationen nach sich. 

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachThema: Fachkräfte  

Erreger aus einem Infektherd können sich über die Blutbahn auf das Implantat ausbreiten und dort vermehren. 

Träger von Gelenkprothesen sollten deshalb jedwede Infektion und Entzündung ernst nehmen und sich im Zweifel ärztlich beraten lassen, empfiehlt die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik. 
 
  • Die Fachgesellschaft rät, auch kleine Wunden, entstanden etwa beim Nägel schneiden, bei der Gartenarbeit, oder beim Spiel mit dem Haustier, immer sofort fachgerecht zu desinfizieren und im weiteren Heilungsverlauf im Auge zu behalten. 
  • Treten Beschwerden wie Rötung und Schwellung des Gelenks und vor allem anhaltende Belastungsschmerzen auf, sollten diese umgehend vom Arzt abgeklärt werden.

Mit etwa 440 000 Implantationen im Jahr gelten Hüft- und Knieprothesen als sichere und höchst erfolgreiche Maßnahmen zur Wiederherstellung von Schmerzfreiheit, Mobilität und sozialer Teilhabe.

Dennoch erleiden etwa 0,5 bis zwei Prozent aller Patienten eine sogenannte periprothetische Infektion ihres Hüft- oder Kniegelenks (1). 

  • „Die Besiedelung mit schädlichen Bakterien kann sowohl in der frühen Phase nach der Operation als auch Monate bis Jahre danach auftreten“, sagt Professor Dr. med. Rudolf Ascherl, Präsident der AE und Direktor der Klinik für spezielle Chirurgie und Endoprothetik am Krankenhaus in Tirschenreuth. 

Dabei rufen die Erreger zunächst eine Entzündung in der Implantatumgebung hervor.

Später löst sich der prothesentragende Knochen auf. 

Schmerzen und eine Lockerung des künstlichen Gelenks sind die Folge.

Neben den periprothetischen Infektionen, bei denen Bakterien bereits in seltenen Fällen im Rahmen der Operation eingebracht wurden, entstehen Implantatinfekte auch durch Zirkulation von Erregern im Blut. 

 „Auslöser dieser über den Blutweg gestreuten Infektionen können größere Entzündungen, etwa von Blase oder Lunge sein“, sagt Professor Karl-Dieter Heller AE-Vizepräsident aus Braunschweig und Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig. 

Als weitere mögliche Ursachen kommen aber auch Bakterienquellen wie offene Beine (Durchblutungsstörungen), eine blutig verlaufende Zahnbehandlung, eine Darmspiegelung, bei der Polypen abgetragen werden, oder eine eher unscheinbare Verletzung beim Heimwerken in Frage“, so Ascherl, der auf die Behandlung von periprothetischen Infektionen spezialisiert ist.

  • „Trägt der Patient weitere Fremdkörper, etwa künstliche Herzklappen, die sich infiziert haben, können auch diese Keime auf die Gelenkprothese verschleppt werden.“ 


Normalerweise schützt das Immunsystem den Körper vor einer Ausbreitung von Infekten und eliminiert Keime, die über den Blutweg streuen. Ein Implantat ist jedoch ein unbelebter Fremdkörper. Er kann sich nicht selbst vor der Besiedelung mit Bakterien schützen (2). „Deshalb bleiben Bakterien dort bevorzugt haften. Da sie sich auf der künstlichen Oberfläche ungestört vermehren können, sind sogar schon verhältnismäßig wenige Keime in der Lage, eine ernsthafte Infektion auszulösen“, erläutert Ascherl die Problematik. Auf der Oberfläche der Prothesen beginnen sie bereits innerhalb von wenigen Tagen, einen Schleimfilm zu bilden. „Bakterien, die sich innerhalb dieses sogenannten Biofilms befinden, sind vor dem Angriff durch Antibiotika und des Immunsystems geschützt“, so der Orthopäde und Unfallchirurg weiter.

  • Eine realistische Chance, die Infektion durch Antibiotika in den Griff zu bekommen, besteht deshalb nur in den ersten drei Wochen nach Beginn der Symptome.“ 
  • Umso wichtiger sei es, schnell eine Behandlung einzuleiten.

„Patienten mit einem künstlichen Gelenk sollten deshalb ihr Leben lang ihren Körper von Kopf bis Fuß besonders aufmerksam pflegen“, so Ascherl. Und er betont:

„Schmerzen am operierten Gelenk sind immer ein Alarmzeichen und müssen umgehend vom Arzt abgeklärt werden.“

  • Die anspruchsvolle Behandlung eines Protheseninfektes setze sehr viel Erfahrung voraus. 

Zudem sei eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen, etwa Mikrobiologen, Infektiologen, Internisten, Orthopäden und Fachpflegekräften wesentlich, betont der Experte.

„Am besten sind Betroffene deshalb in einem spezialisierten Zentrum aufgehoben“, sagt auch Professor Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie an der Charité.

Doch die adäquate Versorgung sei unterfinanziert, so Ascherl weiter:

„Die wenigen Zentren, die sich hierzulande dieser Patienten noch annehmen, weisen jährliche Finanzierungslücken in Millionenhöhe auf.“ Hier müsse von der Politik dringend nachgebessert werden, fordert der Präsident der AE.

Quellen:
(1) Müller M et al.: Die ökonomische Herausforderung der zentralisierten Behandlung von Patienten mit periprothetischen Infektionen, Z Orthop Unfall 2018; 156: 407–413; DOI https://doi.org/10.1055/s-0044-100732
(2) Flesch, Ingo et al.: Spätinfekt in der Endoprothetik, OP-JOURNAL 2017; 33: 142–148; DOI https://doi.org/10.1055/s-0043-102322

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Lungenhochdruck: PAH - Pulmonale Hypertonie

Medizin am Abend Berlin - MaAB- Fazit: Gießener Lungenforscher behandeln Lungenhochdruck mit einem Krebsmedikament

Erfolg für Sonderforschungsbereich 1213 „Pulmonale Hypertonie und Cor pulmonale“ 
 
  • Lungenhochdruck ist eine schwere, zum Tode führende Erkrankung, die durch eine starke Verengung der Lungengefäße gekennzeichnet ist. 
  • Die Betroffenen leiden bereits bei geringster Belastung oder sogar in Ruhe unter Atemnot, blauen Lippen, Beinödemen, Brustschmerzen, und klagen allgemein über schnelle Erschöpfung und Ermüdung. 
  • Die richtige Diagnose wird zumeist erst gestellt, wenn es durch die fortschreitende Überlastung zum Herzversagen kommt. 

Im an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) angesiedelten Sonderforschungsbereich 1213 „Pulmonale Hypertonie und Cor pulmonale“ (Sprecher Prof. Norbert Weißmann) wird genau die Erkrankung untersucht und die Entwicklung neuer Therapien angestrebt.

Das scheint nun gelungen zu sein:

In der aktuellen Ausgabe von „Nature Communications“ berichten Prof. Dr. Friedrich Grimminger und Prof. Dr. Ralph Schermuly vom Fachbereich Medizin der JLU von der Identifizierung eines molekularen Mechanismus, der die Erkrankung aus der Wand der Gefäße heraus steuert
  • Die Zyklin-abhängigen Kinasen (CDKs) 2, 4 und 6 sind im Lungengewebe und in isolierten Zellen von PAH Patienten in so auffälligen Konzentrationen vorhanden wie man sie sonst nur bei Krebspatientinnen mit Brustkrebs kennt. 

Die moderne Krebstherapie umfasst deshalb auch eine medikamentöse Blockade dieser Schlüsselproteine.

Die Autoren setzten nun diese in der Krebstherapie etablierten CDK-Inhibitoren – also künstlich hergestellte Wirkstoffe, die die Wirkung der CDK hemmen – in vorklinischen Studien ein.

Sie folgten der Hypothese, dass diese CDK-Inhibitoren auch den überaktivierten Signalweg bei den Lungenkranken so wirksam hemmen, dass die Erkrankung zum Stillstand kommt.

Ihre Hoffnung, den krankhaften Umbau der Blutgefäße zu stoppen, wurde bestätigt. Überraschenderweise gelang es sogar, die bereits krankhaft verengten Blutgefässe zu regenerieren.

  • Die Beobachtung, dass bereits entstandene krankhafte Wandververdickungen der Blutgefäße „repariert“ werden konnten, ist ein unerwarteter Erfolg. 

Der Einsatz von Krebsmedikamenten beim Herzversagen ist eine völlig neue Perspektive.

Dafür wurden zwei CDK-Inhibitoren, Dinaciclib und Palbociclib, verwendet, die bereits in der Tumorbehandlung erfolgreich getestet wurden.

„So ist Palbociclib aufgrund seiner hemmenden Eigenschaften auf Tumorzellen für die Behandlung des fortgeschrittenen Brustkrebses zugelassen“, erklärt Prof. Grimminger, der selbst als Onkologe arbeitet.

In den isolierten Zellen führte die gezielte Hemmung der CDKs durch Abschaltung eines nachgeschalteten Signalwegs (CDK-Retinoblastoma-Protein-E2F-Signalweg) zu einer Unterbrechung des Zellwachstums und damit zur signifikanten Abnahme der übermäßigen Zellvermehrung.

In zwei experimentellen Modellen der PAH zeigte Palbociclib eine Reduzierung des krankhaften Gefäßumbaus. Damit einhergehend zeigte sich insgesamt eine deutliche Verbesserung der Herzleistung.

„Die Daten zeigen, dass die Hemmung von CDK durch Wirkstoffe wie Palbociclib eine neue Therapieoption für die Behandlung von PAH-Patienten darstellt, die am krankhaften Gefäßumbau der Lunge und des rechten Herzens ansetzt“, erklärt Prof. Schermuly.

Auch wenn die Entstehung und Entwicklung einer PAH insgesamt komplex sind, lassen die Ergebnisse hoffen, dass sich das Fortschreiten der Erkrankung durch die Hemmung des Gefäßumbaus eindämmen lässt und somit der Leidensdruck der Patienten verringert wird.

Die Erstautoren der Arbeit Dr. Astrid Weiß und Moritz Neubauer erhielten für diese Arbeit den hochrenommierten Preis der Rene-Baumgart Stiftung bei dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie.

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Originalpublikation:
Weiss A, Neubauer MC, Yerabolu D, Kojonazarov B, Schlueter BC, Neubert L, Jonigk D, Baal N, Ruppert C, Dorfmuller P, Pullamsetti SS, Weissmann N, Ghofrani HA, Grimminger F, Seeger W, Schermuly RT. Targeting cyclin-dependent kinases for the treatment of pulmonary arterial hypertension.
Nature Communication, 2019 May 17;10(1):2204. doi: 10.1038/s41467-019-10135-x.
https://www.nature.com/articles/s41467-019-10135-x