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Professor Dr. med. Andreas Krause: Rheumatische Erkrankungen: Bakterien, Pilzen, Viren, Mikroorganismen

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Darmkeime und Rheuma: Wie das Mikrobiom die Krankheitsneigung beeinflusst

Der menschliche Darm beherbergt ein ganzes Ökosystem von Bakterien, Pilzen, Viren und anderen Mikroorganismen. 

Mit bis zu zwei Kilogramm Gewicht ist diese Lebensgemeinschaft quasi ein Organ im Organ – und als solches in der Lage, die Gesundheit „seines“ Menschen zu beeinflussen. 

Neue Forschungen weisen dem Mikrobiom auch eine Rolle bei der Entstehung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen zu, wie die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) mitteilt.

Eine der Erkrankungen, für die die Rolle des Mikrobioms genauer untersucht wurde, ist der Systemische Lupus Erythematodes (SLE). 

„Dabei handelt es sich um eine entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankung, bei der sich das körpereigene Immunsystem insbesondere gegen Bestandteile des Zellkerns wendet“, erläutert Professor Dr. med. Andreas Krause, Präsident der DGRh und Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin.  

  • Da diese Kernbestandteile überall im Körper vorkommen, können sich die SLE-typischen Entzündungen in sämtlichen Organen bemerkbar machen. 
  • Besonders häufig sind die Haut, die Gelenke und die Nieren betroffen. 

Beschwerden und Befallsmuster unterscheiden sich jedoch von Patient zu Patient und können sich auch im zeitlichen Verlauf der chronischen Erkrankung verändern.

Das Mikrobiom als auslösender Faktor für SLE?

Obwohl es genetische Faktoren gibt, die die Anfälligkeit für einen SLE erhöhen, reichen diese als Erklärung für die Erkrankung nicht aus. 

„Nicht jeder Mensch mit der entsprechenden genetischen Veranlagung erkrankt auch an SLE“, sagt Krause. Hier könnte die individuelle Zusammensetzung des Mikrobioms als ein Faktor ins Spiel kommen, der über Ausbruch und Verlauf der Erkrankung mitentscheidet. In den letzten Jahren sind eine Reihe von möglichen Pathobionten identifiziert worden – schädlichen Bakterien also, die für den negativen Einfluss des Mikrobioms auf Krankheitsentstehung und -verlauf verantwortlich sein könnten. 

  • Hierzu zählen bestimmte Enterokokken und Lactobazillen, die bei Patienten mit geschädigter Schleimhautbarriere durch die Darmwand hindurchtreten, in andere Organe einwandern und dort Entzündungen hervorrufen können. 

Dem entgegen wirken offenbar die so genannten Clostridiales. 

Diese Dickdarmbakterien scheinen für eine gute Funktion der Schleimhautbarriere unentbehrlich zu sein. 

  • Sie produzieren wichtige kurzkettige Fettsäuren, die die Schleimhautzellen im Darm bei der Schleimbildung unterstützen, die Darmbarriere stärken und zu einem günstigen Säuremilieu beitragen. 

„In einer Subgruppe von SLE-Patienten konnte bereits gezeigt werden, dass Clostridiales verloren gehen, während Lactobazillen sich vermehren“, sagt Professor Dr. med. Martin A. Kriegel von der Abteilung für Translationale Rheumatologie und Immunologie des Institut für Muskuloskelettale Medizin (IMM) am Universitätsklinikum Münster, der auf diesem Gebiet forscht.

Ein anderer Mechanismus, der die typischen Autoimmunprozesse bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen mit anstoßen könnte, ist die sogenannte Kreuzreaktivität: 

Anti-körper, die ursprünglich gegen Bakterien gebildet wurden, erkennen in diesem Fall auch Antigene, die sich im körpereigenen Gewebe befinden. 

Dieses wird daraufhin ebenfalls zum Ziel der Immunabwehr. 

Eine solche Kreuzreaktivität ist etwa für das Autoantigen Ro60 nachgewiesen, gegen das sich die Autoimmunattacken bei vielen SLE-Patienten richten. 

Denn Ro60 wird auch von einer ganzen Reihe von Bakterien gebildet, die im Darm, auf der Haut und im Mund vorkommen.

Therapieansätze aus der Mikrobiomforschung

„Diese Mechanismen sind mittlerweile durch Befunde aus der Forschung gut untermauert“, sagt Kriegel. 

Ob sich die neuen Erkenntnisse auch therapeutisch nutzen lassen, müsse in künftigen Studien geklärt werden. 

Mögliche Ansatzpunkte seien zum einen Impfungen oder Medikamente gegen schädliche Pathobionten, zum anderen aber auch eine gezielte Beeinflussung des Mikrobioms über die Ernährung. 

„Speziell für den Lupus scheint eine faserreiche Ernährung die Darmbarriere zu schützen und so den Übertritt schädlicher Bakterien in andere Organe zu verhindern“, sagt Krause. 

Diese bislang nur an Mäusen beobachteten Effekte machen Hoffnung, dass sich Autoimmunprozesse auch beim Menschen über eine entsprechende Ernährung günstig beeinflussen lassen.

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Redanz, S., Kriegel, M.A. Die Rolle des Mikrobioms bei Lupus und Antiphospholipidsyndrom. Z Rheumatol (2022). https://doi.org/10.1007/s00393-022-01184-7

 

Professor Dr. Ingmar Mederacke: Leberfibrose - Leberzirrhose und Vitamin A

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Leberfibrose: Der fatale Signalweg

MHH-Forschungsteam klärt auf, wie Leberentzündung und Vernarbung des Lebergewebes zusammenhängen 

 Hat herausgefunden, wie Leberentzündung und Vernarbungsprozesse miteinander zusammenhängen: Professor Dr. Ingmar Mederacke.

Hat herausgefunden, wie Leberentzündung und Vernarbungsprozesse miteinander zusammenhängen: Professor Dr. Ingmar Mederacke. Copyright: Karin Kaiser / MHH

Mindestens fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Lebererkrankung. 

  • Bei vielen Komplikationen chronischer Leberprobleme spielt Fibrose, die krankhafte Vermehrung von Bindegewebe, eine wichtige Rolle. 

An diesem Gewebeumbau sind aktivierte Leber-Sternzellen (Hepatic Stellate Cells, HSC) massiv beteiligt. Ein internationales Forschungsteam um Professor Dr. Ingmar Mederacke, Geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat jetzt einen Ansatz gefunden, die Aktivierung von HSC zu senken und die damit verbundene Entwicklung von Leberfibrose zu verringern. Die Arbeit ist in der renommierten Fachzeitschrift Science Translational Medicine veröffentlicht worden.

Hepatische Sternzellen produzieren Bindegewebe

  • Leberfibrose und das Endstadium der Leberfibrose, die Leberzirrhose, sind ein bedeutendes medizinisches Problem, für das es bislang noch keine geeigneten Medikamente gibt. 

Zu den bekanntesten Ursachen zählen chronischer Alkoholkonsum, Infektion mit Hepatitis-Viren, aber auch Medikamente oder eine Fettleber. 

Die krankmachenden Reize schädigen die Leberzellen, die sogenannten Hepatozyten. 

Sie sterben ab und lösen dadurch eine Entzündungsreaktion aus. 

Bislang war nicht bekannt, wie dieser Entzündungsprozess die hepatischen Sternzellen aktiviert. 

  • Die HSC befinden sich in den Blutgefäßwänden in unmittelbarer Nähe zu den Hepatozyten, wo sie in Ruhephase vor allem Vitamin A speichern. 
  • Werden sie jedoch aktiviert, bilden sie sich zu Myofibroblasten um und produzieren krankhaft viel Bindegewebe.


„Wir haben uns angeschaut, welche Stoffe beim Zelltod von Hepatozyten freigesetzt werden und wie diese Moleküle genau mit der Fibrosebildung zusammenhängen“, sagt Professor Mederacke. 

Das Forschungsteam fand heraus, dass beim Zelltod der Hepatozyten bestimmte gespeicherte, aktivierte Zuckermoleküle (UDP-Glucose und UDP-Galactose) freigesetzt werden. Diese können als sogenannte Liganden passgenau an ein Protein namens P2Y14 binden. „Den P2Y14-Rezeptor haben wir vor allem in den Leber-Sternzellen gefunden“, erklärt der Mediziner.

P2Y14-Rezeptor als Verbindung zwischen Zelltod und Fibrosebildung

Im Mausmodell hat das Forschungsteam den Signalweg zwischen P2Y14-Liganden und -Rezeptor überprüft. Eine vermehrte Freisetzung dieser aktivierten Zuckermoleküle führte zur Aktivierung der Sternzellen. Eine Inaktivierung des P2Y14-Rezeptors verringerte dagegen die Fibrosebildung. 

„Auch in menschlichen hepatischen Sternzellen konnten wir den P2Y14-Rezeptor mit Hilfe spezieller Antikörper nachweisen“, sagt der Hepatologe. 

Der Zusammenhang zwischen dem Zelltod des Lebergewebes und der Fibrosebildung habe sich auch in Untersuchungen gesunder und kranker menschlicher Leber bestätigt. 

Die Entdeckung könnte ein wichtiger Schritt zu einer antifibrotischen Therapie sein. 

Als nächstes müsste dafür ein Antagonist gefunden werden, der den P2Y14-Rezeptor blockieren und darüber die Entstehung von Leberfibrose vermindern kann.

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Professor Dr. Ingmar Mederacke

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Die Originalarbeit „The purinergic P2Y14 receptor links hepatocyte death to hepatic stellate cell activation and fibrogenesis in the liver” finden Sie unter: https://www.science.org/doi/10.1126/scitranslmed.abe5795


 

Prof. Dr. Nils Helge Schebb: Lipidmediatoren - mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie bei Fisch - Resolvine - Entzündungsauflöser

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Forscher*innen stellen bisherige Studien zur Regulation von Entzündungsreaktionen in Frage

Wie regulieren Fettsäuren und aus ihnen gebildete Stoffe Entzündungen in unserem Körper? 

Dieser Frage geht das Team des Lehrstuhls für Lebensmittelchemie unter der Leitung von Prof. Dr. Nils Helge Schebb an der Bergischen Universität Wuppertal seit mehreren Jahren nach. 

Gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen wurde nun ein seit 30 Jahren bestehender Glaubenssatz grundlegend hinterfragt. Die im Fachjournal „Frontiers in Pharmacology“ veröffentliche Publikation sorgt nicht nur unter Fachkolleg*innen für viel Aufsehen.

Entzündungen entstehen aus einer aktiven Abwehrreaktion unseres Immunsystems und auch ihr Abklingen wird durch eine aktive Steuerung unseres Körpers geregelt – so viel ist bis heute sicher. 

  • Forschende erkannten vor rund 30 Jahren, dass sich zu diesem Zweck unter anderem bestimmte entzündungsfördernde Zellen in entzündungsauflösende Zellen, umwandeln.  
  • Dabei wurde beschrieben, dass an diesem Verwandlungsprozess spezialisierte Lipide (Fette) als entzündungsauflösende Botenstoffe bedeutend beteiligt seien. 
  • Es handelt sich hierbei um Oxidationsprodukte von mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die von ihren Entdeckern u. a. als Resolvine bezeichnet wurden, was in etwa „Entzündungsauflöser“ bedeutet. 

Im Fachjargon wurde diese Substanzklasse schließlich zusammenfassend als „specialized proresolving mediators“ (SPM) benannt.

Keine ausreichenden Belege für die Beteiligung von SPM an der Auflösung von Entzündungen

Die Beschreibung eben dieser Substanzklasse gab lange Zeit Anlass zur Hoffnung, eines Tages therapeutisch in die Auflösung von Entzündungsprozessen eingreifen zu können, da sich Analoga der SPM, also chemische Verbindungen mit gleicher biologischer Wirkung, unter Laborbedingungen herstellen lassen. Das internationale Forschungsteam um den Wuppertaler Lebensmittelchemiker Prof. Dr. Nils Helge Schebb und den Frankfurter Pharmazeuten Prof. Dr. Dieter Steinhilber zeigt in der aktuellen Publikation jedoch auf, dass es für die Beteiligung der SPM an der aktiven Auflösung von Entzündungen keine Evidenz gibt.

Nachdem sich weder das Vorkommen noch die Bildung in den Experimenten der beiden Wissenschaftler belegen ließen, entstanden bei ihnen Zweifel an dem bislang angenommenen Konzept. Gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen arbeiteten sie alle bisher erschienenen Publikationen zur Messung, Vorkommen, Bildung und biochemischen Wirkung von SPM durch. Der so entstandene umfangreiche Review bestätigt nun die grundlegenden Zweifel am SPM-Paradigma. „In den Studien, die das Auftreten der SPM bei Menschen untersuchen, können diese nicht oder nur in verschwindend geringen Mengen detektiert werden, sodass die Daten letztlich keinen Beweis für ihre wichtige Rolle bei der Auflösung von Entzündungen liefern“, erklärt Prof. Schebb. „Die Messmethoden“, ergänzt er, „die im Bereich der SPM-Forschung genutzt werden, entsprechen nicht wissenschaftlichen Standards.“

Jahrelange Forschung zum Thema

Der Wuppertaler Forscher und Hauptautor des nun im Fachjournal „Frontiers in Pharmacology“ veröffentlichten Artikels begann mit seiner Arbeitsgruppe vor mehr als fünf Jahren mit der Untersuchung und dem Aufspüren der SPM in Blut und anderen Proben. 

„Dass diese Verbindungen durch Oxidation von Fettsäuren neben vielen tausend anderen Produkten gebildet werden können, steht außer Frage. 

Aber die geringen detektieren Mengen sowie die nicht überzeugenden Bildungswege und die mangelnden mechanistischen biochemischen Belege zur Wirkung legen nahe, dass es nicht die SPM sind, welche die Entzündungsauflösung vermitteln“, erklärt Schebb.

Dennoch kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass es einen Mechanismus der aktiven Entzündungsauflösung gibt und dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie sie beispielsweise in Fisch vorkommen, dabei eine wichtige Rolle spielen. 

„Gemeinsam arbeiten wir nun daran, die aktiven Lipidmediatoren aufzuspüren“, so Schebb.

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Prof. Dr. Nils Helge Schebb
Lehrstuhl für Lebensmittelchemie
Mail schebb@uni-wuppertal.de

Marylen Reschop Bergische Universität Wuppertal

Originalpublikation:

https://doi.org/10.3389/fphar.2022.838782

Prof. Denis Burdakov: Die Aminosäuren - den Appetit zügeln (nicht-essenziellen Aminosäuren)

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Allgegenwärtige Nährstoffe hemmen Appetit und fördern Bewegung

Forschende der ETH Zürich zeigen in Versuchen bei Mäusen, dass nicht-​essenzielle Aminosäuren appetithemmend wirken und den Bewegungsdrang fördern. 

Ihre Forschung gibt Einblick in den neuronalen Mechanismus, der diese Verhaltensweise steuert.

Proteine können den Appetit hemmen. 

  • Eine proteinreiche Ernährung kann daher Personen helfen, ihr Gewicht zu reduzieren. 

Nicht zuletzt deshalb ist eine solche Ernährung in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. 

Forschende der ETH Zürich haben nun in Mäusen einen neuen Mechanismus aufgezeigt, über welchen die Bausteine der Proteine – die Aminosäuren – den Appetit zügeln. 

  • Dabei geht es um die sogenannten nicht-​essenziellen Aminosäuren.

Unser Körper kann von den 21 Aminosäuren, die er benötigt, deren 9 nicht selbst herstellen. 

  • Sie werden essenzielle Aminosäuren genannt, und wir müssen sie zwingend über die Nahrung aufnehmen. 

Daher fokussierte sich die Ernährungsforschung bisher auf diese. 

Die anderen 12 Aminosäuren gelten als nicht-​essenziell.
Der Körper kann sie durch die Veränderung anderer Moleküle selbst herstellen.

Bei Mäusen gezeigt

Dass sowohl essenzielle als auch nicht-​essenzielle Aminosäuren den Appetit hemmen können, ist seit Längerem bekannt. 

Für die nicht-​essenziellen ist der Wirkmechanismus bisher jedoch noch nicht in lebenden Organismen nachgewiesen worden. Forschende unter der Leitung von Denis Burdakov, Professor für Neurowissenschaften an der ETH Zürich, haben nun zum ersten Mal in einem Lebewesen gezeigt, dass die nicht-​essenziellen Aminosäuren das Gehirn auf eine Weise beeinflussen, die appetitzügelnd und bewegungsfördernd wirkt.

Die Wissenschaftler fütterten Mäusen zunächst entweder eine Mischung aus verschiedenen nicht-​essenziellen Aminosäuren oder eine Zuckerlösung mit gleich vielen Kalorien (Kontrollgruppe). Anschliessend konnten beide Mäusegruppen einen Milchshake trinken, den sie normalerweise lieben. Während die Kontrollgruppe ausgiebig davon trank, mieden die Mäuse, die zuvor mit nicht-​essenziellen Aminosäuren gefüttert wurden, den Milchshake. Sie machten sich stattdessen in ihrem Gehege auf die Suche nach einer alternativen Nahrung.

Ursprung in der Evolutionsgeschichte

Mit weiteren Versuchen konnten die Forschenden den Mechanismus entschlüsseln, bei dem spezialisierte Nervenzellen im Gehirn – Orexin-​Neuronen – die Hauptrolle spielen. 

Proteine, welche die Mäuse über die Nahrung aufnehmen, werden im Darm in ihre Aminosäuren verdaut, welche dort ins Blut gelangen. 

Über das Blut werden sie auch ins Gehirn transportiert. 

Die Orexin-​Neuronen im Hypothalamus besitzen Rezeptoren, welche spezifisch die nicht-​essenziellen Aminosäuren erkennen. 

Als Reaktion setzen sie einen neuronalen Schaltkreis in Gang, der die beschriebenen Verhaltensänderungen bewirkt.

Der Ursprung dieses Mechanismus dürfte in der Evolutionsgeschichte liegen. 

«Heute stehen uns von allen Nährstoffen genügend zur Verfügung, und wir haben für die Nahrungsaufnahme ausreichend Zeit. 

Während der Urgeschichte, als sich dieser Mechanismus entwickelt hat, dürfte das anders gewesen sein», sagt Paulius Viskaitis, Postdoc in Burdakovs Gruppe und Erstautor der Studie. 

  • «Damals war es für ein Individuum vorteilhaft, sich nur kurz mit einer Nahrungsquelle zu beschäftigen, die vor allem aus nicht-​essenziellen Aminosäuren bestand.» 
  • Wird durch das Essen von nicht-​essenziellen Aminosäuren der Bewegungsdrang gefördert, macht sich das Tier auf die Suche nach anderen Nahrungsquellen, die möglicherweise mehr essenzielle Nährstoffe enthalten und für das Individuum wichtiger sind.

Die Forschungsergebnisse seien auf den Menschen und andere Tiere übertragbar, betont Viskaitis. 

Denn der Mechanismus betreffe eine evolutionsgeschichtlich sehr alte Hirnregion, die in allen Säugetieren und vielen weiteren Wirbeltieren gleichermassen vorkomme. 

Personen, die abnehmen möchten, könne man eine Diät mit besonders vielen nicht-​essenziellen Aminosäuren trotzdem nicht ohne Weiteres empfehlen, sagt der ETH-​Wissenschaftler. Ernährungsempfehlungen müssten individuell erfolgen und gesundheitliche Aspekte mitberücksichtigen.

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Denis Burdakov, Professor für Neurowissenschaften an der ETH Zürich
denis.burdakov@hest.ethz.ch
+41 44 655 74 52

Lina Ehlert Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

Rämistr. 101
8092 Zürich
Schweiz
Zürich

E-Mail-Adresse: lina.ehlert@hk.ethz.ch
Originalpublikation:

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982222003372?via%3Dihub

 

Prof. Dr. Matthias Schulze: Fettsäuremetabolismus als Marker für Ernährung und kardiometabolische Gesundheit

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Lipidomik liefert neue Biomarker für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes

Der Fettstoffwechsel spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. 

Über die molekularen Zusammenhänge ist bislang jedoch wenig bekannt. 

Das Team um Dr. Fabian Eichelmann vom DIfE und DZD hat mithilfe der Lipidomik, einer modernen analytischen Methode, jene Lipide identifiziert, die statistisch mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes assoziiert sind. 

  • Zudem stellten die Wissenschaftler*innen fest, dass eine Diät mit erhöhtem Anteil ungesättigter Fettsäuren zur Reduktion der risikoassoziierten Lipide und zur Steigerung der risikoarmen Lipide führt. 

Die Ergebnisse wurden im Journal Circulation veröffentlicht. 

Grafischer Überblick Grafischer Überblick DIfE

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind mit rund 18 Millionen Todesfällen pro Jahr die häufigste Todesursache weltweit.  

Menschen mit Typ-2-Diabetes haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.  

Die Zahl der Betroffenen steigt seit Jahrzehnten kontinuierlich an.  

Schon jetzt leben in Deutschland über 8 Millionen Menschen mit Typ-2-Diabetes. 

Wissenschaftlichen Prognosen zufolge werden es im Jahr 2040 rund 12 Millionen sein. Entsprechend groß ist die Notwendigkeit, Biomarker zu identifizieren, die frühzeitig auf eine Krankheitsentstehung hinweisen können, um den Ausbruch verhindern oder zumindest abmildern zu können.

Bisherige Studien haben gezeigt, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes eng mit dem Fettstoffwechsel verbunden sind. Um diese Zusammenhänge auf molekularer Ebene zu entschlüsseln, nutzen Wissenschaftler*innen seit einigen Jahren die sogenannte Lipidomik. Dabei handelt es sich um eine moderne analytische Methode, die sehr detaillierte Einblicke in die Fettsäureprofile im Blutplasma ermöglicht. 

Fettsäuren kommen im menschlichen Organismus hauptsächlich als Teil komplexer Moleküle vor, den Lipiden. Anhand ihrer molekularen Struktur werden sie in zahlreiche verschiedene Lipidklassen und -arten eingeteilt. Die Gesamtheit aller Lipide innerhalb eines Organismus bezeichnet man als Lipidom.

69 Lipide mit Erkrankungsrisiken assoziiert

Dr. Fabian Eichelmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie am DIfE und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), untersuchte mit seinem Team die Fettsäureprofile in 2.414 Blutproben aus der EPIC-Potsdam-Studie. Die Proben wurden bereits in den 1990er Jahren entnommen und stammen unter anderem von Teilnehmenden, die in den Folgejahren eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder einen Typ-2-Diabetes entwickelt haben. Mittels Hochdurchsatz-Lipidomik bestimmten die Forschenden insgesamt 282 verschiedene Lipide, von denen 69 mit mindestens einer der beiden Erkrankungen assoziiert waren. „Ein statistischer Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigte sich bei 49 Lipiden, die hauptsächlich zu den Cholesterinestern und Sphingolipiden zählten“, sagt Eichelmann. „Mit Typ-2-Diabetes waren 12 Lipide assoziiert, wobei es sich mehrheitlich um Glycerin- und Phospholipide handelte. Ein Zusammenhang mit beiden Erkrankungen ließ sich bei 8 Lipiden erkennen, unter denen mehrere Monoacylglyceride hervorstachen.“ Auf molekularer Ebene stellten die Forschenden fest, dass Lipide mit höherem Risiko dazu tendierten, hauptsächlich gesättigte Fettsäuren zu enthalten, insbesondere Palmitinsäure.

Ernährungsumstellung zeigt Wirkung

Im zweiten Teil ihrer Untersuchungen wollten die Wissenschaftler*innen herausfinden, ob sich die risikoassoziierten Lipide durch eine veränderte Fettsäurezusammensetzung der Ernährung beeinflussen lassen. Eine 16-wöchige Interventionsstudie, die von den Kooperationspartnern an der University of Reading in England durchgeführt wurde, sollte Antworten liefern. Das Team um Julie Lovegrove rekrutierte 113 gesunde Frauen und Männer im Alter von 21 bis 60 Jahren und teilte sie zufällig in drei Gruppen ein. Die erste Gruppe erhielt eine Diät mit einem erhöhten Anteil gesättigter Fettsäuren. Für die zweite Gruppe gab es eine Diät, die reich an einfach ungesättigten Fettsäuren war. Und die dritte Gruppe bekam eine Diät mit einem hohen Anteil an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Die Diäten waren so konzipiert, dass die Gesamtenergieaufnahme in allen drei Gruppen gleich war, damit die Teilnehmenden weder Gewicht zu- noch abnahmen. Zu Beginn der Studie und vier Monate später erfolgte eine Blutabnahme, sodass die Wissenschaftler*innen die Fettsäureprofile im Blutplasma der Teilnehmenden bestimmen und vergleichen konnten.

 „Wir stellten fest, dass die Diäten mit einem erhöhten Anteil ungesättigter Fettsäuren im Vergleich zur Diät mit erhöhtem Anteil gesättigter Fettsäuren für eine Verringerung der risikoassoziierten Lipide und gleichzeitig für eine Steigerung der risikoarmen Lipide sorgten“, fasst Lovegrove zusammen.

  • Die Ergebnisse stützen die gängige Empfehlung, dass der Austausch gesättigter durch ungesättigte Fettsäuren in der Ernährung ein potenzielles Instrument für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes ist. 

„Die identifizierten Lipide könnten als Biomarker für ein erhöhtes Risiko dienen. 

Zukünftige Risikovorhersage-Modelle könnten darauf aufbauen“, sagt Prof. Matthias Schulze, Leiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie und der EPIC-Potsdam Studie am DIfE. Im nächsten Schritt wollen die Forschenden einen Lipidomik-Fingerabdruck im Blut identifizieren, der die Effekte einer Test-Diät abbildet und überprüfen, ob dieser mit dem Langzeitrisiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert ist.

Hintergrundinformationen

Lipidomik

Die Lipidomik (engl.: Lipidomics) ist ein Zweig der Metabolomik. Sie dient der vollständigen Charakterisierung aller Lipide und ihrer Stoffwechselprodukte innerhalb eines Organismus. Für moderne Lipidomik-Analysen werden chromatographische und spektroskopische Methoden kombiniert, um auch sehr ähnliche Lipide voneinander unterscheiden zu können.

Empfehlungen zur Fettaufnahme von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung

Fett liefert mit 9 Kilokalorien pro Gramm mehr als doppelt so viele Kalorien wie die gleiche Menge an Kohlenhydraten oder Proteinen und ist somit der Nährstoff mit der höchsten Energiedichte. 

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Erwachsenen, maximal 30 Prozent der täglichen Energie in Form von Fett aufzunehmen. 

Für eine gesunde Ernährung ist jedoch die Fettqualität von größerer Bedeutung als die Fettmenge. 

Den Hauptanteil der aufgenommenen Nahrungsfette sollten einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren ausmachen, die u. a. in pflanzlichen Ölen, Nüssen und Fisch enthalten sind. 

Gesättigte Fettsäuren, die insbesondere in fettreichen Fleisch- und Milchprodukten vorkommen, sollten nur ein geringer Bestandteil der täglichen Fettaufnahme sein.

EPIC-Potsdam-Studie

Die European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)-Potsdam-Studie ist eine bevölkerungsbasierte prospektive Kohortenstudie des DIfE. Sie ist Teil der EPIC-Studie, einer der größten Kohortenstudien der Welt, die das Ziel hat, Beziehungen zwischen Ernährung, Ernährungsstatus, Lebensstil und Umweltfaktoren sowie der Inzidenz von Krebs und anderen chronischen Krankheiten wie Typ-2-Diabetes zu untersuchen. Bei prospektiven Kohortenstudien wird eine große Gruppe gesunder Menschen zunächst umfangreich untersucht und anschließend über einen langen Zeitraum beobachtet, welche Krankheiten auftreten. Die Beobachtungen können Hinweise auf Risikofaktoren für häufige Erkrankungen liefern. Die ca. 27.500 Teilnehmenden der EPIC-Potsdam-Studie wurden zwischen 1994 und 1998 rekrutiert und untersucht, zum Beispiel der Blutdruck und die Körpermaße bestimmt. Außerdem wurden sie zu ihren Ernährungsgewohnheiten und ihrem Lebensstil befragt und Blutproben entnommen. Im noch immer laufenden Nachbeobachtungszeitraum wurden die Studienteilnehmenden bislang sechsmal zu ihren Ernährungsgewohnheiten, ihrem Lebensstil und aufgetretenen Erkrankungen befragt. Seit 2014 erfolgen in begrenztem Umfang auch Nachfolgeuntersuchungen.

Dr. Fabian Eichelmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie am DIfE.
Dr. Fabian Eichelmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie am DIfE. Carolin Schrandt DIfE


FAME

Das Verbundprojekt FAME („Fettsäuremetabolismus als Marker für Ernährung und kardiometabolische Gesundheit“) wurde im Rahmen der europäischen Programminitiative „Eine gesunde Ernährung für ein gesundes Leben“ (JPI HDHL) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. In dieser Initiative arbeiten EU-Mitgliedsstaaten, assoziierte Staaten sowie Kanada und Neuseeland zusammen, um die Ernährungsforschung über Ländergrenzen hinweg zu bündeln und zu stärken. Ziel der transnationalen Fördermaßnahme „Biomarker für Ernährung und Gesundheit“ der JPI HDHL war es, neue Biomarker zu identifizieren, die den Ernährungszustand erfassen und damit zur Aufklärung der Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit beitragen können. Neben dem DIfE waren die Universitäten Navarra und Cordoba (Spanien) sowie Reading und East Anglia (Großbritannien) am FAME-Verbund beteiligt.

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Dr. Fabian Eichelmann
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie
Tel.: +49 33200 88-2454
E-Mail: fabian.eichelmann@dife.de

Prof. Dr. Matthias Schulze
Leiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie
Tel.: +49 33200 88-2434
E-Mail: mschulze@dife.de 

Susann-C. Ruprecht Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke

Arthur-Scheunert-Allee 114/116
14558 Nuthetal, OT Bergholz-Rehbrücke
Deutschland
Brandenburg

Susann-C. Ruprecht
Telefon: 033200882335
Fax: 0332008872335
E-Mail-Adresse: susann.ruprecht@dife.de 
Originalpublikation:

Eichelmann, F., Sellem, L., Wittenbecher, C., Jäger, S., Kuxhaus, O., Prada, M., Cuadrat, R., Jackson, K. G., Lovegrove, J. A., Schulze, M. B.: Deep Lipidomics in Human Plasma - Cardiometabolic Disease Risk and Effect of Dietary Fat Modulation. Circulation in press (E-pub ahead of print) (2022). [Open Access]
https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056805

 

Schädigung von Lungengewebe durch die invasive Pilzinfektion Aspergillose- besonders bei immungeschwächten Patienten

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Wie breiten sich Pilzinfektionen in der Lunge aus?

Mit einem von Jenaer Forschenden entwickelten Chip-basierten Infektionsmodell lässt sich die Schädigung von Lungengewebe durch die invasive Pilzinfektion Aspergillose live unter dem Mikroskop beobachten. 

Das Team entwickelte Algorithmen, um die Ausbreitung der Pilzhyphen sowie die Reaktion von Immunzellen zu verfolgen. 

Die Entwicklung basiert auf einem ebenfalls in Jena entwickelten „lung-on-chip“-Modell und kann dazu beitragen, die Zahl an Tierversuchen zu verringern. 

Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Biomaterials vorgestellt. 

Pilzhyphen durchdringen Lungenepithelzellen. Pilzhyphen durchdringen Lungenepithelzellen. Zoltán Cseresnyés/Leibniz-HKI 

Aspergillose ist eine Schimmelpilzinfektion, ausgelöst durch Aspergillus fumigatus, die häufig die Lunge befällt. 

Insbesondere bei immungeschwächten Menschen kann die Erkrankung tödlich verlaufen. 

  • Bei ihnen tritt meist eine invasive Aspergillose auf, bei der Pilzhyphen in Blutgefäße eindringen. 

Bisher gibt es nur wenige Wirkstoffe, die derartige Pilzinfektionen bekämpfen können. 

„Deswegen war es uns so wichtig, dieses eindringende Wachstum in einem Modell darstellen zu können“, sagt Marie von Lilienfeld-Toal, die die Studie mit geleitet hat. Die Internistin ist Professorin an der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Jena und forscht am Leibniz-HKI.

Das neue Aspergillose-Infektionsmodell soll dabei helfen, sowohl das Wachstum des Pilzes als auch die Reaktion des Immunsystems besser beobachten zu können und mögliche neue Ansätze für Therapien zu finden. Außerdem können neue Wirkstoffe getestet werden. In Jena ist die Expertise dafür vorhanden: Am Uniklinikum werden bereits seit langem Organchips entwickelt. Von dort wurde auch das Startup Dynamic42 ausgegründet, das die in der Studie verwendeten Lungen-Chips herstellt. Erstautorin Mai Hoang ist im Anschluss an ihre Promotion ebenfalls bei dem Unternehmen eingestiegen.

Vom Organmodell zum Infektionsmodell

„Mithilfe des Chips können wir eine Aspergillose in 3D live unter dem Mikroskop beobachten und quantifizieren“, so Studienleiter Marc Thilo Figge. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Angewandte Systembiologie am Leibniz-HKI und Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Das Organmodell besteht aus zwei Zellschichten, die durch eine künstliche Membran getrennt sind. Die eine Schicht ist der Luft ausgesetzt und besteht aus Oberflächenzellen der Lunge. Die andere Schicht besteht aus Blutgefäßzellen, an denen kontinuierlich eine dem Blut nachempfundene Nährstofflösung vorbeiströmt.

Diesem Modell haben die Forschenden die Pilzinfektion beigefügt. „Dadurch haben wir aus dem Organmodell ein Infektionsmodell gemacht“, erklärt Susann Hartung, Mitarbeiterin der Gruppe Infektionen in der Hämatologie/Onkologie am Leibniz-HKI und eine der drei Erstautor*innen. Die Schwierigkeit sei gewesen, die richtige Schwere der Infektion herzustellen. „Geben wir zu viel Aspergillus fumigatus in das Modell, sterben die Lungenzellen. Ist es zu wenig, sehen wir nichts“, so die Molekularbiologin.

Diesem System können dann beispielsweise menschliche Immunzellen oder verschiedene Wirkstoffe zugefügt werden, wie das Forschungsteam in der aktuellen Studie zeigt.

Algorithmus zur Bildauswertung

Eine große Herausforderung stellte die Auswertung der dreidimensionalen mikroskopischen Daten dar. „Wenn wir uns die Bilder nur anschauen, bekommen wir ein Gefühl für den Verlauf der Infektion, aber wir können sie nicht quantifizieren. Dafür brauchen wir Algorithmen, die Pilzhyphen oder Immunzellen von Gewebezellen sowie der Umgebung abgrenzen können“, erklärt Zoltán Cseresnyés, ebenfalls Erstautor. Er ist in Figges Team auf automatisierte Bildanalysen spezialisiert.

Damit eine Unterscheidung durch den Computer möglich wird, werden die verschiedenen Zelltypen mithilfe von Fluoreszenzfarbstoffen farbig markiert. „So kann man beispielsweise anhand der Intensität der Fluoreszenz bestimmen, wie viele Pilze eine Immunzelle gefressen hat“, erklärt Cseresnyés.

„Natürlich ist dieses Modell eine starke Vereinfachung und kann nicht eins zu eins mit einem vollständigen Organ verglichen werden“, sagt Figge. „Wir denken aber, dass es ein wichtiger Beitrag zur besseren Erforschung von Pilzinfektionen ist, weil damit gleichzeitig Tierversuche teilweise ersetzt werden können.“ Das Modell soll nun noch weiter optimiert werden.

Die Forschung wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters Balance of the Microverse und der Sonderforschungsbereiche 124 FungiNet (Transregio) und 1278 PolyTarget unterstützt. Die Carl-Zeiss-Stiftung förderte das Projekt in der Exzellenzgraduiertenschule Jena School for Microbial Communication. Zudem wird die Arbeit durch das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Center for Sepsis Control and Care und den Leibniz ScienceCampus InfectoOptics gefördert.

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Dr. Michael Ramm
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Fax: +49 3641 5320801

Orginalpublikation:

Hoang TNM, Cseresnyés Z, Hartung S, Blickensdorf M, Saffer C, Rennert K, Mosig AS, von Lilienfeld-Toal M, Figge MT (2022). Invasive aspergillosis-on-chip: A quantitative treatment study of human Aspergillus fumigatus infection. Biomaterials, https://doi.org/10.1016/j.biomaterials.2022.121420


Prof. Dr. Michael Sigal: Helicobacter-Bakterien infiziertes Magengewebe - Risiko für Magenkrebs

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Magenentzündungen: wie eine bakterielle Infektion das Gewebe verändert

  • Eine Infektion der Magenschleimhaut mit dem Helicobacter-Bakterium führt zu Magenentzündungen und erhöht zudem das Risiko für Magenkrebs. 

Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) konnte nun charakteristische Veränderungen in den Magendrüsen im Zuge einer Infektion aufklären. 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dabei einen bisher unbekannten Mechanismus gefunden, der die Zellteilung im gesunden Gewebe begrenzt und somit vor Krebsentwicklung schützt. 

Durch eine Mageninfektion wird dieser aber aufgehoben, so dass Zellen unkontrolliert wachsen können. 

Mit Helicobacter-Bakterien infiziertes Magengewebe. Sich teilende Zellen sind grün, Zellkerne blau dargestellt. Mit Helicobacter-Bakterien infiziertes Magengewebe. Sich teilende Zellen sind grün, Zellkerne blau dargestellt. © Charité | Michael Sigal

Eine Infektion der Magenschleimhaut mit dem Helicobacter-Bakterium führt zu Magenentzündungen und erhöht zudem das Risiko für Magenkrebs. 

Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) konnte nun charakteristische Veränderungen in den Magendrüsen im Zuge einer Infektion aufklären. 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dabei einen bisher unbekannten Mechanismus gefunden, der die Zellteilung im gesunden Gewebe begrenzt und somit vor Krebsentwicklung schützt. Durch eine Mageninfektion wird dieser aber aufgehoben, so dass Zellen unkontrolliert wachsen können. Diese im Fachmagazin Nature Communications* veröffentlichten Erkenntnisse können Grundlage für die Entwicklung neuer Krebstherapien sein.

Eine Besiedelung des Magens mit Helicobacter pylori tritt weltweit bei etwa der Hälfte der Menschheit auf. Damit zählt sie zu den häufigsten chronischen bakteriellen Infektionen. In der Folge können sich Entzündungen des Magens (Gastritis) oder Magenkrebs entwickeln. Wegen des ständigen Kontakts mit der Magensäure erneuert sich die gesunde Magenschleimhaut innerhalb weniger Wochen komplett, wobei ihre Struktur und Zusammensetzung stets unverändert bleibt. „Bisher ging man davon aus, dass eine Helicobacter-Infektion die Drüsenzellen der Magenschleimhaut direkt schädigt“, erklärt Prof. Dr. Michael Sigal, Letztautor der Studie. „Unser Team hat nun herausgefunden, dass die komplexen Interaktionen verschiedener Zellen und Signale, die für die Stabilität des Gewebes sorgen, durch eine Infektion gestört werden.“ Prof. Sigal ist Emmy Noether-Arbeitsgruppenleiter an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie der Charité und am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB), das zum Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) gehört.

Um die Veränderungen der Magendrüsen durch eine Helicobacter-Infektion nachzuverfolgen, hat sich das Forschungsteam zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie komplexe Mausmodelle zu Nutze gemacht, bei denen sich bestimmte Zellen der Magendrüsen mittels modernster Technologien – wie Bildgebung und Einzelzellsequenzierung am Gewebe – visualisieren, isolieren und genau untersuchen lassen. Darüber hinaus entwickelten sie im Labor spezielle organähnliche Mikrostrukturen – sogenannte Organoide –, um damit den Einsatz von Tiermodellen einschränken zu können. Mithilfe dieser winzigen Miniaturmägen konnten sie viele Eigenschaften der Drüsen nachempfinden und den Einfluss vielfältiger Signale auf die dortigen Stammzellen untersuchen, aus denen verschiedene Zelltypen entstehen können.

„Wir haben herausgefunden, dass die sogenannten Stromazellen, die die Drüsen umgeben, nicht – wie bisher gedacht – nur für die mechanische Stabilität verantwortlich sind. Sie produzieren auch Botenstoffe, die das Verhalten der Drüsen maßgeblich beeinflussen“, beschreibt Prof. Sigal. Zu diesen Botenstoffen gehört auch das „Bone Morphogenetic Protein“ (BMP), das für die Gewebeentwicklung von Bedeutung ist. Die Forschenden konnten zeigen, dass Stromazellen, die die Drüsenbasis umgeben, den BMP-Signalweg fortwährend unterdrücken und so die Teilung der dortigen Stammzellen anregen. Hingegen aktivieren Stromazellen an der Drüsenspitze den Signalweg und unterbinden damit dort die Zellteilung. Dieser Einfluss der Umgebung ist die Grundlage für die stabile Drüsenstruktur.  

Durch eine Helicobacter-Infektion kommt es zur Ausschüttung von Endzündungsstoffen wie Interferon-gamma (IFN-γ). 

Im Zuge dieser Entzündungsreaktion werden nun vermehrt Botenstoffe produziert, die die Zellteilung der Stammzellen in den Drüsen anregen. 

  • Das führt schließlich zur sogenannten Hyperplasie – also dazu, dass sich das Gewebe vergrößert und Krebsvorläufer entstehen können.


„Unsere Erkenntnisse zeigen, dass eine Infektion und eine damit einhergehende Entzündung viel mehr Effekte im Gewebe hat als bisher angenommen: 

klassische Entzündungsstoffe wie IFN-γ haben nicht nur eine direkte antimikrobielle Wirkung, sondern beeinflussen auch die Zellteilung und das Verhalten von Stammzellen im Gewebe.

Bei einer Gewebeschädigung kann eine schnelle Zellteilung sehr sinnvoll sein, um eine rasche Heilung zu ermöglichen. 

Bei einer chronischen Entzündung im Zuge einer Helicobacter-Infektion könnte sie jedoch die Entwicklung von Krebsvorläufern begünstigen“, resümiert Prof. Sigal. 

Die Signalwege bei der Interaktion zwischen dem Immunsystem und Stammzellen, die auch für andere Organe als den Magen bedeutsam sein könnten, stellen somit einen Ansatzpunkt für neue Therapien – sowohl in der Krebsvorsorge als auch in der regenerativen Medizin – dar.

*Kapalczynska M et al. BMP feed-forward loop promotes terminal differentiation in gastric glands and is interrupted by H. pylori-driven inflammation. Nat Commun (2022). doi: 10.1038/s41467-022-29176-w

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Originalpublikation:

https://www.nature.com/articles/s41467-022-29176-w


Dr. Manuela Götzberger: Akute Pankreatitis (AP) - chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung: Genaue Differentialdiagnostik

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: S3-Leitlinie zur Pankreatitis: Ultraschall spielt bei einer entzündeten Bauchspeicheldrüse eine zentrale Rolle

Die akute Pankreatitis (AP) ist mit jährlich rund 50.000 Krankenhauseinweisungen eine der häufigsten Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes – Tendenz steigend. 

Etwa jeder fünfte Betroffene hat einen komplizierten – bis hin zum lebensbedrohlichen – Verlauf und muss mit lebenslangen Beeinträchtigungen rechnen. 

  • Bei einer akuten oder chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung ist daher eine frühzeitige und exakte Diagnose für die weitere Behandlung essenziell. 

Mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) ist kürzlich die erste umfassende S3-Leitlinie zur Pankreatitis in Deutschland erschienen. 

Dabei spielt der Ultraschall eine zentrale Rolle.

  • Zu den verschiedenen Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse gehören die akute, chronische, kindliche und autoimmune Pankreatitis sowie die Pankreatitis auf dem Boden von zystischen oder soliden Tumoren der Bauchspeicheldrüse. 

„Eine genaue Differenzialdiagnostik ist sehr wichtig, um die in ihrer Symptomatik häufig ähnlich erscheinenden, aber unterschiedlichen Krankheitsbilder exakt voneinander abzugrenzen“, führt DEGUM-Experte Professor Dr. med. Albrecht Neeße aus Göttingen aus. 

„Mit der neuen S3-Leitlinie liegt uns erstmals eine umfassende Handlungsempfehlung vor, die alle Erscheinungsformen der Pankreatitis gemäß der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage berücksichtigt und deren klinischer Bewertung durch ein großes Expertengremium vornimmt.“

Ursache für eine Pankreatitis sind meist Gallensteine, Alkohol- und Nikotinmissbrauch, ein metabolisches Syndrom, Tumore, genetische Veränderungen oder Medikamente. 

  • Eine entzündete Bauchspeicheldrüse macht sich durch sehr starke Schmerzen im Oberbauch bemerkbar. 

Chronische Entzündungen der Bauchspeicheldrüse führen häufig zu lebenslangen Verdauungsstörungen, Schmerzen oder Diabetes mellitus. 

„Etwa jeder dritte Patient mit einer chronischen Pankreatitis kann seinen Beruf nicht mehr ausüben“, mahnt Neeße, Co-Autor der Leitlinie. „Eine frühe Diagnose und Therapie hat also auch eine hohe sozio-ökonomische Bedeutung.“

Als besonders hilfreich in der Diagnostik und Therapie hat sich die Bildgebung etabliert, die in der neuen Leitlinie eine große Aufwertung erfährt: „Insbesondere dem transabdominellen Ultraschall und der Endosonografie (EUS=endoskopischer Ultraschall) kommen darin eine herausragende Stellung zu“, sagt Dr. med. Manuela Götzberger, Sprecherin des DEGUM-Arbeitskreises Endosonografie. 

Bei der Detektion von Gallengangssteinen, die die häufigste Ursache für eine akute Pankreatitis sind, sollte der EUS die erste Wahl sein. 

„Im Vergleich zu anderen Bildgebungsverfahren kann dieser auch kleine Steine im Gallengang sichtbar machen, die meist der Auslöser der Entzündungsprozesse sind.
Diese Methode wird ebenso bei Komplikationen der Pankreatitis als erste Interventionsmethode gewählt wie zur Drainage von infizierten Nekrosearealen oder Pseudozysten“, erklärt die Gastroenterologin aus München.

Bei einem ersten Verdacht auf eine akute oder chronische Pankreatitis ist der Ultraschall durch die Bauchwand (transabdominelle Sonografie) Mittel der Wahl. Denn er ist leicht und schnell verfügbar, kostengünstig, nicht-invasiv, ohne Strahlenbelastung und kann risikofrei wiederholt werden. „Bei der diagnostischen Abklärung von Kindern ist er besonders wertvoll, da möglichst Strahlenbelastungen und Narkosen zu vermeiden sind“, betont Neeße.

Diese schonende Methode hat jedoch einen Nachteil: 

Durch die schlecht zugängliche Lage der Bauchspeicheldrüse und aufgrund von Luftüberlagerungen oder auch bei ausgedehnten Verkalkungen kann das Organ so oft nicht oder nicht ausreichend visualisiert werden.

 „Für mehr Zuverlässigkeit sind daher erfahrene Ultraschall-Expertinnen und -Experten, auch mit Erfahrung in der Anwendung von Ultraschallkontrastmittel ausschlaggebend“, so DEGUM-Präsident Professor Dr. med. Josef Menzel aus Ingolstadt.

  • Er empfiehlt daher analog zur S3-Leitlinie, die Versorgung von Pankreatitis-Patientinnen und -patienten in Spezialzentren mit besonderer Expertise – insbesondere bei schweren, komplexen Verläufen.


Die DEGUM setzt sich seit ihrer Gründung für die Zertifizierung von Ultraschallern, Kliniken und Zentren ein, um die Qualitätsstandards in der Ultraschallversorgung in Deutschland zu gewährleisten.

Quellen:
• S3-Leitlinie Pankreatitis: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-003.html
• Loosen, S.H. et al., Current epidemiological trends and in-hospital mortality of acute pancreatitis in Germany: a systematic analysis of standardized hospital discharge data between 2008 and 2017, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34820807/ DOI: 10.1055/a-1682-7621

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