Medizin am Abend Berlin Fazit: Europäischen Kardiologiekongress (ESC) 2015 in London
Mehr Herzinfarkte bei kaltem Wetter
Kaltes Wetter korreliert mit einem höheren Risiko für schweren Herzinfarkt. Je zehn Grad Celsius Temperaturabfall steigt das Risiko für einen ST-Hebungs-Infarkt (STEMI) um sieben Prozent an. Das zeigt eine neue Studie der Universität von Manitoba in Winnipeg, Kanada, die auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London präsentiert wurde, wie die DGK berichtet.
Der ST-Hebungsinfarkt (STEMI), die schwerwiegendste Form des Herzinfarktes, wird meist durch einen akuten Riss in Ablagerungen („Plaques“) in einer Koronararterie und den daraus resultierenden Gefäßverschluss verursacht. Beim STEMI handelt es sich um die Form des Herzinfarktes mit der höchsten Sterblichkeit.
Studienautorin Dr. Shuangbo Liu: „Wir konnten zeigen, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen den Außentemperaturen und dem STEMI-Risiko gibt. Dieses Risiko kann bis zu zwei Tage vor dem Herzinfarkt vorhergesagt werden. Wenn es dafür ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit und ausreichende Ressourcen gibt, könnten wir in Zukunft dieses vorhersehbare saisonale Herzinfarkt-Risiko besser managen.“
Winnipeg, Manitoba, ist der geografische Mittelpunkt Kanadas und bekannt für seine heißen und trockenen Sommer und besonders kalten Winter. Das Studienteam wertete in einer retrospektiven Analyse die Daten über alle ST-Hebungsinfarkte der vergangenen sechs Jahre aus. Diese wurden mit Wetterdaten, insbesondere der höchsten, mittleren und niedrigsten Tagestemperatur, korreliert.
Im Beobachtungszeitraum gab es 1.817 STEMI. Die Tageshöchsttemperatur erwies sich als bester prognostischer Faktor. An Tagen mit einer Höchsttemperatur unter 0 Grad Celsius gab es 0,94 STEMI pro Tag, an Tagen mit Höchsttemperaturen über dem Nullpunkt lag die Ereignisrate bei 0,78. Die Tageshöchsttemperaturen der beiden Tage vor dem Infarkt waren ebenso von prognostischer Relevanz.
„Unsere Daten belegen den großen Einfluss von Umweltfaktoren auf das Auftreten eines ST-Hebungsinfarkts“, so Dr. Liu. „Es wird Gegenstand weiterer Untersuchungen sein, herauszufinden, ob spezifische Behandlungsstrategien diesen Klima-Effekt beeinflussen können.“
Quelle: ESC 2015 Abstract How cold is too cold: the effect of seasonal temperature variation on risk of STEMI; S. Liu, R.A. Ducas, B. Hiebert, L. Olien, R. Philipp, J.W. Tam, St. Boniface General Hospital, Cardiology - Winnipeg – Canada
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Überraschendes Studienergebnis: Einfache Vorhersage für Herzinsuffizienz-Entwicklung nach Infarkt
Unerwartete Ergebnisse erbrachte eine neue Studie aus Leuven, die auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London präsentiert wurde. Die Resultate stehen konträr zur bisherigen Meinung. Die Anpassungsmechanismen, die nach einem Herzinfarkt zur Vergrößerung der Herzkammer (Ventrikel) und im weiteren Verlauf zur Herzinsuffizienz führen, sind bei kleineren Ventrikeln und vermehrter Muskelmasse ausgeprägter als bei großen Herzkammern mit dünnen Muskelwänden.
Die Ergebnisse der DOPPLER-CIP-Studie (Determining Optimal Non-invasive Parameters for the Prediction of Left Ventricular Morphologic and Functional Remodelling in Chronic Ischemic Patients) könnten, falls durch weitere Studien bestätigt, Einschätzung und therapeutisches Vorgehen völlig verändern, sagte Studienleiter Prof. Frank Rademakers bei der Präsentation der Daten.
Die gängige Lehrauffassung ist, dass größere Ventrikel mit dünnen Muskelwänden, also typische „Infarktventrikel“, im Anpassungsprozess („Remodelling“) eher zu einer Vergrößerung aufgrund der hohen Wandspannung neigen. „Unsere Ergebnisse zeigen allerdings das Gegenteil, nämlich dass kleinere Herzen mit vermehrter Wanddicke ein höheres Risiko für ungünstiges Remodelling haben“, so Prof. Rademakers.
DOPPLER-CLIP verglich verschiedene nicht-invasive Verfahren zur Bestimmung der praktikabelsten Methode, das kardiale Remodelling nach zwei Jahren vorherzusagen. Dazu wurden 676 Patienten mit chronisch ischämischer Herzkrankheit untersucht. Die Standarduntersuchungen zu Beginn umfassten EKG, Belastungs- und Langzeit-EKG, maximale Sauerstoffaufnahme, die übliche Erfassung von Risikofaktoren im Blut und Lebensqualitäts-Assessments. Zusätzlich wurden zumindest zwei standardisierte bildbasierte Belastungsuntersuchungen mit Echo, MR oder Szintigrafie durchgeführt. Anschließend erhielten alle Patienten eine Leitlinien-gerechte Therapie, einschließlich Revaskularisation (PCI), partieller Revaskularisation oder medikamentöser Therapie, je nach Indikation durch den behandelnden Arzt.
Nach zwei Jahren hatten 20 Prozent der Patienten nachweisliche Hinweise für kardiales Remodelling im MR oder Ultraschall. Die sichersten Prognosefaktoren aus der Ausgangsuntersuchung waren die Ventrikelgröße (enddiastolisches Volumen, also maximale Füllung) und die Ventrikelmasse. Bei kleinem enddiastolischem Volumen von weniger als 145 Millilitern zu Studienbeginn bestand eine um 25 bis 40 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für Remodelling als bei größeren Ventrikeln mit signifikant niedrigerem Risiko. Das Risiko stieg ebenfalls signifikant mit zunehmender Wanddicke.
„Allein mit der Erfassung von enddiastolischem Volumen und Masse, also Messungen, die sehr einfach standardisiert bildbasiert erfolgen können, lässt sich Remodelling und damit ein Herzinsuffizienz-Risiko zuverlässig vorhersagen. Damit sind aufwändigere und teurere Test zur Risikoerfas-sung überflüssig“, so Prof. Rademakers.
Quelle: ESC 2015 Hot Line I Determining Optimal non-invasive Parameters for the Prediction of Left vEntricular morphologic and functional Remodeling in Chronic Ischemic Patients
Pflanzeninhaltsstoffe vom Typ der Flavanole, wie sie besonders in dunkler Schokolade oder Grünem Tee enthalten sind, verbessern bei Dialyse-Patienten die Funktion der Innenwand der Blutgefäße (endotheliale Funktion), senken den diastolischen Blutdruck (durchschnittlich von 74 mmHg auf 70) und steigern die Herzfrequenz (von durchschnittlich 70/min auf 74). In der Placebo-Gruppe, die keine Flavanole bekommen hatte, zeigten sich diese Effekte nicht. „Flavanole könnten der Hämodialyse-bedingten Einschränkung der Gefäßfunktion (Gefäß-Dysfunktion) entgegenwirken und die Prognose bei diesen Hochrisiko-Patienten verbessern“, fasste Dr. Christos Rammos (Essen) eine auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London präsentierten Studie zusammen.Dialyse-Patienten: Pflanzenstoffe aus Kakao und Grünem Tee verbessern Blutdruck und Gefäßfunktion
Patienten mit Nierenversagen, die eine Dialyse benötigen, haben eine erhöhte Sterblichkeit und ein vermehrtes Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen. Ursachen sind klassische und auch nieren- und dialysespezifische Risikofaktoren, wobei die Hämodialyse die Gefäßfunktion weiter verschlechtern kann. Die daraus folgende Dysfunktion der Blutgefäß-Innenwand ist für die Prognose bedeutsam und wird mit der so genannten endothelabhängigen fluss mediierten Dilatation (FMD) gemessen.
Um die Effekte einer diätetischen Supplementierung mit Kakao-Flavanolen auf die Gefäßfunktion bei Patienten mit Nierenversagen zu untersuchen, haben die Forscher eine Placebo-kontrollierte, randomisierte, doppelblinde klinische Studie gestartet. Zunächst wurden die Sicherheit und Verträglichkeit sowie die akuten Effekte auf die Gefäß-Funktion ermittelt. Im Anschluss erhielten über vier Wochen 52 Patienten entweder das Prüfpräparat mit hoher Flavanoldosis (820 mg/d) oder ein flavanolfreies Testgetränk. Primäre und sekundäre Endpunkte waren die Sicherheit und die Änderung der Funktion der Blutgefäß-Innenwand sowie des Blutdrucks.
Quelle: Vasculoprotective effects of dietary flavanols in hemodialysis patients:a double-blind, randomized, placebo-controlled trial; Christos Rammos, MD; Ulrike-B. Hendgen-Cotta, PhD; Christian Heiss, MD Gerd R. Hetzel, MD; Werner Kleophas, MD; Frank Dellanna, MD; Javier Ottaviani, PhD; Hagen Schroeter, PhD; Malte Kelm, MD, Tienush Rassaf, MD
Medizin am Abend Berlin DirektKontakt:
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
Prof. Dr. Eckart Fleck (Berlin)
Hauptstadtbüro der DGK: Leonie Nawrocki, Tel.: 030 206 444 82
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit über 9.000 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa.