Eine Verkalkung der Aortenklappe ist bislang nicht aufzuhalten.
Wenn gar nichts mehr geht, muss die Klappe ausgetauscht werden. Um die Entstehung der häufigen Erkrankung besser zu verstehen, haben Forschende aus Bochum und Bonn defekte Klappen genau unter die Lupe genommen. Dabei konnten sie zum einen zeigen, dass Endothelzellen, die das Gewebe einkleiden, eine große Rolle spielen wie auch bei anderen Gefäßkrankheiten. Zum anderen konnten sie sehen, dass das Geschehen sehr unterschiedlich ist, je nachdem ob jemandes Aortenklappe aus drei Segeln besteht – wie meistens – oder nur aus zweien. Das Team berichtet im Journal of the American Heart Association vom 25. Juni 2025.
Viele Menschen büßen ab etwa 60 Jahren an körperlicher Leistungsfähigkeit ein, weil sie eine Aortenklappenstenose haben.
Dabei verkalkt die Herzklappe, die sich zwischen der linken Herzkammer und der Aorta befindet. Dadurch kann sie sich nicht mehr so leicht öffnen, sodass sie den Auswurf des Bluts aus dem Herzen in den Körper behindert. „Diese Erkrankung kommt häufig vor; ihre Entstehung ist aber noch unzureichend verstanden“, erklärt Prof. Dr. Daniela Wenzel, Leiterin der Abteilung für Systemphysiologie der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. „Deswegen gibt es bislang auch keine Möglichkeit sie aufzuhalten. Erst wenn es gar nicht mehr anders geht, muss man die Herzklappe ersetzen.“
Sie und ihre Kolleg*innen, die dem Sonderforschungsbereich/Transregio 259 „Aortenerkrankungen“ angehören, wollen der Entstehung der Erkrankung auf den Grund gehen. Dabei schauen sie sich insbesondere das Endothel an: die einlagige Zellschicht, in die Aortenklappen eingehüllt sind. „Diese Zellen sorgen unter anderem dafür, dass keine Blutplättchen anhaften und Gerinnsel entstehen können“, so Daniela Wenzel. „Wir wissen, dass das Endothel auch bei Gefäßkrankheiten, etwa der Arterienverkalkung, eine bedeutende Rolle spielt.“
Besondere Stempeltechnik erlaubt die Untersuchung
Das Forschungsteam hat eine besondere Technik entwickelt, um die Endothelzellen für die Untersuchung zu isolieren. Sie legen dafür eine bei einer Operation entfernte, defekte menschliche Aortenklappe zwischen zwei Glasplättchen und pressen einen tiefgekühlten Stempel darauf. Die Endothelzellen frieren dadurch an den Glasplättchen fest – auf dem einen Plättchen die Zellen, die zum Herzen hin liegen, auf der anderen Seite diejenigen auf der Seite der Aorta. Nun können sich die Wissenschaftler*innen die dünne Zellschicht genau ansehen.
Durch Färbung der Zellen lässt sich ermitteln, wie dicht das Endothel ist. Je durchlässiger es für Proteine aus dem Blut ist, desto kränker ist das Endothel. Darüber hinaus untersuchten sie die von den Zellen produzierte RNA. Daran lässt sich erkennen, welche Gene aktuell abgelesen werden.
Verkalkung ist nur einseitig, wenn es drei Segel gibt
„Bei Menschen, deren Aortenklappe aus drei Segeln besteht – so ist es meistens – kann man mit bloßem Auge erkennen, dass die Verkalkung vor allem auf der Aortenseite der Klappe stattfindet, nicht so sehr auf der Herzseite“, beschreibt Adrian Brandtner, Doktorand und Erstautor der Studie. Die Färbeuntersuchung und die RNA-Sequenzierung zeigten: Auf der Aortenseite war das Endothel durchlässiger und es wurden mehr Gene exprimiert, die auf Verkalkungsprozesse hinweisen. Das Endothel ist also eindeutig an der Erkrankung beteiligt.
„Interessant war aber auch, dass das bei Menschen, deren Aortenklappe nur aus zwei Segeln besteht, ganz anders ist“, sagt der Forscher. Menschen mit dieser genetischen Veranlagung neigen dazu, früher im Leben eine Aortenklappenstenose zu erleiden. Bei ihnen ist das Endothel auf beiden Seiten der Klappe gleichermaßen geschädigt, also durchlässig und von Verkalkung betroffen. „Es handelt sich bei der Aortenklappenstenose bei Menschen mit zwei Segeln also offenbar um eine sehr andere Erkrankung als bei Menschen mit drei Segeln“, folgert Adrian Brandtner.
Die Forschenden hoffen, durch ihre Erkenntnisse zum tieferen Verständnis der Entstehung der Aortenklappenstenose beizutragen. „Es wäre schön, wenn es irgendwann möglich wäre, bei einer beginnenden Stenose medikamentös einzugreifen und den Fortgang der Erkrankung aufhalten zu können“, hofft Wenzel.
Kooperationspartner
Neben den Forschenden der Systemphysiologie der Ruhr-Universität Bochum und des Instituts für Physiologie I der Universität Bonn waren an der Studie Forschende der Klinik für Herzchirurgie des Universitätsklinikums Bonn beteiligt.
Förderung
Die Arbeiten wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB/TR 259.
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Prof. Dr. Daniela Wenzel
Institut für Physiologie
Abteilung für Systemphysiologie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel. +49 234 32 29100
E-Mail: daniela.wenzel@ruhr-uni-bochum.de
Prof. Dr. Bernd K. Fleischmann
Institut für Physiologie I
Universitätsklinikum Bonn
Medizinische Fakultät
Universität Bonn
Tel.: +49 228 6885 200
E-Mail: bernd.fleischmann@uni-bonn.de
Originalpublikation:
Adrian Brandtner, Alexander Brückner, Wilhelm Röll, Farhad Bakhtiary, Bernd K. Fleischmann, Daniela Wenzel: Valvular Endothelial Cell Heterogeneity Reflects Different Pathogenesis of Tricuspid and Bicuspid Aortic Valve Stenosis in Humans, in: Journal of the American Heart Association, 2025, DOI: 10.1161/JAHA.124.040556, https://www.ahajournals.org/doi/full/10.1161/JAHA.124.040556
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