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Vorstufen-Früherkennung: Prostatakarzinom in der Familie

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Prostatakrebs-Risiko: Die Rolle der Verwandten

Erkranken Vater oder Bruder an einem Prostatakarzinom, hat auch der Sohn oder Bruder ein erhöhtes Risiko für diese Krebsart. 

Ob dies auch gilt, wenn bei Verwandten Krebsvorstufen entdeckt werden, war bisher noch nicht bekannt. 

Jetzt haben Wissenschaftler die Daten von über sechs Millionen Männern ausgewertet, um herauszufinden, wie hoch das Risiko für Prostatakrebs in diesem Fall ist. 

Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg konnten zeigen, dass das Risiko für Prostatakrebs auch bei Vorstufen ähnlich erhöht ist. 

Dies sollte bei Beratungen zur Früherkennung miteinfließen. 
 

Prostatakrebs ist in Deutschland mittlerweile der häufigste Krebs bei Männern und macht gut 20 Prozent aller Krebsneuerkrankungen des Mannes aus.

  • 10 Prozent aller Krebstodesfälle bei Männern gehen auf das Prostatakarzinom zurück - es liegt nach Lungen- und Darmkrebs an dritter Stelle der Krebstodesursachen. 

Weltweit ist Prostatakrebs die zweithäufigste Krebsart bei Männern und die fünfthäufigste Krebstodesursache.

  • Jedes Jahr erkranken hierzulande mehr als 58.000 Männer an diesem Krebs, mehr als 14.000 sterben jährlich daran.

Die Ursachen für Prostatakrebs sind noch wenig verstanden. Ein wichtiger Risikofaktor ist das Alter: 

90 Prozent aller Erkrankten sind älter als 60 Jahre, bei Unter-45-Jährigen wird er selten beobachtet.

Der stärkste Risikofaktor scheint nach mehreren Studien aber die Familiengeschichte zu sein. 


So sind invasive Prostatakarzinome bei Familienangehörigen der stärkste Risikofaktor, selbst an einem solchen Prostatakarzinom zu erkranken.

Ob auch bestimmte Vorstufen von Prostatakrebs - z. B. atypische mikroazinäre Proliferation (ASAP) oder prostatische intraepitheliale Neoplasie (PIN) - in der Familiengeschichte dieses Risiko erhöhen, wurde jetzt erstmals in einer großen Studie von Heidelberger Wissenschaftlern untersucht.

"Das ist die weltweit größte Kohortenstudie zu familiärem Prostatakrebs", sagt Mahdi Fallah, Leiter der Gruppe Risikoadaptierte Prävention in der Abteilung Präventive Onkologie des DKFZ und am NCT Heidelberg. Die Heidelberger Forscher haben in Kooperation mit Kollegen der Universität Lund die Daten von 6,3 Millionen nach 1931 geborenen schwedischen Männern und deren Eltern ausgewertet. Während des Studienzeitraums von 1958 bis 2015 erkrankten 238.196 Männer (3,8 Prozent) an einem invasiven Prostatakarzinom und 5.756 Männer (0,09 Prozent) an einer der untersuchten Vorstufen von Prostatakrebs.

"Unsere Auswertungen dieser weltweit größten Datenbank dieser Art zeigten:

Wenn bei Verwandten ersten Grades - also bei Vater oder Bruder - eine Vorstufe von Prostatakrebs auftritt, dann ist dies für Männer mit einem 1,7-fachen Risiko verbunden, selbst an einem invasiven Prostatakarzinom zu erkranken - im Vergleich zu Männern ohne Prostatakrebs oder Krebsvorstufen in der Familiengeschichte", berichtet Mahdi Fallah.

Dieses erhöhte Risiko für Prostatakrebs ähnelt dem von Männern, die Verwandte mit einem invasiven Prostatakarzinom haben: nämlich ein 2-fach erhöhtes Risiko.

Außerdem haben Männer mit einer Vorstufe von Prostatakrebs bei einem Verwandten ersten Grades ein 1,7-faches Risiko, an einem invasiven Prostatakarzinom zu sterben - auch im Vergleich zu Männern, die keine Verwandten mit Vorstufen von Prostatakrebs oder einem Prostatakarzinom haben. Ein etwas höheres Risiko für Prostatakrebs haben Männer, bei deren Verwandten Vorstufen schon im Alter von unter 60 Jahren entdeckt wurden - im Vergleich zu Männern, bei deren Verwandten Vorstufen in höherem Alter entdeckt wurden.

"Gibt es in der Familiengeschichte Vorstufen von Prostatakrebs, sind diese Tumorformen also genauso relevant wie invasive Formen von Prostatakrebs bei Verwandten - und zwar sowohl in Bezug auf das Auftreten von Prostatakrebs als auch auf die Sterblichkeit", erklärt Mahdi Fallah.

"Da die Familiengeschichte der stärkste bekannte Risikofaktor für Prostatakrebs ist, haben diese Studienergebnisse auch Auswirkungen auf die Prävention - nämlich auf die risikoangepasste Früherkennung von Prostatakrebs", ergänzt Elham Kharazmi, Ko-Leiterin der Studie und Wissenschaftlerin des DKFZ und am NCT Heidelberg.

Nicht nur Prostatakrebs, sondern auch Vorstufen davon in der Familiengeschichte sollten in die Beratung familiär belasteter Personen zur Früherkennung und in die Risikoeinschätzung miteinfließen.

Originalpublikation:
X. Xu, M. Fallah, Y. Tian, T. Mukama, K. Sundquist, J. Sundquist, H. Brenner, E. Kharazmi: Risk of invasive prostate cancer and prostate cancer death in relatives of patients with prostatic borderline or in situ neoplasia: A nationwide cohort study. Cancer 2020; https://doi.org/10.1002/cncr.33096


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Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Ziel des NCT ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit. Seit 2015 hat das NCT Heidelberg in Dresden einen Partnerstandort. In Heidelberg wurde 2017 das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) gegründet. Die Kinderonkologen am KiTZ arbeiten in gemeinsamen Strukturen mit dem NCT Heidelberg zusammen.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD)
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich rund 80.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000-mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.700 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.

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Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: IFA-Studie: Schlafmangel bei Frühschichten betrifft auch Lerchen I

Frühschichten sind auch für viele Frühaufsteher ein Problem. 

Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA). 

Sie zeigt, dass dauerhafter Schlafmangel bei Beschäftigten in Frühschichten sehr häufig vorkommt, und das unabhängig davon, ob sie eher zu den Früh- oder Spätaufstehern zählen. 
 
  • Bislang war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass vor Frühschichten kein Schlafdefizit entsteht, insbesondere nicht für Frühtypen, sogenannte Lerchen. 

Die Studie des IFA hat unter anderem Bedeutung für die Verhütung von Unfällen:

  • Beschäftige, die regelmäßig zu wenig schlafen, haben ein erhöhtes Risiko für Arbeits- und Wegeunfälle.

Wann und wieviel ein Mensch schläft, ist Typsache
.

Hierbei spielt vor allem der sogenannte Chronotyp eine Rolle, also die innere biologische Uhr für Schlafen und Wachsein. 

Ständig weniger als sieben Stunden zu schlafen gilt allerdings für frühe wie späte Chronotpyen als ungesund, weil die Konzentration leidet und damit das Unfallrisiko steigt. 

Problematisch ist vor allem, dass dauerhafter Schlafmangel häufig gar nicht mehr wahrgenommen wird“, sagt Barbara Hirschwald, Biologin beim IFA.

Ständige, aber unbemerkte Unkonzentriertheit könne dann zu Unfällen führen.

So ergab eine Untersuchung des AAA Foundation for Traffic Safety aus dem Jahr 2016 bereits ein signifikant erhöhtes Unfallrisiko bei weniger als sieben Stunden Nachtruhe.

Dass Nachtschichtarbeit meist mit Schlafmangel einhergeht, ist belegt. 

  • Bei Menschen, die in Frühschicht arbeiten, also mit einem Arbeitsbeginn zwischen 6:00 und 7:00 Uhr, ging die Wissenschaft bislang nicht von einem Schlafdefizit aus.

Beschäftigte zu Schlafgewohnheiten befragt

Die Frage, welchen Einfluss die Lage der Arbeitszeit und der Chronotyp auf die Schlafdauer haben und damit indirekt auf das Unfallgeschehen bei der Arbeit, war Gegenstand einer Nachuntersuchung meldepflichtiger Arbeitsunfälle durch das IFA. Es befragte 374 Beschäftigte aus verschiedenen Mitgliedsbetrieben der Berufsgenossenschaft Holz und Metall zu ihren Schlafgewohnheiten. Angaben über Aufsteh- und Zubettgeh-Zeiten an Arbeitstagen und in freien Zeiten ermöglichten Rückschlüsse auf die Schlafdauer.

Die innere biologische Uhr der Beschäftigten, der Chronotyp, wurde dabei ebenfalls berücksichtigt.

Dauerhafter Schlafmangel betrifft demnach auch Menschen, die regelmäßig in Frühschicht arbeiten. Hirschwald: „Das Risiko weniger als sieben Stunden Schlaf zu bekommen, steigt bei ihnen um das Vierzehnfache im Vergleich zu Beschäftigten, die später zur Arbeit gehen.“

  • Vor einer Frühschicht wird durchschnittlich knapp sechseinhalb Stunden geschlafen, ohne Schichtarbeit sind es fast 45 Minuten mehr. 

Späte Chronotpyen schlafen erwartungsgemäß an Frühschichttagen noch weniger als die mittleren und frühen Chronotypen, die sogenannten Lerchen.

  • Trotzdem gilt: Die meisten Beschäftigten in Früharbeit - auch die mittleren und frühen Chronotypen - müssen sehr viel früher aufstehen, als es für sie passend und damit gesund wäre.

Hirschwald: „Die Arbeit später beginnen lassen, den Chronotyp bei der Schichtplanung berücksichtigen, Schlafstörungen in der arbeitsmedizinischen Untersuchung thematisieren, all das kann dazu beitragen, dass Beschäftigte in Schichtarbeit ausgeschlafen sind. 

Davon profitieren ihre Gesundheit, ihre Aufmerksamkeit und letztlich gibt es auch weniger Unfälle.“

Link zur Studie: https://link.springer.com/article/10.1007/s40664-020-00397-4


Hintergrund

Schichtarbeit und Sicherheit und Gesundheit

Laut Eurostat arbeiteten 2018 mehr als 15 Prozent der 15-64-Jährigen in Deutschland in Schichtarbeit.  

Schichtarbeit zählt zu den atypischen Arbeitszeitformen.

In einem Bericht aus dem Jahr 2016 bestätigt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA):

 „Die Befundlage aus den Primär- und Sekundärstudien zu Schichtarbeit deutet auf einen engen Zusammenhang zwischen Nachtarbeit, affektiver Symptomatik und einem erhöhten Risiko für Erschöpfungszustände hin […]

Außerdem lässt die Befundlage darauf schließen, dass Schichtarbeit zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beiträgt.“

Aus einer BAuA-Arbeitszeitbefragung aus demselben Jahr geht hervor, dass Beschäftigte in Schichtarbeit ihre Gesundheit in Umfragen deutlich schlechter einschätzen und häufiger unter  

Rückenschmerzen, 

Kreuzschmerzen, 

Schlafstörungen, 

Müdigkeit, 

Erschöpfung

Niedergeschlagenheit klagen.

  • Leiden Schichtarbeitende dauerhaft an Tagesmüdigkeit und Schlafstörungen, steigt das Risiko für Erkrankungen und Unfälle. 

In einer Untersuchung zum Zusammenhang von Schlaf und Arbeitssicherheit fanden Brossoit et al., dass Symptome von Insomnie (Einschlaf- und Durchschlafschwierigkeiten) der stärkste Prädiktor für Sicherheitsrisiken bei der Arbeit sind. Ein systematisches Review mit Metaanalyse zeigte, dass etwa 13 % der Arbeitsunfälle durch Müdigkeit verursacht werden.

Chronotyp

Der Chronotyp ist ein persönliches und genetisch festgelegtes Merkmal wie zum Beispiel auch der Körperbau. Der Chronotyp bezeichnet den individuellen biologischen Rhythmus im Verhältnis zum äußeren 24-Stunden-Tag: Wann wird ein Mensch müde, wann ist die beste Zeit für körperliche und geistige Anstrengung oder wann wird jemand hungrig. Jeder Mensch besitzt diese innere Uhr, die den Tagesrhythmus bestimmt und eine Vielzahl an Vorgängen im Körper steuert.

  • CAVE-Fachklinik: Selbst die Wirkung von Medikamenten ist abhängig vom individuellen Rhythmus

Frühe Chronotypen, sogenannte Lerchen, können früh zu Bett gehen und einschlafen. 

  • Ihre Leistungsphase liegt meistens zwischen 10 und 18 Uhr. 
  • Die späten Chronotypen oder Eulen haben eher eine Leistungsphase zwischen 14 und 22 Uhr, sind abends lange fit und können morgens bis in den Vormittag hinein schlafen. 

Der Chronotyp sagt also etwas darüber aus, ob jemand früh oder spät aktiv ist, aber nicht, wie viel Schlaf benötigt wird.

Aktuelle Querschnittsstudie

In der Querschnittsuntersuchung des IFA wurden 374 Beschäftigte mit meldepflichtigem Arbeitsunfall zu ihrem Chronotyp und ihren üblichen Schlafenszeiten befragt. Zur Chronotypermittlung wurde die Composite Scale of Morningness (CSM) in der deutschsprachigen Version verwendet. Die Effekte von Schichtarbeit, Chronotyp und Alter auf die Schlafdauer wurden mittels multivariabler linearer bzw. logistischer Regression untersucht.

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Originalpublikation:
Chronotyp, Arbeitszeit und Arbeitssicherheit
Auswirkungen von zirkadianer Rhythmik und Arbeitsbeginn auf die Schlafdauer von Beschäftigten in der holz- und metallverarbeitenden Industrie

Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin
https://link.springer.com/article/10.1007/s40664-020-00397-4

CAVE-Untersucher: Adipositas-Therapien - Herzlich Willkommen Frau Prof.Dr. Kristin Fenske

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Prof. Wiebke Fenske leitet die Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechselmedizin am Universitätsklinikum Bonn

Prof. Dr. Wiebke Kristin Fenske übernimmt die Leitung der Sektion für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechselmedizin am Universitätsklinikum Bonn. 

  • Die 40-Jährige will die Behandlung von Adipositas und deren Begleiterkrankungen ausbauen und dafür eine hochspezialisierte Einheit auf dem Campus Venusberg etablieren. 
  • Dabei setzt sie auf die Adipositas-Chirurgie und erforscht den Einfluss von krankhaftem Übergewicht auf das Gehirn als Schaltzentrale für den Stoffwechsel. 

Sie will Ansatzpunkte für nicht-operative, aber dennoch langfristig wirksame Adipositas-Therapien finden. 

Hierzu erhielt sie 2018 unter anderem ein Else Kröner-Exzellenzstipendium. 

Neues Stoffwechsel & Adipositas-Zentrum: Prof. Wiebke Fenske leitet jetzt die Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Bonn.
Neues Stoffwechsel & Adipositas-Zentrum: Prof. Wiebke Fenske leitet jetzt die Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Bonn. © Alessandro Winkler / UK Bonn

 
Ihre akademische Laufbahn führte Prof. Fenske von 2010 bis 2012 an das Imperial College London.

Dort beschäftigte sie sich erstmals mit der Neuroendokrinologie. Jetzt kommt sie vom Universitätsklinikum Leipzig, wo sie zuletzt als Oberärztin der Klinik für Endokrinologie und Nephrologie tätig war. Zudem leitete sie dort die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Arbeitsgruppe „Neuroendokrine Adipositasforschung“ am Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) AdipositasErkrankungen.

„Wir müssen unsere Patienten ganzheitlich sehen und sie auf ihrem individuellen Leidensweg abholen“, sagt Prof. Fenske, die einen riesigen Bedarf an einer gezielten Adipositas-Behandlung sieht. So leidet in Deutschland fast jeder Dritte an krankhaftem Übergewicht und seinen stoffwechselbedingten Folgeerkrankungen.

  • Neben erblichen und hormonellen Faktoren können vor allem eine falsche Ernährung und Bewegungsmangel Ursachen für eine Adipositas sein. 
  • Die Folgen sind oft gravierend, wie Diabetes, Bluthochdruck sowie schwere Erkrankungen des Herzens und der Lunge, aber auch psychische Belastungen und soziale Ausgrenzung.

Als neue Leiterin der Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechselmedizin an der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Bonn will Prof. Fenske ihren Fachbereich weiter ausbauen – unter anderem auch in Bezug auf gewichtsreduzierende Chirurgie.

Neben einer differenzierten Diagnose gibt es für die Adipositas-Behandlung konservative Therapieansätze wie Ernährungsberatung, Bewegungs- und Verhaltenstherapie.

Auch werden die Folgeerkrankungen behandelt.

„In der Endokrinologie ist eine enge fächerübergreifende Zusammenarbeit essentiell für unsere Patienten“, sagt Prof. Fenske, die dazu auf eine starke kooperative Vernetzung, sowohl innerhalb als außerhalb der Klinik setzt. Zudem kommt es ihr sehr entgegen, sich hier am Standort Bonn verstärkt mit der Immunologie und dem DZNE austauschen zu können: „In der Kooperationsmöglichkeit möchte ich auch klinischer Ansprechpartner für die Institute sein.“

Kein Jo-Jo-Effekt, wie nach einer Diät

Ein Schwerpunkt von Prof. Fenske ist Adipositas-Chirurgie und deren Einfluss auf die Hirnregionen, die das Essverhalten kontrollieren: „Es ist derzeit die einzige Option, langfristig das Gewicht zu reduzieren, die wir unseren Patienten anbieten können.“

  • Bei einer Magen-Bypass-Operation wird nicht nur der Magen verkleinert, sondern auch der vordere Abschnitt des Zwölffingerdarms von der Nahrungspassage ausgeschaltet. 

Infolge wird nur noch ein Teil der Nahrung aufgenommen und verdaut. 

Zudem ändern Betroffene nach der Operation ihre Ernährungsgewohnheiten, sind unter anderem früher satt und bevorzugen fettarme, gesunde Nahrung. 
  • „Auch Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen bilden sich zurück, so sind viele Betroffene bereits wenige Tage nach dem Eingriff nicht mehr insulinpflichtig.“

Die Bonner Spezialistin erforscht am Tiermodell, wie diese bariatrische Chirurgie bei adipösen Menschen die gestörte Kommunikation des Darms über Botenstoffe mit dem Gehirn positiv beeinflusst.

Dieser Signalweg steuert den Appetit auf Fettiges und das Sättigungsempfinden. 

  • „Durch den Magenbypass wird auch die nahrungsabhängige Dopamin-Ausschüttung im Gehirn wieder auf das Doppelte erhöht. 

Das deutet daraufhin, dass adipöse Menschen mehr fettreiche Nahrung konsumieren müssen, um den denselben Spiegel an ‘Glückshormon’ zu erreichen, der uns eine Mahlzeit beenden lässt“, sagt Prof. Fenske. 
  • Über das Verständnis, wie das Wechselspiel zwischen Darm und Gehirn funktioniert und auf den Stoffwechsel wirkt, will sie alternative nicht-operative und dennoch langfristig wirksame Adipositas-Therapien entwickeln.

Knappbemessene Freizeit gehört der Familie

Die Adipositas-Spezialistin freut sich, auf die Gestaltungsmöglichkeiten, die ihr am Bonner Standort zuzüglich der Exzellenz-Expertise geboten werden. Auch ist sie gespannt darauf, mit ihrem Mann und den beiden Töchtern im Alter von sechs Jahren und zehn Monaten die Bonner Region zu erkunden.

Zudem liebt sie Hausmusik mit der Familie.

Auch lässt sie es sich nicht nehmen, mit dem Fahrrad den Venusberg hinauf zu ihrer neuen Wirkungsstätte zu fahren.

 „Sportlicher Ausgleich hat mir in letzter Zeit gefehlt.“

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Prof. Dr. Wiebke Kristin Fenske
Leiterin der Sektion für Endokrinologie und Diabetologie
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CAVE-Untersucher: Therapie der chronischen Blutarmut -ACD- (Anämie der chronischen Erkrankung) bei Dialyse-PatientInnen

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neuer Antikörper könnte Eisenstoffwechsel bei Dialyse-PatientInnen verbessern und kardiovaskuläres Risiko minimieren

Ein Team der Innsbrucker Univ.-Klinik für Innere Medizin II (Direktor: Günter Weiss) an der Medizin Uni Innsbruck hat einen innovativen Antikörper für die Therapie der chronischen Blutarmut (Anämie der chronischen Erkrankung) bei Dialyse-PatientInnen mitentwickelt. 

Der Mehrwert des neuen Ansatzes liegt in der geringer benötigten EPO-Dosis und der damit einhergehenden Minimierung des kardioavaskulären Risikos, dem NierenpatientInnen besonders ausgesetzt sind. 

Nach den vielversprechenden Ergebnissen im Maus- und Rattenmodell, soll der Antikörper schon bald in die klinische Erprobung gehen. 
 
Die chronische Blutarmut (ACD) stellt ein häufiges Begleitproblem von Dialyse-PatientInnen dar. 
  • Neben dem funktionellen Eisenmangel durch die chronische Entzündung, kommt es bei diesen PatientInnen durch die geschädigte Niere zu einer zu geringen Produktion des für die Blutbildung wichtigsten Hormons, Erythropoetin (EPO). 
  • Die Gabe von EPO stellt daher einen Grundpfeiler in der Therapie zur Korrektur der Anämie dar. 
  • Doch trotz maximaler Dosierung bleibt die Bildung des Sauerstofftransportproteins Hämoglobin bei Dialyse-PatientientInnen aufgrund einer Resistenzentwicklung gegen EPO eingeschränkt. 

Eine aktuelle „Black-Box-Warnung“ – damit wird in den USA auf Beipackzetteln von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vor schwerwiegenden Nebenwirkungen gewarnt – bringt das Therapeutikum EPO außerdem mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität in Verbindung.

„Diese Warnung stellt für Dialyse-Patientinnen und -Patienten ein zusätzliches Dilemma dar, da eine Niereninsuffizienz an sich schon mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko vergesellschaftet ist“, betont Igor Theurl, der an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Innere Medizin II gemeinsam mit Direktor Günter Weiss seit vielen Jahren zur Anämie chronischer Erkrankungen forscht.

Medizin am Abend Berlin ZusatzHinweis: Labor Hepcitin 



Antikörper hemmt Eisenregulator Hepcidin
In Zusammenarbeit mit der Pharmafirma Kymab, Cambridge, testete das Team rund um Theurl nun den neuen humanen monoklonalen Antikörper KY1070. In Innsbruck konnte dessen Wirksamkeit in einem Tiermodell, das sich auf PatientInnen mit einem dialysepflichtigen Nierenschaden übertragen lässt, aufgezeigt werden. „In Tieren, die nur unzureichend auf EPO angesprochen haben, war es durch Kombination mit dem Antikörper möglich, einen ausreichenden Hämoglobin-Anstieg zu erreichen. Außerdem reichte eine geringere EPO-Dosis aus, um die Anämie zu bekämpfen, was in Anbetracht der Nebenwirkungen von EPO eine wichtige Grundlage zum Einsatz bei Dialyse-Patientinnen und -Patienten darstellt“, beschreibt Theurls Kollegin und Erstautorin Verena Petzer von der Univ.-Klinik für Innere Medizin V (Direktor: Dominik Wolf) die innovativen Erkenntnisse. Die Ergebnisse wurden im anerkannten Fachjournal BLOOD veröffentlicht.

Potenzial für Mono- und Kombinationstherapie
Das therapeutische Potenzial des neuen Antikörpers lässt sich als Monotherapie wie auch in Kombination mit EPO verwerten

Der Antikörper beeinflusst die Signalweiterleitung zur Bildung von Hepcidin, einem zentralen Regulator für den Eisenstoffwechsel. Als Monotherapie kommt es zu einer langandauernden Hemmung der Hepcidinproduktion und daher zu einer hohen Eisenverfügbarkeit, die für die Bildung von roten Blutkörperchen essentiell ist. 
 
„Die Effekte der Kombinationstherapie sind multifaktoriell.

  • Der Vorteil der kombinierten Behandlung liegt in der Reduktion der EPO-Dosis, sodass das kardiovaskuläre Risiko nicht zusätzlich erhöht wird und gleichzeitig eine ausreichende Eisenverfügbarkeit sichergestellt wird. 
  • Außerdem konnten wir nachweisen, dass durch die Hemmung von Hepcidin die Expression des Eisentransportproteins Ferroportin auf den blutbildenden Zellen im Knochenmark gesteigert wird und gemeinsam mit EPO zu einer effektiveren Blutbildung führt“ so Igor Theurl.

Anämieforschung in Innsbruck
Günter Weiss und Igor Theurl konnten in den letzten Jahren bereits wichtige pathophysiologische Mechanismen, die zur Ausbildung der ACD führen, aufklären. Die Arbeiten trugen maßgeblich zum Verständnis dieser häufigen Erkrankung und zur Entwicklung neuer Therapieformen bei. Als wesentlicher pathophysiologischer Mechanismus liegt der ACD eine vermehrte Speicherung von Eisen in den Fresszellen des Immunsystems (Monozyten, Makrophagen) zugrunde. Dies führt zu einer verminderten Verfügbarkeit des Eisens für die Blutbildung, wo das Eisen für die Herstellung des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin benötigt wird. Die Folge ist die Entwicklung einer Anämie.

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Originalpublikation:
A fully human anti-BMP6 antibody reduces the need for erythropoietin in rodent models of the Anemia of Chronic Disease.

https://doi.org/10.1182/blood.2019004653

 

Labor-Erhebung: NT-proBNP - Biomarker Herzinsuffizienz

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Risiko für Diabetes-Folgeerkrankungen steigt bei erhöhten Werten für NT-proBNP

  • Gesunde Menschen – insbesondere Frauen – mit erhöhten Werten für den Herzschwäche-Marker NT-proBNP, haben ein geringeres Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. 
Entwickeln diese Personen dennoch einen Diabetes, leiden sie häufiger an makro- und mikrovaskulären Komplikationen wie u.a. Herzinfarkt, Schlaganfall oder schweren Schäden an Augen, Nieren oder Nerven. 

Das hat eine aktuelle Studie von DZD-Forschenden ergeben, die jetzt in Diabetes Care veröffentlicht wurde. 
 
  • Das Molekül NT-proBNP ist ein Biomarker, um eine Herzinsuffizienz vorherzusagen bzw. zu diagnostizieren. 

Auf den Insulin- und Glukosestoffwechsel wirkt es hingegen positiv. 

NT-proBNP stimuliert den Fettabbau in Fettzellen.

Im Tiermodell zeigten zudem erhöhte Werte dieses Peptids eine schützende Wirkung vor Übergewicht und Glukoseintoleranz. 

  • Weiterhin deuten Untersuchungen darauf hin, dass Menschen mit erhöhten Ausgangswerten von NT-proBNP ein geringeres Risiko für Typ-2-Diabetes haben. 

Doch wie wirken sich erhöhte NT-proBNP-Spiegel bei Personen aus, die einen Diabetes entwickeln?

Leiden sie häufiger an Folgeerkrankungen? Diese Fragen untersuchten Forschende des DZD-Partners Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) gemeinsam mit Kollegen vom Universitätsklinikum Tübingen, dem University College Dublin und dem Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin.

Zunächst analysierten die Forschenden Proben einer Fall-Kohorte (die sog. case-cohort), die aus allen inzidenten Fällen von Diabetes und einer zufälligen Stichprobe aus EPIC-Potsdam bestand, darauf, ob die Höhe des NT-proBNP-Werts bei gesunden Menschen einen Einfluss auf das Diabetes-Risiko hat. „Dabei stellten wir eine umgekehrte Assoziation zwischen NT-proBNP-Konzentration und dem zukünftigen Risiko vom Typ-2 Diabetes fest. Bei jeder Verdoppelung der NT-proBNP-Werte nahm das Risiko für Diabetes um etwa 9 Prozent ab“, sagt Erstautorin Anna Birukov vom DIfE.

Noch deutlicher zeigt sich der Einfluss der NT-proBNP-Konzentration bei Frauen. 

Dort sank das Diabetes-Risiko bei einer Verdoppelung um 20 Prozent.

In Proben von 545 Menschen, die später an Diabetes erkrankten, untersuchten die Forschenden dann, ob es Zusammenhänge zwischen erhöhten NT-proBNP-Basiskonzentration im noch gesunden Zustand und dem Risiko vaskulärer Komplikationen gibt. In dieser Gruppe entwickelten später 133 Menschen mikro- und 50 Menschen makrovaskuläre Komplikationen**.

„Dabei zeigte sich, dass die NT-proBNP-Werte linear mit diesen Diabetes-Komplikationen assoziiert sind“, fasst Studienleiter Prof. Dr. Matthias Schulze die Ergebnisse zusammen.

Mit jeder Verdoppelung der NT-proBNP-Basiskonzentration stieg das Risiko für schwere Schäden an Augen, Nieren oder Nerven um 20 Prozent und das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall um 37 Prozent.

„Perspektivisch könnte die Messung von NT-proBNP im Plasma für die Risikoüberwachung diabetes-assoziierter Komplikationen informativ sein“, führt Schulze weiter aus.

Inwieweit sich das Peptid als Marker für die Entwicklung von Diabetes-Folgeerkrankungen eignet, sollte jedoch noch in weiteren prospektiven Studien untersucht werden.

Auch die geschlechtsspezifischen Assoziationen zwischen NT-proBNP und Diabetesrisiko sollten in weiteren prospektiven Studien validiert werden.

* EPIC-Potsdam: Die European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)-Potsdam-Studie ist eine prospektive Kohortenstudie. Zwischen 1994 und 1998 wurden 27.548 Frauen und Männer zwischen 35 und 65 Jahren rekrutiert. Die EPIC-Potsdam-Studie ist Teil einer der größten Langzeitstudien weltweit mit insgesamt ca. 521.000 Studienteilnehmenden aus zehn europäischen Ländern. Ziel ist, den Einfluss der Ernährung auf die Entstehung von Krebs und anderen chronischen Erkrankungen zu erforschen.

** Mikrovaskuläre Komplikationen wurden in dieser Untersuchung als neu auftretende Retinopathien, Erblindungen infolge von Retinopathien, Neuropathien, Nephropathien oder Nierenersatztherapien definiert. Als Makrovaskuläre Komplikationen galten ein diagnostizierter Herzinfarkt oder Schlaganfall.

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Prof. Dr. Matthias Schulze
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Originalpublikation:
Birukov, A. et al: Opposing associations of NT-proBNP with risks of diabetes and diabetes-related complications. Diabetes Care (August 2020) DOI: https://doi.org/10.2337/dc20-0553

Schaufensterkrankheit: Katheterbehandlung mit beschichteten und unbeschichteten Ballons bei Gefäßverschluss am Oberschenkel

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Studie zur Schaufensterkrankheit bestätigt Nutzen und Sicherheit Paclitaxel-beschichteter Ballonkatheter

Die von Radiologen des Universitätsklinikums Jena geleitete EffPac-Studie verglich die Katheterbehandlung mit beschichteten und unbeschichteten Ballons bei Gefäßverschluss am Oberschenkel. 

Im Ergebnis der multizentrischen Studie erweisen sich die Wirkstoffbeschichtungen als überlegen. 

Die vollständige Überprüfung der Studienkohorte zwei Jahre nach der Intervention ergab zudem keine erhöhte Sterblichkeit durch die Wirkstoffbeschichtung. 
 Die EffPac-Studie bestätigt Nutzen und Sicherheit Paclitaxel-beschichteter Ballonkatheter bei Therapie von Gefäßverschlüssen am Oberschenkel.
 Die EffPac-Studie bestätigt Nutzen und Sicherheit Paclitaxel-beschichteter Ballonkatheter bei Therapie von Gefäßverschlüssen am Oberschenkel. Michael Szabó Universitätsklinikum Jena


Es ist die Option für das fortgeschrittene Stadium der Erkrankung:

Wenn Medikamente und gezieltes Training die Schmerzen und Beeinträchtigungen durch verengte Beinarterien nicht mehr lindern können, so dass die Betroffenen nach wenigen Schritten stehenbleiben müssen wie bei einem Schaufensterbummel, dann greift der Arzt zum Ballonkatheter.

Unter Röntgenkontrolle wird dabei ein Katheter durch die Beinschlagader zur Engstelle geführt und diese dann mit einem Ballon vorsichtig geweitet.  

Diese minimal-invasive Behandlung wird Angioplastie genannt.

Die Radiologen des Universitätsklinikums Jena (UKJ) haben in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Klinische Studien eine Untersuchung initiiert, in der sie die Sicherheit und Wirksamkeit eines beschichteten Ballonkatheters (Luminor® von iVascular, Barcelona, Spanien) mit unbeschichteten Kathetern verglichen.

Der Beschichtungswirkstoff Paclitaxel soll verhindern, dass sich die aufgedehnte Gefäßstelle durch Narbenbildung wieder verengt.

Gemessen wurde der Behandlungserfolg primär mit der Gehfähigkeit der Patienten und durch Ultraschalluntersuchungen der Gefäßdurchlässigkeit bei zwei Nachsorgeterminen.

An dieser multizentrischen randomisiert-kontrollierten Studie nahmen insgesamt 171 Patientinnen und Patienten an bundesweit elf Prüfzentren teil. „In der Patientengruppe, die mit beschichteten Ballonkathetern behandelt wurde, zeigte sich im Vergleich zur Kontrollgruppe auch zwei Jahre nach dem Eingriff eine bessere Gefäßdurchlässigkeit und weniger Gewebsneubildung an der ehemaligen Engstelle“, fasst Prof. Dr. Ulf Teichgräber das Studienergebnis zusammen. Der Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Jena leitete die klinische Prüfung.

Im Auftrag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) überprüften die Studienautoren jetzt noch einmal die vollständige Studienkohorte bezüglich der Sterblichkeit.

Anlass war eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Metaanalyse von Angioplastie-Studien, die vor einer langfristig erhöhten Mortalität im Zusammenhang mit Paclitaxel-beschichteten Kathetern und Stents gewarnt hatte.

Diese Warnung löste kontroverse Diskussionen in der Fachwelt aus, weil anschließend vorgenommene Analysen auf Patientendatenebene das erhöhte Langzeitrisiko nicht bestätigen konnten.


Eine mögliche Fehlerquelle bei der Erfassung der Mortalitätsraten liegt in der Nichtberücksichtigung von Patienten, die nicht das gesamte Nachuntersuchungsprogramm absolviert haben.

In den Studien, die in der Metaanalyse untersucht wurden, waren das bis zu einem Viertel der Probanden.

Deren Daten fließen nicht in das Studienergebnis ein, als hätten sie gar nicht teilgenommen.

Für die Sterblichkeitserfassung müssen sie jedoch mit betrachtet werden.

Dies ist bei der EffPac-Studie erstmals geschehen:

Bei der nachträglichen Überprüfung konnte mit 167 Patienten nahezu die gesamte Studienkohorte erfasst und somit eine Fehleinschätzung im Gruppenvergleich verhindert werden.

Im Ergebnis zeigte sich letztlich kein Unterschied im Überleben nach zwei Jahren zwischen Patienten, die mit einem unbeschichteten Ballon oder mit einem Paclitaxel-beschichteten Ballon behandelt wurden. 

Ulf Teichgräber: 

 Prof. Dr. Ulf Teichgräber leitete die multizentrische Studie
 Prof. Dr. Ulf Teichgräber leitete die multizentrische Studie Michael Szabó Universitätsklinikum Jena


Das Mortalitätsrisiko durch beschichtete Ballons erwies sich sogar als noch geringer als in den ursprünglichen Zwei-Jahres-Ergebnissen präsentiert. 

Damit konnten wir die Angioplastie mit Paclitaxel-beschichteten Kathetern als langfristig erfolgreiche und sichere Behandlungsmöglichkeit für die Schaufensterkrankheit bestätigen.“

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Originalpublikation:
Teichgräber et al. Drug-coated Balloon Angioplasty of Femoropopliteal Lesions Maintained Superior Efficacy over Conventional Balloon: 2-year Results of the Randomized EffPac Trial. Radiology. 2020 May; 295(2):478-487. doi: 10.1148/radiol.2020191619
Teichgräber et al. Two-year Review on Mortality and Morbidity after Femoropopliteal Drug-coated Balloon Angioplasty in the Randomized EffPac Trial. Radiology. 2020 Jul 21; 201370. doi: 10.1148/radiol.2020201370

 

CAVE-Untersucher: Stoffwechselprodukt Essigsäure (Acetat): Chronisch-entzündliche Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen

Medizin am Abend Berlin -MaAB-Fazit: Essigsäure steuert Immunzellen für eine präzise orchestrierte Abwehr

  • Die Konzentration von körpereigener Essigsäure am Ort einer Infektion steigt jeweils besonders stark an. 

Wie ein Forschungsteam der Universität Basel mit Kollegen im Fachjournal «Cell Metabolism» berichtet, unterstützt die Essigsäure dort die Funktion bestimmter Immunzellen und hilft dadurch, Krankheitserreger effizient und sicher zu eliminieren. 
 
Eine Armada aus Immunzellen schützt den Organismus bei Infektionen und eliminiert Krankheitserreger.

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: Laborthemen zur Diabetes  

Dabei sind die Kämpfer dieser Armee nur so gut wie die Bedingungen, unter denen sie gegen ihre Feinde antreten:

Der Mix an Molekülen und Signalstoffen am Infektionsherd spielt eine entscheidende Rolle, wie die Immunzellen ihre Aufgabe erfüllen.

Ein wichtiger Faktor dabei ist das Stoffwechselprodukt Essigsäure, wie das Forschungsteam um Prof. Dr. Christoph Hess und PD Dr. Maria Balmer von den Universitäten Basel, Bern und Cambridge berichtet. Sie untersuchten bei Mäusen und menschlichen Zellkulturen die Wirkung von Essigsäure (Acetat) auf sogenannte T-Gedächtniszellen, die als «Erinnerung des Immunsystems» eine effiziente Abwehr gegen bereits bekannte Erreger sicherstellen.

Schutz gegen überschiessende Immunantwort

In einer ersten Phase befeuert die Essigsäure am Infektionsherd zunächst die «Killer-Funktion» der T-Zellen.

Steigt die Konzentration jedoch über einen gewissen Schwellenwert, drosselt es die Immunfunktion dieser Zellen und fördert die Produktion von antientzündlichen Signalstoffen. 

Dieser Schutzmechanismus verhindert eine überschiessende Immunantwort mit entsprechenden Kollateralschäden am Gewebe.

«Dies ist die erste Studie, die einen solchen dualen Effekt ein und desselben Metaboliten auf unser Immunsystem zeigen konnte», sagt Maria Balmer, Erstautorin der Studie. «Acetat hat quasi zwei Gesichter: einerseits stimuliert es die Immunfunktion, andererseits bremst es sie aber auch rechtzeitig.»

«Wenn wir verstehen, wie Stoffwechselprodukte in verschiedenen Phasen der Immunantwort auf unser Abwehrsystem wirken, kann das neue Ansätze liefern, um beispielsweise chronisch-entzündliche Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen besser zu behandeln», kommentiert Christoph Hess die Arbeit.

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Dr. Maria Balmer, Universität Basel, Departement Biomedizin, Tel. +41 61 265 23 38, E-Mail: maria.balmer@unibas.ch
Prof. Dr. Christoph Hess, Universität Basel, Departement Biomedizin, Tel. +41 61 328 68 30, E-Mail: christoph.hess@unibas.ch

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Originalpublikation:
Maria L. Balmer, Eric H. Ma, Andrew Thompson, Raja Epple, Gunhild Unterstab, Jonas Lötscher, Philippe Dehio, Christian M. Schürch, Jan D. Warncke, Gaëlle Perrin, Anne-Kathrin Woischnig, Jasmin Grählert, Jordan Löliger, Nadine Assmann, Glenn R. Bantug, Olivier P. Schären, Nina Khanna, Adrian Egli, Lukas Bubendorf, Katharina Rentsch, Siegfried Hapfelmeier, Russell G. Jones and Christoph Hess
Memory CD8+ T cells balance pro- and anti-inflammatory activity by reprogramming cellular acetate handling at sites of infection
Cell Metabolism (2020), doi: 10.1016/j.cmet.2020.07.004

Stimmungsschwankungen, Konzentrationsschwierigkeiten oder Brustspannen

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Heißhunger auf Süßes und Salziges kurz vor der Menstruation

Forscherinnen und Forscher der Justus-Liebig-Universität Gießen untersuchen, welche Rolle das Gehirn bei der Lust auf Hochkalorisches spielt – Aktuelle Studie aus der Psychologie 
 
Verlangen nach Pommes, Burger und Pizza?

Gelüste auf Eis, Kuchen und Schokolade?

Viele Frauen erleben kurz vor dem Eintreten der Periode neben Stimmungsschwankungen, Konzentrationsschwierigkeiten oder Brustspannen auch einen plötzlichen Heißhunger auf Süßes oder Salziges.

Diese prämenstruellen Symptome und Gelüste auf bestimmte Lebensmittel werden vor allem in Zusammenhang mit den biochemischen Veränderungen während des Monatszyklus gebracht.

Ob das weibliche Gehirn kurz vor der Periode auch besonders sensibel auf Essensreize reagiert, hat nun ein Forschungsteam der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) näher untersucht und die Ergebnisse unter dem Titel Food cue-elicited brain potentials change throughout menstrual cycle: Modulation by eating styles, negative affect, and premenstrual complaints (doi.org/10.1016/j.yhbeh.2020.104811) veröffentlicht.

Das Team an der Professur für Psychotherapie und Systemneurowissenschaften und der Professur für Differentielle und Biologische Psychologie (Fachbereich 06 / Fachgebiet Psychologie) der JLU, hat dazu in einem Zeitraum von drei Monaten 35 junge gesunde Frauen, die nicht hormonell verhüten, wiederholt ins Labor eingeladen – in der ersten Zyklushälfte, zur Zeit des Eisprungs und in der Zeit kurz vor der Menstruation. Die Frauen wurden gebeten, Bilder hoch- und niedrig-kalorischer Lebensmittel anzuschauen und hinsichtlich ihrer Schmackhaftigkeit zu bewerten. Zur Messung der Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber den Bildern leiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Hirnströme der Frauen mittels Elektroenzephalogramm (EEG) ab und maßen die jeweilige Konzentration des Geschlechtshormons Progesteron. Zusätzlich machten die Frauen aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen Angaben zu Beschwerden und Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit dem Monatszyklus.  

Sie berichteten zum Teil von Unwohlsein bis hin zu Schmerzen, aber auch von Beeinträchtigungen in ihren sozialen Beziehungen, beispielsweise im Arbeitsumfeld oder bei ihren Hobbies.

  • Die im Rahmen der Studie erhobenen Daten belegen, dass Frauen in der Zeit kurz vor der Menstruation deutlich sensibler auf Bilder hochkalorischer Lebensmittel reagieren als in anderen Zyklusphasen. 

Für niedrigkalorische Bilder zeigte sich dieser Effekt jedoch nicht. Erstautorin Dr. Jana Strahler, fasst die Ergebnisse zusammen:

 „Je niedriger die Progesteron-Konzentration und je größer die Beeinträchtigungen, von der die Frauen im Zusammenhang mit ihrer Periode berichteten, umso geringer war die EEG-Reaktion auf Bilder hochkalorischer Lebensmittel.“ Keine Unterschiede habe es in der subjektiven Bewertung der Bilder gegeben. 

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: Laborstatus Hormon Mann/Frau 
  • Das Forschungsteam nimmt daher an, dass es Frauen mit niedrigen Progesteronspiegeln in der Zeit vor der Periode und mit höheren durch die Periode bedingten Beschwerden leichter fällt, ihre Aufmerksamkeit auf Essensreize zu lenken. 
  • Ob eine derart veränderte Reaktion auch relevant für die Entwicklung von Essstörungen, Adipositas oder Prämenstruellen Dysphorischen Störungen ist, ist bisher ungeklärt.

Weitere Studien an Patientinnen müssen zeigen, ob eine verringerte Sensibilität für hochkalorische Nahrungsmittel für einen übermäßigen Verzehr hochsüßer und fettreicher Lebensmittel anfällig macht oder – im Gegenteil – sogar davor schützt.

Publikation
Strahler, J., Hermann, A., Schmidt, N. M., Stark, R., Hennig, J., & Munk, A. J.: Food Cue-Elicited Brain Potentials Change Throughout Menstrual Cycle: Modulation by Eating Styles, Negative Affect, and Premenstrual Complaints. Hormones and behavior
DOI: 10.1016/j.yhbeh.2020.104811

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Die 1607 gegründete Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) ist eine traditionsreiche Forschungsuniversität, die rund 28.000 Studierende anzieht. Neben einem breiten Lehrangebot – von den klassischen Naturwissenschaften über Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Gesellschafts- und Erziehungswissenschaften bis hin zu Sprach- und Kulturwissen¬schaften – bietet sie ein lebenswissenschaftliches Fächerspektrum, das nicht nur in Hessen einmalig ist: Human- und Veterinärmedizin, Agrar-, Umwelt- und Ernährungswissenschaften sowie Lebensmittelchemie. Unter den großen Persönlichkeiten, die an der JLU geforscht und gelehrt haben, befindet sich eine Reihe von Nobelpreisträgern, unter anderem Wilhelm Conrad Röntgen (Nobelpreis für Physik 1901) und Wangari Maathai (Friedensnobelpreis 2004). Seit dem Jahr 2006 wird die Forschung an der JLU kontinuierlich in der Exzellenzinitiative bzw. der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern gefördert.

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Dr. Jana Strahler
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Psychotherapie und Systemneurowissenschaften der JLU
Otto-Behaghel-Str. 10H
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Telefon: 0641 99-26332
E-Mail: jana.strahler@psychol.uni-giessen.de

Charlotte Brückner-Ihl Justus-Liebig-Universität Gießen
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Originalpublikation:
doi.org/10.1016/j.yhbeh.2020.104811

Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
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Sexualhormone-Steroidhormone: Östrogen, Progesteron, Testosteron, Rezeptoren

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Sexualhormone: Wirkung auch auf den Darm

Dass Sexualhormone die Fortpflanzungsorgane regulieren, ist allgemein bekannt. 

Umstritten ist bislang allerdings, ob und wie sie auf andere Organe des Köpers wirken. 

Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum und vom Huntsman Cancer Institute an der University of Utah fanden heraus, dass Ecdyson, ein Sexualhormon der Fruchtfliege, das Verhalten von Darm-Stammzellen und damit auch die Struktur und Funktion des gesamten Organs drastisch beeinflusst. 
 
Ecdyson, das den menschlichen Steroidhormonen sehr ähnlich ist, stimuliert das Wachstum der Darm-Stammzellen und fördert damit das Größenwachstum des weiblichen Darms. Das steigert einerseits die Fruchtbarkeit der Weibchen, begünstigt aber andererseits offenbar die Entstehung von Tumoren. Die Ergebnisse wurden nun in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.

  • Sexualhormone wie Östrogen, Progesteron und Testosteron regulieren das Wachstum und die Physiologie der Fortpflanzungsorgane während der Pubertät, während des weiblichen Monatszyklus und der Schwangerschaft. 
  • Nicht überraschend war daher, dass diese Hormone auch die Tumorentstehung in Brust, Gebärmutter und Prostata fördern. 

Dagegen sind die Einflüsse der geschlechtsspezifischen Steroidhormone auf nicht-geschlechtsspezifische Organe bislang wenig erforscht und gelten als umstritten.

Aurelio Teleman, Stoffwechsel-Experte am Deutschen Krebsforschungszentrum und Bruce Edgar, Stammzellbiologe am Huntsman Cancer Institute, haben nun an Fruchtfliegen untersucht, wie Sexualhormone auf die Stammzellen des Darms wirken. „Wir wussten, dass sich bei Fruchtfliegen der Darm beider Geschlechter unterscheidet. Das Organ ist bei weiblichen Fruchtfliegen größer als bei den Männchen, und Weibchen erkranken viel häufiger an Darmtumoren als Männchen. Aber wir wussten nicht, warum das so ist“, erklärt Bruce Edgar. Mit ihrer aktuellen Arbeit, die nun in der Zeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde, liefern die beiden Wissenschaftler Erklärungen für diese Phänomene.

Die Teams von Edgar und Teleman fanden heraus, dass das geschlechtsspezifische Hormon Ecdyson die Wachstumseigenschaften von Stammzellen im Darm – also bemerkenswerterweise nicht in einem Fortpflanzungsorgan – drastisch verändern kann. Diese Veränderungen wirken sich auf die Struktur und Funktion des gesamten Organs aus. Ecdyson stimuliert die Teilung von Darm-Stammzellen und lässt den Darm insgesamt wachsen. Wenn männliche Fliegen mit der Nahrung Ecdyson erhalten, führt dies dazu, dass sich ihre sonst langsam teilenden Stammzellen genauso schnell teilen wie die der weiblichen Tiere. Das deutet darauf hin, dass der Spiegel des Geschlechtshormons für die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Darm-Stammzellen verantwortlich ist.

Für die Fruchtfliege bringt die Wirkung des Ecdysons im Laufe ihres Lebens sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich. Zunächst hilft mehr Ecdyson den Weibchen bei der Fortpflanzung, indem es den Darm vergrößert. So kann das Organ mehr Nährstoffe verwerten, was der Fliege hilft, mehr Eier zu legen. Doch im späteren Leben schafft das von den Eierstöcken produzierte Ecdyson offenbar ein günstigeres Umfeld für das Tumorwachstum, was die Lebensspanne der weiblichen Fruchtfliegen verkürzen könnte: Die Forscher hatten im Darm der älteren Weibchen deutlich mehr Stammzellen entdeckt, deren Erbgut durch Mutationen stark geschädigt war, als bei gleichalten Männchen. Derartig mutierte Zellen entarten häufig zu Krebszellen. „Für den evolutionären Vorteil einer verbesserten Fruchtbarkeit müssen die Weibchen möglicherweise mit einer verkürzten Lebensspanne bezahlen“, spekuliert Aurelio Teleman.

Die experimentellen Arbeiten wurden größtenteils von Sara Ahmed, einer gemeinsamen Doktorandin im Edgar- und im Teleman-Labor am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) durchgeführt. „Unsere Arbeit liefert einen der ersten Beweise dafür, dass Sexualhormone das Verhalten nicht-sexueller Organe wie des Darms verändern“, erklärt die Forscherin.

  • Der Mensch hat zwar kein Ecdyson, aber verwandte Steroidhormone wie Östrogen, Progesteron oder Testosteron – und deren Rezeptoren. 

Die Forscher wollen nun die Beziehung von Stammzellen und Steroidhormonen auch in menschlichen Organen eingehender analysieren.

Östrogen und Testosteron sind als treibende Kraft bei Brust-, Gebärmutter- und Prostatakrebs bereits bekannt. Die aktuelle Arbeit an Drosophila legt nahe, auch bei Krebsarten in anderen Organen, beispielsweise im Magen-Darm-Trakt, nach möglichen Einflüssen von Steroidhormonen zu suchen.

Die Arbeit wurde von den National Institutes of Health unterstützt, vom National Cancer Institute (P30 CA01420114), vom National Institute of General Medical Sciences (R01 124434), vom Europäischen Forschungsrat, vom Deutschen Krebsforschungszentrum und der Huntsman Cancer Foundation.

Sara Mahmoud H. Ahmed, Julieta A. Maldera, Damir Krunic, Gabriela O. Paiva-Silva, Clothilde Pénalva, Aurelio A. Teleman & Bruce A. Edgar: Fitness trade-offs incurred by ovary-to-gut steroid signalling in Drosophila.
Nature 2020, https://doi.org/10.1038/s41586-020-2462-y


Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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Originalpublikation:
Sara Mahmoud H. Ahmed, Julieta A. Maldera, Damir Krunic, Gabriela O. Paiva-Silva, Clothilde Pénalva, Aurelio A. Teleman & Bruce A. Edgar: Fitness trade-offs incurred by ovary-to-gut steroid signalling in Drosophila.
Nature 2020, https://doi.org/10.1038/s41586-020-2462-y

 

Chronische Hepatittis D-Infektion und Hepatitis B

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Erstes Medikament gegen Hepatitis D von der Europäischen Kommission zugelassen

Hepcludex von der Europäischen Kommission zur Behandlung von chronischen Hepatitis D-Infektionen zugelassen / Erfolgreiche Translation von der Grundlagenforschung zur Anwendung / 

Virusblocker zeigt auch gegen Hepatitis B Wirkung  

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachThema: Virushepatiden  

 Prof. Dr. Stephan Urban (li.) und Prof. Dr. Ralf Bartenschlager von der Abteilung für Molekulare Virologie des Zentrums für Infektiologie am UKHD

Prof. Dr. Stephan Urban (li.) und Prof. Dr. Ralf Bartenschlager von der Abteilung für Molekulare Virologie des Zentrums für Infektiologie am UKHD Universitätsklinikum Heidelberg

Was vor rund 25 Jahren als Grundlagenforschung begann, führte nun zur erfolgreichen Zulassung eines Medikaments: Der von Forschenden des Universitätsklinikums (UKHD) und der Medizinischen Fakultät Heidelberg gemeinsam mit dem DZIF und weiteren Partnern entwickelte Virusblocker Bulevirtide (Handelsname Hepcludex, ehemals Myrcludex B) wurde jetzt von der Europäischen Kommission zugelassen.

Hepcludex ist der erste Vertreter der sogenannten „Entry Inhibitoren“ für Hepatitis D und hindert Hepatitis D- und auch B-Viren (HDV und HBV) am Eindringen in die Zellen.

  • Für rund 25 Millionen Hepatitis-D-Infizierte weltweit bedeutet die Entwicklung des Wirkstoffs neue Hoffnung, denn bislang gab es kein zugelassenes Medikament gegen diese Infektionserkrankung. Hepatitis-D-Infektionen gelten als besonders schwere Form der Virushepatitis, denn sie treten nur gemeinsam mit HBV-Infektionen auf und können noch schneller zu einer Leberzirrhose und zu Leberkrebs führen, als es bei einer alleinigen HBV-Infektion der Fall ist. 
  • Für viele Patienten war daher bislang eine Transplantation die einzige Überlebenschance.

„Wir freuen uns sehr über diesen Erfolg, der auf jahrzehntelanger virologischer Forschung in Heidelberg basiert“, sagt Prof. Dr. Hans-Georg Kräusslich, Zentrumssprecher des Zentrums für Infektiologie am UKHD und Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). „Die Entwicklung des Wirkstoffs erfolgte in enger Zusammenarbeit von Wissenschaft, öffentlicher Förderung und einem Biotech-Unternehmen und ist damit ein Musterbeispiel für eine erfolgreiche Translation vom Labor in die klinische Anwendung.“

Wie ein „abgebrochener Schlüssel“ Leberzellen schützt

Das Wirkprinzip von Hepcludex funktioniert nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip: 

Hepatitis B- und D-Viren vermehren sich ausschließlich in der Leber, denn nur auf den Leberzellen befindet sich der Gallensalztransporter NTCP, welchen sie als „Schloss“ (Virusrezeptor) nutzen, um in die Zellen zu gelangen.
 Hepcludex blockiert wie ein abgebrochener Schlüssel dieses Schloss. Doch warum wirkt Hepcludex, wenn eine Infektion schon passiert und das Virus bereits in den Zellen ist? „Das Virus muss, um langfristig überleben zu können, kontinuierlich gesunde Leberzellen befallen, weil die erkrankten entweder absterben oder vom Immunsystem eliminiert werden“, sagt Prof. Dr. Stephan Urban, der gemeinsam mit seinem Team Hepcludex in 25jähriger Forschungsarbeit entwickelte und seit 2014 mit einer DZIF-Professur die Medikamentenentwicklung in den Fokus nahm.

„In der infizierten Leber teilen sich die Leberzellen offensichtlich sehr rasch. Das Medikament schützt dann die neuen, jungen Leberzellen vor einer Infektion, während die infizierten Zellen eliminiert werden“, so Stephan Urban. In mehreren klinischen Phase I- und Phase II- Studien konnte gezeigt werden, dass der Wirkstoff von Menschen gut vertragen wird und effizient die Vermehrung von Hepatitis B und D hemmt. Aktuell wird eine Phase III-Studie durchgeführt, die unter anderem die Langzeitwirkung von Hepcludex untersucht. Gefördert wurden die Arbeiten initial vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 2,4 Millionen für die präklinische Entwicklung (Programm für „Innovative Therapieverfahren“). In der Folge stieg das 2012 gegründete Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ein und finanziert seit 2014 unter anderem die Professur von Stephan Urban an der Medizinischen Fakultät Heidelberg.

Rezeptor gesucht – Medikament entdeckt!

Als der Molekularbiologe Stephan Urban in einem kleinen Labor mit seiner Forschung begann, lag eine Wirkstoffentwicklung gegen Hepatitis D in weiter Ferne – ihn interessierte zunächst ein anderes Virus: Urban suchte nach der Eintrittspforte für Hepatitis B-Viren in die Leberzellen – eine Suche, an der sich weltweit viele Forschende beteiligten und die er aufgrund der weiten Verbreitung von Hepatitis B als „Heiligen Gral der Hepatitisforschung“ bezeichnet. Mühevolle Kleinarbeit begann: Zunächst musste ein Weg gefunden werden, das Virus in Zellkulturen zu züchten, um seine Vermehrung zu studieren. Im nächsten Schritt musste aus einer großen Zahl von Kandidaten der richtige Rezeptor entdeckt werden. „Wir haben Teile der Sequenz der Virushülle als Proteinfragment im Labor hergestellt, dann auf nicht infizierte Leberzellen gegeben und geschaut, ob wir verhindern können, dass das Virus eindringt“, so Urban. Schließlich gelang die Entdeckung: Das Virus nutzt den NTCP-Rezeptor (NTCP: Natrium-taurocholate cotransporting polypeptide), einen Gallensalztransporter, um wie ein blinder Passagier in die Zelle zu gelangen. Blockiert man den Transporter mit dem synthetisch hergestellten Proteinfragment, welches einen Teil der natürlichen Virushülle nachbildet, dann können Virionen – infektiöse Virusteilchen außerhalb der Wirtszelle – nicht mehr in die Zelle eindringen. Dabei reicht es, wenn einige der Rezeptoren blockiert werden, um die Virionen zu stoppen. „Unsere klinischen Studien zeigten, dass Hepcludex in sehr geringer Konzentration wirksam ist, sodass der Gallensalztransporter weiterhin seinen Aufgaben in der Zelle nachgehen kann“, fasst Urban zusammen.

  • Ohne HBV-Infektion keine Hepatitis D, denn das D-Virus ist nicht in der Lage, eine eigene Virushülle herzustellen. 

Stattdessen benutzt es wie ein Parasit des Parasiten Bestandteile des B-Virus, um in die Leberzellen einzudringen.

Während es gegen HBV bereits wirksame, aber nicht heilende Therapien gibt, hatte Urbans Team mit dem künstlich hergestellten, kleinen Proteinfragment das weltweit erste Medikament gegen Hepatitis D in der Hand. In der Folge erhielt Hepcludex das „PRIME“-Siegel der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA). PRIME steht für „Priority Medicines“ und ist ein Programm, mit dem die EMA die Entwicklung von besonders benötigten Medikamenten verstärkt fördert. Am 28. Mai 2020 wurde Hepcludex von der EMA zur Zulassung empfohlen und nun von der Europäischen Kommission zur Verschreibung in Europa zugelassen.

Hepatitisforschung – ein Heidelberger Schwerpunkt

Mit der Zulassung von Hepcludex gegen Hepatitis D setzt sich eine Heidelberger Erfolgsgeschichte fort, denn vor wenigen Jahren gelang aus demselben Institut heraus ein entscheidender Beitrag zur Entwicklung von Medikamenten gegen Hepatitis C: Prof. Dr. Ralf Bartenschlager, Direktor der Abteilung für Molekulare Virologie am Zentrum für Infektiologie des UKHD, erarbeitete mit Entdeckungen zu den molekularen Eigenschaften und zum Vermehrungszyklus des Hepatitis C-Virus Angriffsflächen für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten. Die Forschung von Stephan Urban begleitet und unterstützt er seit vielen Jahren: „Weltweit ist die virale Hepatitis in ihren verschiedenen Formen ein enormes gesundheitspolitisches Problem“, so Bartenschlager. Er gratuliert dem Team um Stephan Urban zum Erfolg, findet aber auch nachdenkliche Worte zur Forschungsförderung in Deutschland. „Ich würde mir eine konsequentere und langfristige Förderung des Übergangs von der Grundlagenforschung in die Anwendung durch die öffentliche Hand wünschen, damit vielversprechende Projekte in Zukunft nicht mehr an der Suche nach Geldgebern scheitern.“ Positive Beispiele sind aus seiner Sicht das DZIF, das eigens zum Zweck der Translation anti-infektiöser Wirkstoffe in die klinische Anwendung gegründet wurde, sowie der von ihm geleitete transregionale Sonderforschungsbereich SFB 179 „Ursachen der Ausheilung bzw. Chronifizierung von Infektionen mit Hepatitisviren“ an der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Dieser SFB wird nun in einer zweiten Förderperiode von der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) erneut mit rund 13 Millionen Euro gefördert und stärkt damit Heidelberg als Standort der Hepatitisforschung.

Vom Labor in die Klinik

In Deutschland gibt es vergleichsweise wenige Betroffene einer Hepatitis D-Infektion – was auch daran liegt, dass in Deutschland viele Menschen gegen Hepatitis B-Infektionen geimpft und damit auch vor Hepatitis D geschützt sind.  

„Das Robert-Koch-Institut geht von 240.000 chronisch HBV-Infizierten in Deutschland aus. Wir rechnen mit einem Anteil von rund 2,5 Prozent HDV-Co-Infizierten in Deutschland, was rund 6000 Betroffenen entspricht“, so Stephan Urban.

„Genaue Zahlen gibt es jedoch nicht, denn viele HBV-Infizierte werden nicht zusätzlich auf Hepatitis D getestet.“ Prof. Dr. Uta Merle, Komm. Ärztliche Direktorin der Klinik für Gastroenterologie, Infektionen, Vergiftungen am UKHD, hat im Rahmen der klinischen Studien einige Hepatitis-D-Patienten behandelt und unterstreicht die Bedeutung des neuen Wirkstoffs: „Eine chronische Infektion mit dem Hepatitis-D-Virus gilt als besonders aggressiv und schwierig zu therapieren. Patienten mit einer chronischen Hepatitis D entwickeln oft innerhalb von fünf bis zehn Jahren einen Leberumbau bis hin zur Leberzirrhose. So einen schweren Verlauf sieht man bei 70 bis 90 Prozent der HDV-Infektionen und auch bei jungen Menschen
  • Im Stadium der Leberzirrhose mit ihren Komplikationen bleibt dann nur noch die Lebertransplantation als einzige Therapieoption“, fasst sie zusammen. 
  • Insbesondere in Afrika, in Südamerika, in der Mongolei, in Russland und in Osteuropa ist diese schwerste Form der Hepatitis weit verbreitet – weil Testmöglichkeiten fehlen, wissen auch hier viele Infizierte häufig nichts von ihrer Erkrankung. 

In Russland und den ehemaligen Staaten der Sowjetunion ist das Medikament deshalb unter dem Handelsnamen Myrcludex bereits Ende 2019 zugelassen worden.

Die Lizenz für die Herstellung und den Vertrieb von Hepcludex wurde von der Medizinischen Fakultät Heidelberg und der staatlichen französischen Forschungseinrichtung INSERM (Institut national de la santé et de la recherche médicale) an die unabhängige Biotechnologiefirma MYR Pharmaceuticals vergeben.

Die französische Beteiligung ergibt sich aus einer frühen Kollaboration von Urban mit Forschenden des INSERM, auf Basis dieser Zusammenarbeit entstand das Grundpatent für die weitere Entwicklung von Hepcludex auf dem Heidelberger Campus. Mögliche Lizenzerträge kommen den federführenden Institutionen (Universität Heidelberg, INSERM, DZIF) sowie dem Entwickler Stephan Urban und anderen am Klinikum beteiligten Erfindern sowie der Abteilung Molekulare Virologie zugute.

Da auch Hepatitis-B-Viren den Gallensalzrezeptor NTCP für den Zelleintritt verwenden, wirkt Hepcludex auch als Hepatitis-B-Therapeutikum. Inzwischen wurde der Wirkstoff auch schon in Kombination mit dem für HBV zugelassenen Immunmodulator Interferon alpha (IFN) getestet – mit großem Erfolg. „Nach 48 Wochen Behandlung war die Viruslast stark reduziert und bei einem Teil der Patienten waren alle Virusmarker nachhaltig verschwunden“, so Stephan Urban. Da es jedoch bereits etablierte Therapien gegen Hepatitis B gibt, sind die Voraussetzungen für eine beschleunigte Zulassung nicht gegeben und Hepcludex kann zunächst nur bei Patienten eingesetzt werden, die von einer doppelten Infektion besonders schwer betroffen sind. „Es wird in naher Zukunft sehr interessant sein zu prüfen, ob die Kombination von Hepcludex mit einem Immunmodulator auch bei HBV-Patienten ohne HDV-Co-Infektion zu einem kurativen Therapieverlauf führen kann“, blickt Stephan Urban in die Zukunft.

Über das Universitätsklinikum und die Medizinische Fakultät Heidelberg

Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich circa 80.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg rund 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum-heidelberg.de

Über das DZIF

Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln bundesweit mehr als 500 Wissenschaftler aus 35 Institutionen gemeinsam neue Ansätze zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Infektionskrankheiten. Das DZIF ist eines von sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG), die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zur Bekämpfung der wichtigsten Volkskrankheiten ins Leben gerufen wurden. www.dzif.de.

Originalpublikation:
H. Wedemeyer et al. (2019), Final results of a multicenter, open-label phase 2 clinical trial (MYR203) to assess safety and efficacy of myrcludex B in with PEG-interferon Alpha 2a in patients with chronic HBV/HDV co-infection. J Hepatol 2019;70:e81. doi: 10.1016/S0618-8278(19)30141-0
P. Bogomolov et al. (2016), Treatment of chronic hepatitis D with the entry inhibitor myrcludex B: First results of a phase Ib/IIa study . J Hepatol, 265(3):490-8. doi: 10.1016/j.jhep.2016.04.016
F. A. Lempp, S. Urban (2017), Hepatitis Delta Virus: Replication Strategy and Upcoming Therapeutic Options for a Neglected Human Pathogen. Viruses, 9(7):172. doi: 10.3390/v9070172


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http://www.myr-pharma.com/ Homepage der MYR Pharmaceuticals

https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/zentrum-fuer-infektiologie/molecular-viro... Abteilung für Molekulare Virologie am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg