Eine neue S3-Leitlinie zur Abklärung der Mikrohämaturie bei Kindern und Jugendlichen dient der Früherkennung von Nierenkrankheiten.
Bei kleinsten Blutbeimengungen im Urin soll bereits bei der Vorsorgeuntersuchung U8 im Alter von vier Jahren möglichst noch in der Kinderarztpraxis eine Ultraschalluntersuchung erfolgen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) betont, dass dadurch jährlich bei bis 1000 Kindern die Entwicklung einer chronischen Nierenkrankheit verhindert oder verzögert werden könne. Für die Leitlinie waren federführend die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN) und die Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie e.V. (GPN) verantwortlich.
Link zur Leitlinie:
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/166-005
Wenn sich im Urin eines Kindes ständig winzige Mengen Blut befinden, die mit bloßem Auge nicht erkennbar sind, spricht man von einer persistierenden asymptomatischen Mikrohämaturie.
Beschwerden haben die Kinder keine, die Ursachen für das Blut im Urin können vielfältig und sowohl harmlos als auch schwerwiegend sein.
Hierzu zählen häufig Harnwegsinfektionen, Nierensteine, Fehlbildungen der Harnwegsorgane und sogenannte glomeruläre Nierenerkrankungen wie das Alport-Syndrom.
„Unbehandelt werden Kinder mit Alport-Syndrom im Durchschnitt mit 22 Jahren dialysepflichtig und haben eine mittlere Lebenserwartung von nur 55 Jahren“, erklärt Professor Dr. med. Markus Meier, Nephrologe am Nierenzentrum Reinbek und DEGUM-Beauftragter für die S3-Leitlinie. Jährlich trifft diese Diagnose in Deutschland 800 bis 1000 Kinder.
Zur Kindervorsorgeuntersuchung U8 im Alter von vier Jahren gehört seit jeher ein Urintest.
Eine Ultraschalluntersuchung war bisher nur im Ausnahmefall vorgesehen.
Gemeinsam mit Vertretern der DGfN und der GPN hat Meier einen diagnostischen Algorithmus entwickelt, der mit geringem Aufwand bereits bei der U8 behandlungsbedürftige Patientinnen und Patienten identifiziert.
Dieser diagnostische Workflow beginnt mit einer Mikroskopie des Urins und leitet den Untersucher dann über eine exakte Familienanamnese zu weiteren diagnostischen Maßnahmen, darunter einer Nierenbiopsie.
Schon bei geringstem Verdacht auf eine glomeruläre Nierenerkrankung sollte eine Sonografie erfolgen.
In Abhängigkeit der Befunde innerhalb des Behandlungspfades erfolgt dann am Ende gegebenenfalls eine medikamentöse Therapieempfehlung.
„Wir wissen aus zahlreichen Publikationen, dass eine möglichst frühe Erkennung einer Nierenschädigung die beste Langzeitprognose für Betroffene hat“, sagt Meier.
Der Vorteil der Sonografie sei zudem, dass sie nicht invasiv und in Deutschland flächendeckend sowohl bei Kinderärzten als auch bei Nephrologen verfügbar ist.
Fortbildung in Ultraschalldiagnostik für Kinderärzte und Nephrologen
„Entscheidend ist jedoch, dass der Ultraschall in hoher Qualität durchgeführt wird, um Fehldiagnosen auszuschließen und oftmals unnötige, zusätzliche Bildgebung wie MRT oder CT zu vermeiden“, erklärt Meier.
Die DEGUM hat sich zum Ziel gesetzt, die qualifizierte Ultraschalldiagnostik bei den entsprechenden Fachärztinnen und -ärzten für Kinderheilkunde und Nephrologie zu fördern. „Die Fortbildungs- und Zertifizierungsprogramme der verschiedenen DEGUM-Sektionen bieten die Möglichkeit, sich entsprechend fortzubilden, damit die Vorgaben der neuen S3-Leitlinie bundesweit umgesetzt werden können“, betont Meier. Aus Sicht der Expertenkommission ist dafür ein Ausbildungsniveau erforderlich, das mindestens der DEGUM-Stufe I entspricht. „Derzeit ist die Zahl der DEGUM-zertifizierten niedergelassenen Nephrologinnen und Nephrologen in Deutschland noch gering“, sagt Meier. Daraus lasse sich aber keineswegs ableiten, dass die Qualität der von nicht DEGUM-zertifizierten Kolleginnen und Kollegen durchgeführten Ultraschalluntersuchungen unzureichend ist. Dennoch sei ein einheitlicher, überprüfbarer Ausbildungsstandard wünschenswert, den DEGUM und DGfN gemeinsam anstreben. „So könnte auch in Zukunft bundesweit ein hohes Ausbildungsniveau des ärztlichen Nachwuchses sichergestellt und die Leitlinie langfristig umgesetzt werden.“
Die Früherkennung progredienter Nierenerkrankungen bei Kindern entsprechend der S3-Leitlinie wäre auch aus ökonomischer Sicht für das deutsche Gesundheitssystem von Vorteil.
Die Kosten für eine differentialdiagnostische Abklärung aller Kinder mit Mikrohämaturie sind um ein Vielfaches geringer als die hohen Dialysekosten, die durch eine frühzeitige Therapie vermieden werden können.