Medizin am Abend Berlin Fazit: Neuer Diabetestyp nach partieller Pankreatektomie reversibel
Erstmals wurde genauer spezifiziert, bei welchen Patienten mit
Pankreastumoren, die eine Hyperglykämie und Diabetes entwickeln, sich
nach partieller Pankreatektomie auch die Blutzucker-Homöostase
verbessert. Die Ergebnisse können Ärzte dabei unterstützen, die
postoperativen Konsequenzen einer Pankreas-Resektion genauer
einzuschätzen. Die Untersuchung wurde geleitet von Dr. Ehehalt, Prof.
Solimena und Prof. Grützmann aus der Chirurgie des Universitätsklinikums
Carl Gustav Carus und des Paul Langerhans Instituts Dresden des
Helmholtz Zentrums München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der
TU Dresden, die unter dem Dach des Deutschen Zentrums für
Diabetesforschung (DZD) kooperieren.
Ein Zusammenhang zwischen
Bauchspeicheldrüsenkrebs und Diabetes ist
seit geraumer Zeit bekannt. Sekundär durch einen
Pankreastumor
entstehender Diabetes mellitus wird auch
Typ-3c-Diabetes genannt.
Der
genaue Mechanismus hinter dieser Verbindung war hingegen lange ein
Rätsel. Die Zusammenarbeit der Abteilung für Chirurgie des
Universitätsklinikums Carl Gustav Carus unter Prof. Weitz und der
Forschungsgruppe für Molekulare Diabetologie unter Prof. Solimena konnte
jetzt Licht ins Dunkel bringen.
Die Ergebnisse ihrer aktuellen Studie
weisen darauf hin, dass es eine chirurgisch-reversible Form des Diabetes
gibt, die grundsätzlich von anderen Formen des Diabetes unterschieden
werden muss.
Als Ursache für die Entstehung dieses spezifischen,
chirurgisch-reversiblen Diabetes-Subtyps vermuten die Wissenschaftler
auf Basis ihrer Studiendaten,
dass der Tumor der Bauchspeicheldrüse auf
den benachbarten Gallengang drückt.
Dadurch kann es zu einem ganz oder
teilweisen Verschluss kommen, wodurch sich die Galle in der Leber staut
(Cholestase).
Als Folge kann dies die
Leberfunktion beeinträchtigen und
zu einer
gesteigerten Insulinresistenz und damit einem Diabetes führen.
“Mit unserer erfolgreichen Studie beschreiben wir
einen neuen, nach
Entfernung des Tumors oft reversiblen Diabetestyp, der durch die Stauung
der Gallengänge in der Leber und der dadurch hervorgerufenen
Insulinresistenz ausgelöst wird”, erläutert Prof. Solimena. Die Autoren
beschreiben diesen von ihnen neu definierten, nach Tumorresektion
reversiblen Diabetes-Subtyp entsprechend als “
Cholestase-induzierten
Diabetes”.
Welche Patienten können hinsichtlich einer Verbesserung des Diabetes profitieren?
An der Studie nahmen 84 Patienten teil, die einen Teil des Pankreas
aufgrund einer
chronischen Pankreatitis, benigner oder maligner
pankreatischer Tumore entfernen lassen mussten. Unmittelbar vor der
Operation und drei Monate danach wurden unter anderem ein 120-minütiger
oraler
Glukosetoleranztest (oGTT) durchgeführt, der
Nüchternglukosewert
und eine Reihe von Co-Variablen erfasst. Anhand ihrer Glukosewerte drei
Monate nach der Operation wurden die Patienten in drei Gruppen
eingeteilt:
verschlechterte Glukosewerte, stabile Glukosewerte oder
verbesserte Glukosewerte.
Patienten, die bezüglich ihrer Glukosekontrolle von einer partiellen
Pankreatektomie profitierten, wiesen der Untersuchung zufolge
präoperativ eine
pathologische orale Glukosetoleranz auf, die Diagnose
einer
Glukose-Dysregulation lag weniger als 6 Monate vor der Operation,
sie waren überwiegend älter als 50 Jahre und die
Serum-Marker für einen
Tumor, für akute Pankreatitis, für einen Verschluss des Gallengangs und
für Leberzell-Schäden waren vor der Operation erhöht. Diese
normalisierten sich postoperativ, und zwar unabhängig von der Art des
Pankreas-Tumors.
Keine Verbesserung des Glukosemetabolismus durch partielle
Pankreatektomie konnte dagegen bei Patienten mit chronischer
Pankreatitis oder linksseitiger Resektion des Pankreas detektiert
werden.
Schlussfolgerungen der Autoren
Die Ergebnisse dieser Studie können den Autoren zufolge Ärzte dabei
unterstützen,
die postoperativen metabolischen Konsequenzen einer
Pankreas-Resektion genauer einzuschätzen und die Aufklärung betroffener
Patienten entsprechend zu verbessern.
Zudem ergänzt die Untersuchung
nach Auffassung der Wissenschaftler bisherige Befunde zur
Assoziation
von Diabetes und Pankreas-Karzinomen und zeigt,
dass auch der Tumor
selbst Hyperglykämie aufgrund von Leberzell-Schäden induzieren kann.
Außerdem könnte nach Auffassung der Autoren eine zeitweise Kontrolle des
Gallengangs, von Pankreas und Leberzell-Parametern während der ersten
Monate nach Diagnose einer Glukosestoffwechselstörung bei über
50-jährigen Patienten als ein effizienter und praktikabler Filter für
ein Screening auf Pankreastumoren fungieren.
Die Studienergebnisse
müssen den Autoren zufolge nun durch weitere Untersuchungen bestätigt
werden.
Quelle:
Ehehalt F et al. Blood Glucose Homeostasis in the Course of Partial
Pancreatectomy – Evidence for Surgically Reversible Diabetes Induced by
Cholestasis. PLoS One 2015; 10(8): e0134140. DOI:
10.1371/journal.pone.0134140
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0134140
Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. ist eines der
sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten
auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung,
Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen
neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur
erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des
Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz
Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und
Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche
Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut
für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz
Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das
Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte
Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und
München sowie weitere Projektpartner.
Das Paul Langerhans Institut Dresden des Helmholtz Zentrums München am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden (PLID) wurde im
Zuge der Gründung des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung e.V. im
Jahr 2009 geschaffen. Seit Januar 2015 ist es ein Satelliteninstitut des
Helmholtz Zentrums für Gesundheit und Umwelt in München. Seit seiner
Gründung 2009 konnten acht Professoren und fünf unabhängige
Gruppenleiter für das PLID gewonnen werden. Dies gelang über die
intensive Zusammenarbeit zwischen dem PLID, dem Zentrum für Regenerative
Therapien Dresden (CRTD), der Medizinischen Fakultät und dem
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und begründet sich auch auf dem
hervorragenden Ruf Dresdens auf dem Gebiet der Diabetesforschung. Der
wissenschaftliche Fokus des PLID liegt auf der molekularen Zellbiologie,
der Entwicklung, Regeneration und dem Schutz der Beta Zellen der
Langerhans’schen Inseln des Pankreas zur Therapie und Prävention des
Typ-1- und Typ-2-Diabetes.
Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum
für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die
Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie
Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür
untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und
Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden
Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.200
Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18
naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische
Forschungszentren mit rund 34.000 Beschäftigten angehören. Das Helmholtz
Zentrum München ist Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung
e.V.
Medizin am Abend Berlin DirektKontakt:
Dr. Astrid Glaser
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung
Geschäftsstelle am Helmholtz Zentrum München
Ingolstädter Landstr. 1
85764 Neuherberg
Tel. 089/3187-1619
E-Mail: glaser@dzd-ev.de
Dr. Carola Mehnert
Paul-Langerhans-Institut Dresden
des Helmholtz-Zentrums München
am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der
Technischen Universität Dresden
Fetscherstr. 74
01307 Dresden
Tel.: 0351/796-5342
E-Mail: Carola.Mehnert@tu-dresden.de
Prof. Dr. Dr. Michele Solimena
Paul Langerhans Institut Dresden
Molekulare Diabetologie
und Prof. Dr. Robert Grützmann
Abteilung für Chirurgie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
der TU Dresden
E-Mail: michele.solimena@tu-dresden.de
E-Mail: robert.gruetzmann@uniklinikum-dresden.de
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte:
http://www.dzd-ev.de/index.html