Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Gesunde Nieren trotz Bluthochdrucks
Eine Mutation, die zu starkem Bluthochdruck führt, schützt zugleich die Niere vor den Folgeschäden der Erkrankung.
Das berichten Forschende um Enno Klußmann vom Max Delbrück Center und DZHK in „Kidney International“.
Nun suchen sie nach Strategien, um die Effekte des veränderten Gens therapeutisch zu nutzen.
Zu hoher Blutdruck schädigt auf Dauer die Nieren.
Nicht jedoch bei
Menschen mit einem veränderten PDE3A-Gen: „Der Druck in ihren Gefäßen
ist zwar aufgrund der Mutation gewaltig. Doch ihre Nieren arbeiten
selbst nach jahrelanger Krankheit ganz normal“, sagt Dr. Enno Klußmann,
der Leiter der Arbeitsgruppe „Ankerproteine und Signaltransduktion“. Die
Ergebnisse ihrer Untersuchungen haben Klußmann und sein Team am Max
Delbrück Center und am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung
(DZHK) jetzt im Fachblatt „Kidney International“ vorgestellt.
Auf Herz und Nieren geprüft
- Im vergangenen Jahr hatten die Forschenden herausgefunden, dass die Genmutation, die extremen Bluthochdruck und kürzere Finger (Hypertonie mit Brachydaktylie, kurz HTNB) verursacht, auch das Herz vor den Folgeschäden der Hypertonie bewahrt.
Lediglich das Gehirn ist nicht
gefeit: „Unbehandelt sterben Menschen mit HTNB, einer Erbkrankheit, die
weltweit nur in zehn bis 20 Familien vorkommt, meist relativ jung an
einem Schlaganfall“, sagt Klußmann. „Auch Kinder müssen daher schon
Antihypertensiva, also blutdrucksenkende Mittel, einnehmen.“ Allerdings
ist es selbst mit Medikamenten schwierig, den Blutdruck auf normale
Werte zu bringen.
Nachdem der Wissenschaftler auf die herzschützenden Effekte des
mutierten PDE3A-Gens gestoßen war, hatten er und sein Team begonnen, die
Nieren einer betroffenen Patientin aus Deutschland und zweier
Rattenmodelle für HTNB zu untersuchen.
Die Patientin ist bei Dr. Stephan Walter vom MVZ Nierenzentrum Limburg in Behandlung.
Die Rattenmodelle,
deren Gen für das Enzym Phosphodiesterase 3A (PDE3A) wie bei den
Menschen verändert ist, haben Forschende um Professor Michael Bader
generiert. Er leitet am Max Delbrück Center die Arbeitsgruppe
„Molekularbiologie von Hormonen im Herz-Kreislaufsystem“. Walter und
Bader sind ebenfalls Autoren der aktuellen Studie.
Alle Werte sind unauffällig
Das Enzym PDE3A ist bei Menschen mit erblichem HTNB an zwei Stellen
verändert. Beide Mutationen bewirken, dass das Enzym überaktiv ist.
„Warum das so ist und auf welche Weise es die Gefäße und das Gehirn
schädigt und zugleich das Herz und die Niere schützt, haben wir noch
nicht im Detail verstanden“, sagt Klußmann.
Dass die Nieren der Limburger HTNB-Patientin ganz normal arbeiten,
konnten er und sein Team dagegen zeigen. „Unter anderem ist die
Sekretion von Renin – einem hormonähnlichen Enzym, das in der Niere
hergestellt wird und an der Kontrolle des Blutdrucks maßgeblich
beteiligt ist ¬– bei ihr eher vermindert“, berichtet die Erstautorin der
Studie, Anastasiia Sholokh aus Klußmanns Arbeitsgruppe.
„Ihre Aldosteron-Werte sind normal.“ Aldosteron ist ein Hormon der Nebenniere, das den Blutdruck wie Renin ansteigen lässt.
- „Auch klassische Parameter der Nierenfunktion wie die glomeruläre Filtrationsrate oder die Albuminwerte im Blut und Urin deuten auf gesunde Nieren hin“, ergänzt Sholokh.
Die Folgen der Mutation imitieren
Im Nierengewebe der Ratten mit HTNB konnten die Forschenden zudem keine
Anzeichen für eine Entzündung oder eine Fibrose – also eine vermehrte
Produktion von Bindegewebe, durch die das Organ versteifen würde –
entdecken.
Auch das Transkriptom, das zeigt, welche Gene gerade aktiv sind, ist in den Nieren der genveränderten Ratten unauffällig.
„Lediglich in bestimmten Regionen des Organs sehen wir eine verminderte Expression des Proteins Amphiregulin“, sagt die Forscherin.
„Da dieses in größeren Mengen die Niere mutmaßlich schädigt, trägt die gedrosselte Produktion wahrscheinlich zum Schutz der Nieren bei.“„Wir konnten zeigen, dass Bluthochdruck nicht immer und automatisch zu Folgeschäden in der Niere führt“, fasst Klußmann zusammen.
„Nun wollen wir den schützenden Effekt des veränderten PDE3A-Gens weiter untersuchen und prüfen, ob er sich mit geeigneten Wirkstoffen nachahmen lässt.“
Dann könnte man Patient*innen mit Bluthochdruck künftig vielleicht vor
chronischen Nierenerkrankungen bewahren.
Max Delbrück Center
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der
Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center) gehört zu den international
führenden biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max
Delbrück, geboren in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An
den Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscher*innen aus
rund 70 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen
kleinsten Bausteinen bis zu organ-übergreifenden Mechanismen. Wenn man
versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ
oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten
vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien
stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch
Patient*innen zugutekommen. Das Max Delbrück Center fördert daher
Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die
Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im
gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem
Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen
Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am Max Delbrück Center
arbeiten 1800 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete Max Delbrück
Center zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin.
Dr. Enno Klußmann
Leiter der Arbeitsgruppe „Ankerproteine und Signaltransduktion“
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC)
+49 (0)30 9406 2596
enno.klussmann@mdc-berlin.de
Jana Schlütter Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft
Kommunikation
Robert-Rössle-Str. 10
13125 Berlin
Deutschland
Berlin
E-Mail-Adresse: jana.schluetter@mdc-berlin.de
Originalpublikation:
Anastasiia Sholokh et al. (2023): „Mutant PDE3A protects the kidney from hypertension-induced damage“. Kidney International, DOI: 10.1016/j.kint.2023.04.026
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Beteiligte
https://www.mdc-berlin.de/de/klussmann#t-profil - AG Klußmann