Medizin am Abend Berlin Fazit: Männer mit gestörtem Zuckerstoffwechsel sollten kohlenhydratreiches Essen am Abend meiden
Wie eine Ernährungsstudie unter Führung des Deutschen Instituts für
Ernährungsforschung (DIfE), einem Partner des Deutschen Zentrums für
Diabetesforschung, zeigt, beeinflusst auch die sogenannte innere Uhr,
wie Menschen mit einer Zuckerstoffwechselstörung auf kohlenhydratreiches
Essen reagieren.
- So wirkte sich bei Männern mit Prädiabetes der
abendliche Verzehr von reichlich stärke- und zuckerhaltigen
Lebensmitteln negativ auf die Blutzuckerregulation aus.
- Im Vergleich
dazu spielte bei gesunden Studienteilnehmern der Zeitpunkt der
Kohlenhydrataufnahme keine wesentliche Rolle für die
Blutzuckerregulation.
Die Wissenschaftler um Katharina Keßler, Andreas F. H. Pfeiffer,
Olga Pivovarova und Natalia Rudovich vom DIfE publizierten ihre
Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift Scientific Reports (Kessler et al.
2017; DOI: 10.1038/srep44170).
Seit Langem ist bekannt, dass die sogenannte innere Uhr eine Rolle für
die Regulation von Stoffwechselprozessen spielt und auch der
Zuckerstoffwechsel einer bestimmten Tagesrhythmik unterliegt.
Zudem
weisen neuere Studien an Nagern darauf hin, dass die innere Uhr auch
beeinflusst, wie der Stoffwechsel auf die Zufuhr von Kohlenhydraten oder
Fetten reagiert und dass bestimmte Zeitfenster für den Verzehr einer
kohlenhydratreichen oder fettreichen Kost aus gesundheitlicher Sicht
besser geeignet sind als andere.
Ebenso kamen Beobachtungsstudien am
Menschen zu dem Ergebnis, dass Personen, die morgens kohlenhydratreich,
aber fettarm essen, ein vermindertes Risiko für Typ-2-Diabetes oder das
metabolische Syndrom besitzen.
Letzteres ist durch Symptome wie
übermäßige Fetteinlagerungen im Bauchraum, Bluthochdruck sowie einen
gestörten Zucker- und Fettstoffwechsel charakterisiert. Das genaue
Zusammenspiel zwischen der Ernährungsweise und der tagesrhythmischen
Regulation des Zuckerstoffwechsels ist jedoch noch nicht hinreichend
erforscht.
Um mehr über die physiologischen Mechanismen zu erfahren, die diesem
Zusammenspiel zugrunde liegen, führten die Wissenschaftler am DIfE eine
Ernährungsstudie an insgesamt 29 Männern durch. Sie waren im Schnitt
etwa 46 Jahre alt und hatten einen durchschnittlichen
Body-Mass-Index
von 27, das heißt, sie waren normal- bis stark übergewichtig. Bei 11
Personen stellten die Wissenschaftler zu Beginn der Studie eine
Zuckerstoffwechselstörung fest. Das bedeutet, die Teilnehmer hatten
bereits erhöhte Nüchtern-Blutzuckerwerte oder ihre Blutzuckerwerte
sanken nach einem Zuckerbelastungstest deutlich langsamer ab als normal.
Bei den restlichen 18 Studienteilnehmern war die Blutzuckerregulation
dagegen nicht gestört, ihre
Glukosetoleranz war also normal.
Während der Studie mussten die Studienteilnehmer für jeweils vier Wochen
zwei unterschiedliche Diäten A und B* einhalten. Beide Diäten lieferten
dieselbe Menge an
Kalorien, Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß, jedoch
unterschieden sie sich darin, zu welcher Tageszeit die Teilnehmer
vorwiegend Kohlenhydrate oder Fette verzehrten. So aßen
Studienteilnehmer nach Diätplan A von morgens bis 13:30 Uhr
kohlenhydratbetont und von 16:30 bis 22:00 Uhr fettbetont. Nach Diätplan
B verzehrten sie vormittags fettreiche und nachmittags und abends
kohlenhydratreiche Speisen. Begleitend zu den jeweiligen
Ernährungsumstellungen untersuchten die Wissenschaftler verschiedene
Stoffwechselwerte der Studienteilnehmer.
„Wie unsere Studie zeigt, ist es zumindest für Männer mit einer
Zuckerstoffwechselstörung relevant, zu welcher Tageszeit sie eine
kohlenhydratreiche Mahlzeit verzehren.
Verglichen wir die nach den
beiden Diäten gemessenen Blutzuckerwerte, so lagen ihre
Blutzuckerspiegel nach Diät B um durchschnittlich 7,9 Prozent höher als
nach Diät A, bei der die Teilnehmer abends fettbetont aßen.
Interessanterweise konnten wir diesen Effekt bei den gesunden Männern
nicht beobachten, obwohl wir generell sowohl bei den gesunden als auch
den vorbelasteten Personen eine Abnahme der Glukosetoleranz im
Tagesverlauf feststellten. Diese fiel bei Letzteren allerdings deutlich
stärker aus“, sagt Erstautorin Keßler. Des Weiteren beobachteten die
Forscher bei den
vorbelasteten Männern eine veränderte Sekretion der
Darmhormone Glucagon-like peptide-1 (GLP-1)** und Peptid YY (PYY)***,
die zur Regulation des Zuckerstoffwechsels bzw. des Körpergewichts
beitragen und deren Ausschüttung einer bestimmten Tagesrhythmik
unterliegt.
- So sanken bei vorbelasteten Personen parallel zur deutlich
ausgeprägten, nachmittäglichen Abnahme der Glukosetoleranz die
Blutspiegel der beiden Hormone wesentlich stärker ab als bei gesunden
Studienteilnehmern.
„Die zirkadiane Rhythmik der Hormonausschüttung beeinflusst also, wie
wir auf Kohlenhydrate reagieren“, sagt Endokrinologe Pfeiffer, der am
DIfE die Abteilung Klinische Ernährung leitet.
- Daher empfehlen
Diabetologin Rudovich und Wissenschaftlerin Pivovarova insbesondere
Menschen, die bereits unter einer Störung des Zuckerstoffwechsels
leiden, sich nach ihrer inneren Uhr zu richten und am Abend
kohlenhydratreiche Mahlzeiten zu meiden.
Hintergrundinformationen:
An der Untersuchung nahmen nur Männer teil, da die
Untersuchung
zirkadianer Rhythmen b
ei Frauen auf Grund des Menstruationszyklus
erheblich erschwert ist.
* Bei beiden Diäten A und B lag der
Gesamtanteil der Kohlenhydrate an
der Energiezufuhr bei 50 Prozent, der der Fette bei 35 Prozent und der
des Eiweiß bei 15 Prozent, was einer
ausgewogenen Ernährung entspricht.
In dem Zeitfenster, in dem verstärkt Kohlenhydrate verzehrt werden
sollten, d. h. in der kohlenhydratreichen Diätphase, lag der Anteil der
Kohlenhydrate an der Energiezufuhr bei 65 Prozent, der der Fette bei 20
Prozent und der des Eiweiß bei 15 Prozent. Dagegen lag in der
fettbetonten Diätphase der Anteil der Kohlenhydrate an der Energiezufuhr
bei 35 Prozent, der der Fette bei 50 Prozent und der des Eiweiß bei 15
Prozent. Jeweils 50 Prozent der täglich aufgenommenen Kalorien entfiel
auf die kohlenhydrat- bzw. die fettreiche Phase.
** Glucagon-like peptide-1 (GLP-1): Im Darm setzen sogenannte L-Zellen
GLP-1 frei, nachdem sie durch Kohlenhydrate (z. B. Zucker), Eiweiße oder
Fette stimuliert wurden. Das Peptidhormon hat eine Halbwertszeit von
weniger als zwei Minuten, stimuliert die Insulinfreisetzung und hemmt
gleichzeitig die Ausschüttung des hormonellen Insulingegenspielers
Glucagon. Beides führt dazu, dass der Blutzuckerspiegel sinkt. Zudem
weisen Untersuchungen darauf hin, dass es die Insulinempfindlichkeit der
Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse wiederherstellt und gleichzeitig
ihrem Absterben entgegenwirkt. Darüber hinaus verzögert es die Aufnahme
von Kohlenhydraten aus dem Darm und wirkt sättigend (Quelle: Wikipedia).
*** Peptid YY (PYY) wird nach dem Essen von bestimmten Zellen der
Darmschleimhaut ins Blut abgegeben.
PYY hemmt die Magenentleerung, die
exokrine Pankreassekretion sowie die Magensekretion. Hierdurch wird die
Entleerung von fetthaltiger Nahrung in den Dünndarm verzögert und so
eine bessere Verdauung ermöglicht.
PYY beeinflusst ebenfalls sehr stark
das Appetit- und Sättigungsgefühl und führt hierüber zu einer
reduzierten Nahrungsaufnahme (Quelle: Wikipedia).
Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen
ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention,
Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen
Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des
metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht),
Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und
Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern
sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und
Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF
geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD;
https://www.dzd-ev.de/).
Die Leibniz-Gemeinschaft (
https://www.leibniz-gemeinschaft.de/start/)
verbindet 91 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung
reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die
Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den
Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich,
ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis-
und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden
Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche
Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die
Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem
mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik,
Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen
pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der
Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im
In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen
Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung
fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft
gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.600 Personen,
darunter 9.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat
der Institute liegt bei mehr als 1,7 Milliarden Euro.
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Prof. Dr. Andreas F. H. Pfeiffer
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E-Mail: afhp@charite.de
PD Dr. Natalia Rudovich
Seit kurzem in der Schweiz tätig:
Division of Endocrinology and Diabetology
Department of Internal Medicine
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Katharina Keßler
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