Medizin am Abend Berlin - MaAB - Fazit: Dramatische Versorgungslücke bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen und Synkope
• Jeder zweite Mensch erleidet im Laufe seines Lebens eine Synkope,
also eine kurze Ohnmacht, deren Ursache nicht selten
Herzrhythmusstörungen sind.
• Europäische Leitlinien empfehlen zur sicheren und raschen Diagnostik implantierbare Ereignisrekorder.
• Diese Ereignisrekorder können derzeit bei gesetzlich versicherten
Patienten nicht leitliniengerecht angewendet werden, da sie nicht
erstattet werden.
• Bei etwa einem Drittel aller Schlaganfälle wird zunächst keine
Grunderkrankung festgestellt.
Auch hier können implantierbare
Ereignisrekorder bei der Suche helfen, damit rasch eine wirksame
Therapie eingeleitet werden kann.
Synkopen sind ein häufig auftretendes
Problem.
In dem meisten Fällen handelt es sich um sogenannte
Reflexsynkopen oder vasovagale Synkopen, die meistharmlos sind.
„Davon
abzugrenzen – und das macht die Diagnostik kompliziert – sind Synkopen,
die durch kardiale Erkrankungen entstehen, allen voran durch
bradykarde
oder tachykarde Rhythmusstörungen“, sagt Prof. Dr. Wolfgang von Scheidt,
der federführende Autor des deutschen Kommentars zu der europäischen
Leitlinie Diagnostik und Management von Synkopen.
- „Die Ursachen können
für den Patienten lebensgefährlich sein.
- Die Synkope von heute kann der
plötzliche Herztod von morgen sein.“
-
Ereignisrekoder sind für eine effektive Diagnostik von Synkopen unerlässlich
Patienten, bei denen die Ursache für ihre wiederkehrenden Ohnmachten in
einer Störung des Herzrhythmus vermutet wird, erhalten ein
Langzeit-EKG,
um die Rhythmusstörung identifizieren und wirkungsvoll behandeln zu
können.
- Da ein Langzeit-EKG aber nur bei 4 % der Patienten ein Ergebnis
erfasst, empfiehlt die Leitlinie, es nur bei Patienten anzuwenden, die
häufiger als einmal pro Woche eine Synkope erleiden.
Dies ist allerdings
nur bei dem geringsten Teil der Betroffenen der Fall.
- Das international
etablierte diagnostische Verfahren zum Nachweis der bei Synkopen
zugrundeliegenden Rhythmusstörungen ist der implantierbare
Ereignisrekorder.
Es handelt sich hierbei um einen kleinen Chip, der
innerhalb weniger Minuten unter die Haut implantiert werden kann
und
über drei Jahre hinweg den Herzrhythmus aufzeichnet.
„Sollte also Wochen
oder Monate nach der Implantation die nächste Ohnmacht auftreten, kann
der Ereignisrekorder ausgelesen werden und offenbart den Herzrhythmus
zum Zeitpunkt der Synkope“, erklärt von Scheidt.
Ereignisrekorder finden Vorhofflimmern deutlich öfter
Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet des Ereignisrekorders ist
der
kryptogene Schlaganfall.
Bei rund einem Drittel der
Schlaganfall-Patienten wird keine Grundkrankheit entdeckt, die erklären
könnte, warum es zum Schlaganfall gekommen ist. In diesen Fällen spricht
man von kryptogenen Schlaganfällen.
Schon 2014 zeigte eine große
Studie, dass bei einem weitaus größeren Teil der Patienten
mit
kryptogenem Schlaganfall ein gelegentliches anfallsartiges
Vorhofflimmern (paroxsysmales Vorhofflimmern) auftritt, als man zuvor
angenommen hatte.
- Während die herkömmlichen Diagnoseverfahren EKG und
Langzeit-EKG innerhalb von 12 Monaten nur bei 2 % der Patienten
Vorhofflimmer-Episoden aufdecken konnten, wurden mit dem implantierten
Ereignisrekorder im gleichen Zeitraum bei 12,4 % der Patienten
Vorhofflimmern mit einer Länge von mehr als 30 Sekunden gefunden.
Bei
der
Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern kommt es zu schnellen,
chaotischen Kontraktionen der Vorhöfe des Herzens, wodurch sich die
Strömung des Blutes im Herzen verändert.
Es können sich Gerinnsel
bilden, die in das Gehirn geschwemmt werden und dort einen Schlaganfall
verursachen.
- Eine frühzeitige Erkennung von Vorhofflimmern mit
Ereignisrekordern erlaubt das rechtzeitige Einleiten einer
Antikoagulantientherapie und so das Verhindern von Schlaganfällen.
Mangelnde Vergütung von Implantation und Nachsorge führt zu Unterversorgung
Obwohl der klinische Nutzen der Detektion von selten und unregelmäßig
auftretenden Herzrhythmusstörungen mit implantierten Ereignisrekordern
durch zahlreiche Studien und Metaanalysen belegt ist, besteht in
Deutschland bezüglich der Versorgung mit den Rekordern eine von
ärztlicher und Patientenseite unerträgliche Situation, wie die DGK in
einer Stellungnahme (
https://doi.org/10.1007/s12181-018-0297-7)
erörtert.
„Leider wird die Implantation eines Ereignisrekorders bisher
von den Krankenkassen als letzter Schritt in der Diagnostik angesehen,
obwohl man schon sehr schnell an dem Scheideweg in der Diagnostik
angekommen ist, in der er gewinnbringend eingesetzt werden kann“, stellt
von Scheidt hinsichtlich der Abklärung von Synkopen fest.
- „In der
Realität muss, damit die Implantation vergütet wird, eine lange
Diagnostikkaskade vorweggehen, die bei weiten Teilen dieser Patienten
unnötig ist, beispielsweise neurologische Untersuchungen.
Eine ambulante
Implantation wird derzeit sogar überhaupt nicht vergütet, obwohl der
Eingriff ambulant sehr gut und gefahrlos durchgeführt werden kann.
“ Er
resümiert:
„Die Vorgaben der Krankenkassen widersprechen der
Leitlinienempfehlung.“ Prof. Dr. Thomas Deneke, Sprecher der
Arbeitsgruppe Rhythmologie der DGK, bestätigt:
„Es wird in der
Synkopendiagnostik sehr viel Geld für Maßnahmen ausgegeben, die unnütz
sind. Dieses Geld sollte man eher in die Versorgung mit
Ereignisrekordern stecken.“
Doch nicht nur die Vergütung der Implantation ist unzureichend.
„Die
Nachsorge können wir derzeit überhaupt nicht abrechnen“, so Deneke.
„Die
Ereignisrekorder müssen idealerweise telemedizinisch nachgesorgt
werden. Ich sehe mir im Schnitt am Tag 200-300 zum Teil auch
fehldetektierte Episoden von etwa 50 Patienten an, nach dem Wochenende
auch mal von 150 Patienten.“
Die mangelnde Vergütungssituation sowohl
von Implantation als auch von Nachbetreuung führt allerdings häufig
dazu, dass die Ereignisrekorder gar nicht erst eingesetzt werden können.
Durch die genannten Sachverhalte besteht in Deutschland eine
Unterversorgung von Patienten mit Herzrhythmusstörungen und Synkopen,
wie es in der Stellungnahme der DGK heißt.
Eine leitliniengerechte
Diagnosestellung und Initiierung von zum Teil lebenswichtigen Therapien
ist daher in vielen Fällen nicht möglich und erhöht das Risiko der
Patienten, Folgeerkrankungen zu erleiden oder zu versterben.
„Die
Implantation und Nachsorge von Ereignisrekordern muss dringend vergütet
werden, sowohl stationär als auch ambulant. Und zwar möglichst
unkompliziert“, fordert Deneke.
Von Scheidt fügt hinzu:
„Die
Krankenkassen müssen ihre Haltung zu implantierbaren Ereignisrekordern
unserer Meinung nach dringend überdenken!“
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