Medizin am Abend Berlin Fazit: Infektiöses Protein zeigt sich von seiner guten Seite
Stress-Sensoren erhöhen Überleben von Hefe-Zellen
Prionen sind sich selbst vermehrende Proteinaggregate, die zwischen
Zellen übertragen werden können.
Pathologische Prionen gelten als
Auslöser für BSE in Rindern und die menschliche
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit.
- Auch neurodegenerative Erkrankungen wie ALS
werden mit der Ansammlung von prionenartigen Proteinen in Verbindung
gebracht.
Die Region innerhalb dieser Proteine, die für die
Aggregatbildung verantwortlich ist, wird als Prionendomäne bezeichnet.
Trotz der großen Rolle, die diese in menschlichen Krankheiten spielt,
blieb die physiologische Funktion dieser Prionendomäne bisher weitgehend
unbekannt.
Kryo-Elektronenmikroskopie-Abbildung eines biomolekularen Kondensates eines Prionproteins
MPI für Molekulare Zellbiologie und Genetik
Nun haben Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie
und Genetik (MPI-CBG), des Biotechnologischen Zentrums der TU Dresden
(BIOTEC) und der Washington University in St. Louis, USA, zum
ersten Mal
eine nützliche und biologisch relevante Funktion einer Prionendomäne
identifiziert.
Als proteinspezifischer Sensor für Stress erlaubt die
Prionendomäne den Zellen, sich an wechselnde Umweltbedingungen
anzupassen, um so besser zu überleben.
Die Entschlüsselung dieser
hilfreichen physiologischen Eigenschaft ist ein bedeutender Schritt, um
die Verständniskluft zwischen den biologischen Aufgaben der
Prionendomänen und ihren Veränderungen in pathologischen
Krankheitszuständen zu schließen. Die Entdeckungen wurden in der
Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
-
Ansammlungen von prionenartigen Proteinen können andere Proteine in
ihrer Umgebung anstecken, was vergleichbar ist mit der Ausbreitung von
viralen Infektionen.
Das wirft die Frage auf, warum diese Proteine
während der Evolution beibehalten werden:
Sind diese Sequenzen
vielleicht für irgendetwas gut? Das Team um Forschungsgruppenleiter
Prof. Simon Alberti vom MPI-CBG konzentrierte sich in ihrer Studie auf
das Prionenprotein Sup35 in Hefe, das eine lange Geschichte als Modell
für die Prionenforschung hat. Sie stellten fest, dass die Prionendomäne
von Sup35 schützende Tropfen und Gele für Proteine bildet und wie ein
Stress-Sensor in Zellen wirkt, die schwierigen Bedingungen ausgesetzt
sind.
-
Wenn Hefezellen gestresst werden, zum Beispiel durch den Entzug von
Nahrung, sinkt ihr Energieniveau.
- Dies führt zu einer Abnahme des
zellulären pH-Wertes – die Zellen werden sprichwörtlich sauer.
Medizin am Abend Berlin ZusatzFachThema: Laborerhebung Harnstatus
Die
Folgen:
Die Zellteilung wird eingestellt, der Stoffwechsel wird
heruntergefahren und die Zellen verharren im Bereitschaftsmodus.
Ist der
Stress vorbei, müssen die Zellen rasch ihren Stoffwechsel wieder
ankurbeln, um Wachstum und Zellteilung erneut zu starten.
Prof. Simon
Alberti und seine Kollegen fanden nun, dass die Prionendomäne von Sup35
für die Zellen wichtig für das Meistern schwieriger Situationen ist.
“Wir haben beobachtet, dass sich Zellen ohne diese Prionendomäne
schlechter von Stress erholen.”, fasst Titus Franzmann, Erstautor der
Studie, die Ergebnisse zusammen. Die Wissenschaftler entdeckten, dass
die Prionendomäne von Sup35
auf den sauren pH-Wert reagiert, indem sie
Proteintropfen bildet.
In diesen Tropfen, die ähnlich wie Wasser
kondensieren, wird das wichtige Sup35 Protein während der schwierigen
Phase eingeschlossen und geschützt.
“Um das Protein aufzubewahren, kann
sich der Proteintropfen sogar in ein Gel verfestigen.”, erklärt Mitautor
Marcus Jahnel aus der Biophysik Arbeitsgruppe von Prof. Stephan Grill
vom BIOTEC.
So kann die Zelle nach der Belastung das Sup35 Protein
zurückgewinnen.
Die Kollegen der Washington University in St. Louis,
USA, konnten zudem die Sequenzen der Aminosäuren von Sup35 vorhersagen,
die es dem Protein erlauben, so sensibel auf die Veränderungen des
pH-Wertes im Zellplasma zu reagieren.
In diesem Zusammenhang betont
Rohit Pappu, Edwin H. Murty Professor of Biomedical Engineering an der
Washington University: “Wir haben daran gearbeitet, die molekularen
Komponenten aufzudecken, die Sup35 mit diesen anpassungsfähigen
Eigenschaften ausstatten. Dies ist ein wichtiger Schritt, um Zellen auf
molekularer Ebene zu verstehen, und um diese Prinzipien zur Entwicklung
synthetischer Systeme zu nutzen.”
Auch aus evolutionärer Sicht sind die Kondensate von Sup35 sehr
interessant, da diese sogar in Hefearten erhalten sind, die sich seit
rund 400 Mio. Jahren getrennt entwickeln. Dies lässt vermuten, dass die
Fähigkeit Tropfen und Gele zu bilden, eine angestammte Funktion der
Sup35 Prionendomäne ist. Titus Franzmann schlussfolgert: “Unsere
Experimente legen nahe, dass Prionendomänen protein-spezifische
Stress-Sensoren sind, die es Zellen erlauben, schnell auf bestimmte
Umweltbedingungen zu reagieren.
Auf diese Art konnten wir zum ersten Mal
zeigen, dass eine Proteinregion, die bisher nur mit
krankheitsverursachenden Aggregaten in Verbindung gebracht wurde, in
einem anderen Kontext auch eine positive Funktion haben kann.
Vielleicht
ist das der Grund, warum die Evolution sie so lange bewahrt hat.”
Originalpublikation:
Titus M. Franzmann, Marcus Jahnel, Andrei Pozniakovsky, Julia Mahamid,
Alex S. Holehouse, Elisabeth Nüske, Doris Richter, Wolfgang Baumeister,
Stephan W. Grill, Rohit V. Pappu, Anthony A. Hyman und Simon Alberti,
Phase separation of a yeast prion protein promotes cellular fitness,
Science, (359) 5 January 2018.
DOI: 10.1126/science.aao5654
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