Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Studie der Universität Leipzig: Neurotische Menschen leiden häufiger unter Stimmungsschwankungen
Im Alltag ändern sich unsere Emotionen oft von Augenblick zu Augenblick, und Menschen erleben diese Schwankungen in unterschiedlichem Maße.
Psycholog:innen der Universität Leipzig haben den Zusammenhang zwischen der Persönlichkeitseigenschaft Neurotizismus - einem potenziellen Risikofaktor für die mentale Gesundheit - und emotionalem Erleben untersucht.
Sie fanden heraus, dass neurotische Menschen negative Emotionen nicht nur intensiver, sondern auch mit mehr Stimmungsschwankungen erleben als andere.
Ihre Erkenntnisse haben sie nun im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht.
Neurotische Menschen leiden häufig unter Stimmungsschwankungen. Foto: Colourbox
- „Frühere Studien sind sich einig, dass neurotische Personen stärkere negative Emotionen im Alltag erleben.
Uneinigkeit herrschte aufgrund von neuen, widersprüchlichen Studien darüber, ob dies auch mit erhöhter Variabilität im emotionalen Erleben, also Stimmungsschwankungen, einhergeht“, sagt die Erstautorin der Studie Nina Mader vom Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie der Universität Leipzig.
Die
Persönlichkeitspsycholog:innen der Universität Leipzig haben einen neuen
Ansatz zur Modellierung der Daten gefunden, der bisherige methodische
Probleme löst. „Wir verwenden einen Ansatz aus der bayesianischen
Statistik, der zusätzliche Flexibilität in der Datenmodellierung
erlaubt. Diesen Ansatz haben wir zuerst in Simulationen erfolgreich
getestet und dann 13 Längsschnittdatensätze erneut untersucht. Die
Ergebnisse deuten darauf hin, dass neurotische Menschen tatsächlich eine
größere Variabilität in negativen Emotionen erleben“, erklärt Mader.
Insgesamt wurden 2.518 Personen zu ihren Emotionen befragt.
Neurotizismus ist eine Persönlichkeitseigenschaft.
- Die einzelnen Persönlichkeitseigenschaften beschreiben zeitlich relativ stabile, transsituativ konsistente Merkmale einer Person.
- Sie umfassen sowohl unser Erleben als auch unser Verhalten und damit auch, wie wir denken (Kognitionen) und fühlen (Affekte).
- Menschen unterscheiden sich in ihrer Persönlichkeit und damit auch in ihrer Neurotizismus-Ausprägung.
„Es
gibt also nicht eine Schwarz-Weiß-Einteilung in neurotische Menschen und
nicht-neurotische Menschen, sondern vielmehr ein dimensionales
Kontinuum mit vielen Graustufen“, so die Psychologin.
Personen mit hohen Neurotizismus-Werten erleben negative Emotionen nicht
nur stärker, sondern auch häufiger als Personen mit durchschnittlichen
beziehungsweise unterdurchschnittlichen Ausprägungen.
Sie sind öfter selbstkritisch, reagieren schlechter auf Kritik von außen und erleben vermehrt das Gefühl "nicht gut genug" zu sein.
Studien haben gezeigt, dass Neurotizismus-Werte am höchsten während der späten Jugend sind und dann im Laufe des Erwachsenenalters wieder abnehmen und sich stabilisieren.
Zudem weisen Frauen sowie Personen mit niedrigem
sozioökonomischem Status höhere Neurotizismus-Werte auf als andere
Menschen.
Seit den 90er Jahren interessieren sich Persönlichkeitspsycholog:innen
dafür, wie beziehungsweise ob die Persönlichkeit unser emotionales
Erleben beeinflusst. In mehreren Studien wurde dazu die Persönlichkeit
von einer großen Stichprobe erhoben sowie das emotionale Erleben über
einen längeren Zeitraum beobachtet. So wurde beispielsweise mehrmals
täglich abgefragt, wie traurig, wütend oder gelangweilt die
Proband:innen auf einer Skala von 1 bis 7 waren.
Dabei zeigte sich deutlich, dass es einen Zusammenhang zwischen Neurotizismus und dem Erleben von negativen Emotionen gibt.
„Während negative Emotionen im Alltag bei Personen mit niedrigen Neurotizismus-Werten sehr selten auftreten, berichten Menschen mit hohen Neurotizismus-Werten über signifikant mehr negative Emotionen in ihrem Alltag“, erläutert Mader.
Man spricht von einer überproportional starken Reaktion auf auslösende Umstände.
So könnte zum Beispiel eine kleine Meinungsverschiedenheit bei
Letzteren große Wut auslösen oder auch nur der Gedanke, dass die Bahn
heute sehr voll sein könnte, starken Stress und Sorgen verursachen.
Originaltitel der Veröffentlichung in PNAS:
„Emotional (in)stability: Neuroticism is associated with increased
variability in negative emotion after all“,
doi.org/10.1073/pnas.221215412
Nina Mader
Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie der Universität Leipzig
E-Mail: nina.mader@uni-leipzig.de
Susann Huster Universität Leipzig
Telefon: 0341 / 9735022
E-Mail-Adresse: susann.huster@zv.uni-leipzig.de
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https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2212154120