Medizin am Abend Fazit: Gesunde Ernährung schützt das Gehirn
Patienten mit einem hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Leiden und
Schlaganfälle können sich womöglich durch gesunde Ernährung vor
geistigem Abbau schützen.
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http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/06/rk20150610_2bvr196712.html
„Die Auswertung zweier großer Untersuchungen
mit fast 30.000 Teilnehmern durch die kanadischen Kollegen zeigt, dass
gesunde Essgewohnheiten das Risiko kognitiver Einschränkungen und
demenzieller Erkrankungen im Alter tatsächlich verringern können“,
kommentiert Professor Dr. Agnes Flöel von der Deutschen Gesellschaft für
Neurologie.
„Die Erkenntnisse sind ein weiterer Schritt auf dem Weg zu soliden
wissenschaftlichen Empfehlungen, um das Demenzrisiko für Patienten wie
auch Gesunde zu senken“, so die Leiterin der Arbeitsgruppe Kognitive
Neurologie an der Klinik für Neurologie der Charité in Berlin.
Welche
Nährstoffe für den positiven Effekt verantwortlich sind und ob auch
andere Faktoren wie eine verminderte Kalorienzufuhr positiv auf das
Gehirn wirken, wird derzeit weltweit intensiv untersucht.
Auch auf dem
88. Neurologenkongress, der mit rund 6000 Experten für Gehirn und Nerven
vom 23. bis 26. September in Düsseldorf stattfindet, wird das Thema
diskutiert.
Für die Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Neurology
veröffentlicht wurde, hat ein Forscherteam um Andrew Smyth von der
McMaster University im kanadischen Hamilton die Daten von zwei großen
Untersuchungen zur Wirkung blutdrucksenkender Medikamente neu
ausgewertet.
Das Ergebnis: Die Studienteilnehmer, die sich am
gesündesten ernährten, hatten ein um 24 Prozent geringeres Risiko für
geistigen Abbau im Vergleich zu denen, die sich besonders ungesund
ernährten.
Als „gesund“ galt dabei eine Diät mit viel Obst, Gemüse,
Nüssen oder Eiweiß aus Soja sowie bei tierischen Nahrungsmitteln die
Formel „mehr Fisch als Fleisch“ – im Gegensatz zum Konsum von zum
Beispiel viel frittiertem Essen oder Alkohol.
„Die Ergebnisse legen nahe, dass gesunde Essgewohnheiten nicht nur das
Herz-Kreislauf-Risiko
sondern auch das Risiko für kognitive Störungen,
insbesondere bezüglich Aufmerksamkeits- und Kontrollfunktionen, aber
auch von Gedächtnisstörungen, senken könnten“, erläutert Flöel. Den
deutlichen Unterschied von 24 Prozent zwischen dem besten und dem
schlechtesten Fünftel der Teilnehmer hält sie in dieser großen,
multinationalen Studie für bemerkenswert.
Zusammenhang zwischen Essgewohnheiten und kognitiven Leistungen
Die 27.860 Teilnehmer der Studie aus 40 Ländern waren mindestens 55
Jahre alt, sie litten an Herzerkrankungen oder hatten ein hohes Risiko
für die Zuckerkrankheit.
Gemessen wurde die geistige Leistung anhand des
Mini-Mental-Status-Test (MMST), einem Standardtest zur Diagnose von
Demenz und Alzheimer.
Der MMST wird als Interview durchgeführt. Anhand
von festen Aufgabenkomplexen werden zentrale kognitive Funktionen
überprüft, wie zeitliche und räumliche Orientierung, Merkfähigkeit,
Aufmerksamkeit, Sprachverständnis, Lesen, Schreiben, Zeichnen und
Rechnen. In der Studie wurde der Test zu Beginn der Untersuchung und
nach fünf Jahren durchgeführt. In diesem Zeitraum beobachteten die
Forscher etwa bei jedem sechsten Studienteilnehmer eine Verschlechterung
der kognitiven Leistungen. Diese Informationen stellten Smyth und
Kollegen dann den Ergebnissen aus einer Befragung zu den Essgewohnheiten
der Studienteilnehmer gegenüber.
Auch Fasten und Bewegung helfen dem Gehirn
Flöel hält es allerdings auch für möglich, dass die errechnete
Risikoreduktion nicht allein auf das gesunde Essen zurückgeht,
sondern
auch eine Folge der verminderten Kalorienzufuhr sein könnte. Die
Forscherin selbst hat die positiven Auswirkungen solch einer
„kalorischen Restriktion“ bereits vor einigen Jahren am
Universitätsklinikum Münster nachgewiesen. Damals konnte Flöel zeigen,
dass ältere Versuchspersonen im Anschluss an eine dreimonatige
verringerte Kalorienzufuhr besser lernten: Die Lernleistung stieg um 20
Prozent gegenüber der Vergleichsgruppe.
Dieser Effekt beruht
möglicherweise auf einem verbesserten Glukose-Stoffwechsel und einer
damit verbundenen, positiven Wirkung auf insulinabhängige
Stoffwechselwege im Gehirn, vermutet Flöel.
In der aktuellen Studie hatten die Forscher zwar mit statistischen
Methoden mögliche Auswirkungen des Rauchens, des Körpergewichts und von
sportlichen Aktivitäten herausgerechnet. Der unterschiedliche
Energiegehalt der Nahrung wurde aber nicht berücksichtigt. Statt dessen
ging es darum, wie viele Portionen Obst, Gemüse, Nüsse, frittiertes
Essen oder Alkohol täglich konsumiert wurden, und wie das Verhältnis von
Fisch zu Fleischprodukten und Eiern war.
Weiter kann die Studie nicht beantworten, welche Inhaltsstoffe der
„gesunden Lebensmittel“ letztlich für die positiven Effekte
verantwortlich waren. Dies wird weltweit derzeit intensiv untersucht,
auch von der Arbeitsgruppe von Professor Flöel. Mögliche Substanzen sind
hier Omega-3-Fettsäuren, B-Vitamine und Nährstoffe, die eine
Kalorienrestriktion imitieren, mit positiven Auswirkungen auf den
Glukose-Stoffwechsel. Hierzu gehört zum Beispiel das in Weintrauben
vorkommende Resveratrol oder die für Selbstreinigungsprozesse der Zelle
wichtigen Polyamine, die unter anderem in Weizenkeimlingen oder
Sojabohnen enthalten sind.
Dem geistigen Abbau aus eigener Kraft entgegenwirken
Trotz dieser Einschränkungen sei die Arbeit der Kollegen ein weiterer
Schritt nach vorne, lobt Flöel. Die Forschung sucht schon lange nach
einem wirksamen Schutz gegen Demenz. Neben gesunder Ernährung wird
körperlicher Aktivität eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Der
Schlüssel liegt daher in jedem Einzelnen: „Auch wenn viele Details noch
nicht geklärt sind, so scheint doch sicher, dass es mehrere
Möglichkeiten gibt, dem geistigen Abbau aus eigener Kraft entgegen zu
wirken. Eine gesunde und maßvolle Ernährung und regelmäßige Bewegung
gehören zu den präventiven und wirkungsvollen Maßnahmen, die jeder heute
schon umsetzen kann“, so Flöel. Und zwar nicht erst, wenn die sich die
Erkrankungen schon zeigen, wie bei den Patienten der kanadischen Studie.
Quellen
Smyth A, et al: Healthy eating and reduced risk of cognitive decline: A
cohort from 40 countries. Neurology. 2015 Jun 2;84(22):2258-65
Witte AV, et al: Caloric restriction improves memory in elderly humans. Proc Natl Acad Sci U S A. 2009 Jan 27;106(4):1255-60
Witte AV, Kerti L, Margulies DS, Flöel A. Effects of resveratrol on
memory performance, hippocampal functional connectivity, and glucose
metabolism in healthy older adults. J Neurosci. 2014;34(23):7862-70.
Witte AV, Kerti L, Hermannstädter HM, Fiebach JB, Schreiber SJ,
Schuchardt JP, Hahn A, Flöel A. Long-chain omega-3 fatty acids improve
brain function and structure in older adults. Cereb Cortex.
2014;24(11):3059-68.
Medizin am Abend DirektKontakt
Prof. Dr. med. Agnes Flöel
Charité - Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Neurologie
Charitéplatz 1, 10117 Berlin
Tel: +49 (0) 30 4506 6028 4, E-mail: agnes.floeel@charite.de
Deutschen Gesellschaft für Neurologie
Frank A. Miltner,
Englmannstr. 2, 81673 München
Tel.: +49 (0) 89 46148622, E-Mail: presse@dgn.org
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
Mensch im Blick – Gehirn im Fokus
88. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vom 23. bis 26. September in Düsseldorf
Rund 6000 Experten für Gehirn und Nerven tagen im September in
Düsseldorf. Von Demenz bis Epilepsie, von Schlaganfall bis Multiple
Sklerose – der DGN-Kongress ist das zentrale Wissenschafts-,
Fortbildungs- und Diskussionsforum der neurologischen Medizin in
Deutschland. Journalisten bietet er Gelegenheit zur Recherche sowie für
persönliche Gespräche mit den führenden Köpfen der deutschen und
internationalen Neuromedizin.
Die DGN bietet ein gut ausgestattetes Pressezentrum mit Informationen
und Computer-Arbeitsplätzen.
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