Medizin am Abend Fazit: Neuer Wirkstoff gegen gefürchtete Krankenhauskeime
Hintergrundlink:
Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) schließen sich
Wissenschaftler der Universitäten Tübingen, Münster und München zusammen
und bereiten gemeinsam mit der Firma Hyglos die klinische Prüfung eines
Wirkstoffs gegen den gefürchteten Krankenhauskeim Staphylococcus aureus
vor: Die prophylaktische Behandlung der Nasenbesiedlung könnte einer
Ausbreitung insbesondere Methicillin-resistenter Erreger (MRSA) in
Kliniken entgegenwirken und Infektionen beim Patienten verhindern.
Krankenhauskeime können auch bei Operationen zum Problem werden
Pfree 2014
Jeder Dritte, so Schätzungen von Experten, beherbergt das Bakterium
Staphylococcus aureus in seiner Nase - was im normalen Leben
ungefährlich ist, wird bei einem Krankenhausaufenthalt schnell zum
Problem.
Denn die Erreger können zum Beispiel im Zusammenhang
mit
Operationen in Wunden gelangen und gefährliche Infektionen auslösen.
Hinzu kommt die Gefahr einer Ausbreitung des Erregers als
Krankenhauskeim. Besonders gefürchtet sind die sog.
Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Keime, abgekürzt MRSA,
denn sie sind unempfindlich gegen viele der gebräuchlichen Antibiotika.
„Eine schnelle Erkennung und wirksame Beseitigung einer MRSA-Besiedlung
der Nase vor einem Krankenhausaufenthalt ist ein entscheidender Schritt
im Kampf gegen diese Krankenhauskeime“, so die Überzeugung von Prof. Dr.
Karsten Becker von der Universität Münster.
Gegen das derzeit in
Kliniken gebräuchliche Antibiotikum Mupirocin sind die Bakterien in der
Nase zunehmend unempfindlich, und die Dauer einer „Sanierung“ und einer
Kontrolle ihres Erfolgs liegt bei etwa einer Woche.
Für Patienten, die
schnell operiert werden müssen, ist damit keine wirksame MRSA-Vorsorge
möglich.
Gemeinsam mit der Hyglos GmbH in Bernried und mit Förderung des BMBF
haben die Wissenschaftler am Uniklinikum Münster in den letzten Jahren
einen Wirkstoff der besonderen Art entwickelt und seine Wirkung
untersucht:
Ein Phagenlysin, das heißt ein Protein aus Viren, die
Bakterien befallen, greift spezifisch Staphylococcus aureus-Zellen an
und löst sie auf.
Das Protein wurde künstlich hergestellt und als
„Designer-Protein“ unter dem
Arbeitsnamen HY-133 optimiert. „Wir
sprechen allerdings gern vom
MRSA-Killerprotein, auch wenn das etwas
reißerisch klingt“, erklärt Dr. Wolfgang Mutter von der Hyglos GmbH.
Denn tatsächlich würden alle Staphylococcus aureus-Zellen, ob resistent
oder nicht resistent, von dieser Substanz innerhalb kürzester Zeit
getötet. Und das, ohne die natürliche Mikroflora in der Nase zu
zerstören oder eine Resistenzbildung zu fördern.
In Kooperation mit dem Mikrobiologen Prof. Dr. Andreas Peschel, der im
DZIF den Forschungsbereich „Krankenhauskeime und antibiotikaresistente
Bakterien“ koordiniert, soll die Substanz nun für die klinische Prüfung
vorbereitet werden.
Mehr als 1,5 Millionen Euro werden dafür im DZIF
bereitgestellt: Damit soll zunächst die Substanz nach
GMP-Richtlinien
(Herstellungspraxis nach pharmazeutischen Standards) hergestellt werden,
um anschließend in einer präklinischen Prüfung toxikologisch getestet
zu werden. Der Pharmazeut Prof. Dr. Gerhard Winter von der LMU München
entwickelt eine stabile Formulierung, damit der Wirkstoff als Gel oder
in einer anderen Form bequem und sicher verabreicht werden kann.
Das Projekt dient der Vorbereitung nachfolgender klinischer Studien, in
denen die
schnelle Sanierung von Staphylococcus aureus-Stämmen in der
Nasenflora von Freiwilligen untersucht wird. „Neben neuen Antibiotika
und Impfstoffen brauchen wir dringend spezifische Wirkstoffe zur
Sanierung von Problemkeimen.
Das
HY-133-Protein ist ein hoch innovativer
Wirkstoff für diesen Zweck, der viele ähnliche Entwicklungsprogramme
anstoßen könnte“, erklärt Prof. Dr. Andreas Peschel dazu.
Dass die Bekämpfung resistenter Krankenhauskeime auch auf politischer
Ebene sehr ernst genommen wird, zeigt sich in der kommenden Woche:
Auf
dem G7-Gipfel in Elmau steht das Thema Antibiotika-Resistenzen auf der
Tagesordnung.
Medizin am Abend DirektKontakt
Prof. Dr. Andreas Peschel
Universität Tübingen
DZIF-Koordinator „Krankenhauskeime und antibiotikaresistente Bakterien“
T +49 7071-29-81515
E-Mail: Andreas.Peschel@med.uni-tuebingen.de
Prof. Dr. Karsten Becker
Universitätsklinikum Münster
T +49(0) 251-83-55375
E-Mail: kbecker@uni-muenster.de
Prof. Dr. Gerhard Winter
Ludwig-Maximilians-Universität München
T +49(0) 89-2180-77022
E-Mail: gerhard.winter@cup.uni-muenchen.de
Dr. Wolfgang Mutter
Hyglos GmbH, Bernried am Starnberger See
T +49(0)8158-9060-201
E-Mail: wolfgang.mutter@hyglos.de
Karola Neubert und Janna Schmidt
T +49531-6181-1170/1154 Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
------------------------------------------------------------------------------------
Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln
bundesweit rund 300 Wissenschaftler aus 32 Institutionen gemeinsam neue
Ansätze zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von
Infektionskrankheiten. Einer der Schwerpunkte ist die Forschung zu
Krankenhauskeimen und antibiotikaresistenten Bakterien. Das DZIF wird
vom BMBF gefördert. Mehr Informationen finden Sie unter www.dzif.de.
Universität Tübingen - Infektions- und Mikrobiologie bildet einen
bedeutenden Forschungsschwerpunkt an der Universität Tübingen, vor allem
im Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin
(IMIT). Die Erforschung von Staphylokokken, das sind Bakterien, die sehr
häufig Antibiotikaresistenzen entwickeln und Infektionen im Krankenhaus
auslösen, ist besonders im Fokus der IMIT-Forscher.
www.uni-tuebingen.de
Universitätsklinikum Münster steht für Spitzenmedizin in der deutschen
Kran-kenhauslandschaft sowie Forschung auf höchstem internationalem
Niveau. Wichtige Forschungsschwerpunkte des UKM-Instituts für
Medizinische Mikrobiologie sind Staphylokokken - Erreger und Infektionen
- sowie Diagnostik, Typisierung, Charakterisierung und
Resistenzbestimmung von Mikroorganismen. www.klinikum.uni-muenster.de
Ludwig-Maximilians-Universität München, Department Pharmazie - Die
Entwicklung stabiler Formulierungen für Proteinarzneimittel sowie die
Verabreichung neuer Biotech-Arzneimittel in Depot-Formen oder ihre
lokale Applikation sind Arbeitsschwerpunkte in der Pharmazeutischen
Technologie an der LMU. Nur mit geeigneten Zubereitungsformen wird es am
Ende möglich sein, empfindliche Sub-stanzen wie die neuen Phagenlysine
erfolgreich anzuwenden. www.uni-muenchen.de
Hyglos GmbH ist ein Biotechnologieunternehmen mit Sitz im Biotechnologie
Zent-rum Bernried südlich von München. Mit der firmeneigenen
Technologie entwickeln die Hyglos-Wissenschaftler hochspezifische
Bakteriophagen-basierte Wirkstoffe zum Nachweis und zur Beseitigung von
schädlichen Bakterien und bakteriellen Giftstoffen. Hyglos wurde u.a.
der IAFP Innovation Award für derartige technologische Fortschritte
verliehen.
www.hyglos.com