Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Frühe rhythmuserhaltende Behandlung nützt Menschen mit Vorhofflimmern auch bei erblicher Veranlagung
Eine Substudienanalyse der EAST – AFNET 4 Studie zeigt, wie sich ein erblich bedingtes Risiko für Vorhofflimmern und Schlaganfall bei einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie auswirkt:
Der frühe Rhythmuserhalt verhindert kardiovaskuläre Komplikationen bei Menschen mit Vorhofflimmern, auch wenn deren Risiko für Vorhofflimmern und Schlaganfälle genetisch erhöht ist.
Heute wurden die Ergebnisse im renommierten Fachjournal Cardiovascular Research veröffentlicht [1].
- Die EAST – AFNET 4 Studie (Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention) hat belegt, dass eine rhythmuserhaltende Therapie mittels Antiarrhythmika oder Katheterablation, wenn sie im ersten Jahr nach der Diagnose Vorhofflimmern begonnen wird, die Prognose von Betroffenen mit kardiovaskulären Risikofaktoren verbessert [2].
- Eine frühzeitige rhythmuserhaltende Therapie mit Medikamenten und/oder Ablation führte im Vergleich zur üblichen Behandlung zu weniger Herz-Kreislauf-bedingten Todesfällen, Schlaganfällen und Krankenhausaufenthalten wegen Verschlechterung einer Herzschwäche oder akutem Koronarsyndrom.
- In der Studie wurden 2789 Patient:innen mit kürzlich diagnostiziertem Vorhofflimmern (innerhalb eines Jahres nach Diagnose) und kardiovaskulären Risikofaktoren in den beiden Studiengruppen „früher Rhythmuserhalt (early rhythm control (ERC))“ und „übliche Behandlung (usual care (UC))“ über einen Zeitraum von fünf Jahren behandelt und beobachtet.
Die Ursachen für Vorhofflimmern und Schlaganfälle sind vielfältig.
Auch erbliche Veranlagung kann eine Rolle spielen. Manche Menschen tragen ein erhöhtes genetisches Risiko für diese Krankheiten in sich.
Das genetische Risiko lässt sich quantitativ beschreiben durch sogenannte polygenetische Risiko-Scores, bei denen Daten aus großen Genom-weiten Assoziationsstudien verwendet werden.
Zusammen mit dem Broad Institute
of MIT and Harvard in Cambridge, USA, wurden diese Risk Scores in der
EAST – AFNET 4 Studie getestet.
Dr. Shinwan Kany vom Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) Hamburg
erklärt:
„Frühere Studien deuten darauf hin, dass bei Patient:innen mit einer genetischen Veranlagung für Vorhofflimmern während einer rhythmuserhaltenden Therapie mehr Vorhofflimmer-Rezidive (Rückfälle) auftreten können.
Außerdem fanden Studien, in denen Schlaganfall-Risiko-Scores ausgewertet wurden, Vorhofflimmerpatient:innen, deren Schlaganfallrisiko erhöht war, obwohl es nach dem CHA2DS2-VASc Score (Berücksichtigung von nicht-erblichen Risikofaktoren) niedrig sein müsste.
Dies lässt vermuten, dass eine
frühe rhythmuserhaltende Therapie bei Menschen mit einem erhöhten
genetischen Risiko für Vorhofflimmern möglicherweise weniger wirksam
oder weniger sicher sein könnte. Um das zu klären, untersuchen wir hier
in der EAST – AFNET 4 Bioproben-Studie den Zusammenhang zwischen
genetischem Vorhofflimmern, Schlaganfallrisiko und kardiovaskulären
Komplikationen.“
Im Rahmen der Bioproben-Substudie wurden Teilnehmer:innen der EAST –
AFNET 4 Studie gebeten, für spätere Analysen eine Blutprobe abzugeben.
Für die aktuelle Auswertung wurden Blutproben von 1567 der insgesamt
2789 Studienpatient:innen analysiert. 793 von ihnen gehörten der
Studiengruppe „früher Rhythmuserhalt“ an, 774 der Gruppe „übliche
Behandlung“. Das mittlere Alter lag bei 71 Jahren, der Frauenanteil bei
44 Prozent.
Wie in der EAST – AFNET 4 Hauptstudie reduzierte der frühe
Rhythmuserhalt auch in der Bioproben-Population die kardiovaskulären
Komplikationen (HR 0.67, p<0.001) und zeigte keine Wechselwirkung mit
den genetischen Risiken für Vorhofflimmern (PRS-AF: interaction
p=0.806) und Schlaganfall (PRS-Stroke: interaction p=0.765).
Wie erwartet ging ein genetisches Vorhofflimmerrisiko mit
wiederkehrendem Vorhofflimmern einher. Das zurechenbare Risiko war
allerdings nur mäßig (HR 1.08), was die Wirksamkeit einer modernen
rhythmuserhaltenden Therapie für das gesamte genetische
Vorhofflimmerrisikospektrum unterstreicht. Unerwartet war der Einfluss
eines genetischen Schlaganfallrisikos auf die Komplikationen (HR 1.13,
p=0.048): Es führte zu mehr Herzschwäche-Ereignissen (HR 1.23, p=0.010),
aber nicht zu mehr Schlaganfällen (HR 1.0, p=0.973) in dieser gut
antikoagulierten Kohorte.
Der Zusammenhang zwischen genetischem
Schlaganfallrisiko und Krankenhauseinweisungen wegen Herzschwäche wurde
durch eine Untersuchung in der UK Biobank bestätigt. Dies ist eine
prospektiven Kohortenstudie mit mehr als 500 000 Teilnehmern in
Großbritannien. In der Vergleichsanalyse ging das genetische
Schlaganfallrisiko einher mit Vorhofflimmern (HR 1.16, p<0.001) und
mit Herzschwäche (HR 1.08, p<0.001), wobei der Zusammenhang mit
Herzschwäche weniger ausgeprägt war, wenn Vorhofflimmerpatient:innen
ausgeschlossen wurden (HR 1.03, p=0.001).
Der wissenschaftliche Leiter der EAST – AFNET 4 Studie, Professor Paulus
Kirchhof, UKE Hamburg, fasst zusammen: „Unsere Bioproben-Substudie
zeigt: Der frühe Rhythmuserhalt bei Vorhofflimmern ist wirksam und
sicher für das gesamte genetische Risikospektrum.
Unsere Ergebnisse
unterstützen den Einsatz einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie
unabhängig von genetischen Risiken für Vorhofflimmern und Schlaganfall.
Der Zusammenhang zwischen genetischem Schlaganfallrisiko und
Herzschwäche erfordert weitere Forschung, um zu verstehen, wie
genetisches Risiko, kardiovaskuläre Erkrankungen und Behandlung
zusammenwirken.“
Seit der Veröffentlichung des Hauptstudienergebnisses im Jahr 2020,
wurden verschiedene Subgruppenanalysen der EAST – AFNET 4 Studiendaten
durchgeführt. Eine davon zeigte, dass der in der EAST – AFNET 4
Studienpopulation erzielte klinische Nutzen der frühen systematischen
rhythmuserhaltenden Therapie unabhängig war von unterschiedlichen
Behandlungsmustern bei den antiarrhythmischen Medikamenten und der
Ablation, die innerhalb der Leitlinien-Empfehlungen angewandt wurden
[3]. Andere Subgruppenanalysen belegten den Nutzen des frühen
Rhythmuserhalts für Menschen mit Vorhofflimmern und Herzschwäche [4],
für Menschen mit asymptomatischem Vorhofflimmern [5], für
unterschiedliche Formen des Vorhofflimmerns [6], für Menschen mit
mehreren Begleiterkrankungen [7] und für Menschen mit vorherigem
Schlaganfall [8).
Der Sinusrhythmus wurde als entscheidender Faktor für die Wirksamkeit der frühen rhythmuserhaltenden Therapie identifiziert [9].
Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse hat ergeben: die gesundheitlichen
Vorteile des frühen Rhythmuserhalts könnten mit akzeptablen Zusatzkosten
erreicht werden [10].
Literatur
[1] Kany S, Al-Taie C, Roselli C, Pirruccello JP, Borof K, Reinbold C,
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[9] Eckardt L, Sehner S, Suling A, Borof K, Breithardt G, Crijns HJGM,
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Attaining sinus rhythm mediates improved outcome with early rhythm
control therapy of atrial fibrillation: the EAST – AFNET 4 trial. Eur
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[10] Gottschalk S, Kany S, König H-H, Crijns HJGM, Vardas P, Camm AJ,
Wegscheider K, Metzner A, Rillig A, Kirchhof P, Dams J. Cost-
effectiveness of early rhythm-control versus usual care in atrial
fibrillation care: an analysis based on the German subsample of the
EAST-AFNET 4 trial. EP Europace 2023. DOI: 10.1093/europace/euad051
Twitter: @afnet_ev, hashtag #EASTtrial.
Finanzielle Unterstützung: AFNET, BMBF, DZHK, EHRA, Deutsche Herzstiftung, Abbott, Sanofi
EAST – AFNET 4 Studie
EAST – AFNET 4 ist eine wissenschaftsinitiierte Studie, in der zwei
unterschiedliche Behandlungsstrategien bei Vorhofflimmern verglichen
wurden. Die EAST – AFNET 4 Studie testete, ob eine frühe und umfassende
rhythmuserhaltende Therapie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern
kardiovaskuläre Komplikationen besser verhindert als die übliche
Behandlung.
Insgesamt 2789 Menschen mit frühem Vorhofflimmern (weniger als ein Jahr
nach der ersten Diagnose) nahmen an der EAST – AFNET 4 Studie teil. Sie
wurden von 2011 bis 2016 in 135 Kliniken und Praxen in elf europäischen
Ländern in die Studie eingeschlossen. Die Studienteilnehmer:innen wurden
einer der beiden Behandlungsgruppen „früher Rhythmuserhalt“ oder
„übliche Behandlung“ nach dem Zufallsprinzip zugeordnet
(Randomisierung). Die Patient:innen in beiden Gruppen erhielten eine
leitlinienkonforme Therapie, bestehend aus der Behandlung ihrer
kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Blutgerinnungshemmung und
Frequenzregulierung.
Alle Patient:innen der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ erhielten nach der
Randomisierung zusätzlich Antiarrhythmika oder eine Katheterablation.
Sobald bei einem Mitglied dieser Gruppe Vorhofflimmern erneut auftrat,
wurde die Therapie intensiviert mit dem Ziel, den normalen Sinusrhythmus
durch eine Katheterablation und/oder antiarrhythmische Medikamente
wiederherzustellen und möglichst dauerhaft zu erhalten.
Patient:innen der Gruppe „übliche Behandlung“ erhielten nur dann eine
rhythmuserhaltende Therapie, wenn diese notwendig war, um durch
Vorhofflimmern verursachte Symptome zu bessern, die trotz
leitlinienkonformer frequenzregulierender Behandlung auftraten.
Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres
Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen aus
Kliniken und Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks
ist es, die Behandlung und Versorgung von Patient:innen mit
Vorhofflimmern in Deutschland, Europa und den USA durch koordinierte
Forschung zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern
e.V. wissenschaftsinitiierte klinische Studien (investigator initiated
trials = IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene
durch. Der Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern
hervorgegangen. Seit Januar 2015 werden einzelne Projekte und
Infrastrukturen des AFNET vom Deutschen Zentrum für
Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) gefördert.
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Originalpublikation:
Kany S et al. Association of
genetic risk and outcomes in patients with early rhythm control therapy
in atrial fibrillation: results from the EAST-AFNET4 study. Cardiovasc
Res 2023.
DOI: 10.1093/cvr/cvad027
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
http://www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de