Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neue Behandlung von parasitären Wurminfektionen beim Menschen erweist sich als hochwirksam
Ein neuer Arzneimittelkandidat zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung parasitärer Wurminfektionen.
Forschende des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts (Swiss TPH) testeten die Wirksamkeit und Sicherheit von Emodepsid gegen die drei wichtigsten durch den Boden übertragenen Helminthen auf der Insel Pemba in Tansania.
Emodepsid ist der erste vielversprechende Wirkstoff zur Bekämpfung parasitärer Wurminfektionen seit mehreren Jahrzehnten.
Swiss TPH wird nun gemeinsam mit Bayer an der weiteren Entwicklung des Medikaments arbeiten.
- Bodenübertragene Helmintheninfektionen werden durch verschiedene Arten von parasitären Würmern verursacht, zu denen Peitschenwürmer, Hakenwürmer und Spulwürmer gehören.
Mehr als 1,5
Milliarden Menschen weltweit sind mit mindestens einem bodenübertragenen
Helminthen infiziert, der Grossteil der infizierten Bevölkerung lebt in
Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.
- Bei den Betroffenen können Symptome wie Bauchschmerzen, Durchfall und Anämie auftreten, während schwere Infektionen zu Unterernährung und Beeinträchtigungen des Wachstums und der körperlichen Entwicklung führen können.
- In schweren Fällen kann es sogar zu einem Darmverschluss kom-men, der operativ behandelt werden muss.
Für die Behandlung von bodenübertragenen Helmintheninfektionen stehen sichere Medikamente zur Verfügung, deren Wirksamkeit jedoch sehr unterschiedlich ist.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt derzeit Behandlungen mit Albendazol und Mebendazol.
Bei der Behandlung
des Peitschenwurms Trichuris trichiura ist die Gabe von einer Dosis
dieser Medikamente jedoch nur bei 17 % der infizierten Personen
erfolgreich, wie diese Studie des Swiss TPH zeigt. Ausserdem werden
aufgrund der zunehmenden Medikamentenresistenz dringend neue
Behandlungsalternativen benötigt.
Alle behandelten Personen geheilt
Für diesen ungedeckten Bedarf nach Anthelminthika haben Forschende am
Swiss TPH nun Emodep-sid im Rahmen einer Phase-IIa-Studie erstmals an
Menschen eingesetzt, die mit bodenübertragenen Helminthen infiziert
sind.
«In dieser Studie zeigte Emodepside hohe Heilungsraten für alle drei bodenübertragenen Helminthen», sagte Emmanuel Mrimi, Doktorand und Erstautor der Studie. Mit der niedrigsten getesteten Dosis (5 mg Emodepsid) konnten 83 % der mit dem Peitschenwurm infizierten Personen erfolgreich geheilt werden. «Eine auf 15 mg erhöhte Gabe von Emodepsid bewirkte bei allen Personen eine voll-ständige Heilung. Mit den bisherigen Anthelminthika ist die Heilung von Menschen, die mit dem Peitschenwurm infiziert sind, nicht möglich.» Weiterhin wurde auch eine hohe Wirksamkeit bei der Be-kämpfung von Spulwürmern und Hakenwürmern festgestellt.
«Das Medikament zeigt auch andere wichtige Eigenschaften. Es ist gut
verträglich und die meisten unerwünschten Nebenwirkungen in der Studie
waren mild», sagte Mrimi. Die Ergebnisse wurden heu-te in der
renommierten Fachzeitschrift New England Journal of Medicine
veröffentlicht.
Von der Innovation zur Anwendung
Emodepsid ist ein Anthelminthikum, das bisher in der Veterinärmedizin
eingesetzt wurde. «Das soge-nannte Repurposing von Medikamenten ist eine
Schlüsselstrategie der Forschung für die Entdeckung und Entwicklung von
Anthelminthika, die jedoch vernachlässigt und nicht ausreichend
finanziert wird», so Jennifer Keiser, Leiterin der Einheit «Helminth
Drug Development». «Die meisten umgewidmeten Medikamente haben ihren
Ursprung in der Veterinärmedizin.» Das Swiss TPH hat das Arzneimittel
bereits in Laborstudien getestet. «Aufgrund der vielversprechenden
Ergebnisse im Labor sahen wir das Potenzial für die Behandlung von
Personen, die mit bodenübertragenen Helminthen infiziert sind», sagte
Jennifer Keiser. Aus diesem Grund wurde das Arzneimittel
weiterentwickelt. «Die jüngsten Ergebnisse der klinischen Studien sind
wichtige und ermutigende Nachrichten auf dem Gebiet der vernachlässigten
Tropenkrankheiten. In den letzten Jahrzehnten wurde kein neues
Anthelminthikum entwickelt. Daher ist diese Studie ein wichtiger
Meilenstein auf dem Weg zur Eindämmung und Elimi-nierung von
bodenübertragenen Helminthiosen.»
Swiss TPH wird nun gemeinsam mit dem Pharmakonzern Bayer an der weiteren
Entwicklung des Medikaments arbeiten. «Unser Ziel ist die Zulassung des
Medikaments für die Verabreichung an Menschen, damit es in Zukunft
bedürftigen Patientinnen und Patienten zur Verfügung steht», so Keiser.
Über die Studie
Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Public Health Laboratory Ivo
de Carneri (PHL-IdC) auf der Insel Pemba in Tansania durchgeführt. In
die Studie wurden insgesamt 442 Teilnehmer und Teil-nehmerinnen
aufgenommen, die mit einem oder mehreren der drei wichtigsten
bodenübertragenen Helminthen Trichuris trichiura (Peitschenwurm),
Hakenwurm und Ascaris lumbricoides (Spulwurm) infiziert waren. Die
Studienteilnehmer und Studienteilnehmerinnen wurden dann nach dem
Zufalls-prinzip in Behandlungsgruppen aufgeteilt, die Emodepsid,
Albendazol oder Placebo erhielten.
DOI: 10.1056/NEJMoa2212825 (online ab 17. Mai, 23:00 Uhr CET / 17:00 Uhr ET)
Jennifer Keiser, Head of Helminth Drug Development, jennifer.keiser@swisstph.ch,
+41 61 284 82 18
Layla Hasler Swiss Tropical and Public Health Institute
Socinstrasse 57
4051 Basel
Schweiz
Basel-Stadt
Telefon: +41 (0)61 284 83 49
E-Mail-Adresse: layla.hasler@swisstph.ch
Originalpublikation:
New England Journal of Medicine: DOI: 10.1056/NEJMoa2212825 (online ab 17. Mai, 23:00 Uhr CET / 17:00 Uhr ET)