Medizin am Abend Berlin Fazit: Altruismus lässt sich trainieren
Mit einem speziellen Training lassen sich Eigenschaften wie
Fürsorge, Mitgefühl und sogar altruistische motiviertes Verhalten
wirkungsvoll steigern.
Das haben Psychologen aus Würzburg und Leipzig in
einer neuen Studie gezeigt.
Egal, ob es um den Klimawandel und dessen Folgen, die ungerechte
Verteilung von Reichtum oder um den Umgang mit Geflüchteten geht:
Bei
der Suche nach Lösungen für diese globalen Probleme sind neben
internationalen Abkommen und nationalen Vorgaben immer auch die
Entscheidungen einzelner Menschen wie die Bereitschaft zur Kooperation
und der Verzicht zugunsten Anderer gefordert.
Von „prosozialem
Verhalten“ sprechen Wissenschaftler in diesem Fall.
Psychologinnen und Psychologen der Julius-Maximilians-Universität
Würzburg (JMU) und vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und
Neurowissenschaften in Leipzig haben jetzt die Ergebnisse einer Studie
veröffentlicht,
die über viele Monate hinweg den Einfluss verschiedener
mentaler Trainings auf prosoziales Verhalten untersucht hat.
Publikation in Scientific Reports
Das Ergebnis: „
Wir konnten zeigen, dass die menschliche Prosozialität
formbar ist und dass verschiedene Facetten der Prosozialität durch
verschiedene Arten mentaler Trainings systematisch erhöht werden
können“, erklärt Anne Böckler-Raettig, Juniorprofessorin am Institut für
Psychologie der JMU.
Der Aufwand dafür sei nicht sehr groß; das
Training bestehe im Wesentlichen aus kurzen täglichen Praktiken, die
leicht im Alltag umgesetzt werden könnten. Die Ergebnisse dieser Studie
haben die Wissenschaftler jetzt im Fachmagazin Scientific Reports der
Nature Publishing Group veröffentlicht.
„Die menschliche Prosozialität ist das Herzstück friedlicher
Gesellschaften und der Schlüssel zur Bewältigung globaler
Herausforderungen“, erklärt Böckler-Raettig. „Prosozial“ definiert die
Wissenschaft als Verhalten, das für den Einzelnen kostspielig ist,
das
aber anderen entweder individuell oder als Gruppe Vorteile bringt. Viele
Disziplinen forschen an den Grundlagen von Kooperation und Altruismus –
von der Philosophie und Psychologie über Mathematik und Ökonomie bis
hin zur Evolutionsbiologie und den Neurowissenschaften. Dennoch sei
„überraschend wenig darüber bekannt,
ob und wie die Motivation,
altruistisch zu handeln trainiert werden kann“, sagt die
Juniorprofessorin. Als Grund dafür vermutet sie die Tatsache, dass
klassische Modelle der Wirtschaftswissenschaften Prosozialität oft als
stabile Präferenz betrachten und deren Veränderbarkeit lange Zeit keine
Rolle in der Wissenschaft spielte.
Training mit unterschiedlichen Schwerpunkten
Diese Annahme konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun
widerlegen. Über neun Monate hinweg haben dafür die Teilnehmer dieser
Studie an verschiedenen Formen meditations-basierter mentaler Trainings
teilgenommen. In einem Modul ging es darum,
die Aufmerksamkeit und das
Körperbewusstsein zu schärfen – ähnlich wie das in derzeit populären
Programmen zum Achtsamkeits-basierten Stressabbau geübt wird.
In einem
zweiten Modul standen
sozioaffektive Fähigkeiten wie Mitgefühl,
Dankbarkeit und prosoziale Motivation im Mittelpunkt. Der flexible Blick
auf sich selbst und auf andere sowie die Fähigkeit, Perspektivwechsel
zu unternehmen, bildeten den Schwerpunkt im dritten Modul.
„Für uns war die Frage von besonderem Interesse, welches mentale
Training sich als effektiv erweisen würde, um altruistisch motiviertes
Verhalten zu verstärken, also Verhalten, welches sich unmittelbar auf
das Wohlergehen des Anderen richtet“, erklärt Anne Böckler-Raettig.
Darauf gaben die Ergebnisse der Studie eine eindeutige Antwort: Einzig
das zweite Modul – das
sogenannte Affektmodul – war dazu in der Lage,
einen direkten Einfluss auf die Motivation der Teilnehmer auszuüben,
altruistischen Verhaltensweisen nachzugehen. Diese verhielten sich nach
den Trainingseinheiten beispielsweise großzügiger, waren zu mehr
spontaner Hilfe bereit und spendeten höhere Beiträge an gemeinnützige
Organisationen.
Ein Schritt zu einer fürsorglichen Gesellschaft
„Das Affektmodul, das aus drei Einführungstagen, wöchentlichen Treffen
mit Meditationslehrern und etwa 30 Minuten täglicher Praxis über einen
Zeitraum von drei Monaten besteht, hat das
altruistisch motivierte
Verhalten effektiv gefördert, unabhängig davon, wie diese Übungen mit
anderen Praktiken kombiniert wurden“, sagt die Psychologin. Ein
vergleichbarer Erfolg sei bei den
anderen beiden Modulen nicht
nachweisbar gewesen.
Somit ist das Fazit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
eindeutig:
Die altruistische Motivation und das Verhalten der Menschen
können durch einfache, kurze und nicht kostspielige mentale Praktiken
verändert werden.
Die Pflege dieser affektiven und motivierenden
Fähigkeiten in Schulen, im Gesundheitswesen und am Arbeitsplatz könne
ihrer Meinung nach „ein wirksamer Schritt sein, um den Herausforderungen
einer globalisierten Welt zu begegnen und sich in Richtung globaler
Zusammenarbeit und einer fürsorglichen Gesellschaft zu bewegen.“
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Prof. Dr. Anne
Böckler-Raettig
Juniorprofessur für Psychologie am Lehrstuhl für
Psychologie III
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Julius-Maximilians-Universität Würzburg
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bartsch@zv.uni-wuerzburg.de
Originalpublikation:
Distinct mental trainings
differentially affect altruistically motivated, norm motivated, and
self-reported prosocial behaviour. Anne Böckler, Anita Tusche, Peter
Schmidt & Tania Singer. Scientific Reports,
DOI:10.1038/s41598-018-31813-8
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
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