Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Mehr Lebensqualität bei chronischen Knieschmerzen
Schmerztherapien mittels direkter Nervenstimulation kommen in der Neurochirurgie zum Einsatz. |
Chronischer Knieschmerz wird mithilfe einer dünnen Elektrode einfach ausgeschaltet. |
Ein unkomplizierter Test ermittelt die Erfolgsaussichten bei Patientinnen und Patienten.
Dr. Daniel Martin (l.) kontrolliert, ob die bei Gerald Jenert
eingesetzte Elektrode, die den chronischen Knieschmerz deutlich mindert,
richtig sitzt und funktioniert. UKD/Kirsten Lassig
- In Deutschland bekommen jährlich rund 150.000 Patientinnen und Patienten ein künstliches Kniegelenk.
Häufig ist eine fortgeschrittene Arthrose oder eine Knieverletzung der Grund für eine solche Operation.
Doch trotz guter Erfolge in der Chirurgie kann es passieren, dass die erhoffte Schmerzlinderung ausbleibt.
Am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden kommt nun eine neuartige Therapie zum Einsatz, die chronische Knieschmerzen mindert, wenn die erhoffte Linderung nach dem Eingriff ausbleibt. In der Neurochirurgie des Uniklinikums werden Patientinnen und Patienten mit einer dünnen Elektrode versorgt, die die Weiterleitung des Schmerzes an das Gehirn ausschaltet. Ein Test gibt noch vor dem Eingriff Aufschluss darüber, ob diese Methode erfolgreich ist. „Die periphere Nervenstimulation hat sich als effektive Therapie bei Schmerzpatientinnen und -patienten etabliert und sorgt für wesentlich mehr Lebensqualität bei den Betroffenen“, sagt Prof. Ilker Eyüpoglu, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie.
„Dass wir als Maximalversorger Vorreiter in der Anwendung dieser neuartigen Methode sind, unterstreicht einmal mehr die große Bandbreite unserer Therapiemöglichkeiten und Expertise“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand am Uniklinikum.Neben Verschleißerscheinungen im Alter, wie etwa Arthrose, können Unfälle oder Sportverletzungen den Einsatz einer Knie-Endoprothese notwendig machen, auch bei jüngeren Menschen. Doch nicht immer mindert dieser Eingriff die Schmerzen. Für die Betroffenen beginnt meist eine Odyssee von einem Behandlungsansatz zum nächsten. Die meisten unterziehen sich weiteren Operationen am Kniegelenk, was aber selten zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führt.
Sind alle operativen
Möglichkeiten ausgeschöpft, kommen oft starke Schmerzmedikamente zum
Einsatz. Diese können allerdings nicht gezielt am Knieschmerz eingesetzt
werden, sondern bereiten sich im ganzen Körper aus. Zudem wird im
Schnitt nur bei einem von fünf Betroffenen eine Verringerung der
Schmerzen erreicht. Zusätzlich überwiegen die oft heftigen
Nebenwirkungen den eigentlichen Effekt.
Direkte Neurostimulation schaltet chronischen Knieschmerz aus
Hier bietet die sogenannte periphere Nervenstimulation (PNS) eine
Möglichkeit, den Schmerz direkt und einfach auszuschalten.
- Ein Vorreiter der direkten Neurostimulation ist der Experte für periphere Nerven am Uniklinikum Dresden, Oberarzt Dr. Daniel Martin. Er setzt die Methode bei Fällen ein, wo Nervenschädigungen nach Verletzungen oder Operationen aufgetreten und klar umschriebene Schmerzbereiche entstanden sind. Bei der direkten Neurostimulation wird der betroffene Nerv kontinuierlich durch elektrische Impulse stimuliert. Als besonders wirksam hat sich diese Art der Neurostimulation bei Knieschmerzen erwiesen. Dafür wird in einer OP eine dünne Elektrode direkt auf dem unter mikroskopischer Sicht freigelegtem Nerv platziert.
Statt der Schmerzen spüren die Patientinnen und Patienten anschließend
nur noch ein minimales angenehmes Kribbeln. Die Stärke des Kribbelns
können die Betroffenen selbst regulieren. Der Großteil von ihnen
berichtet von einer Schmerzreduktion von über 50 Prozent, woraufhin die
Schmerzmedikation reduziert werden kann. In wenigen, einzelnen Fällen
ist sogar eine komplette Schmerzfreiheit möglich. Bei Gerald Jenert, der
seit 2022 Patient in der Neurochirurgie des Uniklinikums ist, wurde die
Elektrode im Dezember 2023 implantiert. Dem ging ein langer Leidensweg
voraus. Schon seit 2010 leidet der heute 71-Jährige Dresdner unter
starken Knieschmerzen, war zunächst in ambulanter orthopädischer
Behandlung. Dem folgten mehrere Eingriffe wie Knorpelglättung,
Arthroskopie, Narkosemobilisation, 2016 schließlich ein
Prothesenwechsel. Medikamente, Physiotherapien, Reha, Schmerzarzt – all
das begleitet Gerald Jenert seit vielen Jahren ohne nennenswerte
Besserung. Im vergangenen Jahr beginnt er am Uniklinikum Dresden eine
multimodale Schmerztherapie, Ende 2023 wird die Elektrode für die
periphere Nervenstimulation eingesetzt. Die Handhabung sei einfach, der
stechende Knieschmerz seitdem zu 80 Prozent reduziert. Geblieben ist ein
dumpfer Schmerz direkt im Knie. „Das Gehen von längeren Strecken und
allgemein eine größere Belastung sind wieder möglich“, sagt Gerald
Jenert. Obwohl sich an der eingeschränkten Kniebeugung nichts geändert
hat und Treppensteigen nach wie vor nicht im Wechselschritt möglich ist,
bringt die Reduktion des dauerhaften Schmerzes viel Lebensqualität in
den Alltag von Gerald Jenert zurück.
Einfacher Test ermittelt Erfolgsaussichten
- Um eine unnötige Operation zu vermeiden, gibt es einen einfachen Test, um die Erfolgsaussichten besser einschätzen zu können.
Dabei betäubt Dr. Daniel Martin den infrage kommenden Nerv mittels Lokalanästhetikum für wenige Stunden.
Hat diese sogenannte Nervenblockade funktioniert, sind die Schmerzen unterdrückt – der „richtige“ Nerv ist gefunden und die Weiterleitung der Knieschmerzen in das Gehirn wird ausgeschaltet.
Genau auf diesen Nerv wird die dünne Elektrode implantiert.
Ein leichter Stromimpuls kann nun wie ein „Störsignal“ die Knieschmerzen dauerhaft unterbrechen.
Ein weiterer Vorteil:
Die Betroffenen entscheiden, wann die Nervenstimulation startet.
Grundsätzlich kommt diese Methode bei allen chronischen Schmerzen nach Nervenverletzungen durch Unfälle oder Operationen an Armen und Beinen in Frage.
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik für Neurochirurgie
Dr. Daniel Martin, Oberarzt
Tel.: +49 351 458 11968
E-Mail: daniel.martin@uniklinikum-dresden.de
Nora Domschke Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
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