Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neuer Therapieansatz für Senkung des Thromboserisikos entdeckt
Eine Studie der Forschungsgruppe von Christoph Binder, Principal Investigator am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie Professor an der Medizinischen Universität Wien, erklärt, wie Antikörper des Typs Immunglobulin-M (IgM) Thrombosen verhindern können.
- Der thrombotische Verschluss von Blutgefäßen führt zu Herzinfarkten, Schlaganfällen und venösen Thromboembolien und stellt die Hauptursache für frühzeitige Todesfälle weltweit dar.
Eine neue Studie der Forschungsgruppe von Christoph Binder, Principal Investigator am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie Professor an der Medizinischen Universität Wien, erklärt nun, wie Antikörper des Typs Immunglobulin-M (IgM) Thrombosen verhindern können.
- Diese – so zeigt die im Fachjournal Blood veröffentlichte Studie – können sogenannte Mikrovesikel, Membranabschnürungen, die von Zellen freigesetzt werden und thrombosefördernd wirken, identifizieren, binden und so einen schützenden Effekt erzielen.
Die Ergebnisse liefern damit einen neuen
Ansatzpunkt zur Reduktion des Thromboserisikos durch IgM-Antikörper.
Antikörper sind ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems.
- Diese Eiweißstoffe dienen im Körper einerseits zur Abwehr von Mikroben wie Bakterien, Pilze und Viren, andererseits zum Abbau von körpereigenem „Zellabfall“.
Eine wesentliche Rolle spielen dabei natürlich vorkommende Antikörper vom Typ Immunglobulin-M (IgM).
- Im Kontext von Thrombosen belegten frühere Studien, dass Menschen mit einer niedrigen Zahl an IgM-Antikörpern ein erhöhtes Risiko für venöse Thrombosen aufweisen.
Eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Christoph Binder, Professor für Atheroskleroseforschung an der Medizinischen Universität Wien und Principal Investigator am CeMM, konnte in einer 2009 publizierten Studie zeigen, dass ein großer Anteil aller natürlichen IgM-Antikörper sogenannte oxidations-spezifische Epitope bindet, jene molekularen Strukturen, die dafür sorgen, dass absterbende Zellen vom Immunsystem erkannt und abtransportiert werden können.
In der aktuellen Studie
identifizierte Binders Forschungsgruppe jene Mechanismen, welche der
antithrombotischen Wirkung von IgM-Antikörpern zugrunde liegen.
IgM-Antikörper binden gerinnungsfördernde Mikrovesikel
- Mikrovesikel sind Membranabschnürungen, welche von der Zellmembran freigesetzt werden und eine wichtige Rolle in der Blutgerinnung und bei Thrombosen spielen.
Die Studienautoren Georg Obermayer und Taras Afonyushkin aus Christoph Binders Forschungsgruppe, beide an CeMM und MedUni Wien affiliiert, konnten nun zeigen, dass natürliche IgM-Antikörper, welche oxidations-spezifische Epitope binden, die Blutgerinnung in humanen Proben und Thrombosen in Mäusen verhindern können, welche durch Mikrovesikel verursacht werden.
- „Wir gehen davon aus, dass genau diese spezifischen Mikrovesikel besonders entzündungs- und gerinnungsfördernd sind“, so die Wissenschafter.
Sowohl bei Versuchen am Mausmodell als auch direkt an menschlichen Blutproben konnten die Wissenschafter zeigen.
--dass durch das Hinzufügen von IgM-Antikörpern die durch spezifische Mikrovesikel verursachte Blutgerinnung gehemmt wird.
- Umgekehrt zeigte sich auch, dass sich durch Depletion der IgM-Antikörper die Blutgerinnung und Thrombose verstärkte.
Möglicher Ansatzpunkt für zukünftige Therapien
Die Studienautoren erklären:
„Die Studie lässt uns erstmals verstehen, warum Menschen mit einer niedrigen Zahl an natürlichen IgM-Antikörpern ein erhöhtes Thromboserisiko aufweisen.“ Projektleiter Christoph Binder ergänzt:
„Die Ergebnisse bieten hohes Potenzial für neue Behandlungen zur Senkung des Thromboserisikos.
- Die Beeinflussung des IgM-Antikörper-Spiegels bei RisikopatientInnen könnte eine sinnvolle Ergänzung zur bisher etablierten Blutverdünnung darstellen, da diese bekanntermaßen auch mit Nebenwirkungen wie verstärkter Blutungsneigung bei Verletzungen einhergeht.“
Zudem leistet die Studie einen wichtigen Beitrag für die Wissenschaft.
„Mikrovesikel wurden als Bestandteil der
Blutgerinnung auf wissenschaftlicher Seite in den vergangenen Jahren
zunehmend als wichtig anerkannt. Die Studie schaffte allerdings erstmals
die Möglichkeit, sie therapeutisch zu beeinflussen“, so Binder.
Die Studie „Natural IgM antibodies inhibit microvesicle-driven
coagulation and thrombosis“ erschien in der Zeitschrift Blood, online am
8. Dezember 2020. DOI: https://doi.org/10.1182/blood.2020007155.
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AutorInnen: Georg Obermayer*, Taras Afonyushkin*, Laura Göderle, Florian
Puhm, Waltraud Schrottmaier, Soreen Taqi, Michael Schwameis, Cihan Ay,
Ingrid Pabinger, Bernd Jilma, Alice Assinger, Nigel Mackman, Christoph
J. Binder; *geteilte Erstautorenschaft
Förderung: Die Studie wurde vom Spezialforschungsbereich SFB-54 "InThro"
des Wissenschaftsfonds FWF, dem Christian-Doppler-Labor für Innovative
Therapieansätze in der Sepsis und dem CCHD (Cell Communication in Health
and Disease) des FWF unterstützt.
Christoph Binder wurde 1973 in Wien geboren. Nach Abschluss seines
Medizinstudiums an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien 1997,
absolvierte er ein PhD-Programm an der University of California in San
Diego. Im Jahr 2005 wechselte Christoph Binder am Institut für
Labormedizin der Medizinischen Universität Wien, wo er 2009 zum
Professor für Atheroskleroseforschung ernannt wurde. 2006 kam er als
Principal Investigator an CeMM. Binder ist Spezialist für Labormedizin
und leitet eine Forschungsgruppe, die sich mit der Rolle von
Immunfunktionen bei Atherosklerose beschäftigt und wie diese für
therapeutische Interventionen genutzt werden können. Er beschrieb
erstmals die atheroprotektive Wirkung der Pneumokokken-Impfung und des
natürlichen IgM T15/E06 (Binder et al., 2003). Seine Arbeitsgruppe
entdeckte, dass bestimmte oxidationsspezifische Epitope, die aus der
Lipidperoxidation stammen, wichtige Ziele für natürliche Antikörper
(Chou et al., 2009) und für den Komplementfaktor H (Weismann et al.,
2011) sind. Er identifizierte auch die atheroprotektiven Rollen und
Mechanismen der Zytokine IL-5 (Binder et al., 2004) und IL-13
(Cardilo-Reis et al., 2012) sowie der natürlichen IgM-Antikörper (Gruber
et al., 2016; Tsiantoulas et al., 2017). Seine jüngsten Arbeiten
konzentrierten sich auf die Identifizierung und Charakterisierung von
mitochondrialen extrazellulären Vesikeln (Puhm et al., C2019). Im Laufe
seiner Karriere gewann Christoph Binder zahlreiche renommierte
Stipendien und Preise und ist Autor von über 130 Publikationen in
renommierten Fachzeitschriften wie Nature Medicine und Nature.
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Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und
interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter
wissenschaftlicher Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert
sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert
Grundlagenforschung sowie klinische Expertise um innovative
diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu
entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen,
Stoffwechsel- und Immunstörungen, sowie seltene Erkrankungen. Das
Forschungsgebäude des Institutes befindet sich am Campus der
Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien.
www.cemm.at
Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der
traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten
Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte
medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit 5.500
MitarbeiterInnen, 30 Universitätskliniken und zwei klinischen
Instituten, 12 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen
hochspezialisierten Laboratorien zählt sie auch zu den bedeutendsten
Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich.
www.meduniwien.ac.at
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1182/blood.2020007155.
Anna Schwendinger
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CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften