Medizin am Abend Berin - MaAB-Fazit: Struktur der Hauptprotease des Coronavirus aufgeklärt
Die Ergebnisse der Lübecker Forschungsgruppe von Prof. Dr. Rolf
Hilgenfeld wurden gestern in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht
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Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 wurde als Erreger der
COVID19-Pandemie identifiziert.
Die
virale Hauptprotease (Mpro, auch
3CLpro genannt) ist an der
Bildung des Coronavirus-Replikationskomplexes
beteiligt und stellt ein attraktives Ziel für die Therapie dar.
Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: Neues Coronavirus – Informationen für die hausärztliche Praxis
Ihre
Kristallstruktur wurde jetzt durch die Forschungsgruppe von Prof. Dr.
Rolf Hilgenfeld an der Universität zu Lübeck und im Deutschen Zentrum
für Infektionsforschung (DZIF) aufgeklärt. Die Ergebnisse werden heute
in „Science“, der zusammen mit „Nature“ weltweit wichtigsten
Fachzeitschrift, veröffentlicht (1).
Die Kristallstruktur der Mpro wurde bei einer Auflösung von 1,75 Å (2)
bestimmt.
Der praktische Nutzen der Strukturaufklärung zeigt sich am
Beispiel der Optimierung von
niedermolekularen
Alpha-Ketoamid-Inhibitoren. Das Hauptziel der Optimierungsbemühungen war
die Verbesserung der pharmakokinetischen Eigenschaften der
Verbindungen. Auch Kristallstrukturen des Komplexes zwischen
dem Enzym
und dem stärksten auf diese Weise
optimierten Alpha-Ketoamid wurden in
hoher Auflösung aufgeklärt (1,95 und 2,20 Å).
Diese Strukturen bilden die Grundlage für die Weiterentwicklung dieser
Verbindungen zu
antiviralen Arzneimitteln. Die in dieser Arbeit
aufgeklärten viralen Strukturen können auch zur Entdeckung weiterer
Wirkstoffe beitragen.
Der Weg von der Wirkstoffentdeckung zur
Arzneimittelentwicklung erfordert umfangreiche weitere Studien.
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Die Hauptprotease ist ein Schlüsselenzym im Lebenszyklus des
Coronavirus, da sie die riesigen Polyproteine prozessiert, in die die
virale RNA zunächst übersetzt wird, nachdem es das Innere der
menschlichen Zelle erreicht hat.
Die Protease schneidet zwölf kleinere
Proteine aus den Polyproteinen heraus, die wiederum Komponenten des
Replikationskomplexes bilden, der das Kopieren des viralen RNA-Genoms
bewerkstelligt.
„Wenn es uns gelingt, die Hauptprotease zu blockieren,
können wir daher die Virusreplikation unterbinden", erklärt Prof. Rolf
Hilgenfeld.
Der Chemiker und Strukturbiologe hat an solchen Hemmstoffen seit 2013
gearbeitet, direkt nach
Beginn des Ausbruchs des Middle-East Respiratory
Syndromes (MERS) auf der arabischen Halbinsel, das durch ein anderes
tödliches Coronavirus hervorgerufen wird.
- Seither entwickelten und
optimierten er und sein Team Hemmstoffe, die die Hauptprotease von allen
möglichen Coronaviren inhibieren.
- „Wir haben sogar sichergestellt, dass
unsere Verbindungen auch Fledermaus-Coronaviren blockieren, welche in
China entdeckt wurden", sagt Hilgenfeld, der seit 1998 an Coronaviren
arbeitet.
Prof. Dr. rer. nat. Dr. h.c. Rolf Hilgenfeld ist Direktor des Instituts
für Biochemie der Universität zu Lübeck und arbeitet als Wissenschaftler
im DZIF an der Entwicklung von antiviralen Wirkstoffen.
Er ist
besonders für seine Forschungsergebnisse in der Virologie bekannt
geworden. Während der
SARS-Pandemie 2002/03 konnte er die
dreidimensionale Struktur der SARS-Virus-Protease und einen ersten
Hemmstoff veröffentlichen. Hilgenfeld baute eine enge Partnerschaft mit
chinesischen Forschungseinrichtungen auf. 2016 gelang es einem von ihm
geleiteten Team, die dreidimensionale Struktur des Spaltungsenzyms
des
Zikavirus aufzuklären. Damit war die Grundlage für die Entwicklung eines
antiviralen Wirkstoffes geschaffen.
Zu den jetzt veröffentlichten Forschungsergebnissen berichtet Prof. Hilgenfeld:
Seit dem 11. Januar 2020 arbeiteten wir, meine Mitarbeiterinnen Dr.
Linlin Zhang, Xinyuanyuan Sun und ich, fieberhaft an der Aufklärung der
dreidimensionalen Struktur eines Schlüsselenzyms des neuen Coronavirus
SARS-CoV-2.
Am 11. Januar hatte eine chinesische Arbeitsgruppe die
Nukleotidsequenz des RNA-Genoms von SARS-CoV-2 veröffentlicht.
Wir
identifizierten die Region in dem Genom, die ein virales Schlüsselenzym,
die sogenannte Hauptprotease oder 3C-artige Protease, kodiert. Wir
übersetzten die entsprechende RNA-Sequenz in DNA, ließen das
entsprechende Gen durch eine Firma synthetisieren und exprimierten es in
E. coli-Bakterien.
„Ende Januar hatten wir genügend Enzym gereinigt und kristallisiert",
sagt Linlin Zhang, „und am 1. Februar transportierten wir diese
Kristalle zum
BESSY-Synchrotron in Berlin, um sie dort in einen
intensiven Röntgenstrahl hineinzubringen. Der Röntgenstrahl wird an dem
Kristall in Zehntausende von Röntgenstrahlen geringer Intensität
gebeugt; in der Verteilung und der Intensität dieser gebeugten Strahlen
steckt Information über die Anordnung aller Atome im dreidimensionalen
Raum. „Ein paar Stunden später hatte ich die Struktur durch Anwendung
wohletablierter mathematischer Verfahren und ausgereifter
Computerprogramme aufgeklärt", sagt Linlin.
Anhand der Kristallstruktur der Hauptprotease des neuen Coronavirus
konnte Hilgenfeld seine bereits früher entwickelte Leitverbindung in
einen potenten Hemmstoff des neuen Coronavirus verwandeln. Die
Verbindung wurde unter der Bezeichnung "13b" synthetisiert von Dr.
Daizong Lin, einem früheren Postdoc von Prof. Hilgenfeld und jetzigen
Forschungsdirektor eines kleinen Unternehmens in Changchun, China.
„Unsere synthetische Arbeit wurde etwas durch das Herunterfahren des
öffentlichen Lebens in China verzögert, welches zur Bekämpfung des neuen
Coronavirus notwendig war", sagt Daizong.
Aber bis Mitte Februar waren
größere Mengen des Hemmstoffs vorhanden und konnten an Dr. Katharina
Rox, DZIF-Wissenschaftlerin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
in Braunschweig, geschickt werden.
Sie untersuchte das Verhalten der
Verbindung in gesunden Mäusen und zeigte, dass sie nicht toxisch ist und
am besten durch Injektion unter die Haut oder durch Inhalation
appliziert wird.
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Bei Inhalation sammeln sich ausreichende Konzentrationen von "13b" in
der Lunge und in der Niere, also den Organen, welche am stärksten von
dem Virus im Menschen befallen werden.
Als nächstes testeten Prof.
Stephan Becker und seine Mitarbeiterin Dr. Lucie Sauerhering an der
Universität Marburg 13b in Kulturen
menschlicher Zungenzellen, die mit
dem neuen Coronavirus infiziert waren, und fanden, dass die Verbindung
aktiv war. All diese Ergebnisse werden in einer Online-Publikation in
dem renommierten Wissenschaftsmagazin "Science" beschrieben (Linlin
Zhang et al.).
Was sind die nächsten Schritte?
„Jetzt wird unser Wirkstoff zu einem Medikament entwickelt werden
müssen", erläutert Rolf Hilgenfeld. „Dafür müssen wir ein
pharmazeutisches Unternehmen ins Boot holen, da nur so die finanziellen
Belastungen klinischer Versuche getragen werden können". Er erwartet
Unterstützung von einem Konsortium von Unternehmen und öffentlichen
Forschungsinstitutionen, welches sich gegenwärtig als Teil einer
Initiative der Europäischen Kommission zum Kampf gegen das neue
Coronavirus bildet.
„Ganz sicher wird es mehrere Jahre dauern, bis unser Wirkstoff zu einem
Anti-Coronavirus-Medikament entwickelt sein wird", warnt Hilgenfeld.
„Wenn alles gut geht, könnte ein solches Medikament für SARS-CoV-3 zur
Verfügung stehen,
aber gewiss nicht während des derzeitigen Ausbruchs".
Und er fügt hinzu:
- „In jedem Fall müssen wir die antivirale Forschung
von den immer wieder auftretenden Ausbrüchen neu auftretender Viren wie
SARS-CoV-2 entkoppeln und sicherstellen, dass wir zu einer nachhaltigen
Entwicklung antiviraler Medikamente kommen."
Prof. Hilgenfelds Forschung wird teilweise im Deutschen Zentrum für
Infektionsforschung (DZIF) durchgeführt und ab 1. April auch von der
Europäischen Kommission unterstützt.
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1) Crystal structure of SARS-CoV-2 main protease provides a basis for design of improved alpha-ketoamide inhibitors.
https://science.sciencemag.org/lookup/doi/10.1126/science.abb3405
(ab Freitag, 20. März 2020, 15 Uhr MEZ)
2) Å: Maßeinheit der Länge. Ein Ångström entspricht dem zehnmillionsten
Teil eines Milli-meters. Das Ångström wird insbesondere in der
Kristallographie und der Chemie benutzt, um mit „einfachen“ Zahlenwerten
arbeiten zu können. So ist 1 Å die typische Größenordnung für
Atomradien, Abstände von Atomen in Kristallstrukturen und Bindungslängen
in Molekülen.
Händetrocknen mit Papiertüchern verteilt weniger Keime in Klinik-Waschräumen als Lufttrockner
Original Titel:
Environmental contamination by bacteria in hospital washrooms according to hand-drying method: a multi-centre study
DGP – Forscher ermittelten in drei Kliniken in
drei Ländern, welche Methode zum Händetrocken mehr Krankheitserreger
verteilt: Papier- oder Lufttrockner? In Waschräumen mit Papiertrocknern
wurden deutlich weniger Bakterien
auf den Spendern, Böden oder in der Luft gefunden als bei Einsatz von
elektrischen Lufttrocknern. Entsprechend sollte gerade in Kliniken nicht
nur auf das Händewaschen, sondern auch verstärkt auf die Trockenmethode
geachtet werden.
Zum Schutz vor Infektionen ist die Handhygiene besonders wichtig –
keine Frage. Das Thema ist aber nicht nur zur Grippesaison relevant,
sondern alljährlich auch besonders rund um Patienten mit geschwächtem
Abwehrsystem. Das können Menschen mit chronisch-entzündlichen
Erkrankungen sein, Patienten nach einem Stammzelltransplantat oder aber
auch Krebserkrankte während einer
Chemotherapie.
Was man aber nur selten bedenkt beim Händewaschen, ist, dass nicht nur
das Waschen selbst kritisch ist, sondern auch die Methode des
Abtrocknens.
Welche Methode verteilt mehr Krankheitserreger: Papier- oder Lufttrockner?
Dies ermittelten sie in einer Multizentrenstudie, in der die
bakterielle Belastung in Waschräumen verglichen wurde. In drei
teilnehmenden Kliniken in Großbritannien, Frankreich und Italien wurden
über einen Zeitraum von 12 Wochen zu insgesamt 120 Zeitpunkten Proben
genommen und analysiert. Dabei wurde in allen Kliniken zum Vergleich mal
mit Papierhandtüchern, mal mit elektrischen Lufttrocknern getrocknet.
Bakterienproben wurden aus der Luft, verschiedenen Oberflächen und
Staub entnommen. Zusätzlich wurde bestimmt, wie viele Menschen
(Patienten, Besucher oder Mitarbeiter) die Waschräume nutzten.
Vergleich der Bakterienzahlen auf Oberflächen und in der Luft
Der Betrieb in den Waschräumen war in der britischen Klinik am
höchsten – neunmal so viele Menschen wurden hier aufgezeichnet im
Vergleich zu den beiden anderen Kliniken. Bei der Analyse der
bakteriellen Belastung waren die Papierhandtücher im Mittel eher von
Vorteil. Zwar lagen die Belastungen bei Papier- und Lufttrockner in
Frankreich und Großbritannien gleichauf, in Italien waren dagegen
deutlich weniger
Bakterien in den Proben zu finden, wenn mit Papier getrocknet wurde.
Unterschiede waren besonders auf den Trocknerapparaten selbst zu
vermerken: in allen drei Kliniken. Gemessen wurden dabei koloniebildende
Einheiten (KbE) – Proben werden dazu auf einem Nährstoffboden verteilt
aufgebracht. Nach einer Wachstumsphase sind typischerweise mehrere
‚Punkte‘ auf dem Nährboden sichtbar: neue Kolonien, die sich jeweils aus
einem Bakterium entwickelt haben. Diese werden gezählt und lassen auf
die Menge an Bakterien an der getesteten Stelle rückschließen. Auf den
Lufttrocknerapparaten wurden nun im Mittel 100 bis 300 solcher
koloniebildenden Einheiten gefunden, auf den Papierspendern dagegen nur
bis zu 10 KbE. In Großbritannien und Frankreich wurden deutlich mehr
Bakterien auf den Waschraumböden mit Lufttrocknern (191 KbE) als mit
Papiertüchern (24 KbE) gefunden. Dabei waren je nach Land
unterschiedlich häufig auch gefährlicherere Krankenhauskeime (z. B. mit
Resistenzen) zu finden.
Händetrocknen mit Papiertüchern: weniger Bakterien in Waschräumen
Die Forscher zeigten damit in drei Kliniken in drei Ländern, dass die
Ausstattung von Waschräumen mit Papierhandtüchern vorteilhaft für die
Hygiene sein kann. In Waschräumen mit Papiertrocknern wurden
typischerweise deutlich weniger Bakterien auf den Spendern, Böden oder
in der Luft gefunden als bei Einsatz von elektrischen Lufttrocknern.
Entsprechend sollte gerade in Kliniken nicht nur auf das Händewaschen,
sondern auch verstärkt auf die Trockenmethode geachtet werden.
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