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Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, nicht-infektiöse, nicht heilbare chronisch entzündliche Erkrankung der Haut, die bei Männern, Frauen und Kindern

Juckende oder schmerzende Rötungen im Genitalbereich, eine Aufhellung der Genitalhaut und narbige Veränderungen der Genitalarchitektur kennzeichnen den Lichen sclerosus (LS). 

Die Symptome der chronisch verlaufenden, entzündlichen und nicht-infektiösen Dermatose sind für Betroffene (Frauen, Männer und Kinder) sehr belastend. 

Die klinischen Symptome und Komplikationen mindern die Lebensqualität. 

Die neue S3-Leitlinie zu Lichen sclerosus, die unter der gemeinsamen Federführung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e.V. (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) entstanden ist, will Fachleute und Laien für die Erkrankung sensibilisieren.

Nur durch eine frühe Diagnose und eine Therapie mit hochpotenten topischen Glukokortikoiden kann die Krankheitskontrolle verbessert werden.

Die Symptome sind belastend und unangenehm: Es juckt und brennt in der Genitalregion, es schmerzt beim Wasserlassen, beim Stuhlgang oder beim Geschlechtsverkehr. 

Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, nicht-infektiöse, nicht heilbare chronisch entzündliche Erkrankung der Haut, die bei Männern, Frauen und Kindern vorkommt. Sie kann in jedem Alter auftreten, die Verteilung zwischen den Geschlechtern, Männer zu Frauen, ist nicht sicher zu sagen, Frauen sind aber deutlich häufiger betroffen. Über die Ursachen gibt es noch keine Klarheit und auch die Verbreitung lässt sich nur schätzen. Expertinnen und Experten betonen, dass Lichen sclerosus nicht selten sei, oft aber nicht erkannt werde. Die vermutete Prävalenz variiert zwischen 0,1% und 3% bei Kindern bzw. postmenopausalen Frauen.

 „Lichen sclerosus ist bei Medizinerinnen und Medizinern zu wenig bekannt. Daher ist die Therapie häufig mangelhaft“, kritisiert Dr. med. habil. Gudula Kirtschig, Dermatologin am Medbase Gesundheitszentrum Frauenfeld (Schweiz). Um Fachleute und auch Laien umfassend über das Krankheitsbild, Komorbidität, Diagnostik, Therapie und Nachsorge zu informieren, ist nun die aktuelle europäische Leitlinie zu LS für Deutschland angepasst worden. „Früherkennung und Therapie sind das A und O. Zudem muss konsequent behandelt werden, denn Folgeschäden können für die betroffenen Menschen massiv sein“, erklärt Kirtschig, die federführend sowohl an der europäischen als auch der deutschen Leitlinie beteiligt war. Zu den möglichen Komplikationen gehören sexuelle Dysfunktion und auch die Entwicklung anogenitaler Karzinome. Vor allem auch die psychische Komponente ist nicht zu unterschätzen. „Ängste und psychische Erkrankungen, depressive Phasen, der Verlust des Selbstwertgefühls – diese Begleiterscheinungen dürfen nicht übersehen werden“, sagt Kirtschig.

LS führt zu veränderten Schamlippen und kann Scheideneingang verengen

LS macht sich anfangs durch unangenehme Beschwerden wie Juckreiz oder Brennen bemerkbar, es treten Rötungen und feine Risse auf und die kleinen Schamlippen verändern sich. 

Später entstehen elfenbeinfarbene, ovale und scharf umschriebene Papeln und Plaques der Haut im Anogenitalbereich. Die Haut wird dünner (Atrophie) und verletzlicher, im Verlauf bildet sich Narbengewebe. Häufig treten Probleme beim Wasserlassen, Störungen bei der Stuhlentleerung und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) auf. Die Folge der Erkrankung ist bei Frauen möglicherweise eine Verengung des Scheideneinganges, was beim Geschlechtsverkehr Schmerzen und Einrisse verursacht oder ihn sogar unmöglich macht. Juckreiz und ein brennendes Gefühl gehört bei Frauen zum Leitsymptom, Männern klagen eher über Schmerzen und eine Vorhautverengung mit sexueller Dysfunktion.

Frühzeitige Therapie mit Kortison auf der äußeren Genitalhaut ist essenziell
„Mit der Behandlung können wir das Fortschreiten der Krankheit stoppen und Beschwerden lindern. Allerdings soll diese möglichst früh einsetzen, um Folgen wie Vernarbungen, die Entstehung von Karzinomen aufgrund der chronischen Entzündung und Einbußen der Lebensqualität zu verhindern“, sagt Prof. Dr. med. Linn Wölber, Koordinatorin der Leitlinie und Leiterin des Dysplasiezentrums Hamburg am Krankenhaus Jerusalem und am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Zentral bleibt eine frühzeitige Therapie mit potenten lokalen Glukokortikoiden der Klasse III oder IV. Dabei empfehlen die Expertinnen und Experten der Leitliniengruppe Glukokortikoide in Salben- anstelle von Cremes- oder Lotions-Grundlage. „Das Wort Kortison ruft noch immer bei vielen Menschen Ängste hervor. Diese sind aber bei lokaler Anwendung im Bereich der äußeren Genitalhaut aufgrund der begrenzten Fläche unbegründet“, sagt Wölber.

Entfernung der Vorhaut als Therapieoption für Jungen und Männer
Aufgrund ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit und Sicherheit werden topische Glukokortikoide der Klasse III oder IV wie Clobetasolpropionat 0,05% oder Mometasonfuroat 0,1% Salbe (oder Creme) als bevorzugte Behandlung empfohlen, sowohl bei akuten Schüben als auch in der Erhaltungstherapie. Sie bewirken in der Regel eine rasche Verbesserung der subjektiven Symptome und klinischen Zeichen. Zudem können Emollientien (feuchtigkeitsspendende und hautpflegende Substanzen) nach einer initialen Behandlung mit topischen Glukokortikoiden bei LS eine zusätzliche Linderung der Symptome bewirken. „Wir empfehlen unseren Patientinnen und Patienten mindestens zweimal täglich Emollientien aufzutragen, um die Hautbarriere zu stärken“, ergänzt Kirtschig. Wenn der therapeutische Effekt bei Jungen und Männern nicht überzeugt, sollte – so die Empfehlung in der Leitlinie – eine vollständige Zirkumzision (Entfernung der Vorhaut) erfolgen.

Schulung der Betroffenen kann Therapietreue verbessern
Ein ebenfalls in der Leitlinie akzentuiertes Thema ist die Patientinnen- und Patientenschulung, die mit einer ausführlichen Informationsvermittlung (bei betroffenen Kindern auch der Eltern) einhergehen soll. „Eine umfassende Aufklärung zur Anatomie und zum klinischen Erscheinungsbild des LS ist wichtig. Die Patientin oder der Patient soll unterstützt werden, mit ihrer oder seiner Erkrankung konstruktiv umzugehen. Dazu gehört auch, den Krankheitsverlauf selbst zu beobachten. Das kann die Therapietreue immens verbessern“, ist sich Kirtschig sicher.

Für optimale Behandlung sind fachübergreifende Teams notwendig
„Die Leitlinie zu Lichen sclerosus fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit“, sagt Prof. Dr. med. Silke Hofmann, Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal und Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit der DDG. „Für die Behandlung des LS bräuchte es idealerweise interdisziplinäre Teams oder LS-Zentren mit fachübergreifenden Teams“, sagt Hofmann. Nach dem Vorbild interdisziplinärer Kliniken in den Niederlanden, Dänemark oder dem Vereinigten Königreich sollten auch in Deutschland Spezialistinnen und Spezialisten aus Dermatologie, Gynäkologie, Urologie, Kinderchirurgie, Physiotherapie, Psychotherapie und Sexualtherapie zusammenarbeiten.

Zu der Leitlinie von DDG und DGGG, an deren Zustandekommen zahlreiche weitere Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt waren, gibt es eine Implementierungshilfe in Form eines Vortragsfoliensatzes, der ausdrücklich für die ärztliche Weiterbildung genutzt werden darf.

Tipps für Patientinnen und Patienten:

+ Seife oder andere reizende lokale Anwendungen vermeiden
+ Tägliche, lebenslange Basispflege (2-mal pro Tag eine fetthaltige, parfümfreie Salbe)
+ Zustimmen, dass Befund und Verlauf von Arzt oder Ärztin mit Fotos dokumentiert werden für Verlaufskontrollen
+ Kratzen unbedingt unterlassen, da sich sonst die Symptomatik erheblich verschlimmern kann
+ Auf enge Kleidung verzichten
+ Baumwoll- oder Seidenwäsche bevorzugen
+ Bei Sport wie Reiten oder Fahrradfahren auf geeigneten Sattel und eine angepasste Sitzposition achten
+ Den Austausch mit anderen suchen (Patientenorganisationen)

Literatur:
Deutsche Dermatologische Gesellschaft e. V. (DDG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG): S3 Leitlinie Lichen sclerosus (AWMF-Reg.-Nr. 013-105). Version 1.0, 06/2025. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-105
Kirtschig G et al., 2023. Guideline on lichen sclerosus https://www.guidelines.edf.one//uploads/attachments/clmub3q4l0an5uhjrluc4r0yq-li...

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Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
Prof. Dr. med. Silke Hofmann
Dagmar Arnold
Robert-Koch-Platz 7, 10115 Berlin
Tel.: +49 30 246 253-35
E-Mail: d.arnold@derma.de

Negative Wirkungen von Curcumin oder anderen bioaktiven Substanzen auf die nächste Generation

Epigenetische Effekte des bioaktiven Kurkuma-Inhaltsstoffs könnten Einfluss auf Nachkommen haben – Studie von JLU-Forschungsteam mit Modellorganismus

Curcumin, einem bioaktiven Inhaltsstoff von Kurkuma, werden vielfältige gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben. Mittlerweile sind eine Vielzahl verschiedener Curcumin-Supplemente auf dem Markt, die auch durch Influencerinnen und Influencer als Nahrungsergänzungsmittel auf Social Media stark beworben werden. 

Neben den anti-entzündlichen und anti-oxidativen Wirkungen vermittelt Curcumin auch epigenetische Effekte. 

Dies sind reversible chemische Veränderungen der DNA oder der Proteine, die die DNA verpacken, sogenannte Histone. 

Diese Veränderungen können Einfluss auf die Genexpression haben – und sie können auf die nächste Generation übertragen werden, ohne dass die Erbinformation selbst verändert wird. Ein Gießener Forschungsteam hat nun untersucht, wie sich eine Curcumin-Supplementierung in einem Modellorganismus auf die Nachkommen auswirkt: Bei Fruchtfliegen zeigt sich ein negativer Effekt.

Die Forschenden nutzten die Fruchtfliege Drosophila melanogaster als Modell und fütterten diese mit unterschiedlichen Mengen Curcumin. Sie konnten damit zeigen: 

Curcumin vermittelt seine Wirkungen sowohl geschlechtsspezifisch als auch dosisabhängig. 

Von einer Curcumin-Supplementation profitierten die weiblichen und die männlichen Elterntiere. 

Sie zeigten eine gesteigerte Kletteraktivität und lebten länger. Bei ihren Nachkommen, die lediglich das Kontrollfutter ohne Curcumin bekamen, wurde dies nicht beobachtet. Im Gegenteil: Die Nachkommen Curcumin-supplementierter Mütter wiesen eine deutlich verkürzte Lebensspanne auf. Auch bei den Nachkommen Curcumin-supplementierter Väter zeigte sich eine verkürzte Lebensdauer – allerdings nur bei den weiblichen Fliegen.

Auch wenn sich die mit Fruchtfliegen erzielten Ergebnisse nicht direkt auf den Menschen übertragen lassen, liefern sie wichtige Hinweise: 

Curcumin könnte transgenerationale Effekte haben, die bislang nur wenig erforscht sind.

 „Derzeit existieren kaum systematische Studien, die potenziell negative Wirkungen von Curcumin oder anderen bioaktiven Substanzen auf die nächste Generation untersuchen“, so Prof. Dr. Anika Wagner vom Institut für Ernährungswissenschaft der JLU. „Dies unterstreicht, dass weitere Studien dringend notwendig sind, um die zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen und mögliche schädliche Wirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln aufzuklären.“

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Prof. Dr. Anika Wagner
Professur für Ernährung & Immunsystem
Institut für Ernährungswissenschaft
Telefon: 0641 99-39041
E-Mail: anika.wagner@uni-giessen.de

Instagram: @prof_nutritionista
LinkedIn: Anika Wagner

Originalpublikation:
Silvana Hof-Michel, Belén Olga Ferrando Hernandez, Andreas Vilcinskas, Anika E. Wagner: Curcumin Induces Transgenerational and Sex-Specific Effects on Lifespan, Gene Expression, and Metabolism in the Fruit Fly Drosophila melanogaster. BioFactors Volume 51, Issue 4, Juli/August 2025, e70039, https://doi.org/10.1002/biof.70039

Sphingolipid-Stoffwechsel: Und daran beteiligte Enzyme die Vermehrung von Coronaviren beeinflussen

Virologie-Forschungsteam aus Gießen und Berlin entschlüsselt die Rolle von Sphingolipiden für die Bildung von Replikationsorganellen

Coronaviren verändern die Zellen, die sie infizieren, um sich optimal vermehren zu können. 

Ein entscheidender Schritt dabei ist die Bildung spezieller Strukturen im Zellinneren – sogenannter Replikationsorganellen. 

Dabei reorganisieren Coronaviren die inneren Zellmembranen erheblich.

Dieser Prozess hängt maßgeblich von der Bildung von bestimmten Membranbausteinen, den Sphingolipiden, ab. Forschende des Instituts für Medizinische Virologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und des Instituts für Pharmazie der Freien Universität Berlin haben nun herausgefunden, wie der Sphingolipid-Stoffwechsel und daran beteiligte Enzyme die Vermehrung von Coronaviren beeinflussen.

„Die Stärke der Studie liegt im Vergleich mehrerer humaner Coronaviren“, so die JLU-Virologin Dr. Christin Müller-Ruttloff, federführende Letztautorin der Studie. „Diese Erkenntnisse verbessern unser Verständnis darüber, wie verschiedene Coronaviren die Sphingolipid-Landschaft ihrer Wirtszellen umgestalten, um ihre Vermehrung zu sichern.“ Die gezielte Beeinflussung des Sphingolipid-Stoffwechsels könnte neue Forschungsansätze für antivirale Strategien eröffnen.

Die Untersuchungen zeigten, dass vor allem die Enzymgruppe der Sphingomyelinasen eine entscheidende Rolle bei einem frühen Schritt der Virusvermehrung spielt: der Bildung der Replikationsorganellen. Der Virologe Florian Salisch (JLU), Erstautor der Arbeit, erläutert: 

„Coronaviren setzen einen massiven Umbau von intrazellulären Membranen in Gang, um die Zellen zu zwingen, zahlreiche Replikationsorganellen auszubilden, in deren Inneren dann die Produktion der viralen Bestandteile beginnt.“ Sphingolipide bilden dabei wichtige Bausteine dieser Strukturen, und die Sphingomyelinasen beteiligen sich aktiv an deren Entstehung.

Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift mBio erschienen. Unterstützt wurde die Forschung durch das GRK2581 („SphingoINF-Stoffwechsel, Topologie und Kompartimentierung von Lipid- und Signalkomponenten bei Infektionen“) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie durch die Von Behring-Röntgen-Stiftung.

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Dr. Christin Müller-Ruttloff
Institut für Medizinische Virologie
Tel.: 0641 99-47751
E-Mail: christin.mueller@viro.med.uni-giessen.de

Originalpublikation:
Salisch F., Schumacher F., Gärtner U., Kleuser B., Ziebuhr J., Müller-Ruttloff C. Targeting sphingolipid metabolism: inhibition of neutral sphingomyelinase 2 impairs coronaviral replication organelle formation. mBio0:e00084-25. https://doi.org/10.1128/mbio.00084-25

Auswirkungen von Homocystein auf die Aorta

Neben Cholesterin spielt auch die Aminosäure Homocystein eine Rolle bei der Aortenversteifung. 

Dies haben Forscher*innen der TU Graz, Uni Graz und der Med Uni Graz in einer neuen Studie nachgewiesen.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit nach wie vor die häufigste Todesursache. In Europa sind sie für über 40 Prozent aller Todesfälle verantwortlich. Bekannte Risikofaktoren wie hoher Cholesterinspiegel oder Bluthochdruck können jedoch weder die Sterblichkeitsrate noch die Anzahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen vollständig erklären. Grazer Wissenschafter*innen haben nun einen neuen Faktor genauer erforscht, der eng mit der kardiovaskulären Sterblichkeit verknüpft ist: 

Erhöhte Werte der Aminosäure Homocystein im Blut führten im Tiermodell zu einer steiferen und weniger elastischen Hauptschlagader. 

Diese Ergebnisse ergänzen das aktuelle Verständnis der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Atherosklerose, bei denen die Rolle des Cholesterins bisher stärker im Fokus stand.

MaAB: Augenmerk auf die Aorta

Die Aorta ist das größte Blutgefäß im menschlichen Körper. Sie muss sich bei jedem Herzschlag zusammenziehen und ausdehnen, um sauerstoffreiches Blut vom Herzen zu den Organen zu transportieren. „Viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben ihren Ursprung in einer Funktionsstörung der Aorta“, erklärt Gerhard A. Holzapfel vom Institute of Biomechanics der TU Graz. Gemeinsam mit Francesca Bogoni (TU Graz) und Oksana Tehlivets vom Institut für Molekulare Biowissenschaften (Uni Graz) erforscht er die mechanischen Eigenschaften der Hauptschlagader.

In einer aktuellen Publikation untersuchten die Wissenschafter*innen gemeinsam mit Partner*innen der Medizinischen Universität Graz die Auswirkungen von Homocystein auf die Aorta.

Dieses „Zellgift“ entsteht als Zwischenprodukt beim Stoffwechsel einer anderen Aminosäure, Methionin.

 „Wird es nicht schnell abgebaut, kommt es zur Homocystein-Akkumulation. 

Dies ist häufig bei älteren Menschen zu beobachten. 

Zudem könnten auch eine fettreiche Ernährung und Bewegungsmangel den Homocysteinspiegel im Blut erhöhen“, erklärt Oksana Tehlivets.

Zu viel Homocystein macht die Aorta steif

In ihren Studien konzentrierten sich die Forscher*innen auf die Rolle dieser Aminosäure. „Den Einfluss von Cholesterin haben wir bewusst außen vor gelassen, da wir bereits wissen, dass zu viel davon die Blutgefäße verdickt. Dass erhöhte Homocystein-Werte die Blutgefäße jedoch steifer und weniger elastisch machen, wurde als Risikofaktor bisher weniger beachtet“, erklärt Francesca Bogoni.

Die Forschungsergebnisse legen den Grundstein für ein besseres Verständnis der Mechanismen, die Atherosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Allgemeinen verursachen. Die Forschung wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und BioTechMed-Graz, dem gemeinsamen Forschungsnetzwerk für Gesundheit der Universität Graz, der Medizinischen Universität Graz und der Technischen Universität Graz, gefördert.

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Gerhard A. Holzapfel
Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c.
TU Graz | Institute of Biomechanics
Tel.: +43 316 873 35500
holzapfel@tugraz.at

Oksana Tehlivets
Priv.-Doz. Dr.
Universität Graz | Institut für Molekulare Biowissenschaften
Tel: +43 316 380 1995
oksana.tehlivets@uni-graz.at

Originalpublikation:
Bogoni et al. Homocysteine leads to aortic stiffening in a rabbit model of atherosclerosis. Acta Biomaterialia, 2025. DOI: https://doi.org/10.1016/j.actbio.2025.06.003

Tehlivets et al. Homocysteine contributes to atherogenic transformation of the aorta in rabbits in the absence of hypercholesterolemia. Biomedicine & Pharmacotherapy, 2024.
DOI: https://doi.org/10.1016/j.biopha.2024.117244

Bogoni et al. On the experimental identification of equilibrium relations and the separation of inelastic effects of soft biological tissues. Journal of the Mechanics and Physics of Solids, 2024.
DOI: https://doi.org/10.1016/j.jmps.2024.105868

Regelmässig Koffein

Forschende aus Bielefeld und Warwick erheben Daten über vier Wochen

Menschen, die regelmäßig Koffein konsumieren, sind nach einer Tasse Kaffee meist in besserer Stimmung – besonders am Morgen. Das belegt eine neue Studie von Forschenden der Universität Bielefeld und der britischen University of Warwick, die in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurde. Die Befragten fühlen sich laut eigener Angabe nach morgendlichem Kaffeekonsum in der Regel deutlich glücklicher und enthusiastischer als ohne Kaffee an anderen Tagen um die gleiche Uhrzeit.


Kaffee wirkt der Erhebung zufolge auch gegen negative Stimmungslagen wie Traurigkeit und Ärger – dieser Zusammenhang ist aber weniger stark. Nach dem Konsum von Kaffee berichteten die Befragten auch etwas weniger Traurigkeit oder Verärgerung als an vergleichbaren Tagen, wenn sie keinen Kaffee getrunken hatten. Im Gegensatz zu den positiven Emotionen hing dies aber nicht von der Uhrzeit ab.

Insgesamt wurden 236 junge Erwachsene über bis zu vier Wochen untersucht. Die Studienteilnehmer*innen beantworteten dabei sieben Mal täglich einen kurzen Fragebogen auf ihrem Handy und gaben dabei jeweils an, wie ihre aktuelle Stimmung ist und ob sie in den vorangehenden 90 Minuten ein koffeinhaltiges Getränk getrunken hatten.

Wahrgenommener Effekt unabhängig von Konsumgewohnheiten

Die Forschenden gingen auch der Frage nach, ob Kaffee individuell unterschiedlich wirkt. „Wir waren überrascht, dass wir keine Unterschiede zwischen Personen mit unterschiedlich starken Konsumgewohnheiten, unterschiedlicher Depressivität, Ängstlichkeit oder Schlafproblemen finden konnten“, sagt der Erstautor der Studie, Justin Hachenberger von der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft der Universität Bielefeld. „Der Zusammenhang zwischen Koffeinkonsum und positiven und negativen Emotionen war in all diesen Gruppen relativ ähnlich.“

So erwarteten die Forschenden, dass Personen mit höherer Ängstlichkeit negative Stimmungsveränderungen wie erhöhte Nervosität nach dem Koffeinkonsum erleben. „Es ist jedoch möglich, dass Personen, die wissen, dass sie nicht gut auf Koffein reagieren, einfach kein Koffein trinken. Solche Personen waren in der Studie nicht vertreten, da nur die Daten der Koffein-Konsument*innen ausgewertet wurden“, so Justin Hachenberger.

Rolle von Koffein-Entzugserscheinungen bleibt unklar

Die in der Studie belegte stimmungsaufhellende Wirkung erklären die Forschenden so: Koffein blockiert die Adenosin-Rezeptoren im Gehirn, wodurch man sich wacher und energiegeladener fühlt. Co-Autorin Professorin Anu Realo PhD von der University of Warwick erklärt: „Koffein wirkt, indem es Adenosin-Rezeptoren blockiert, was die Dopaminaktivität in wichtigen Hirnregionen erhöhen kann – ein Effekt, den Studien mit einer verbesserten Stimmung und gesteigerter Wachsamkeit in Verbindung gebracht haben.“

Eine offene Frage bleibt jedoch, ob diese Effekte mit einer Verringerung von Entzugserscheinungen nach der Nacht zusammenhängen. „Selbst Menschen mit nur mäßigem Koffeinkonsum können leichte Entzugserscheinungen verspüren, die mit dem ersten Kaffee oder Tee am Morgen verschwinden“, so Anu Realo.

Koffeinkonsum: eine universelle Gewohnheit

„Weltweit konsumieren etwa 80 Prozent der Erwachsenen koffeinhaltige Getränke und der Konsum von Tee und Kaffee reicht geschichtlich weit zurück“, sagt Professor Dr. Sakari Lemola von der Universität Bielefeld, der Letztautor der Studie. „Sogar bei wildlebenden Tieren ist Koffeinkonsum belegt, so bevorzugen Bienen- und Hummelarten Nektar von Pflanzen mit Koffeingehalt.“

Das Forschungsteam weist darauf hin, dass Koffeinkonsum zu Abhängigkeit führen kann. Übermäßiger Koffeinkonsum ist demnach mit verschiedenen Gesundheitsrisiken verbunden, und Koffeinkonsum zu späterer Tageszeit wird mit Schlafproblemen in Verbindung gebracht.

Publiziert in vielzitiertem Fachmagazin

Das Journal Scientific Reports, in dem die Studie veröffentlicht wurde, ist nach Eigenangaben die drittmeistzitierte wissenschaftliche Zeitschrift der Welt. Laut dem Datendienstleister Clarivate liegt der Impact-Factor bei 3,9 (2024).

Die Studie steht in Bezug zum Fokusbereich InChangE der Universität Bielefeld, der sich mit Individualisierung in sich ändernden Umwelten befasst.

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Justin Hachenberger, Universität Bielefeld
Arbeitseinheit Entwicklungspsychologie und Entwicklungspsychopathologie
Telefon 0521 106-67934
E-Mail: 

justin.hachenberger@uni-bielefeld.de

Originalpublikation:
Justin Hachenberger, Yu-Mei Li, Anu Realo, Sakari Lemola: The association of caffeine consumption with positive affect but not with negative affect changes across the day. Scientific Reports. https://doi.org/10.1038/s41598-025-14317-0, veröffentlicht am 5. August 2025.

HILDE steht für Haptische Interfaces für lebendige, digitale Erfahrungen

Im Projekt HILDE wollen Forschende der HTW Dresden älteren Menschen digitale Kommunikation über haptische Interaktion ermöglichen.

Ältere Menschen sind oft einsam, insbesondere wenn sie gesundheitlich eingeschränkt oder auf Pflege angewiesen sind. Smartphone oder Tablet bieten zwar Kontaktmöglichkeiten, doch sind viele Ältere nicht in der Lage, die moderne Technik zu nutzen. Hier setzt das Projekt HILDE der HTW Dresden an. 

Das dreijährige Forschungsvorhaben hat das Ziel, durch leicht handhabbare digitale Kommunikationsmittel die sozialen Kontakte zu verbessern und der Einsamkeit im Alter entgegenzuwirken.

„HILDE steht für Haptische Interfaces für lebendige, digitale Erfahrungen“, erklärt Projektleiterin Joanna Dauner, Professorin für Gestaltung an der Fakultät Design der HTWD. „Mittels einer einfach anwendbaren, barrierearmen Technologie möchten wir den Austausch mit Nahestehenden über Distanzen hinweg ermöglichen.“ Interaktive Gegenstände sollen die Nutzung leicht machen und dazu verhelfen, selbstbestimmt und spielerisch mit Freundinnen und Freunden oder Verwandten in Verbindung zu treten.

Suche nach bedarfsgerechter Lösung
Die Projektidee entstand während der Corona-Pandemie, als jüngere Menschen auf digitalem Weg ihre sozialen Kontakte pflegen konnten, dies vielen Älteren aber verwehrt blieb. Wie ließe sich das mithilfe geeigneter Technik ändern? Um Bedarf und Akzeptanz zu analysieren, wurden Seniorinnen und Senioren in die Forschungsarbeit mit eingebunden. Über persönliche Beziehungen zur Heimleitung gelang es trotz Corona-Einschränkungen, das Gulielminetti Seniorenwohn- und Pflegeheim in Marktoberdorf im Allgäu als Kooperationspartner zu gewinnen. „Zehn Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung nehmen an dem Projekt teil“, so Joanna Dauner. „Für Angehörige und das Pflegepersonal haben wir im Vorfeld Workshops organisiert und sie in das Projekt einbezogen, weil ihre Erfahrungen und ihr Fachwissen unverzichtbar sind.“

Ein erster Ansatz bestand darin, ein Tablet mit seniorenfreundlicher Benutzeroberfläche um haptische interaktive Elemente zu erweitern. Es stellte sich jedoch heraus, dass daran kein Interesse besteht, weil diejenigen, die ein Tablet nutzen, mit den vorhandenen Geräten gut klarkommen. Dagegen sind Menschen, die unter Einschränkungen wie fehlender Feinmotorik, kognitiven Störungen oder Demenz leiden, mit dieser Technik generell überfordert. Sie benötigen eine einfachere Lösung.

Interaktion über einen Gegenstand
Der neue Ansatz basiert auf einem leicht zu bedienenden Tonabspielgerät ähnlich der von der Firma Tonies für Kinder konzipierten würfelförmigen Toniebox. Die Anwendung ist denkbar einfach: Wird ein kleiner Gegenstand auf diese Lautsprecherbox gestellt, startet die Audiowiedergabe. Die Box erlaubt so eine intuitive Steuerung über eine haptische Interaktion.

Gemeinsam mit Partnerinnen und Patnern und in enger Zusammenarbeit mit dem Gulielminetti-Haus entwickelte das Team der HTWD eine derartige Box speziell für ihre Zielgruppe. Doch nicht Hörbücher oder Musik sollen aus dem Lautsprecher ertönen, sondern individuelle Aufnahmen mit ganz persönlichen Inhalten unter dem Motto „Weißt du noch?“

Erfahrungen zeigen, dass kognitiv eingeschränkte Menschen auf Geschichten positiv reagieren. Die Idee ist, dass Kinder, Enkel oder Bekannte von Erlebnissen berichten oder Geschichten erzählen und dies aufnehmen. Beim Abspielen der Audiodatei sind dann die vertrauten Stimmen zu hören, die vielleicht Erinnerungen wachrufen und Nähe zu den sprechenden Personen herstellen. „Wir haben das im Seniorenheim ausprobiert“, berichtet Joanna Dauner. 

„Ein Sohn hat für seine demente Mutter Gebete gesprochen. Die digitale Aufnahme wurde mit einer kleinen Marienfigur verknüpft, die der alten Frau viel bedeutet. Immer, wenn sie diese auf die Box stellt, hört sie die Stimme ihres Sohnes, was ihr sichtlich Freude macht.“

Weitere Anwendungsmöglichkeiten::

Bis Jahresende wollen die Partner an der Weiterentwicklung der Demonstrator-Box arbeiten. 

Die Firma Awesome Technologies stellt das Backend, das die Datenverarbeitung steuert, und gewährleistet den Datenschutz. 

Auch bietet sie ein eigenes datenschutzkonformes Chat-System für weitere Anwendungsmöglichkeiten wie das Senden und Empfangen von Nachrichten. Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung entwickelt eine Anzeige am Gerät, die durch Formgedächtnislegierungen – Materialien mit der Fähigkeit, ihre Form zu ändern und ihre ursprüngliche Gestalt wieder anzunehmen – gesteuert wird.


Mit den ethischen Aspekten der Technik und der Durchführung der Studien beschäftigt sich die Forschungsgruppe Geriatrie der Charitè – Universitätsmedizin Berlin.

Anfang 2026 soll eine Abschlussstudie zeigen, ob das Gerät die nötige Akzeptanz findet und dabei hilft, Einsamkeit zu überwinden. 

„Für den mehrwöchigen Test suchen wir noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, sagt die Projektleiterin.

 „Erfüllt die Box ihren Zweck, könnte man sie langfristig auf den Markt bringen, zumal die technologische Basis größtenteils vorhanden ist. 

Wir haben in dem Projekt aber auch viele zusätzliche Erkenntnisse gewonnen, die wir gerne weitergeben möchten.“

Das Projekt „HILDE” wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gefördert und läuft bis April 2026.

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Prof. M.A. Joanna Maria Dauner
Professorin für Grundlagen der Gestaltung
joanna.dauner@htw-dresden.de

Das Calcium: Die Schlüsselrolle

Jedes Mal, wenn ein Muskel kontrahiert wird oder im Gehirn ein Gedanke entsteht, ist Calcium daran beteiligt, den Prozess in Gang zu setzen. 

Ist die Signalübertragung abgeschlossen, muss das Calcium schnell wieder aus der Zelle entfernt werden, um sie für den nächsten Impuls bereit zu machen. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Universität des Saarlandes und der Universität Freiburg zeigten nun, dass dies nicht etwa nur durch intrazelluläre Puffer geschieht, wie man bislang glaubte, sondern hauptsächlich durch Plasmamembran-Calcium-Pumpen, die mit einer mehr als 100-mal höheren Transportgeschwindigkeit arbeiten als bisher angenommen.

Die gemeinsame Forschungsarbeit wurde jetzt in Nature Communications veröffentlicht.

Ob bei der Kontraktion eines Muskels oder der Signalübertragung im Gehirn: Alle diese Prozesse beruhen auf elektrischen Signalen in den Nervenzellen. Ausgelöst werden sie durch das Zusammenspiel von Ionen, unter denen Calcium eine Schlüsselrolle spielt: „Wenn Calcium in die Zelle kommt, wirkt es wie ein Einschaltknopf, mit dem eine Funktion eines Proteins in Gang gesetzt oder ausgeschaltet wird“, sagt Heiko Rieger, Professor für Theoretische Physik an der Universität des Saarlandes. Wird beispielsweise ein Signal von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen, so geschieht dies durch Neurotransmitter, die aus kleinen Vesikeln an den Synapsen freigesetzt werden. Die Vesikel fusionieren dabei mit der Membran der Synapse, und ihr Inhalt gelangt durch den synaptischen Spalt zur benachbarten Nervenzelle. „Auslöser für diesen Prozess sind Calcium-Ionen. Sie setzen die Maschinerie in Gang, die die Vesikel an die Membran ziehen, diese öffnen und den Neurotransmitter freisetzen“, erläutert Rieger. Entscheidend sei, dass die intrazelluläre Calcium-Konzentration anschließend sofort wieder abgesenkt werde, um die Zelle für die nächste Signalübertragung bereit zu machen.

Wie also gelangen die Calcium-Ionen so rasch ins Zellinnere – und, vor allem, wieder hinaus? Für das Einströmen in die Zelle sei das enorme Konzentrationsgefälle verantwortlich, erklärt Heiko Rieger. „Da außerhalb der Zelle sehr viel höhere Calcium-Konzentrationen herrschen als im Zellinneren, diffundieren Calcium-Ionen mit dem Gradienten in die Zelle hinein. Dazu öffnen sich Calcium-Kanäle, und pro Sekunde strömen rund 100.000 Calcium-Ionen durch jeden Kanal.“ Sobald das Signal beendet ist, müssen sie so schnell wie möglich aus der Zelle hinausbefördert werden – und zwar gegen das Konzentrationsgefälle. „Bisher nahm man an, dass entweder Calcium-Puffer innerhalb der Zelle diese Aufgabe übernehmen oder Pumpen in den Zellwänden – wobei man glaubte, dass diese viel zu langsam arbeiten und deshalb für die rasche Entsorgung doch eher die Puffer zuständig sind.“

In ihrem neuen Paper konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Universität des Saarlandes (Prof. Heiko Rieger, Prof. Dieter Bruns, Dr. Yvonne Schwarz und Barbara Schmidt) und der Universität Freiburg zeigen, dass es doch die Calcium-Pumpen in der Plasmamembran sind, die zum größten Teil für das schnelle Abpumpen von Calcium-Ionen aus dem Zellinneren verantwortlich sind (wobei sie als Energiequelle ATP, also Adenosintriphosphat, nutzen). Das Bemerkenswerte an dieser Entdeckung: „Diese sogenannten Plasmamembran-Calcium-ATPasen (kurz „PMCA“) arbeiten nicht etwa, wie lange geglaubt, mit 100 Hertz, also mit 100 Zyklen pro Sekunde, sondern im hohen Kilohertz-Bereich: Das heißt, sie pumpen 10.000 oder mehr Calcium-Ionen pro Sekunde aus der Zelle heraus und arbeiten damit mehr als 100-mal schneller als bisher angenommen. So sind sie in der Lage, die Calcium-Konzentrationen im Zellinneren präzise und schnell zu regulieren“, legt Heiko Rieger dar. Diese Erkenntnis widerlege bisherige wissenschaftliche Annahmen und habe sich aus einer Pionierleistung der Freiburger Kollegen ergeben: „Ihnen ist es nämlich zum ersten Mal gelungen, die Arbeit der PMCAs in voll funktionsfähigem Zustand zu messen.“

Dabei wirken die PMCA-Pumpen mit dem Membranlipid PtdIns(4,5)P2 zusammen. Die so entstehenden sogenannten PMCA2-Neuroplastin-Komplexe erlauben unter anderem die schnelle Bindung und Abgabe der Calcium-Ionen und ermöglichen so die außergewöhnlich hohe Pumpleistung. Ohne diese Lipidbindung verlangsamt sich der Transport massiv.

Für seine funktionellen Experimente nutzte das Freiburger Team ultraschnelle Sensoren (und zwar Calcium-aktivierte Kaliumkanäle), die Änderungen der Kalziumkonzentration im Bereich von Millisekunden sichtbar machen. Zusammen mit den durch Elektronenmikroskopie ermittelten Dichten der Pumpenkomplexe in den Zellmembranen (rund 55 Komplexe pro Quadratmikrometer) konnten die Forscherinnen und Forscher mithilfe eines mathematischen Modells von Professor Heiko Rieger erstmals zuverlässig die Transportgeschwindigkeit der PMCA-Pumpen berechnen.

Die gewonnenen Einblicke in die entscheidenden Funktionsmechanismen ultraschneller Calcium-Pumpen eröffnen neue Perspektiven für das Verständnis neuronaler Erkrankungen. Eine Vielzahl neurodegenerativer Erkrankungen, wie die Alzheimer-Krankheit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes, werden mit Störungen des intrazellulären Calcium-Spiegels in Verbindung gebracht. Insofern könnten die Forschungsergebnisse neue Angriffspunkte für Wirkstoffe schaffen, die gezielt in Calcium-regulierte Signalwege eingreifen.

Originalpublikation:
Cristina E. Constantin, Barbara Schmidt, Yvonne Schwarz, Harumi Harada, Astrid Kollewe, Catrin S. Müller, Sebastian Henrich, Botond Gaal, Akos Kulik, Dieter Bruns, Uwe Schulte, Heiko Rieger & Bernd Fakler: Ca2+-pumping by PMCA-neuroplastin complexes operates in the kiloHertz-range. Nature Communications 16, 7550 (2025)
Link zur Veröffentlichung: https://doi.org/10.1038/s41467-025-62735-5

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Professor Dr. Heiko Rieger
Universität des Saarlandes
Professur für Theoretische Physik, Arbeitsgruppe für theoretische Biophysik, statistische Physik und Computerphysik
Tel.: +49 681 302-3969 (Sekretariat: 302-2423)
E-Mail: heiko.rieger@uni-saarland.de
https://www.rieger.uni-saarland.de/

Originalpublikation:
https://doi.org/10.1038/s41467-025-62735-5

Psychotherapie etablierte Behandlungsmethode ist die kognitive Verhaltenstherapie

Psychotherapie führt zu messbaren Veränderungen der Hirnstruktur. 

Das haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universität Münster erstmals in einer Studie am Beispiel der kognitiven Verhaltenstherapie nachgewiesen. 

Die Arbeit erschien im Fachjournal "Translational Psychiatry". 

Hierfür untersuchte das Team die Gehirne von 30 Patientinnen und Patienten mit einer akuten Depression. 

Die meisten davon zeigten nach der Therapie Veränderungen in Bereichen, die für die Verarbeitung von Emotionen zuständig sind. 

Die beobachteten Effekte ähneln denen, die bereits aus Studien zu Medikamenten bekannt sind.

Weltweit sind rund 280 Millionen Menschen von einer schweren Depression betroffen. 

Dabei kommt es zu Veränderungen der Hirnmasse des vorderen Hippocampus und der Amygdala – beide Areale sind Teil des limbischen Systems und vorwiegend für die Verarbeitung und Kontrolle von Emotionen verantwortlich. 

Eine in der Psychotherapie etablierte Behandlungsmethode ist die kognitive Verhaltenstherapie.

 „Die kognitive Verhaltenstherapie bewirkt eine positive Veränderung der Denkmuster, Emotionen und Verhaltensweisen. 

Wir gehen davon aus, dass dieser Prozess auch mit funktionellen und strukturellen Veränderungen im Gehirn verbunden ist. Für Therapien mit Medikamenten oder Elektrostimulationen ist dieser Effekt bereits nachgewiesen, für die Psychotherapie allgemein bislang jedoch nicht valide“, sagt Prof. Dr. Dr. Ronny Redlich, Leiter der Abteilung Biologische und Klinische Psychologie ander MLU.

Dieser Nachweis ist den Forschenden der MLU und der Universität Münster nun gelungen – in einer umfangreichen Studie mit 30 an einer akuten Depression leidenden Menschen. Die Gehirne der Betroffenen wurden vor und nach 20 Sitzungen einer Verhaltenstherapie mit der strukturellen Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht. „MRT-Aufnahmen liefern Informationen über Form, Größe und Lage von Gewebe“, erklärt die Psychologin Esther Zwiky von der MLU. Zusätzlich zu den MRT-Aufnahmen wurden klinische Interviews geführt, um die Symptome der Erkrankung, etwa Schwierigkeiten beim Identifizieren und Beschreiben von Gefühlen, zu analysieren. Außerdem nahmen zu Vergleichszwecken 30 gesunde Kontrollpersonen an der Studie teil, die keine Therapie durchliefen.

Die Ergebnisse der Studie sind deutlich: 

19 von 30 Patientinnen und Patienten hatten nach der Therapie kaum noch eine akute depressive Symptomatik.

Erstmals haben die Forschenden auch konkrete anatomische Veränderungen dokumentiert. „Wir haben eine deutliche Zunahme des Volumens grauer Hirnmasse in der linken Amygdala und im vorderen rechten Hippocampus festgestellt“, sagt Esther Zwiky. Die Forschenden sehen hier einen klaren Zusammenhang mit den Symptomen: Personen mit höherem Zuwachs grauer Hirnmasse in der Amygdala zeigten auch einen stärkeren Rückgang ihrer Gefühlsstörungen.

„Dass die kognitive Verhaltenstherapie wirkt, war bereits bekannt. Jetzt haben wir erstmals einen validen Biomarker für den Effekt von Psychotherapie auf die Hirnstruktur. 

Einfacher ausgedrückt:

Psychotherapie verändert das Gehirn“, erklärt Ronny Redlich. 

Redlich betont, dass es keine grundsätzlich bessere oder schlechtere Therapie gibt – bei manchen Menschen schlagen Medikamente besser an, bei anderen funktionieren Elektrostimulationen sehr gut, dritten wiederum hilft Psychotherapie am besten. 

„Umso erfreulicher ist, dass wir durch unsere Studie zeigen konnten, dass Psychotherapie auch aus medizinisch-naturwissenschaftlicher Sicht eine gleichwertige Alternative ist“, so Redlich.

Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) und dem Land Sachsen-Anhalt gefördert.

Originalpublikation:
Studie: Zwiky E. et al. Limbic gray matter increases in response to cognitive behavioural therapy in major depressive disordner. Translational Psychiatry (2025). doi: 10.1038/s41398-025-03545-7

Tinnitus

Medizintechniker arbeiten an der Erforschung des Mechanismus des pulssynchronen Tinnitus und eröffnen neue Wege zur Diagnose und Therapie

Medizintechniker der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben erstmals in Computermodellen den Mechanismus für die Entstehung von Ohrgeräuschen beim sogenannten pulssynchronen Tinnitus patientenspezifisch modelliert und simuliert, wie das durch Engstellen im Gehirn entstehende quälende Rauschen im Ohr mit einer Gefäßstütze (Stent) behandelt werden kann. Die Studienergebnisse des Teams um den Ingenieur Janneck Stahl vom Forschungscampus STIMULATE der Universität Magdeburg eröffnen neue Möglichkeiten für eine schonende und nichtinvasive Diagnose und Behandlung der für die Patientinnen und Patienten belastenden Beschwerden.

„Das rhythmische Rauschen im Takt des Herzschlags macht diese Form des Tinnitus zu einer besonders quälenden Erkrankung, für die es bisher noch großen Forschungsbedarf gibt“, so Janneck Stahl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizintechnik der Universität. Aber im Gegensatz zum klassischen Tinnitus lasse sich das Geräusch beim pulssynchronen Tinnitus auf eine körperliche Ursache zurückführen, in diesem Fall die sogenannte Sinusstenose, eine Verengung einer großen Hirnvene nahe am Ohr, so der Ingenieur weiter. „Der krankhaft beschleunigte Blutfluss erzeugt an dieser Stelle Wirbel, die das störende Pulsgeräusch hervorrufen können. Verlangsamen wir den Blutfluss durch die Verbreiterung des Gefäßes mittels eines Stents, verschwinden die auftretenden Komplexitäten im Blutfluss und damit auch die belastenden Geräusche.“

Das Forschungsteam wertete Bilddaten von Patientinnen und Patienten aus, die sie vom Team des US-amerikanischen Neurochirurgen Prof. Ali Alaraj von der University of Illinois in Chicago erhalten haben, und entwickelte daraus detailgetreue Computermodelle des Blutflusses im Kopf. Die Simulationen zeigten: Um die Engstelle steigt die Strömungsgeschwindigkeit an der Gefäßwand sowie der Druckabfall entlang des Gefäßinnenraumes – Faktoren, die das Rauschen im Ohr erklären. Nach dem virtuellen Einsetzen eines Stents beruhigte sich der Blutfluss deutlich. Aufnahmen aus der Rotationsangiographie erwiesen sich dabei als verlässliche Grundlage für die Diagnose des behandlungsentscheidenden Druckabfalls.

„Unsere Ergebnisse liefern einen klaren mechanischen Beleg, dass eine Gefäßstenose den pulssynchronen Tinnitus verursachen kann und dass eine minimalinvasive Intervention Aussicht auf Erfolg besitzt“, so Stahl.

Für die Veröffentlichung der Studie im international renommierten Journal of Neurointerventional Surgery wurde das Magdeburger Forschungsteam soeben beim 17. Kongress der European Society of Minimally Invasive Neurological Therapy ESMINT im französischen Marseille mit dem Award „Best European Publication 2025“ ausgezeichnet.

Die Ingenieurinnen und Ingenieure des Forschungscampus STIMULATE kooperieren auch bei diesem Forschungsprojekt eng mit der Universitätsklinik für Neuroradiologie Magdeburg. Um künftig mehr Patientinnen und Patienten helfen zu können, ist dort eine Spezialsprechstunde für Betroffene von pulssynchronem Tinnitus eingerichtet worden. Ziel sei eine schonende, nicht-invasive Bilddiagnostik, die verlässliche Hinweise für die Therapie gibt.

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Janneck Stahl
Institut für Medizintechnik
0391-67-57272
janneck.stahl@ovgu.de

Weitere Informationen finden Sie unter
Studie

Herzschrittmacher vs Herzschwäche (Herzinsuffizienz)

In einer deutschlandweiten klinischen Studie untersuchen Forschende des LMU Klinikums München und des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) eine neuartige Methode der Schrittmachertherapie, die helfen könnte, eine durch klassische Schrittmacher hervorgerufene Herzschwäche zu vermeiden.

Herzschrittmacher retten Leben – insbesondere bei Menschen mit einem sogenannten AV-Block. 

Dabei handelt es sich um eine Störung der elektrischen Signale, die normalerweise dafür sorgen, dass das Herz im richtigen Takt schlägt. 

In solchen Fällen übernimmt der Schrittmacher diese Aufgabe.

Herzschrittmacher: Lebenswichtig, aber nicht ohne Nebenwirkungen

Allerdings hat die klassische Methode der Stimulation einen Nachteil: 

Der Herzmuskel wird an einer Stelle (der Herzspitze) stimuliert, die von der natürlichen Signalweiterleitung abweicht. 

Auf Dauer kann das dazu führen, dass die beiden Herzkammern nicht mehr optimal zusammenarbeiten – was die Pumpleistung des Herzens schwächt und langfristig eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz) verursachen kann.

Natürlichere Erregung – bessere Herzfunktion

Die neue Methode, das sogenannte physiologische Linksbündel-Pacing (Left Bundle Branch Area Pacing, LBBAP), ahmt die natürliche Signalweiterleitung des Herzens deutlich besser nach. 

Statt das elektrische Signal künstlich „von außen“ zu starten, wird gezielt das innere Reizleitungssystem des Herzens – das sogenannte His-Purkinje-System – aktiviert. 

Dieses System sorgt im gesunden Herzen dafür, dass alle Herzmuskelzellen im richtigen Moment kontrahieren und das Herz effizient Blut durch den Körper pumpt.

„Die herkömmliche Stimulation kann die Herzleistung auf Dauer beeinträchtigen – besonders bei Patientinnen und Patienten, deren Herz fast ständig durch den Schrittmacher gesteuert werden muss“, erklärt PD Dr. Moritz Sinner, Kardiologe an der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des LMU Klinikums München und einer der wissenschaftlichen Leiter der Studie. „Die neue Technik könnte hier eine deutlich schonendere und effektivere Lösung sein.“

Gemeinsam stark – multizentrische Studie mit über 20 Kliniken

An der Studie beteiligen sich über 20 Kliniken in ganz Deutschland. Insgesamt sollen etwa 200 Patientinnen und Patienten mit höhergradigem AV-Block teilnehmen – also Menschen, die dauerhaft auf einen Schrittmacher angewiesen sind.

Die wissenschaftliche Leitung teilen sich PD Dr. med. Florian Blaschke (DHZC) und PD Dr. med. Moritz Sinner (LMU Klinikum München). 

Die Charité übernimmt zudem die rechtliche Verantwortung für das Projekt.

„Eine so enge und produktive Zusammenarbeit zwischen zwei führenden Universitätskliniken ist nicht selbstverständlich“, sagt PD Dr. Florian Blaschke. 

„Umso mehr freut es uns, wie zielgerichtet und engagiert wir dieses wichtige Projekt gemeinsam voranbringen.“

Frühphase der Forschung – aber mit Potenzial für die Zukunft

Gefördert wird die Studie vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Sie gehört zur Kategorie der sogenannten „Early Clinical Trials“, also Studien in einem frühen Forschungsstadium. Dabei wird nicht direkt untersucht, ob Patientinnen und Patienten länger leben oder seltener ins Krankenhaus müssen – vielmehr wird zunächst geschaut, ob die neue Methode günstige Auswirkungen auf messbare Werte wie die Herzfunktion hat. Solche sogenannten Surrogat-Endpunkte gelten als wichtige Zwischenschritte auf dem Weg zu einer späteren breiteren Anwendung.

Sollten sich die positiven Effekte des Linksbündel-Pacings bestätigen, könnte das Verfahren schon bald Eingang in medizinische Leitlinien finden – also in die offiziellen Behandlungsempfehlungen für Ärztinnen und Ärzte. 

Die aktuelle Studie legt hierfür eine wichtige wissenschaftliche Grundlage. Weitere Untersuchungen sind geplant, um die Erkenntnisse zu festigen und die Methode langfristig in der klinischen Praxis zu etablieren.

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PD Dr. med. Florian Blaschke, Deutsches Herzzentrum Charité, florian.blaschke@dhzc-charite.de

PD Dr. med. Moritz Sinner, MPH, Medizinische Klinik und Poliklinik I, LMU Klinikum München, moritz.sinner@med.uni-muenchen.de


Weitere Informationen finden Sie unter


Studientitel: Left Bundle Branch Area Pacing versus Right Ventricular Pacing to Maintain Physiological Ventricular Activation in Patients with Normal or Mildly Reduced Left Ventricular Ejection Fraction (Preserve-Synch-DZHK30)

Weiße Blutkörperchen und zentraler Bestandteil des Immunsystems.

Neutrophile Granulozyten (kurz Neutrophile) sind eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen und zentraler Bestandteil des Immunsystems. 

Häufig sind sie ein erster Indikator für eine Infektion und bekämpfen diese frühzeitig im entzündeten Gewebe. 

Bei einem Überschuss können sie jedoch auch zu schweren Gewebeschädigungen führen und den Krankheitsverlauf verschlechtern. 

Einem Forschungsteam der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und des Universitätsklinikums Düsseldorf (UKD) ist es nun gelungen, Neutrophile mit einem theranostischen Ansatz sichtbar zu machen und ihre Funktion gezielt zu modulieren, wie in der Fachzeitschrift Advanced Science berichtet wurde.

Unter „Theranostik“ versteht man die enge Verzahnung von Therapie und Diagnostik. Ziel dieses Ansatzes ist es, Behandlungen individuell auf Patientinnen und Patienten zuzuschneiden und den optimalen Zeitpunkt für eine Therapie bereits im Rahmen der Diagnose exakt zu bestimmen.

Neutrophile gehören zum unspezifischen angeborenen Immunsystem. Durch ihre Effektor-Funktionen übernehmen sie eine Schlüsselrolle in der Erstabwehr von Bakterien und unterstützen den Körper bei der Bekämpfung von Infektionserregern in betroffenem Gewebe. 

Eine übermäßige Ausschüttung kann jedoch den Heilungsprozess behindern und zu Gewebeschädigungen führen. Insbesondere bei älteren Menschen ist die Funktion der Neutrophilen häufig eingeschränkt und eine gezielte Modulation ihrer Wirkweise könnte daher erhebliches therapeutisches Potenzial mit sich bringen.

Die Studie entstand unter Zusammenarbeit des Instituts für Molekulare Kardiologie, der Klinik für Anästhesiologie, des Institut für Physikalische Chemie I und des Instituts für Translationale Pharmakologie der HHU. Geleitet wurde das Projekt von Prof. Dr. Ulrich Flögel vom Institut für Molekulare Kardiologie. Ziel des Forschungsteams war es, die Funktionalisierung von Neutrophilen sichtbar zu machen und steuerbar zu gestalten, um langfristig die Behandlungsergebnisse zu verbessern.

Um dieses Ziel zu erreichen, setzten die Forschenden in einem experimentellen Colitis-Modell in der Maus neutrophilenspezifische Peptide (NP) ein, die an fluorhaltige Nanopartikel (FNP) gekoppelt wurden. Dadurch ließ sich in der Magnetresonanztomografie (MRT) die Wanderung der Neutrophilen präzise verfolgen, ohne deren Funktion zu beeinträchtigen. Zudem gelang es, die Neutrophilen mithilfe inhibitorischer oder stimulierender Liganden zelltypspezifisch in unterschiedliche Richtungen zu steuern. So konnte eine übermäßige Ausschüttung von Neutrophilen im entzündeten Gewebe gezielt verhindert werden.

„Die gezielte Aktivierung von Neutrophilen könnte perspektivisch eine Möglichkeit darstellen, eine eingeschränkte Immunfunktion bei älteren Menschen zu überwinden“, erklärt Prof. Flögel. „Dabei ist jedoch entscheidend, die Stärke der Stimulation streng zu überwachen, um eine Überreaktion zu verhindern.“ Dies könnte durch die gleichzeitige Beobachtung der Neutrophilendynamik mittels MRT gewährleistet werden. „Gleichzeitig konnten wir zeigen, dass sich auch theranostische Ansätze zur Abschwächung der Neutrophilenfunktion realisieren lassen, die die Zellen in einem inaktivierten Zustand halten“ so Prof. Flögel abschließend.

Der theranostische Ansatz eröffnet so die Möglichkeit, entweder die Immunantwort gezielt zu verstärken, um Infektionen effizienter zu bekämpfen, oder eine überschießende Abwehrreaktion abzumildern und damit Heilungsprozesse entscheidend zu fördern. Der hier entwickelte Ansatz könnte eine Grundlage zur Funktionalisierung von Neutrophilen darstellen.

 Schema des verwendeten Forschungsansatzes: Funktionalisierte FNPs (links oben) binden nach intravenöser Gabe (oben Mitte) an zirkulierende Neutrophile (oben rechts) und modulieren deren Effektorfunktionen (unten rechts). Deren Infiltration in die entzündete Darmwand kann mittels MRT sichtbar gemacht werden (unten links; coronaler MRT-Schnitt entlang des Darms) und dämpft zugleich die Folgen einer experimentell induzierten Colitis.

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Prof. Dr. Ulrich Flögel

Originalpublikation:
Theranostic Toolbox for Neutrophil Functionalization

P. Bouvain, K.-M. Thomy, A. M. Prinz, B. Steckel, S. Kadir, A. Röhs, J. Schmitz, C. Dohle, M. Karg, M. Grandoch, U. Flögel, S. Temme. Advanced Science 2025.

DOI: 10.1002/advs.202504412
Link: https://advanced.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdfdirect/10.1002/advs.202504412

Vorhofflimmerlast

Eine Analyse von Tele-EKG-Daten aus der EAST – AFNET 4 Studie ergab: Eine niedrige Vorhofflimmerlast von weniger als sechs Prozent im ersten Jahr der frühen rhythmuserhaltenden Therapie war mit niedrigen Raten kardiovaskulärer Ereignisse in den folgenden vier Jahren der Nachbeobachtung verbunden.

Patient:innen mit einer höheren Vorhofflimmerlast während der frühen rhythmuserhaltenden Behandlung erlitten mehr Komplikationen. 

Die Ergebnisse wurden heute von AFNET Vorstandsmitglied Prof. Ulrich Schotten, Universität Maastricht, in einer Hotline Sitzung auf dem Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Madrid vorgestellt (1,2).


Vorhofflimmern ist eine häufige Herzrhythmusstörung, die zu schweren Komplikationen wie Schlaganfall, Herzschwäche und kardiovaskulärem Tod führt. Derzeit wird Vorhofflimmern durch ein EKG diagnostiziert, was zu einer lebenslangen, binären Diagnose führt, die auf dem Vorhandensein von Vorhofflimmern in einem einzigen EKG beruht. Neuere Daten zeigen die Unzulänglichkeiten dieser binären Diagnose und legen nahe, dass die Vorhofflimmerlast (AF Burden) als quantitativer Parameter, definiert als den Anteil der überwachten Zeit, die im Vorhofflimmern verbracht wurde, die Schwere der Erkrankung besser widerspiegelt und das Risiko für Schlaganfälle und andere kardiovaskuläre Ereignisse beeinflusst (3,4).

Prof. Schotten erklärt: "Tele-EKGs oder Wearables, mit denen die Patient:innen selbst eine intermittierende Überwachung ihres Herzrhythmus durchführen, liefern eine Schätzung der Vorhofflimmerlast, die die Diagnose verfeinern und eine individuell angepasste Therapie ermöglichen könnte. Wenn die mittels von den Patient:innen aufgezeichneten EKGs geschätzte Vorhofflimmerlast mit kardiovaskulären Ereignissen in Zusammenhang steht, würde sich die Nutzung für ein digitales Patient:innenmanagement aus der Ferne anbieten. Um diese Frage zu untersuchen, haben wir EKG-Daten aus der EAST – AFNET 4 Studie analysiert."

Die EAST – AFNET 4 Studie (Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention) hat gezeigt: Ein frühzeitiger Rhythmuserhalt – durch Antiarrhythmika oder eine Vorhofflimmerablation – innerhalb eines Jahres nach der Diagnose Vorhofflimmern erzielte über einen Zeitraum von fünf Jahren bessere Ergebnisse als die übliche Behandlung (5). Eine Reihe von Subanalysen des EAST – AFNET 4 Datensatzes verifizierte die Ergebnisse für verschiedene Untergruppen. (6-17).

In der aktuellen Analyse wurde bei Patient:innen, die im Rahmen der EAST – AFNET 4 Studie eine frühe rhythmuserhaltende Therapie erhielten, die Vorhofflimmerlast anhand von Tele-EKGs geschätzt, wobei eine auf künstlicher Intelligenz basierende Rhythmusklassifizierung vorgenommen wurde.

1178 Patient:innenen (Durchschnittsalter 70 Jahre, 47 Prozent Frauen, CHA2DS2-VA 2-8±1-2) übermittelten 303308 EKGs über 5,1 Jahre. Die mediane Vorhofflimmerlast lag im ersten Beobachtungsjahr bei sechs Prozent. Eine Vorhofflimmerlast unterhalb des Medians war mit niedrigen Raten von kardiovaskulären Todesfällen, Schlaganfällen oder ungeplanten Krankenhausaufenthalten wegen Herzinsuffizienz oder akutem Koronarsyndrom verbunden. Eine Vorhofflimmerlast über dem Medianwert ging mit höheren Ereignisraten einher, vergleichbar mit den Komplikationen bei üblicher Behandlung.

Prof. Schotten schlussfolgert: "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die aus Tele-EKGs geschätzte Vorhofflimmerlast die mit Vorhofflimmern verbundenen Komplikationen bei der rhythmuserhaltenden Behandlung beeinflusst. Sie sprechen dafür, die Rolle der Vorhofflimmerlast im Hinblick auf eine personalisierte rhythmuserhaltende Therapie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern genauer zu untersuchen."


Publikationen
(1) Zeemering S, Borof K, Schotten U, Obergassel J, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Fabritz L, Goette A, Habibi Z, Hermans BJM, Lemoine MD, Magnussen C, Metzner A, Rillig A, Schnabel RB, Suling A, Vardas P, Willems S, Zapf A, Kirchhof P. Atrial fibrillation burden on early rhythm-control and cardiovascular events in the EAST-AFNET 4 AF trial. Abstract ESC Congress 2025
(2) Zeemering S, Borof K, Schotten U, Obergassel J, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Fabritz L, Goette A, Habibi Z, Hermans BJM, Lemoine MD, Magnussen C, Metzner A, Rillig A, Schnabel RB, Suling A, Vardas P, Willems S, Zapf A, Kirchhof P. Estimated atrial fibrillation burden on early rhythm-control and cardiovascular events in the EAST-AFNET 4 trial. EClinicalMedicine. 2025 Sep 01. DOI:10.1016/j.eclinm.2025.103457
(3) Linz D, Andrade JG, Arbelo E, Boriani G, Breithardt G, Camm AJ, Caso V, Nielsen JC, De Melis M, De Potter T, Dichtl W, Diederichsen SZ, Dobrev D, Doll N, Duncker D, Dworatzek E, Eckardt L, Eisert C, Fabritz L, Farkowski M, Filgueiras-Rama D, Goette A, Guasch E, Hack G, Hatem S, Haeusler KG, Healey JS, Heidbuechel H, Hijazi Z, Hofmeister LH, Hove-Madsen L, Huebner T, Kaab S, Kotecha D, Malaczynska-Rajpold K, Merino JL, Metzner A, Mont L, Ng GA, Oeff M, Parwani AS, Puererfellner H, Ravens U, Rienstra M, Sanders P, Scherr D, Schnabel R, Schotten U, Sohns C, Steinbeck G, Steven D, Toennis T, Tzeis S, van Gelder IC, van Leerdam RH, Vernooy K, Wadhwa M, Wakili R, Willems S, Witt H, Zeemering S, Kirchhof P. Longer and better lives for patients with atrial fibrillation: the 9th AFNET/EHRA consensus conference. Europace. 2024 Mar 30;26(4) DOI:10.1093/europace/euae070
(4) Becher N, Metzner A, Toennis T, Kirchhof P, Schnabel RB. Atrial fibrillation burden: a new outcome predictor and therapeutic target. Eur Heart J. 2024 Aug 16;45(31):2824-2838. DOI:10.1093/eurheartj/ehae373
(5) Kirchhof P, Camm AJ, Goette A, Brandes A, Eckardt L, Elvan A, Fetsch T, van Gelder IC, Haase D, Haegeli LM, Hamann F, Heidbüchel H, Hindricks G, Kautzner J, Kuck K-H, Mont L, Ng GA, Rekosz J, Schön N, Schotten U, Suling A, Taggeselle J, Themistoclakis S, Vettorazzi E, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Crijns HJGM, Breithardt G, for the EAST–AFNET 4 trial investigators. Early rhythm control therapy in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med. 2020; 383:1305-1316. DOI:10.1056/NEJMoa2019422
(6) Metzner A, Suling A, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Kuck KH, Mont L, Ng GA, Szumowski L, Themistoclakis S, van Gelder IC, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Kirchhof P. Anticoagulation, therapy of concomitant conditions, and early rhythm control therapy: a detailed analysis of treatment patterns in the EAST - AFNET 4 trial. EP Europace. 2022; 24:552–564. DOI:10.1093/europace/euab200
(7) Rillig A, Magnussen C, Ozga, Suling A, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Goette A, Gulizia M, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kuck KH, Ng GA, Szumowski L, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Early rhythm control therapy in patients with heart failure. Circulation. 2021;144(11):845-858. DOI:10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056323
(8) Willems S, Borof K, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Gessler N, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Ng GA, Schnabel R, Suling A, Szumowski L, Themistoclakis S, Vardas P, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Systematic, early rhythm control therapy equally improves outcomes in asymptomatic and symptomatic patients with atrial fibrillation: the EAST-AFNET 4 Trial. Eur Heart J. 2022; 43:1219-1230. DOI:10.1093/eurheartj/ehab593.
(9) Goette a, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns H, Kuck KH, Wegscheider K, Kirchhof P, MD. Presenting Pattern of Atrial Fibrillation and Outcomes of Early Rhythm Control Therapy. J Am Coll Cardiol. 2022; 80:283-95. DOI:10.1016/j.jacc.2022.04.058
(10) Rillig A, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Goette A, Kuck KH, Metzner A, Vardas P, Vettorazzi E, Wegscheider K, Zapf A, Kirchhof P. Early rhythm control in patients with atrial fibrillation and high comorbidity burden. Circulation. 2022 Sep 13;146(11):836-847. DOI:10.1161/CIRCULATIONAHA.122.060274
(11) Jensen M, Suling A, Metzner A, Schnabel R, Borof K, Goette A, Haeusler KG, Zapf A, Wegscheider K, Fabritz L, Diener H-C, Thomalla G, Kirchhof P. Early rhythm-control therapy for atrial fibrillation in patients with a history of stroke: a subgroup analysis of the EAST- AFNET 4 trial. Lancet Neurol. 2023; 22: 45–54. DOI:10.1016/PIIS1474-4422(22)00436-7
(12) Eckardt L, Sehner S, Suling A, Borof K, Breithardt G, Crijns HJGM, Goette A, Wegscheider K, Zapf A, Camm AJ, Metzner A, Kirchhof P. Attaining sinus rhythm mediates improved outcome with early rhythm control therapy of atrial fibrillation: the EAST – AFNET 4 trial. Eur Heart J. 2022 Oct 21;43(40):4127-4144. DOI:10.1093/eurheartj/ehac471
(13) Van Gelder IC, Ekrami NK, Borof K, Fetsch T, Magnussen C, Mulder BA, Schnabel R, Wegscheider K, Rienstra M, Kirchhof P; EAST-AFNET 4 Trial Investigators. Sex Differences in Early Rhythm Control of Atrial Fibrillation in the EAST-AFNET 4 Trial. J Am Coll Cardiol. 2023 Feb 28;81(8):845-847. DOI:10.1016/j.jacc.2022.12.011.
(14) Gottschalk S, Kany S, König H-H, Crijns HJGM, Vardas P, Camm AJ, Wegscheider K, Metzner A, Rillig A, Kirchhof P, Dams J. Cost- effectiveness of early rhythm-control versus usual care in atrial fibrillation care: an analysis based on the German subsample of the EAST-AFNET 4 trial. EP Europace. 2023 May 19;25(5). DOI:10.1093/europace/euad051
(15) Kany S, Al-Taie C, Roselli C, Pirruccello JP, Borof K, Reinbold C, Suling A, Krause L, Reissmann B, Schnabel R, Zeller T, Zapf A, Wegscheider K, Fabritz L, Ellinor PT, Kirchhof P. Association of genetic risk and outcomes in patients with early rhythm control therapy in atrial fibrillation: results from the EAST-AFNET4 study. Cardiovasc Res. 2023 Aug 7;119(9):1799-1810. DOI:10.1093/cvr/cvad027
(16) Fabritz L, Chua W, Cardoso VR, Al-Taie C, Borof K, Suling A, Krause L, Kany S, Magnussen C, Wegscheider K, Breithardt G, Crijns HJGM, Camm AJ, Gkoutos G, Ellinor PT, Goette A, Schotten U, Wienhues-Thelen U-H, Zeller T, Schnabel RB, Zapf A, Kirchhof P. Blood-based cardiometabolic phenotypes in atrial fibrillation and their associated risk: EAST-AFNET 4 biomolecule study. Cardiovasc Res. 2024. DOI:10.1093/cvr/cvae067
(17) Fabritz L, Al-Taie C, Borof K, Breithardt G, Camm J, Crijns HJGM, Cardoso VR, Chua W, van Elferen S, Eckardt L, Gkoutos G, Goette A, Guasch E, Hatem S, Metzner A, Mont L, Murukutla AV, Obergassel J, Rillig A, Sinner MF, Schnabel RB, Schotten U, Sommerfeld LC, Wienhues-Thelen U-H, Zapf A, Zeller T, Kirchhof P. Biomarker-based prediction of sinus rhythm in atrial fibrillation patients: the EAST-AFNET4 biomolecule study. Eur Heart J. 2024 Dec 14;45(47):5002-19. DOI:10.1093/eurheartj/ehae611

X: @afnet_ev, hashtag #EASTtrial.

Finanzielle Unterstützung: AFNET, BMBF, DZHK, EHRA, Deutsche Herzstiftung, Abbott, Sanofi

EAST – AFNET 4 Studie
EAST – AFNET 4 ist eine wissenschaftsinitiierte Studie, in der zwei unterschiedliche Behandlungsstrategien bei Vorhofflimmern verglichen wurden. Die EAST – AFNET 4 Studie testete, ob eine frühe und umfassende rhythmuserhaltende Therapie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern kardiovaskuläre Komplikationen besser verhindert als die übliche Behandlung.
Insgesamt 2789 Menschen mit frühem Vorhofflimmern (weniger als ein Jahr nach der ersten Diagnose) nahmen an der EAST – AFNET 4 Studie teil. Sie wurden von 2011 bis 2016 in 135 Kliniken und Praxen in elf europäischen Ländern in die Studie eingeschlossen. Die Studienteilnehmer:innen wurden einer der beiden Behandlungsgruppen „früher Rhythmuserhalt“ oder „übliche Behandlung“ nach dem Zufallsprinzip zugeordnet (Randomisierung). Die Patient:innen in beiden Gruppen erhielten eine leitlinienkonforme Therapie, bestehend aus der Behandlung ihrer kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Blutgerinnungshemmung und Frequenzregulierung.
Alle Patient:innen der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ erhielten nach der Randomisierung zusätzlich Antiarrhythmika oder eine Katheterablation. Sobald bei einem Mitglied dieser Gruppe Vorhofflimmern erneut auftrat, wurde die Therapie intensiviert mit dem Ziel, den normalen Sinusrhythmus durch eine Katheterablation und/oder antiarrhythmische Medikamente wiederherzustellen und möglichst dauerhaft zu erhalten.
Patient:innen der Gruppe „übliche Behandlung“ erhielten nur dann eine rhythmuserhaltende Therapie, wenn diese notwendig war, um durch Vorhofflimmern verursachte Symptome zu bessern, die trotz leitlinienkonformer frequenzregulierender Behandlung auftraten.

Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen aus Kliniken und Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks ist es, die Behandlung und Versorgung von Patient:innen mit Vorhofflimmern in Deutschland, Europa und weltweit durch koordinierte Forschung zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. wissenschaftsinitiierte, nicht-kommerzielle, klinische Studien (investigator initiated trials = IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene sowie translationale Forschungsprojekte durch. Der Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern hervorgegangen. Seit Januar 2015 werden einzelne Projekte und Infrastrukturen des AFNET vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) sowie einige Projekte aus EU-Forschungsmitteln gefördert. Das AFNET verfügt über langjährige Erfahrung in der Behandlung von Vorhofflimmern, unterstützt aber auch Forschungsarbeiten in anderen Bereichen, die für die kardiovaskuläre Versorgung relevant sind. Die Erkenntnisse aus der mittlerweile 20jährigen klinischen und translationalen Forschung des Forschungsnetzes haben das Leben von Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbessert und Behandlungsleitlinien beeinflusst.

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Dr. Angelika Leute
Tel: 0202 2623395
a.leute@t-online.de

Originalpublikation:
Zeemering S et al. Estimated atrial fibrillation burden on early rhythm-control and cardiovascular events in the EAST-AFNET 4 trial. EClinicalMedicine. 2025 Sep 01. DOI:10.1016/j.eclinm.2025.103457
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de

Antiallergisches Nasenspray mit dem Wirkstoff Azelastin das Risiko für SARS-CoV-2-Infektionen signifikant senken kann

Ein Forschungsteam der Universität des Saarlandes hat in einer klinischen Studie nachgewiesen, dass ein weit verbreitetes antiallergisches Nasenspray mit dem Wirkstoff Azelastin das Risiko für SARS-CoV-2-Infektionen signifikant senken kann. Die Ergebnisse der placebo-kontrollierten Studie mit 450 gesunden Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden jetzt in JAMA Internal Medicine, einem renommierten US-amerikanischen Fachjournal, veröffentlicht.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um den Studienleiter Prof. Dr. Dr. Robert Bals, Direktor der Klinik für Innere Medizin V am Universitätsklinikum und Professor für Innere Medizin an der Universität des Saarlandes, haben 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe, 227 Personen, erhielt dreimal täglich ein Nasenspray mit dem Wirkstoff Azelastin für insgesamt 56 Tage. 223 Personen der Kontrollgruppe sprühten sich im selben Zeitraum ebenfalls dreimal täglich ein Placebo in die Nase. „2,2 Prozent der Azelastin-Gruppe hat sich im Beobachtungszeitraum mit SARS-CoV-2 infiziert, in der Kontrollgruppe, die das Placebo erhielt, war der Anteil mit 6,7 Prozent infizierter Personen dreimal so hoch“, fasst Robert Bals das zentrale Ergebnis zusammen. Bestätigt wurden die Infektionen mit einem PCR-Test.

Neben dem Rückgang an Corona-Infektionen zeigten sich in der Azelastin-Gruppe auch weniger symptomatische SARS-CoV-2-Verläufe, eine insgesamt geringere Anzahl an nachgewiesenen Atemwegsinfektionen und hierbei überraschenderweise auch eine niedrigere Rate an Rhinovirus-Infektionen – einem weiteren bedeutenden Erreger für Atemwegserkrankungen. Von den 227 Personen, die das azelastin-haltige Nasenspray erhielten, entwickelten 1,8 Prozent eine Rhinovirus-Infektion. „In der Kontrollgruppe lag der Anteil der Infizierten mit 6,3 Prozent ähnlich hoch wie bei SARS-CoV-2“, so Robert Bals.

Azelastin-Nasenspray wird seit Jahrzehnten als rezeptfreies Medikament zur Behandlung von allergischem Schnupfen eingesetzt. Bereits zuvor haben In-vitro-Studien antivirale Effekte gegenüber SARS-CoV-2 und anderen respiratorischen Viren gezeigt. „Die aktuelle klinische Studie ist nun die erste, die eine präventive Schutzwirkung in einem realen Anwendungsszenario belegt“, erläutert der Direktor der Klinik für Innere Medizin V des Universitätsklinikums.

Für den Mediziner leiten sich daraus praktische Hinweise ab: „Insbesondere für Risikogruppen, in Hochinzidenzphasen oder bei bevorstehenden Reisen könnte das Nasenspray eine einfach zugängliche Ergänzung zu bestehenden Schutzmaßnahmen darstellen“, so Professor Bals, der für Folgestudien großes Potenzial sieht: „Die Studienergebnisse bekräftigen die Notwendigkeit größerer, multizentrischer Studien, um den Einsatz von Azelastin-Nasenspray als ‚On-Demand‘-Prophylaxe weiter zu untersuchen und das Potenzial auch gegenüber anderen Atemwegserregern zu prüfen.“

Neben Professor Bals als Studienleiter waren an der randomisierten, doppelblinden Phase-2-Studie „CONTAIN“ zudem das Institut für Klinische Pharmazie (Prof. Dr. Thorsten Lehr, Dr. Dominik Selzer), das Institut für Virologie (Prof. Dr. Sigrun Smola) und die Saarbrücker URSAPHARM Arzneimittel GmbH beteiligt, Sponsor der klinischen Studie und Hersteller des Prüfpräparats. Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) war bei der Studie über die Arbeitsgruppen von Prof. Smola und Prof. Bals eingebunden. Das Projekt ist ein Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen akademischer Forschung, Industriepartnern und öffentlicher Gesundheitsvorsorge in der Region Saarland.

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Prof. Dr. Dr. Robert Bals
Tel.: (06841) 1615051
E-Mail: robert.bals@uks.eu

Originalpublikation:
Lehr T, Meiser P, Selzer D, et al; The CONTAIN Study Group. Azelastine nasal spray for prevention of SARS-CoV-2 infection: a phase 2 randomized clinical trial. JAMA Intern Med. Published online September 2, 2025. doi:10.1001/jamainternmed.2025.4283

TOP Palliative Onkologie und die Kardiologie

Auf dem europäischen Kardiologenkongress in Madrid wurden die Ergebnisse erstmals vorgestellt: Die EMPATICC-Studie (EMPower the heArt of patients with TermInal Cancer using Cardiac medicines) zeigt, dass eine personalisierte Herzinsuffizienztherapie bei Patient:innen mit fortgeschrittenem Krebs in der Palliativversorgung das Potenzial hat, bestimmte kardiovaskuläre Marker und die Lebensqualität zu verbessern – auch wenn ein signifikanter Vorteil beim primären funktionellen Endpunkt nicht nachgewiesen werden konnte. Die Ergebnisse geben wichtige Impulse dafür, wie Therapieentscheidungen am Lebensende gestaltet werden können.


Zugleich unterstreichen sie die Herausforderungen und Grenzen interventioneller Studien in dieser vulnerablen Patient:innengruppe. Das von der Brost Stiftung aus Essen geförderte Forschungsteam unter der Federführung von Prof. Dr. Dr. h.c. Tienush Rassaf markiert einen Meilenstein in der interdisziplinären Behandlung von Patient:innen mit fortgeschrittener Krebserkrankung in palliativer Situation – und eröffnet zentrale neue Perspektiven für die Palliativ- und Herzmedizin.

Hintergrund: Herzinsuffizienzsymptome in der Palliativmedizin bisher wenig beachtet
Patient:innen, die an fortgeschrittenen (soliden) Krebserkrankungen leiden und eine begrenzte Lebenserwartung haben, zeigen häufig Symptome, die an eine Herzinsuffizienz erinnern: Atemnot, Wassereinlagerungen, Schwäche und reduzierte Selbstständigkeit prägen den Alltag. Herzmuskelschwund und Funktionsverlust des Herzens sind dabei bislang weitgehend unerforschte – aber offenbar zentrale – Komponenten dieser schweren Krankheitsphase. Bislang existierten weder evidenzbasierte Empfehlungen noch randomisiert kontrollierte Studien zum gezielten Einsatz moderner Herzinsuffizienzmedikamente (wie Sacubitril/Valsartan, Empagliflozin, Ivabradin und intravenösen Eisenpräparaten) in dieser besonderen Patient:innengruppe.

Studienaufbau: Mut zum Unbekannten
Die von dem Universitätsklinikum Essen, der Charité Berlin und weiteren führenden deutschen Zentren durchgeführte EMPATICC-Studie ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig: Insgesamt 93 Patient:innen mit fortgeschrittener Krebserkrankung, spezialisierter palliativer Betreuung und deutlichen Hinweisen auf eine kardiale Beteiligung wurden im Rahmen einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten und individuell angepassten Therapie für 30 Tage randomisiert behandelt. Ziel war es herauszufinden, ob mit modernen Herzinsuffizienz-Medikamenten die Selbstständigkeit und Lebensqualität verbessert werden kann. Der primäre Endpunkt war ein hierarchisch aufgebauter kombinierter Endpunkt:
1.) Tage, an denen die Patient:innen selbstständig waschen konnten,
2.) Gehfähigkeit über 4 Meter, sowie
3.) die subjektive Einschätzung des Wohlbefindens.

Ergebnisse: Kein Unterschied im primären Endpunkt – aber entscheidende Signale
Nach 30 Tagen zeigte sich im Gesamtkollektiv kein signifikanter Unterschied im primären Endpunkt zwischen Interventions- und Placebogruppe (Win Ratio 0,95; 95%-Konfidenzintervall 0,57–1,58; p=0,83). Zu diesem Zeitpunkt waren 32% der Patient:innen bereits verstorben – ein Ausdruck der hohen Mortalität und Fragilität dieser Population.

Bemerkenswert war jedoch: Bei den Patient:innen, die den kritischen Zeitraum von 30 Tagen überlebten, waren in der Interventionsgruppe deutliche Verbesserungen der kardialen Biomarker (NT-proBNP um 41% gesenkt, p=0,040), der linksventrikulären Auswurffraktion (Zunahme um 2,9 Prozentpunkte, p=0,040) und der subjektiven Lebensqualität erkennbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass Patient:innen ihre Lebensqualität als besser wahrnahmen, war in der Behandlungsgruppe am Tag 30 bei den Überlebenden deutlich erhöht (Odds Ratio 0,22; p=0,016). Wichtig ist auch, dass aus Sicherheitsperspektive die neue Therapie unauffällig blieb: Die Gesamtsterblichkeit unterschied sich nicht zwischen beiden Gruppen.

Bedeutung und Konsequenzen: Paradigmenwechsel für die Palliativmedizin?
Die Autor:innen beschreiben die EMPATICC-Studie als Beweis, dass komplexe, multimedikamentöse und verblindete Studien im palliativmedizinischen Setting nicht nur machbar, sondern auch von Patient:innen und Angehörigen akzeptiert werden. Zwar sei das Therapieziel – eine signifikante Steigerung der funktionellen Selbstständigkeit für alle – im Gesamtkollektiv verfehlt worden. Doch die Ergebnisse bei jenen Patient:innen, die die Initialphase von 30 Tagen überlebten, zeigen erstmals, dass gezielte Herzinsuffizienztherapie das Potenzial besitzt, Lebensqualität und kardiale Funktion in der Palliativmedizin für schwer erkrankte Patient:innen mit Krebs zu verbessern. Besonders für Patient:innen mit einer prognostizierten Lebenserwartung ab etwa zwei bis drei Monaten und nach sorgfältiger individueller Auswahl könnte sich das Behandlungskonzept in Zukunft als neuer Standard etablieren.

Gleichzeitig machen die hohen Sterberaten und die Schwierigkeiten bei der Prognoseabschätzung die Notwendigkeit besserer Risikostratifizierungsmodelle und adaptierter Studienpläne deutlich. Zu schwer erkrankte Patient:innen – bei denen die neue Therapie keine ausreichende Zeit mehr hat zu wirken – scheinen von der Therapie nicht zu profitieren, und die Selektion geeigneter Kandidat:innen bleibt eine Herausforderung für zukünftige Forschung.

Prof. Dr. Dr. h.c. Rassaf hebt hervor: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass palliative Onkologie und Kardiologie gemeinsam innovative Wege gehen können, um Patient:innen auch in dieser oft verzweifelten Lebensphase Lebensqualität zu schenken.“ Er betont die Vorreiterrolle der Studie – und erwartet, dass die Ergebnisse internationale Diskussionen und Folgestudien anstoßen werden.

Die Ergebnisse wurden zeitgleich zur Vorstellung auf dem Kongress im renommierten European Heart Journal veröffentlicht.

Prof. Dr. Tienush Rassaf, UDE/UK Essen

Originalpublikation:
Link zur Originalveröffentlichung:
Heart Failure Therapy in Patients with Advanced Cancer Receiving Specialized Palliative Care (EMPATICC trial) https://academic.oup.com/eurheartj/advance-article/doi/10.1093/eurheartj/ehaf705...

Depressive Symptome

Depressive Symptome auch bei Long Covid und Covid-Impfnebenwirkung / Überschneidungen der Symptome können dazu führen, dass echte Depression lange übersehen werden und unbehandelt bleiben

In einer gerade in Fachmagazin Frontiers veröffentlichten repräsentativen Online-Umfrage der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention aus dem Jahr 2023 mit 4.632 Erwachsenen (18-69 Jahre) berichten 12,1% der Allgemeinbevölkerung über anhaltende psychische Symptome im Rahmen eines Long Covid Syndromes (auch Post-COVID-Syndrom, PCS). Ähnlich häufig (12,6 %) berichten Geimpfte über anhaltende psychische Symptome im Rahmen eines Post Vaccination Syndrome (PCVS). Beide Syndrome sind gekennzeichnet durch Müdigkeit, kognitive Probleme, Schlafstörungen, Leistungseinbußen und depressive Stimmung.
„Die Symptome von PCS bzw. PCVS überschneiden sich mit typischen Krankheitszeichen einer depressiven Erkrankung. Das birgt die Gefahr, dass von Ärzten und Psychologen Symptome einer eigenständigen depressiven Erkrankung als PCS und PCVS fehlattribuiert werden und so wertvolle Zeit bis zu einer korrekten Depressionsbehandlung verloren geht“, sagt Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention. Bemerkenswert ist auch die Diskrepanz zwischen der Häufigkeit psychischer Symptome die von den Betroffenen selbst als Impfnebenwirkungen gesehen werden und der Häufigkeit proaktiv gemeldeter Verdachtsfälle auf psychischer Impfnebenwirkungen beim Paul Ehrlich Institut (12,6 versus 0,5 %). Auch wenn unterschiedliche Erhebungsmethoden keine direkte Vergleichbarkeit ermöglichen, bedarf es hier weiterer Forschung.

Vorangegangene Studie zeigte bereits Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auf depressiv Erkrankte

Bereits im März 2021 zeigte eine Sondererhebung zum Deutschland-Barometer Depression einen Zusammenhang zwischen den ergriffenen Maßnahmen gegen die Pandemie und depressiven Erkrankungen: 44% der Menschen mit diagnostizierter Depression berichteten von Rückfällen oder Verschlechterungen ihres Zustandes bis hin zu Suizidversuchen. „Diese Verschlimmerung der Depression stand im Zusammenhang mit der schlechteren Versorgung psychisch erkrankter Menschen während der Pandemie. Arzt- oder Psychotherapie-Termine fielen aus, stationäre Behandlungen wurden abgesagt. Auch die wegbrechende Tagesstruktur, z.B. durch Homeoffice, weniger Sport und Bewegung, und längere Bettzeiten dürften bei vielen den Krankheitsverlauf negativ beeinflusst haben“, erläutert Hegerl.

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Prof. Ulrich Hegerl
Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention
Goerdelerring 9
04109 Leipzig
Tel: 0341/22 38 74 12
info@deutsche-depressionshilfe.de

Originalpublikation:
https://www.frontiersin.org/journals/public-health/articles/10.3389/fpubh.2025.1...

Blutplätchen und Gerinnungshemmung

Wissenschaftler der Universitätsmedizin Augsburg finden eine besonders aktive Untergruppe von Blutplättchen, die bei Menschen mit koronarer Herzkrankheit trotz medikamentöser Therapie Herzinfarkte verursachen. Diese Entdeckung kann Wege für maßgeschneiderte Therapien eröffnen. Die Forschungsergebnisse erscheinen in der renommierten Fachzeitschrift European Heart Journal und wurden am 31. August auf dem größten Kardiologiekongress Europas vorgestellt.

Trotz moderner Medikamente erleiden viele Menschen mit koronarer Herzkrankheit weiterhin Herzinfarkte. Ein Forschungsteam der Universität Augsburg hat nun gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus München und Mailand eine mögliche Erklärung dafür gefunden, und einen vielversprechenden Therapieansatz mitgeliefert.

Im Fokus stehen sogenannte „retikulierte Blutplättchen“, das sind besonders junge, RNA-reiche und reaktive Thrombozyten. „Wir haben herausgefunden, dass sie eine zentrale Rolle beim Entstehen von Blutgerinnseln bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankeit spielen“, erklärt Prof. Dr. Dario Bongiovanni, Professor an der Medizinischen Fakultät und Leiter des Studienzentrums der I. Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Augsburg.

„In unserer Arbeit konnten wir erstmals die biologischen Mechanismen dieser Zellen umfassend charakterisieren. Damit erklären wir, warum diese Blutplättchen bei vielen Patienten auch unter optimaler Therapie noch überaktiv bleiben“, so Bongiovanni weiter. Der Grund liegt darin, dass diese jungen Blutplättchen über besonders viele aktivierende Signalwege verfügen, die sie empfindlicher und reaktionsfreudiger machen als reife Thrombozyten.

Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist die weltweit häufigste Herzkrankheit. Sie entsteht, wenn sich die Herzkranzgefäße durch Ablagerungen verengen und das Herz nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Folgen können Brustschmerzen, Herzinfarkt oder plötzlicher Herztod sein.

Die Ergebnisse stammen aus einer multidimensionalen, also verschiedene Methoden anwendenden, Analyse des Bluts von über 90 Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit. Die Forschenden fanden unter anderem Signalwege, über die sich die Aktivität solcher Blutzellen gezielt bremsen lässt, insbesondere zwei Zielstrukturen namens GPVI und PI3K. Erste Laborexperimente bestätigten, dass die Hemmung dieser Signalwege die Überaktivität der Blutplättchen reduzieren kann.

„Unsere Ergebnisse könnten den Weg ebnen für eine personalisierte Thrombozytenhemmung, also maßgeschneiderte Therapien, die auf die individuellen Eigenschaften der Blutplättchen einer Patientin oder eines Patienten abgestimmt sind“, betont Bongiovanni.

Die Studie wird im European Heart Journal erscheinen und wurde beim ESC Congress 2025, dem größten Kardiologiekongress Europas, am 31. August in Madrid vorgestellt.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Dario Bongiovanni PhD
Professor für Klinische und Translationale Forschung in der Kardiologie
E-Mail: dario.bongiovanni@med.uni-augsburg.de

Originalpublikation:
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf694

Kilian Kirmes, Jiaying Han, Melissa Klug, Conor J Bloxham, Olena Babyak, Judith Bernett, Lis Arend, Quirin Manz, Leonora Raka, Leon Schwartz, Markus Hoffmann, Marc Rosenbaum, Jürgen Ruland, Octavia-Andreea Ciora, Zakaria Louadi, Olga Tsoy, Khalique Newaz, Jessica Modica, Carola Conca Dioguardi, Clelia Peano, Michaela Müller, Donato Santovito, Giacomo Viggiani, Stephanie Kühne, Moritz von Scheidt, Leo Nicolai, Tianjiao Wu, Jan Baumbach, Mauro Chiarito, Karl-Ludwig Laugwitz, Gianluigi Condorelli, Philip W J Raake, Markus List, Isabell Bernlochner, Dario Bongiovanni. Reticulated platelets in coronary artery disease: a multidimensional approach unveils prothrombotic signalling and novel therapeutic targets, European Heart Journal, 2025.

Vorhofflimmerlast und Vorhoffflimmern/Vorhoffflattern

Eine Analyse von Tele-EKG-Daten aus der EAST – AFNET 4 Studie ergab:

Eine niedrige Vorhofflimmerlast von weniger als sechs Prozent im ersten Jahr der frühen rhythmuserhaltenden Therapie war mit niedrigen Raten kardiovaskulärer Ereignisse in den folgenden vier Jahren der Nachbeobachtung verbunden. 

Patient:innen mit einer höheren Vorhofflimmerlast während der frühen rhythmuserhaltenden Behandlung erlitten mehr Komplikationen. 

Die Ergebnisse wurden heute von AFNET Vorstandsmitglied Prof. Ulrich Schotten, Universität Maastricht, in einer Hotline Sitzung auf dem Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Madrid vorgestellt (1,2).

Vorhofflimmern ist eine häufige Herzrhythmusstörung, die zu schweren Komplikationen wie Schlaganfall, Herzschwäche und kardiovaskulärem Tod führt. Derzeit wird Vorhofflimmern durch ein EKG diagnostiziert, was zu einer lebenslangen, binären Diagnose führt, die auf dem Vorhandensein von Vorhofflimmern in einem einzigen EKG beruht. Neuere Daten zeigen die Unzulänglichkeiten dieser binären Diagnose und legen nahe, dass die Vorhofflimmerlast (AF Burden) als quantitativer Parameter, definiert als den Anteil der überwachten Zeit, die im Vorhofflimmern verbracht wurde, die Schwere der Erkrankung besser widerspiegelt und das Risiko für Schlaganfälle und andere kardiovaskuläre Ereignisse beeinflusst (3,4).

Prof. Schotten erklärt: "Tele-EKGs oder Wearables, mit denen die Patient:innen selbst eine intermittierende Überwachung ihres Herzrhythmus durchführen, liefern eine Schätzung der Vorhofflimmerlast, die die Diagnose verfeinern und eine individuell angepasste Therapie ermöglichen könnte. Wenn die mittels von den Patient:innen aufgezeichneten EKGs geschätzte Vorhofflimmerlast mit kardiovaskulären Ereignissen in Zusammenhang steht, würde sich die Nutzung für ein digitales Patient:innenmanagement aus der Ferne anbieten. Um diese Frage zu untersuchen, haben wir EKG-Daten aus der EAST – AFNET 4 Studie analysiert."

Die EAST – AFNET 4 Studie (Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention) hat gezeigt: Ein frühzeitiger Rhythmuserhalt – durch Antiarrhythmika oder eine Vorhofflimmerablation – innerhalb eines Jahres nach der Diagnose Vorhofflimmern erzielte über einen Zeitraum von fünf Jahren bessere Ergebnisse als die übliche Behandlung (5). Eine Reihe von Subanalysen des EAST – AFNET 4 Datensatzes verifizierte die Ergebnisse für verschiedene Untergruppen. (6-17).

In der aktuellen Analyse wurde bei Patient:innen, die im Rahmen der EAST – AFNET 4 Studie eine frühe rhythmuserhaltende Therapie erhielten, die Vorhofflimmerlast anhand von Tele-EKGs geschätzt, wobei eine auf künstlicher Intelligenz basierende Rhythmusklassifizierung vorgenommen wurde.

1178 Patient:innenen (Durchschnittsalter 70 Jahre, 47 Prozent Frauen, CHA2DS2-VA 2-8±1-2) übermittelten 303308 EKGs über 5,1 Jahre. Die mediane Vorhofflimmerlast lag im ersten Beobachtungsjahr bei sechs Prozent. Eine Vorhofflimmerlast unterhalb des Medians war mit niedrigen Raten von kardiovaskulären Todesfällen, Schlaganfällen oder ungeplanten Krankenhausaufenthalten wegen Herzinsuffizienz oder akutem Koronarsyndrom verbunden. Eine Vorhofflimmerlast über dem Medianwert ging mit höheren Ereignisraten einher, vergleichbar mit den Komplikationen bei üblicher Behandlung.

Prof. Schotten schlussfolgert: "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die aus Tele-EKGs geschätzte Vor hoffe immer lässt die mit Vorhofflimmern verbundenen Komplikationen bei der rhythmuserhaltenden Behandlung beeinflusst. Sie sprechen dafür, die Rolle der Vorhofflimmerlast im Hinblick auf eine personalisierte rhythmuserhaltende Therapie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern genauer zu untersuchen."

Publikationen
(1) Zeemering S, Borof K, Schotten U, Obergassel J, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Fabritz L, Goette A, Habibi Z, Hermans BJM, Lemoine MD, Magnussen C, Metzner A, Rillig A, Schnabel RB, Suling A, Vardas P, Willems S, Zapf A, Kirchhof P. Atrial fibrillation burden on early rhythm-control and cardiovascular events in the EAST-AFNET 4 AF trial. Abstract ESC Congress 2025
(2) Zeemering S, Borof K, Schotten U, Obergassel J, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Fabritz L, Goette A, Habibi Z, Hermans BJM, Lemoine MD, Magnussen C, Metzner A, Rillig A, Schnabel RB, Suling A, Vardas P, Willems S, Zapf A, Kirchhof P. Estimated atrial fibrillation burden on early rhythm-control and cardiovascular events in the EAST-AFNET 4 trial. EClinicalMedicine. 2025 Sep 01. DOI:10.1016/j.eclinm.2025.103457
(3) Linz D, Andrade JG, Arbelo E, Boriani G, Breithardt G, Camm AJ, Caso V, Nielsen JC, De Melis M, De Potter T, Dichtl W, Diederichsen SZ, Dobrev D, Doll N, Duncker D, Dworatzek E, Eckardt L, Eisert C, Fabritz L, Farkowski M, Filgueiras-Rama D, Goette A, Guasch E, Hack G, Hatem S, Haeusler KG, Healey JS, Heidbuechel H, Hijazi Z, Hofmeister LH, Hove-Madsen L, Huebner T, Kaab S, Kotecha D, Malaczynska-Rajpold K, Merino JL, Metzner A, Mont L, Ng GA, Oeff M, Parwani AS, Puererfellner H, Ravens U, Rienstra M, Sanders P, Scherr D, Schnabel R, Schotten U, Sohns C, Steinbeck G, Steven D, Toennis T, Tzeis S, van Gelder IC, van Leerdam RH, Vernooy K, Wadhwa M, Wakili R, Willems S, Witt H, Zeemering S, Kirchhof P. Longer and better lives for patients with atrial fibrillation: the 9th AFNET/EHRA consensus conference. Europace. 2024 Mar 30;26(4) DOI:10.1093/europace/euae070
(4) Becher N, Metzner A, Toennis T, Kirchhof P, Schnabel RB. Atrial fibrillation burden: a new outcome predictor and therapeutic target. Eur Heart J. 2024 Aug 16;45(31):2824-2838. DOI:10.1093/eurheartj/ehae373
(5) Kirchhof P, Camm AJ, Goette A, Brandes A, Eckardt L, Elvan A, Fetsch T, van Gelder IC, Haase D, Haegeli LM, Hamann F, Heidbüchel H, Hindricks G, Kautzner J, Kuck K-H, Mont L, Ng GA, Rekosz J, Schön N, Schotten U, Suling A, Taggeselle J, Themistoclakis S, Vettorazzi E, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Crijns HJGM, Breithardt G, for the EAST–AFNET 4 trial investigators. Early rhythm control therapy in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med. 2020; 383:1305-1316. DOI:10.1056/NEJMoa2019422
(6) Metzner A, Suling A, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Kuck KH, Mont L, Ng GA, Szumowski L, Themistoclakis S, van Gelder IC, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Kirchhof P. Anticoagulation, therapy of concomitant conditions, and early rhythm control therapy: a detailed analysis of treatment patterns in the EAST - AFNET 4 trial. EP Europace. 2022; 24:552–564. DOI:10.1093/europace/euab200
(7) Rillig A, Magnussen C, Ozga, Suling A, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Goette A, Gulizia M, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kuck KH, Ng GA, Szumowski L, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Early rhythm control therapy in patients with heart failure. Circulation. 2021;144(11):845-858. DOI:10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056323
(8) Willems S, Borof K, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Gessler N, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Ng GA, Schnabel R, Suling A, Szumowski L, Themistoclakis S, Vardas P, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Systematic, early rhythm control therapy equally improves outcomes in asymptomatic and symptomatic patients with atrial fibrillation: the EAST-AFNET 4 Trial. Eur Heart J. 2022; 43:1219-1230. DOI:10.1093/eurheartj/ehab593.
(9) Goette a, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns H, Kuck KH, Wegscheider K, Kirchhof P, MD. Presenting Pattern of Atrial Fibrillation and Outcomes of Early Rhythm Control Therapy. J Am Coll Cardiol. 2022; 80:283-95. DOI:10.1016/j.jacc.2022.04.058
(10) Rillig A, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Goette A, Kuck KH, Metzner A, Vardas P, Vettorazzi E, Wegscheider K, Zapf A, Kirchhof P. Early rhythm control in patients with atrial fibrillation and high comorbidity burden. Circulation. 2022 Sep 13;146(11):836-847. DOI:10.1161/CIRCULATIONAHA.122.060274
(11) Jensen M, Suling A, Metzner A, Schnabel R, Borof K, Goette A, Haeusler KG, Zapf A, Wegscheider K, Fabritz L, Diener H-C, Thomalla G, Kirchhof P. Early rhythm-control therapy for atrial fibrillation in patients with a history of stroke: a subgroup analysis of the EAST- AFNET 4 trial. Lancet Neurol. 2023; 22: 45–54. DOI:10.1016/PIIS1474-4422(22)00436-7
(12) Eckardt L, Sehner S, Suling A, Borof K, Breithardt G, Crijns HJGM, Goette A, Wegscheider K, Zapf A, Camm AJ, Metzner A, Kirchhof P. Attaining sinus rhythm mediates improved outcome with early rhythm control therapy of atrial fibrillation: the EAST – AFNET 4 trial. Eur Heart J. 2022 Oct 21;43(40):4127-4144. DOI:10.1093/eurheartj/ehac471
(13) Van Gelder IC, Ekrami NK, Borof K, Fetsch T, Magnussen C, Mulder BA, Schnabel R, Wegscheider K, Rienstra M, Kirchhof P; EAST-AFNET 4 Trial Investigators. Sex Differences in Early Rhythm Control of Atrial Fibrillation in the EAST-AFNET 4 Trial. J Am Coll Cardiol. 2023 Feb 28;81(8):845-847. DOI:10.1016/j.jacc.2022.12.011.
(14) Gottschalk S, Kany S, König H-H, Crijns HJGM, Vardas P, Camm AJ, Wegscheider K, Metzner A, Rillig A, Kirchhof P, Dams J. Cost- effectiveness of early rhythm-control versus usual care in atrial fibrillation care: an analysis based on the German subsample of the EAST-AFNET 4 trial. EP Europace. 2023 May 19;25(5). DOI:10.1093/europace/euad051
(15) Kany S, Al-Taie C, Roselli C, Pirruccello JP, Borof K, Reinbold C, Suling A, Krause L, Reissmann B, Schnabel R, Zeller T, Zapf A, Wegscheider K, Fabritz L, Ellinor PT, Kirchhof P. Association of genetic risk and outcomes in patients with early rhythm control therapy in atrial fibrillation: results from the EAST-AFNET4 study. Cardiovasc Res. 2023 Aug 7;119(9):1799-1810. DOI:10.1093/cvr/cvad027
(16) Fabritz L, Chua W, Cardoso VR, Al-Taie C, Borof K, Suling A, Krause L, Kany S, Magnussen C, Wegscheider K, Breithardt G, Crijns HJGM, Camm AJ, Gkoutos G, Ellinor PT, Goette A, Schotten U, Wienhues-Thelen U-H, Zeller T, Schnabel RB, Zapf A, Kirchhof P. Blood-based cardiometabolic phenotypes in atrial fibrillation and their associated risk: EAST-AFNET 4 biomolecule study. Cardiovasc Res. 2024. DOI:10.1093/cvr/cvae067
(17) Fabritz L, Al-Taie C, Borof K, Breithardt G, Camm J, Crijns HJGM, Cardoso VR, Chua W, van Elferen S, Eckardt L, Gkoutos G, Goette A, Guasch E, Hatem S, Metzner A, Mont L, Murukutla AV, Obergassel J, Rillig A, Sinner MF, Schnabel RB, Schotten U, Sommerfeld LC, Wienhues-Thelen U-H, Zapf A, Zeller T, Kirchhof P. Biomarker-based prediction of sinus rhythm in atrial fibrillation patients: the EAST-AFNET4 biomolecule study. Eur Heart J. 2024 Dec 14;45(47):5002-19. DOI:10.1093/eurheartj/ehae611

X: @afnet_ev, hashtag #EASTtrial.

Finanzielle Unterstützung: AFNET, BMBF, DZHK, EHRA, Deutsche Herzstiftung, Abbott, Sanofi

EAST – AFNET 4 Studie
EAST – AFNET 4 ist eine wissenschaftsinitiierte Studie, in der zwei unterschiedliche Behandlungsstrategien bei Vorhofflimmern verglichen wurden. Die EAST – AFNET 4 Studie testete, ob eine frühe und umfassende rhythmuserhaltende Therapie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern kardiovaskuläre Komplikationen besser verhindert als die übliche Behandlung.
Insgesamt 2789 Menschen mit frühem Vorhofflimmern (weniger als ein Jahr nach der ersten Diagnose) nahmen an der EAST – AFNET 4 Studie teil. Sie wurden von 2011 bis 2016 in 135 Kliniken und Praxen in elf europäischen Ländern in die Studie eingeschlossen. Die Studienteilnehmer:innen wurden einer der beiden Behandlungsgruppen „früher Rhythmuserhalt“ oder „übliche Behandlung“ nach dem Zufallsprinzip zugeordnet (Randomisierung). Die Patient:innen in beiden Gruppen erhielten eine leitlinienkonforme Therapie, bestehend aus der Behandlung ihrer kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Blutgerinnungshemmung und Frequenzregulierung.
Alle Patient:innen der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ erhielten nach der Randomisierung zusätzlich Antiarrhythmika oder eine Katheterablation. Sobald bei einem Mitglied dieser Gruppe Vorhofflimmern erneut auftrat, wurde die Therapie intensiviert mit dem Ziel, den normalen Sinusrhythmus durch eine Katheterablation und/oder antiarrhythmische Medikamente wiederherzustellen und möglichst dauerhaft zu erhalten.
Patient:innen der Gruppe „übliche Behandlung“ erhielten nur dann eine rhythmuserhaltende Therapie, wenn diese notwendig war, um durch Vorhofflimmern verursachte Symptome zu bessern, die trotz leitlinienkonformer frequenzregulierender Behandlung auftraten.

Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen aus Kliniken und Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks ist es, die Behandlung und Versorgung von Patient:innen mit Vorhofflimmern in Deutschland, Europa und weltweit durch koordinierte Forschung zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. wissenschaftsinitiierte, nicht-kommerzielle, klinische Studien (investigator initiated trials = IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene sowie translationale Forschungsprojekte durch. Der Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern hervorgegangen. Seit Januar 2015 werden einzelne Projekte und Infrastrukturen des AFNET vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) sowie einige Projekte aus EU-Forschungsmitteln gefördert. Das AFNET verfügt über langjährige Erfahrung in der Behandlung von Vorhofflimmern, unterstützt aber auch Forschungsarbeiten in anderen Bereichen, die für die kardiovaskuläre Versorgung relevant sind. Die Erkenntnisse aus der mittlerweile 20jährigen klinischen und translationalen Forschung des Forschungsnetzes haben das Leben von Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbessert und Behandlungsleitlinien beeinflusst.

MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildungen VOR ORT

Dr. Angelika Leute
Tel: 0202 2623395
a.leute@t-online.de

Originalpublikation:
Zeemering S et al. Estimated atrial fibrillation burden on early rhythm-control and cardiovascular events in the EAST-AFNET 4 trial. EClinicalMedicine. 2025 Sep 01. DOI:10.1016/j.eclinm.2025.103457
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de