Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: PFAS im Blut allgegenwärtig und mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden
Forschende des DZNE haben nachgewiesen, dass Spuren der allgegenwärtigen PFAS-Chemikalien im menschlichen Blut mit ungünstigen Fettprofilen und daher mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergehen.
Der Befund beruht auf Daten von mehr als 2.500 Erwachsenen aus Bonn und der holländischen Gemeinde Leiderdorp PFAS waren im Blut nahezu aller Studienteilnehmenden nachweisbar. Die Studienergebnisse sind im renommierten Wissenschafts-Journal „Exposure and Health“ veröffentlicht.
Seit ihrer Erfindung in den 1950er Jahren sind Schätzungen zufolge mehr als 10.000 verschiedene Substanzen aus der Kategorie der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) – sprich: „P-Fass“ – entwickelt worden.
Wegen ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften kommen sie in tausenden Produkten wie Kosmetik, in Zahnseide, aber auch in Pfannen-Beschichtungen und in Löschschaum zum Einsatz.
Neben ihrer chemischen Grundkonstruktion haben die PFAS eine weitere Gemeinsamkeit:
Sie sind so gut wie nicht abbaubar – deshalb ihre Bezeichnung als
„Ewigkeitschemikalien“. Insbesondere über das Grundwasser gelangen sie
in die menschliche Nahrungskette.
Jüngere besonders betroffen
Die Befunde der Bonner Forschenden sind der jüngste Beitrag zur
aktuellen Diskussion über die Wirkung von PFAS auf die Gesundheit des
Menschen.
„Wir sehen deutliche Anzeichen für eine gesundheitsbedenkliche
Wirkung von PFAS. Und wir haben festgestellt, dass bei gleicher
PFAS-Konzentration im Blut die negativen Effekte bei jüngeren Probanden
stärker ausgeprägt sind als bei älteren“, sagt Prof. Dr. Dr. Monique
Breteler, Direktorin für Populationsbezogene Gesundheitsforschung am
DZNE. Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung legten außerdem nahe,
dass schon relativ niedrige PFAS-Konzentrationen im Blut mit ungünstigen
Blutfett-Profilen verbunden sind.
„Unsere Daten zeigen einen statistisch signifikanten Zusammenhang
zwischen PFAS im Blut und schädlichen Blutfetten, die mit einem
kardiovaskulären Risiko assoziiert sind.
Je höher der PFAS-Spiegel, desto höher ist die Konzentration dieser Fettstoffe.
Strenggenommen ist das noch kein Beweis dafür, dass die PFAS-Chemikalien Verursacher der ungünstigen Blutfett-Profile sind.
Doch die enge Korrelation stützt
diesen Verdacht. Sie ist ein starkes Argument für eine strengere
Regulierung von PFAS, um die Gesundheit zu schützen“, so die Bonner
Forscherin. Auffällig sei, dass bei nahezu allen Probanden PFAS im Blut
nachgewiesen werden konnte. Man könne diesen Chemikalien also nicht
entgehen. „Auch wenn wir für die von uns untersuchten Probanden keine
unmittelbare Gesundheitsgefährdung sehen, so ist die Situation dennoch
bedenklich. Denn auf lange Sicht kann sich das erhöhte Risiko sehr wohl
auf Herz und Kreislauf negativ auswirken“, so Breteler.
Blutproben aus Bonn und Leiderdorp
Grundlage für die aktuelle Untersuchung waren die „Rheinland Studie“ des
DZNE – eine bevölkerungsbasierte Gesundheitsstudie im Bonner
Stadtgebiet – und die sogenannte NEO-Studie aus den Niederlanden
(„Netherlands Epidemiology of Obesity study“). Forschende des DZNE
arbeiteten dafür mit Fachleuten des niederländischen Leiden University
Medical Center zusammen. Die Blutproben von insgesamt mehr als 2.500
Frauen und Männern im Alter zwischen 30 und 89 Jahren flossen in die
Analysen ein. Dabei kam modernste Technik zum Einsatz. „Erst seit
wenigen Jahren gibt es die Technologie, um Blutproben mit der
Genauigkeit zu untersuchen, die für unsere Fragestellung notwendig ist“,
sagt DZNE-Wissenschaftlerin Elvire Landstra. Sie ist Erstautorin der
aktuellen Fachpublikation gemeinsam mit einem Kollegen aus Leiden.
Bislang detaillierteste Studie
Die Blutproben wurden mit einer aufwendigen Methode, der
„Massenspektrometrie“, detailliert untersucht. Die Forschenden
fokussierten sich in ihrer Analyse auf drei der am weitesten
verbreiteten PFAS-Arten – PFOA, PFOS und PFHxS – und ermittelten
zusätzlich die Konzentration von 224 Blutfetten, Metaboliten und
Aminosäuren. „Mit diesem ‚untargeted approach’ – also einem bewusst
breit angelegten Ansatz ohne vorgefasster Zielrichtung – konnten wir den
Zusammenhang zwischen der PFAS-Konzentration und einem nachteiligen
Profil an Fettstoffen, sogenannten Lipiden, nachweisen.
Dazu gehören das
allgemein bekannte Cholesterin und diverse andere Blutfette, die als
Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekannt sind“, sagt
Elvire Landstra. Wesentliche Unterschiede zwischen den Proben aus Bonn
und Leiderdorp gab es nicht. „Unsere Untersuchung ist die bislang
detaillierteste zu diesem Thema und diejenige mit der größten
Datenbasis. Bisherige Studien hatten eine Korrelation zwischen PFAS und
gesundheitsbedenklichen Blutfetten bereits nahegelegt, aber so deutlich
wie in unserer Studie hatte sich dieser Zusammenhang bislang nicht
gezeigt.“
Künftige Studien könnten nach Ansicht der Bonner Forschenden auf
spezifische Bereiche des Körpers eingehen. „Wir haben uns das Blutbild
angeschaut. In einem nächsten Schritt wäre es sinnvoll, das Vorkommen
von PFAS in einzelnen Organen zu untersuchen“, sagt Monique Breteler.
Über die Rheinland Studie: Seit 2016 erforscht das DZNE im Rahmen der
„Rheinland Studie“ – einer auf Jahrzehnte angelegten,
bevölkerungsbasierten Studie im Bonner Stadtgebiet – Faktoren, die die
menschliche Gesundheit bis ins hohe Alter beeinflussen. Dabei steht das
Gehirn im Fokus. Studienteilnehmende werden alle paar Jahre zu einer
Bestandsaufnahme ihrer körperlichen und geistigen Fitness eingeladen und
die Entwicklung ihrer Gesundheit wird erfasst. Das gesamte
Untersuchungsprogramm dauert jeweils etwa sieben Stunden. Es beinhaltet
die Sammlung von Biomaterialien wie Blut und Urin, Befragungen zum
Lebensstil, Untersuchungen des Herz-Kreislauf-Systems, Tests der
kognitiven Fähigkeiten und körperlichen Fitness sowie eine Vielzahl
weiterer Untersuchungen, die sich modernster Medizintechnik bedienen –
inklusive Hirnscan im Magnetresonanztomografen.
Die Rheinland Studie erfährt eine breite Unterstützung von bisher schon über 10.000 Menschen, die durch ihre Studienteilnahme einen Beitrag zur Gesundheitsforschung leisten.
Ab Frühjahr 2024 stehen die Türen der Untersuchungszentren auch wieder neuen interessierten Teilnehmenden offen.
https://www.rheinland-studie.de
Über das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
Das DZNE ist ein Forschungsinstitut für neurodegenerative Erkrankungen
wie Alzheimer, Parkinson und ALS, die mit Demenz, Bewegungsstörungen und
anderen schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Gesundheit einhergehen.
Bis heute gibt es keine Heilung für diese Erkrankungen, die eine enorme
Belastung für unzählige Betroffene, ihre Familien und das
Gesundheitssystem bedeuten. Das DZNE hat zum Ziel, neuartige Strategien
der Vorsorge, Diagnose, Versorgung und Behandlung zu entwickeln und in
die Praxis zu überführen. Es hat bundesweit zehn Standorte und
kooperiert mit Universitäten, Universitätskliniken und anderen
Institutionen im In- und Ausland. Das DZNE wird staatlich gefördert, es
ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und der Deutschen Zentren der
Gesundheitsforschung. https://www.dzne.de
Originalpublikation:
Per- and Polyfluoroalkyl Substances Concentrations are Associated with an Unfavorable Cardio-Metabolic Risk Profile: Findings from Two Population-Based Cohort Studies, Tariq O. Faquih, Elvire N. Landstra et al., Exposure and Health (2024), DOI: https://doi.org/10.1007/s12403-023-00622-4
Venusberg-Campus 1/99
53127 Bonn
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
Sabine Hoffmann
E-Mail-Adresse: sabine.hoffmann@dzne.de
Telefon: 0228 43302 267
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