Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neue Erkenntnisse zur Atherosklerose
TREM2, ein Rezeptor auf der Oberfläche von Makrophagen, könnte eine wichtige Rolle bei der Atherosklerose spielen
Eine Publikation in Nature Cardiovascular Research vom Uniklinikum
Würzburg (UKW) und der Medizinischen Universität Wien zeigt sowohl
Mechanismen, über die der Rezeptor TREM2 auf die Atherosklerose
einwirkt, als auch einen möglichen therapeutischen Ansatz mit dem
agonistischen TREM2-Antikörper 4D9.
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Die Behandlung mit dem agonistischen TREM2-Antikörper 4D9 führt zur
Ausbildung kleinerer nekrotischer Kerne (rote Umrandungen) in
atherosklerotischen Plaques der Aortenwurzel in Ldlr-/- Mäusen © Nature Cardiovascular Research
Atherosklerose ist eine chronische Erkrankung der Gefäßwand.
- Ablagerungen von Lipiden, insbesondere von Cholesterin, treiben die Entstehung von Plaques in der innersten Schicht von Arterien voran.
Diese Ablagerungen können das Innere der Gefäße verengen und den Blutfluss behindern.
Im schlimmsten Fall führen sie zu Blutgerinnseln,
die je nach betroffenem Teil des Gefäßsystems Herzinfarkte oder
Schlaganfälle verursachen können, welche weltweit für rund ein Drittel
der Todesfälle verantwortlich sind.
Wie Immunzellen die Entwicklung der Atherosklerose steuern
Seit Jahren erforschen Prof. Dr. Alma Zernecke-Madsen und Clément
Cochain, PhD, vom Institut für Experimentelle Biomedizin II sowie Prof.
Dr. Christoph Binder vom Klinischen Institut für Labormedizin der
Medizinischen Universität Wien diese chronische Erkrankung der Gefäße.
Ein Fokus ihrer Untersuchungen liegt auf dem Immunsystem, welches in allen Phasen der Atherosklerose eine wichtige Rolle spielt.
So können
Makrophagen, die auch als Fresszellen des Immunsystems bekannt sind,
durch Aufnahme von Lipiden zu so genannten Schaumzellen werden, die sich
besonders in atherosklerotischen Plaques ablagern.
„Wir wussten bereits, dass diese Schaumzellen den Rezeptor TREM2
(Triggering Receptor Expressed on Myeloid cells 2) auf der Oberfläche
tragen und dieser Rezeptor die Makrophagenfunktion in unterschiedlichen
Pathologien wie Alzheimer oder Fettleibigkeit reguliert.
Die
Mechanismen, über die der Rezeptor auf die Atherosklerose einwirkt,
waren jedoch noch nicht vollständig bekannt“, erläutert Alma
Zernecke-Madsen, die das Institut für Experimentelle Biomedizin am UKW
leitet.
Einen wichtigen Baustein lieferten die Arbeitsgruppen aus Würzburg und
Wien nun in der neuesten Publikation im renommierten Journal Nature
Cardiovascular Research.
„Wir haben den Einfluss von TREM2 auf die frühe
und späte Atherosklerose sowie auf die Makrophagenfunktionen in zwei
unterschiedlichen Laboren, in Wien und in Würzburg, unabhängig
voneinander untersucht, was die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse noch
unterstreicht“, betonen die drei Studienleiter.
TREM2 reguliert Makrophagenfunktion
Gemeinsam konnten die Forschenden zeigen, dass TREM2 für Makrophagen
entscheidend an der Aufnahme von Lipiden und dem effizienten Abräumen
von toten Zellen im Gewebe beteiligt ist, der so genannten Efferozytose.
TREM2 fördert das Überleben von Schaumzellen.
- Auf diese Weise scheint TREM2 das Gleichgewicht zwischen dem Absterben von Schaumzellen und ihrer Beseitigung in atherosklerotischen Läsionen zu steuern.
Schützende Funktion eines agonistischen TREM2-Antikörpers
Einen möglichen therapeutischen Ansatz lieferten Untersuchungen an so
genannten LDLR-/- Mäusen. Da bei den Mäusen das LDLR-Gen ausgeschaltet
wurde, haben sie eine erhöhte Konzentration von LDL-Cholesterin im Blut,
was das Risiko für die Entwicklung von Atherosklerose erhöht. Diese
Mäuse wurden mit einem von Kai Schlepckow und Christian Haass vom
Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in München
hergestellten agonistischen TREM2-Antikörper namens 4D9 behandelt,
wodurch die Aktivität von TREM2 verstärkt wurde. Es hat sich gezeigt,
dass durch die Stimulation von TREM2 die Bildung nekrotischer Kerne
innerhalb der atherosklerotischen Plaques begrenzt wurde (siehe
Abbildung).
Diese protektive Funktion von TREM2 könnte Alma Zernecke-Madsen,
Christoph Binder und Clément Cochain zufolge sehr wichtig sein, da die
Ansammlung von abgestorbenen Plaquezellen maßgeblich die Stabilität der
Ablagerungen und damit klinische Komplikationen der Atherosklerose
beeinflusse.
Das heißt:
- Wenn zu viele Zellen durch Nekrose absterben und die geschädigten Zellen nicht effizient entfernt werden, kommt es zu Entzündungen und nachfolgenden schädlichen Effekten.
- Durch die Gabe von 4D9 sterben jedoch weniger Zellen aufgrund von Nekrose ab.
TREM2 könnte bei Atherosklerose diagnostisch und therapeutisch nutzbar sein
Darüber hinaus konnten die Forschenden Daten erheben, die TREM2 im
menschlichen Serum bei der Atherosklerose nachweisen.
- „Das im Blut lösliche TREM2 („sTREM2“) korrelierte mit dem weiteren Wachstum von Plaques in der Halsschlagader der Patientinnen und Patienten“, schildert die Ko-Erstautorin Dr. Florentina Porsch.
„Zusammen mit den Ergebnissen aus den präklinischen Tiermodellen könnte dies darauf hindeuten, dass TREM2 diagnostisch wie auch therapeutisch nutzbar sein könnte, was in den nächsten Jahren weiter erforscht werden muss“, fasst Ko-Erstautorin Marie Piollet zusammen.
Aktuell untersucht Clément Cochain gemeinsam mit Alma Zernecke-Madsen und Antoine-Emmanuel Saliba vom Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) mit ihren jeweiligen Arbeitsgruppen am Standort Würzburg die Funktion von TREM2 auch in anderen kardiovaskulären Erkrankungen wie dem Myokardinfarkt und bei Herzinsuffizienz.
Die Untersuchungen finden unter anderem im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs SFB 1525 „Interaktion zwischen Herz und Immunsystem“ statt, dessen stellvertretende Sprecherin Alma Zernecke-Madsen ist.
Christoph Binder und Florentina Porsch aus Wien sowie Marie Piollet,
Alma Zernecke-Madsen und Clément Cochain aus Würzburg (v.l.n.r.) haben
den Einfluss von TREM2 auf die frühe und späte Atherosklerose sowie auf
die Makrophagenfunktionen untersucht. © Collage, Alma Zernecke-Madsen und Christoph Binder
Neue Erkenntnisse zur Atherosklerose
Prof. Dr. Alma Zernecke-Madsen
Kirstin Linkamp Universitätsklinikum Würzburg
Josef-Schneider-Str. 2
Haus D3
97080 Würzburg
Deutschland
Bayern
Susanne Just
Telefon: 0931/201-59447
Fax: 0931/201-60 59447
E-Mail-Adresse: just_s@ukw.de
Originalpublikation:
*Marie Piollet, *Florentina Porsch, Giuseppe Rizzo, Frederieke Kapser, Dirk J.J. Schulz, Máté G. Kiss, Kai Schlepckow, Estrella Morenas-Rodriguez, Mustafa Orkun Sen, Julius Gropper, Sourish Reddy Bandi, Sarah Schäfer, Tobias Krammer, Alexander M. Leipold, Matthias Hoke, Mária Ozsvár-Kozma, Hannah Beneš, Martin Schillinger, Erich Minar, Melanie Roesch, Laura Göderle, Anastasiya Hladik, Sylvia Knapp, Marco Colonna, Rudolf Martini, Antoine-Emmanuel Saliba, Christian Haass, #Alma Zernecke, #Christoph J. Binder, #Clément Cochain. TREM2 protects from atherosclerosis by limiting necrotic core formation. Nature Cardiovascular Research. NCVR-2023-05-1780B, DOI: 10.1038/s44161-024-00429-9
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