Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Wie pflanzliche Ernährung den Darm und das Gehirn beeinflussen kann
- Kann eine pflanzliche Ernährung die Darmbakterien so verändern, dass diese einen Einfluss auf die Gehirnfunktion haben?
Dieser Frage sind Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Leipzig, des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in einer Studie mit Erwachsenen mit Übergewicht nachgegangen.
- Die im renommierten Journal „Gut“ publizierten Ergebnisse deuten darauf hin, dass Ballaststoffe sowohl die Zusammensetzung der Darmbakterien als auch die Belohnungssignale im Gehirn und die damit verbundene Essentscheidung positiv verändern können.
The participants of the study spent two weeks taking a highly dosed prebiotic from the chicore root. Photo: Colourbox
Präbiotika dienen der Ansiedlung nützlicher Bakterien im Darm.
- Diese unverdaulichen Ballaststoffe kommen in pflanzlichen Lebensmitteln wie Zwiebeln, Lauch, Artischocken, Weizen, Bananen oder auch hochkonzentriert in der Chicoreewurzel vor.
- Sie unterstützen die Darmgesundheit, indem sie das Wachstum und die Aktivität von nützlichen Darmbakterien fördern.
Forschende haben nun untersucht, ob bestimmte
Präbiotika auch die Hirnfunktion beeinflussen können, also die
Kommunikation zwischen Darmmikrobiom und Gehirn verbessern.
Die aktuelle Interventionsstudie unter Leitung der Universitätsmedizin
Leipzig deutet darauf hin, dass diätetische Präbiotika hochdosiert zu
einer Reduktion der belohnungsbezogenen Hirnaktivierung als Reaktion auf
hochkalorische Nahrungsmittelreize führen können.
„Die Ergebnisse
lassen auf eine potenzielle Verbindung zwischen Darmgesundheit und
Gehirnfunktion schließen, in diesem Fall die Essentscheidung“, sagt PD
Dr. Veronica Witte, Co-Autorin der Studie und Wissenschaftlerin der
Universitätsmedizin Leipzig.
In der Studie wurden junge Erwachsene mit leichtem Übergewicht und einem
omnivoren, westlichen Ernährungsstil ausgewählt. Die 59 Proband:innen
nahmen über einen Zeitraum von 14 Tagen jeden Tag 30 Gramm Inulin zu
sich, ein Präbiotikum aus der Chicoreewurzel. In der funktionellen
MRT-Bildgebung wurden Bilder von Essen gezeigt und die Proband:innen
mussten entscheiden, wie sehr sie die gesehenen Mahlzeiten nach dem
Experiment verzehren möchten. Im Anschluss erhielten sie ihr am höchsten
bewertetes Gericht zum Verzehr.
Die MRT-Untersuchung wurde an vier Zeitpunkten wiederholt, jeweils vor
und nach der Präbiotika-Gabe und vor und nach einer Placebo-Phase, in
welcher die Teilnehmenden ein Präparat mit derselben Energiedichte
erhielten. Im Vergleich zeigte sich eine geringere Aktivierung der
belohnungsbezogenen Gehirnbereiche bei der Bewertung hochkalorischer
Lebensmittel nach der Ballaststoffeinnahme. Dieser Effekt wurde von
einer Veränderung in der Zusammensetzung der Darmbakterien begleitet.
Die Ergebnisse der genutzten fortschrittlichen Neurobildgebung,
Next-Generation-Sequenzierung zur Bestimmung der Darm-Bakterien und
kombinierten Messmethoden möglicher Stoffwechselwege legen nahe, dass
funktionale mikrobielle Veränderungen der veränderten Hirnantwort
zugrunde liegen könnten.
Magen-Darm-Hormone, Glukose/Lipide und
entzündliche Marker wurden in Nüchtern-Blutproben der Teilnehmenden
analysiert. Darüber hinaus wurden die Darmmikrobiota und deren
Stoffwechselprodukte, also die kurzkettigen Fettsäuren, im Stuhl
gemessen. Die neuen Ergebnisse sind im Rahmen des
Sonderforschungsbereichs 1052, Mechanismen der Adipositas, entstanden.
„Zukünftige Studien sind erforderlich, um zu untersuchen, ob
Behandlungen, die das Mikrobiom verändern, neue Wege für weniger
invasive Ansätze zur Vorbeugung und Therapie von Adipositas eröffnen
könnten. Ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen
zwischen Mikrobiom, Darm und Gehirn könnte helfen, neue Strategien zur
Förderung gesünderer Essgewohnheiten bei Menschen zu entwickeln“, sagt
Dr. Witte.
In einer Folgestudie wird derzeit untersucht, wie sich eine längerfristige Gabe von hochdosierten Präbiotika über sechs Monate bei Menschen mit Übergewicht und Adipositas auf das Essverhalten, das Gehirn und auch auf das Körpergewicht auswirkt.
PD Dr. Veronica Witte. Photo: Antje Gildemeister University of Leipzig
PD Dr. Veronica Witte
Tagesklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Leipzig
E-Mail: veronica.witte@medizin.uni-leipzig.de
Tel.: 0341/97-2426
Dr. Evelyn Medawar
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig
medawar@cbs.mpg.de
Medizinische Fakultät Anne Grimm Universität Leipzig
Goethestraße 6
04109 Leipzig
Germany
Saxony
Faculty of Medicine Anne Grimm
Phone: 0341 97 15 790
E-mail address: anne.grimm.medizin.uni-leipzig.de
Original publication:
Originalpublikation in Gut:
"Prebiotic diet changes neural correlates of food decision-making in
overweight adults: a randomized controlled within-subject cross-over
trial":
https://gut.bmj.com/content/early/2023/10/04/gutjnl-2023-330365 doi.org/10.1136/gutjnl-2023-330365
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