Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Chronische Entzündung und Krebs der Bauchspeicheldrüse präziser unterscheiden
Heutige Diagnoseverfahren unterscheiden nicht immer sicher zwischen einer chronischen Entzündung der Bauchspeicheldrüse und Bauchspeicheldrüsenkrebs; etwa ein Drittel aller Diagnosen sind nicht eindeutig.
Wissenschaftler aus dem DKFZ und dem Universitätsklinikum Heidelberg suchten daher nach molekularen Markern, die diese Diagnose präzisieren.
Unterstützt durch maschinelles Lernen konnten sie ein Muster an DNA-Methylierungen identifizieren, das eine sehr hohe Treffsicherheit bei der Unterscheidung von chronisch entzündeten und bösartig veränderten Gewebeproben erlaubte.
Vorläufige Ergebnisse deuten außerdem an, dass diese Diagnostik an Blutproben durchgeführt werden könnte.
Krebs der Bauchspeicheldrüse, in der Fachsprache als Pankreaskarzinom
oder kurz als PDAC („pancreatic ductal adenocarcinoma“) bezeichnet, hat
eine dramatisch schlechte Prognose.
Die Gründe dafür sind seine meist
späte Entdeckung im fortgeschrittenen Stadium, Fehldiagnosen und seine
ausgeprägte Resistenz gegen die verfügbaren Therapien.
Zur Diagnose werden in der Regel bildgebende Verfahren eingesetzt.
- Doch die haben den Nachteil, dass sie Pankreaskrebs nicht immer sicher von einer chronischen Pankreasentzündung unterscheiden können.
- Die chronische Entzündung gilt als wichtiger Risikofaktor für Pankreaskrebs.
- Etwa 6 bis 9 Prozent der Patienten, die an chronischer Entzündung der Bauchspeicheldrüse leiden, entwickeln später ein Pankreaskarzinom.
- Doch Bildgebung und sogar die ultraschallgeführte Feinnadelbiopsie liefern zu häufig auch falsche Diagnosen.
„Für die Betroffenen ist das dramatisch:
Wird ein bösartiger Tumor
fälschlicherweise als chronische Entzündung diagnostiziert, so verlieren
sie wertvolle Zeit, um die Erkrankung frühzeitig zu behandeln. Halten
die Mediziner jedoch eine Entzündung irrtümlicherweise für ein Karzinom,
so muss sich der Patient unnötigerweise einer schweren Operation
unterziehen“, sagt Jörg Hoheisel vom DKFZ.
Um diese Situation zu verbessern und mit molekularen Markern zu
präziseren Differentialdiagnosen zu kommen, hat Hoheisel nun gemeinsam
mit Medizinern von der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg eine
großangelegte Untersuchung von Pankreasgewebeproben durchgeführt. Für
die Analyse konnte das Team auf 345 Gewebeproben (PDAC, chronisch
entzündet und gesund) zugreifen, anschließend wurden die Ergebnisse an
einem unabhängigen Satz von 48 weiteren Gewebeproben validiert. Zuvor
war das verwendete Material von erfahrenen Pathologen zweimal unabhängig
beurteilt worden.
Die Analyse umfasste genomweite Variationen der DNA-Methylierung sowie
der mRNA und microRNA-Mengen, außerdem Kombinationen der einzelnen
Untersuchungen. Um aus der Datenfülle relevante Unterschiede zwischen
bösartigen Tumoren und chronischen Entzündungen herauszufiltern, nutzten
die Forscher Methoden des maschinellen Lernens. Andere, gängige
Verfahren lieferten keine nützlichen Ergebnisse. Dabei stellte sich
heraus, dass Unterschiede in der DNA-Methylierung eine substanziell
höhere Genauigkeit mit wesentlich weniger Biomarkern erlaubten als die
mRNA- oder microRNA-Daten.
- Die deutlich beste Unterscheidung lieferte eine Signatur von sechs Methylierungspositionen im Gen PRKCB. Damit ließen sich entzündliche und bösartig veränderte Gewebe korrekt erkennen.
Für eine klinische Nutzung wäre es natürlich günstiger, wenn für die
Diagnose keine Gewebeentnahme erforderlich wäre, sondern eine Blutprobe
ausreichen würde. Solche Blutanalysen, die die geringen Mengen an DNA
nachweisen, die frei im Blut zirkulieren, werden auch als „Liquid
Biopsy“ bezeichnet. Das Heidelberger Team wandte deshalb die sechs
Methylierungsmarker auch auf eine kleine Zahl an Blutproben von
Patienten mit chronischer Pankreatitis bzw. Bauchspeicheldrüsenkrebs an,
um ihre Anwendbarkeit auch in Blut zu demonstrieren. Wie zuvor im
Gewebe konnten über die Methylierungsmarker die Patienten treffsicher
diagnostiziert werden.
„Natürlich müssen diese vorläufigen Ergebnisse an einer großen Zahl an
Blutproben validiert und in einer Studie unter Klinikbedingungen
bestätigt werden, um seinen tatsächlichen Nutzen für die klinische
Praxis abschließend zu bewerten“, sagt Studienleiter Jörg Hoheisel.
„Sollte sich das Ergebnis dabei bestätigen, könnte es wesentliche
Auswirkungen auf die klinische Versorgung und die Prognose der Patienten
haben.“
Der Wissenschaftler geht davon aus, dass der für diese Datenanalyse
entwickelte Algorithmus auch bei der Suche nach Biomarkern für weitere
Erkrankungen hilfreich sein kann.
Yenan Wu, Isabelle Seufert, Fawaz N. Al-Shaheri, Roman Kurilov, Andrea
S. Bauer, Mehdi Manoochehri, Evgeny A. Moskalev, Benedikt Brors,
Christin Tjaden, Nathalia A. Giese, Thilo Hackert, Markus W. Büchler und
Jörg D. Hoheisel:
DNA-methylation signature accurately differentiates pancreatic cancer from chronic pancreatitis in tissue and plasma.
GUT 2023, DOI: 10.1136/gutjnl-2023-330155
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