Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Neue Forschungsergebnisse zeigen: Gemeinsame Arzttermine erhöhen das Engagement der Patientinnen und Patienten
Laut neuer Forschungsergebnisse der ESMT Berlin erhöhen gemeinsam genutzte Termine bei ärztlichem Fachpersonal das Engagement der erkrankten Personen, in dem sie mehr Fragen stellen, mehr kommentieren und ein höheres Maß an nonverbalem Engagement zeigen, was zu einem größeren Nutzen für die anderen Betroffenen in den Sitzungen führt.
Im Gesundheitswesen wird die Einzelbetreuung oft als Ideal angesehen, da allgemein davon ausgegangen wird, dass individuelle Betreuung auch das Behandlungsergebnis verbessert.
Bei gemeinsam durchgeführten Terminen werden die Patientinnen und Patienten in Gruppen betreut.
Diese Form der Betreuung wurde bislang kritisiert, da befürchtet wird, dass der Verlust von Privatsphäre und der persönlichen Beziehungsebene zwischen Behandelnden und Behandelten ein geringeres Engagement der Erkrankten zur Folge haben könnte.
- Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse zeigen jedoch am Beispiel augenärztlicher Versorgung, dass dies nicht unbedingt der Fall sein muss.
Nazlı Sönmez von der ESMT Berlin, Kavitha Srinivasan und Rengaraj Venkatesh vom Aravind Eye Hospital in Indien, Ryan W. Buell von der Harvard Business School und Kamalini Ramdas von der London Business School untersuchten die Auswirkungen gemeinsamer Ärztinnen- und Arzttermine (SMAs) auf die Bindung zu den Behandelten.
- Bei SMAs treffen sich die Patientinnen und Patienten mit dem ärztlichen Fachpersonal in einer Gruppe, wobei nacheinander behandelt wird.
- Die Ärztin oder der Arzt tauscht sowohl Informationen aus, die auf die Bedürfnisse des einzelnen Betroffenen zugeschnitten sind, als auch Informationen, die für alle Teilnehmenden mit der gleichen Erkrankung relevant sein können.
Die Forschenden führten am Aravind Eye Hospital eine randomisierte,
kontrollierte Studie mit 1.000 Patientinnen und Patienten durch, die
sich über einen Zeitraum von drei Jahren einer Glaukom-Behandlung
unterzogen. Sie wurden dazu in Gruppen zu je fünf Teilnehmenden für
Einzeltermine oder SMAs eingeteilt, wobei jede Person vier Termine im
Abstand von vier Monaten wahrnahm. Anhand der Wort- und
Verhaltensprotokolle der Videoaufzeichnungen, die während der Studie
erstellt wurden, untersuchten die Forschenden, wie sich SMAs auf das
Engagement der Betroffenen auswirken.
Im Durchschnitt stellten Patientinnen und Patienten, die an SMAs
teilnahmen, pro Minute 33,3 % mehr Fragen und machten 8,6 % mehr
Kommentare.
Bei mehreren Erkrankten in einer SMA führte eine Steigerung
des Engagements dazu, dass alle innerhalb der Gruppe mehr Kommentare
hörten.
Patientinnen und Patienten in SMAs zeigten auch ein höheres Maß an
nonverbalem Engagement bei einer Vielzahl von Messgrößen, darunter
Aufmerksamkeit, Positivität, Kopfwackeln (eine südindische Geste, die
Zustimmung oder Verständnis signalisiert), Augenkontakt und
Zufriedenheit am Ende des Termins.
„Unsere Analyse wirft ein Licht auf die Vorteile der Gestaltung von
Dienstleistungsmodellen, die es den Kundinnen und Kunden ermöglichen,
sich gegenseitig zu helfen.
Das führt zu effizienteren Dienstleistungsbegegnungen im Gesundheitswesen und darüber hinaus”, sagt Nazlı Sönmez, Assistenzprofessorin für Managementwissenschaften an der ESMT.
“Während unserer Studie haben unsere ärztlichen Partner
beobachtet, dass die Teilnehmenden in SMAs durch die Fragen und
Kommentare der anderen Erkrankten motiviert wurden, bestimmte Fragen
selbst zu stellen.”
Diese Ergebnisse zeigen, dass die gemeinschaftliche Erbringung von
Dienstleistungen das Potenzial hat, das Engagement der Kundinnen und
Kunden zu erhöhen und so die Qualität der Dienstleistungen zu
verbessern, insbesondere im Gesundheitswesen.
- Die Gestaltung von SMAs ermöglicht es den Erkrankten, mehr Zeit mit dem ärztlichen Fachpersonal zu verbringen, wenn auch gemeinsam mit anderen Personen.
Auch die Behandelnden verbringen mehr Zeit mit ihren Patientinnen und Patienten, insgesamt mehr als 600 % mehr Zeit, wie die Studie zeigt.
Das wirkt sich
nicht zuletzt positiv auf die Qualität und die Wertschöpfung aus.
Diese Studie wurde in der Zeitschrift Manufacturing and Services
Operations Management veröffentlicht und kann hier eingesehen werden: https://pubsonline.informs.org/doi/abs/10.1287/msom.2021.0012
Über die ESMT Berlin
Die ESMT Berlin ist die höchstplatzierte Business School in Deutschland
und die erste und einzige deutsche Wirtschaftsuniversität in den
europäischen Top 10. Von 25 führenden globalen Unternehmen gegründet,
bietet die ESMT Master-, MBA- und PhD-Studiengänge sowie
Managementweiterbildung an. Die Kurse werden auf dem Berliner Campus, an
Standorten weltweit, online sowie als hybride Kurse mit Teilpräsenz
angeboten. Mit einem Fokus auf Leadership, Innovation und Analytics
veröffentlichen die Professorinnen und Professoren der ESMT regelmäßig
ihre Forschungsergebnisse in führenden wissenschaftlichen Zeitschriften.
Zusätzlich bietet die ESMT eine Plattform für den Diskurs zwischen
Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die ESMT ist eine staatlich
anerkannte private wissenschaftliche Hochschule mit Promotionsrecht,
akkreditiert von AACSB, AMBA, EQUIS und FIBAA, und engagiert sich für
Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion in all ihren Aktivitäten und
Gemeinschaften.
Originalpublikation:
https://pubsonline.informs.org/doi/abs/10.1287/msom.2021.0012
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