Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Bitterrezeptor an entzündungshemmender Wirkung von Resveratrol beteiligt?
Resveratrol ist ein sekundärer Pflanzenstoff, der vor allem in roten Trauben und im Japanischen Staudenknöterich enthalten ist.
Seine synthetische Variante ist seit 2016 in der EU als Lebensmittelzutat zugelassen.
Zumindest im Zellversuch entfaltet der Stoff entzündungshemmende Eigenschaften.
Wie eine aktuelle Kooperationsstudie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München und des Instituts für Physiologische Chemie der Universität Wien nun zeigt, ist der Bitterrezeptor TAS2R50 an diesem Effekt beteiligt.
Studienleiterin Veronika Somoza und ihr Team veröffentlichten ihre Ergebnisse im Journal of Agricultural and Food Chemistry.
Prof. Dr. Veronika Somoza Joseph Krpelan
Bittere Lebensmittelinhaltsstoffe beeinflussen nicht nur den Geschmack einer Speise, sondern entfalten oft auch weitere physiologische Wirkungen.
- So schmeckt Resveratrol nicht nur bitter, sondern vermindert die Freisetzung von Signalstoffen, die an Entzündungsprozessen beteiligt sind.
- Hierfür sprechen verschiedene zellbasierte sowie klinische Studien an Patienten mit Stoffwechselerkrankungen. Ob hierbei auch Bitterrezeptoren eine Rolle spielen, hatte bisher noch keine Forschungsgruppe untersucht.
Zahnfleischzellen als Testsystem
Um dieser Frage nachzugehen, führte das Team um Veronika Somoza Versuche
mit einer menschlichen Zelllinie durch, die einer Zahnfleischbiopsie
entstammt. Die Zellen dieser Zelllinie sind ein geeignetes Testsystem,
um Wechselwirkungen zwischen Bitterstoffen, Bitterrezeptoren und der
Freisetzung von Entzündungsmarkern zu untersuchen. Denn, wie das Team
erstmals zeigt, verfügen diese Zellen über aktive Bitterrezeptorgene und
sind zudem immunkompetent.
- Das heißt, behandelt man die Zellen mit Oberflächenantigenen von Bakterien, die Zahnfleischentzündungen auslösen, setzen sie quantifizierbare Mengen des Entzündungsmarkers Interleukin-6 frei.
Resveratrol reduziert Entzündungsmarker
In der aktuellen Studie reduzierte Resveratrol die freigesetzte
Entzündungsmarker-Menge um etwa 80 Prozent.
Eine zusätzliche Gabe der bitter-maskierenden Substanz Homoeriodictyol verringerte diesen entzündungshemmenden Effekt um etwa 17 Prozent.
„Dies ist bemerkenswert,
denn Homoeriodictyol ist eine natürliche Substanz, die nachweislich die
über bestimmte Bitterrezeptoren vermittelte Bitterkeit von
Nahrungsstoffen verringert. Zu diesen Rezeptoren zählt unter anderem der
Bitterrezeptor TAS2R50, den auch die Zellen unseres Testsystems
exprimieren“, erklärt Veronika Somoza, stellvertretende Vorständin des
Wiener Instituts für Physiologische Chemie und Direktorin des Freisinger
Leibniz-Instituts. „Diese Beobachtung und zusätzlich von uns
durchgeführte Knock-down-Experimente sowie computergestützte
Struktur-Funktions-Analysen legen nahe, dass dieser Rezeptortyp an der
Vermittlung der entzündungshemmenden Resveratrol-Wirkung beteiligt ist.“
Somoza ergänzt: „Natürlich besteht noch sehr viel Forschungsbedarf.
Dennoch liefern die Studienergebnisse schon jetzt neue Bausteine, die
dazu beitragen, die molekularen Wechselwirkungen zwischen bitter
schmeckenden Lebensmittelinhaltsstoffen, Bitterrezeptoren und
Immunreaktionen aufzuklären." Spannend sei zukünftig auch die Frage, ob
Bitterstoffe und Bitterrezeptoren im Hinblick auf entzündliche
Zahnfleischerkrankungen wie Parodontose eine Rolle spielen könnten, so
die Wissenschaftlerin weiter.
Originalpublikation: Tiroch J, Sterneder S, Di Pizio A, Lieder B, Hoelz
K, Holik AK, Pignitter M, Behrens M, Somoza M, Ley JP, Somoza V (2021) J
Agric Food Chem, DOI: 10.1021/acs.jafc.0c07058. Bitter Sensing TAS2R50
Mediates the trans-Resveratrol-Induced Anti-inflammatory Effect on
Interleukin 6 Release in HGF-1 Cells in Culture https://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/acs.jafc.0c07058
Hintergrundinformation
- Synthetisch hergestelltes trans-Resveratrol ist als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich und ist ausschließlich für Erwachsene bestimmt.
- Die empfohlene maximale tägliche Aufnahmemenge liegt bei 150 Milligramm.
Die gesundheitsfördernden Wirkungen von Resveratrol werden derzeit vielfältig untersucht und lassen sich aktuell noch nicht abschließend beurteilen. V
Verbraucher sollten bedenken, dass
es bei übermäßigem Konsum von 1 Gramm Resveratrol pro Tag zu Durchfall
oder anderen Störungen des Magen-Darmtraktes kommen kann.
Quellen:
1. https://www.bzfe.de/fileadmin//resources/import/pdf/eif_11-12_2016_24_lebensmitt...;
2. https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2016.4368
3. Trabrizi R et al. (2018) Food Funct, 9(12):6116-6128, DOI:
10.1039/c8fo01259h. The effects of resveratrol supplementation on
biomarkers of inflammation and oxidative stress among patients with
metabolic syndrome and related disorders: a systematic review and
meta-analysis of randomized controlled trials https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2018/FO/C8FO01259H#!divAbstract
Univ.-Prof. Dr. Veronika Somoza
Direktorin
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München
Lise-Meitner-Str. 34, 85354 Freising
Tel.: +49 8161 71 2700
E-Mail: v.somoza.leibniz-lsb@tum.de
Dr. Gisela Olias
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München
Lise-Meitner-Str. 34, 85354 Freising
Tel.: +49 8161 71 2980
E-Mail: g.olias.leibniz-lsb@tum.de
www.leibniz-lsb.de
Informationen zum Institut
Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen
Universität München (Leibniz-LSB@TUM) besitzt ein einzigartiges
Forschungsprofil. Seine Wissenschaftler kombinieren Methoden der
biomolekularen Grundlagenforschung mit Analysemethoden der Bioinformatik
und analytischen Hochleistungstechnologien. Ihr Ziel ist es, die
komplexen Inhaltsstoffprofile von Rohstoffen bis hin zu den finalen
Lebensmittelprodukten zu entschlüsseln und deren Wirkung auf den
Menschen aufzuklären. Basierend auf ihrer Forschung entwickelte Produkte
sollen dazu beitragen, die Bevölkerung auch in Zukunft nachhaltig und
ausreichend mit gesundheitsfördernden, wohlschmeckenden Lebensmitteln zu
versorgen. Darüber hinaus sollen die neu gewonnenen wissenschaftlichen
Erkenntnisse dazu dienen, personalisierte Ernährungskonzepte zu
entwickeln, die zum Beispiel Menschen mit einer
Nahrungsmittelunverträglichkeit helfen, ohne dass die Lebensqualität
eingeschränkt und die Gesundheit gefährdet ist.
Das Leibniz-LSB@TUM ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 96
selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht
von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die
Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den
Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich,
ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis-
und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden
Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche
Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die
Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem
mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik,
Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen
pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der
Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im
In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen
Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung
fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft
gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen,
darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat
der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.
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Originalpublikation:
Tiroch J, Sterneder S, Di Pizio A, Lieder B, Hoelz K, Holik AK, Pignitter M, Behrens M, Somoza M, Ley JP, Somoza V (2021) J Agric Food Chem, DOI: 10.1021/acs.jafc.0c07058. Bitter Sensing TAS2R50 Mediates the trans-Resveratrol-Induced Anti-inflammatory Effect on Interleukin 6 Release in HGF-1 Cells in Culture https://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/acs.jafc.0c07058
Weitere Informationen:
https://www.bzfe.de/fileadmin//resources/import pdf/eif_11-12_2016_24_lebensmittelrecht.pdf Informationen des BZfE zu trans-Resveratrol
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2016.4368 Informationen der EFSA zu trans-Resveratrol
https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2018/FO/C8FO01259H#!divAbstract Meta-Analyse, Auswertung von klinischen Studien #Resveratrol,
#Entzündungsmarker, #Stoffwechselerkrankungen, #metabolisches Syndrom
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