Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Hilfe bei Herzschwäche?
MHH-Kardiologie ergründet die Wirkung von Digitoxin
Forschende schließen den 1000. Patienten in multizentrische Studie ein
Patient Torsten S., Dr. Fabian Rathje, Professor Dr. Johann Bauersachs und Professor Dr. Udo Bavendiek (von links) mit der Aufnahme des Herzens nach einer bildgebenden Untersuchung. Copyright: Karin Kaiser/ MHH.
- Kann Digitoxin, ein Wirkstoff aus den Blättern des Fingerhuts, Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche helfen?
Vieles deutet darauf hin, doch wissenschaftlich untersucht und bewiesen wurde es bisher nicht.
In der großangelegten DIGIT-HF-Studie gehen Forscherinnen und Forscher dieser Frage seit 2015 nach.
Koordiniert wird die Studie, an
der 50 Zentren in Deutschland, Österreich und jetzt auch Serbien
beteiligt sind, von der Klinik für Kardiologie und Angiologie der
Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Die Studienleiter,
Klinikdirektor Professor Dr. Johann Bauersachs und Oberarzt Professor
Dr. Udo Bavendiek, freuen sich jetzt über einen Meilenstein: Mit Torsten
S. haben sie nun den tausendsten Patienten in die Untersuchung
eingeschlossen. „Das ist eine sehr hohe Zahl an Studienpatienten, und
die damit verbundene Datenmenge ist schon jetzt ein großer Schatz für
erste Analysen“, erklärt Professor Bavendiek. Mit den Daten werden wir
voraussichtlich nicht nur unsere Ausgangsfrage beantworten, sondern
viele weitere Erkenntnisse rund um die Therapie der Herzschwäche
gewinnen können.“ Insgesamt sollen in die Studie 1.600 Patientinnen und
Patienten aufgenommen werden.
Bis zu vier Millionen Menschen in Deutschland betroffen
Von Herzschwäche oder Herzinsuffizienz sprechen Ärztinnen und Ärzte,
wenn das Herz nicht in der Lage ist, den Körper ausreichend mit Blut,
Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen.
In Deutschland leiden bis zu vier Millionen Menschen an einer chronischen Herzschwäche.
Symptome sind Atemnot und Wassereinlagerungen bis hin zur Unbeweglichkeit.
Die
Erkrankung ist eine der häufigsten Ursachen dafür, dass Menschen ins
Krankenhaus eingewiesen werden müssen oder an den Folgen sterben. „In
der DIGIT-HF-Studie untersuchen wir, ob Digitoxin das Leben von
Patienten mit Herzschwäche verlängert und die Zahl der
Krankenhausaufenthalte wegen einer Verschlechterung der Herzschwäche
verringern kann“, erläutert Professor Bauersachs.
Bisher gibt es noch keine Studien über Digitoxin, obwohl der Wirkstoff
schon seit mehr als 200 Jahren bei der Behandlung der Herzschwäche
eingesetzt wird.
Untersucht wurde bis jetzt nur ein anderer Wirkstoff aus der Familie der Digitalis-Glykoside: Digoxin.
- „Gegenüber diesem Wirkstoff hat Digitoxin den großen Vorteil, dass es auch bei Patientinnen und Patienten mit deutlich eingeschränkter Nierenfunktion eingesetzt werden kann“, sagt Professor Bavendiek.
- Viele Menschen mit chronischer Herzschwäche leiden zusätzlich an einer fortgeschrittenen Nierenfunktionsstörung oder müssen sogar dialysiert werden.
Die DIGIT-HF-Studie startete 2015. Im Jahr 2019 genehmigte das
Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF) eine Verlängerung bis
zum Jahr 2024. Für diese zweite Förderperiode stellt das Ministerium
rund 3,8 Millionen Euro zur Verfügung. Mit weiteren 700.000 Euro fördert
die Brauckmann-Wittenberg-Herz-Stiftung die Forschung. Außer der Klinik
für Kardiologie und Angiologie sind das Institut für Biometrie und das
Zentrum für Klinische Studien der MHH sowie die Studienzentren der
teilnehmenden Kliniken und Praxen an dem Forschungsprojekt beteiligt.
- Bis März 2023 sollen weitere 600 Menschen mit chronischer Herzinsuffizienz in die Studie eingeschlossen werden.
- Gesucht werden vor allem Patientinnen und Patienten, die an einer fortgeschrittenen systolischen Herzschwäche, also einer verminderten Pumpleistung der linken Herzkammer, leiden.
Kein großer Aufwand für Studienteilnehmende
Dieses Krankheitsbild weist auch Torsten S. auf, der jetzt als 1000.
Patient in die Studie aufgenommen wurde. Bei dem 41-Jährigen aus der
Nähe von Wolfsburg wurde 2002 eine Herzschwäche diagnostiziert. „Die
Ursache ist vermutlich eine Entzündung“, berichtet er. Von der
Möglichkeit, an der Studie teilzunehmen, erfuhr er in der
Transplantations- und Kunstherzambulanz der MHH. Für ihn und die anderen
Teilnehmenden entsteht durch die Studie kein großer Aufwand. Sie werden
grundlegend auf die Ein- und Ausschlusskriterien untersucht und müssen
dann alle sechs Monate zur Kontrolle kommen und Angaben zu besonderen
Zwischenfällen, eventuellen Krankenhausaufenthalten und dem persönlichen
Befinden machen. „Die meisten Patientinnen und Patienten fühlen sich
durch die regelmäßigen Untersuchungen während der Studienvisiten und die
stete Beobachtung besser betreut und profitieren allein schon so von
der Studie“, berichtet Professor Bavendiek.
Die Forscher rechnen damit, Ende 2024 die Ergebnisse der großen
DIGIT-HF-Studie veröffentlichen zu können.
Zu einigen wichtigen Erkenntnissen sind sie aber jetzt schon gekommen.
So können sie beispielsweise die Befürchtung entkräften, Digitoxin sei für bestimmte Patientengruppen mit Herzschwäche „gefährlich“ und könne zum Tod führen.
„Dafür gibt es keine wissenschaftlichen Belege, und auch im bisherigen Studienlauf gibt es keine Signale, dass Digitoxin den Patienten schadet oder sie gefährdet“, stellt Professor Bavendiek klar.
Basierend auf den
bisherigen Studiendaten wurden bereits Empfehlungen für eine einfache
und sichere Dosierung von Digitoxin bei Patienten mit Herzschwäche
erarbeitet.
Interessierte erhalten weitere Informationen in der Studienzentrale der
Klinik für Kardiologie und Angiologie, Telefon (0511) 532-5500, E-Mail: info@digit-hf.de, Internet: http://www.digit-hf.de
Professor Dr. Udo Bavendiek
Telefon (0511) 532-2229
Professor Dr. Johann Bauersachs
Bauersachs.Johann@mh-hannover.de
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