Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: DGP: Pneumologen legen aktualisierte Stellungnahme zur Risikoabschätzung vor
Chronische Atemwegserkrankungen und SARS-CoV-2:
Nicht Jeder ist ein Risikopatient
Wie hoch ist mein Risiko für einen schweren Verlauf?
Für Patienten mit chronischen Lungen- und Atemwegserkrankungen, aber auch anderen chronischen Krankheiten stellen sich mit besonderer Dringlichkeit diese Fragen angesichts der Covid-19-Pandemie.
Um der Verunsicherung von Patienten und behandelnden Ärzten entgegenzuwirken, hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) gemeinsam mit dem Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner e. V. (BdP) nun eine aktualisierte Stellungnahme veröffentlicht.
Diese soll die Risikoabschätzung bei unterschiedlichen chronischen Erkrankungen – insbesondere der Atmungsorgane - erleichtern.
Darin wird der bisherige Wissensstand zusammengefasst, wie Vorerkrankungen das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf beeinflussen und welche Schutzmaßnahmen notwendig sind.
- Heute geht man davon aus, dass eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus nur bei einer Minderheit von weniger als fünf Prozent der Infizierten einen schweren Verlauf nimmt.
- Bereits im Frühjahr zeichnete sich ab, dass Senioren, Männer, Menschen mit Diabetes und Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen hiervon besonders betroffen sind.
- Auch Patienten mit bestimmten Lungenerkrankungen wie COPD, fortgeschrittener interstitieller Lungenerkrankung wie der Lungenfibrose, Lungenkrebs und Lungentransplantierte sind nach derzeitigem Kenntnisstand stärker gefährdet.
„Das trifft jedoch längst nicht für alle Krankheiten aus
unserem Fachgebiet zu“, sagt Professor Dr. med. habil Marek Lommatzsch,
Oberarzt der Abteilung für Pneumologie des Zentrums für Innere Medizin
der Universitätsmedizin Rostock und Hauptautor der aktualisierten
Stellungnahme.
Für die große Gruppe der Asthma-Patienten etwa könne weitgehend
Entwarnung gegeben werden – Asthma gleich welchen Schweregrades habe
sich in bisherigen Studien nicht als eigenständiger Risikofaktor für
einen schweren COVID-19-Verlauf erwiesen.
Allerdings könne eine Anpassung der Medikation ratsam sein:
- „Es gibt Hinweise darauf, dass hoch dosierte inhalative Steroide, ebenso wie eine systemische Steroidtherapie das Risiko für einen schweren Verlauf erhöhen“, sagt Lommatzsch.
Hier biete sich eine Umstellung auf eine Therapie mit Biologika an.
- Niedrig- oder mittelhochdosierte inhalative Steroide (dies
betrifft die übergroße Mehrheit aller Patienten mit Asthma) seien
dagegen unbedenklich.
Ähnliche Empfehlungen gelten auch für die Therapie von chronischen Erkrankungen wie der Sarkoidose oder bestimmten anderen interstitiellen Lungenerkrankungen. „Auch hier wird die Fortführung der immunsuppressiven oder immunmodulatorischen Therapie mit der niedrigsten noch wirksamen Dosis in jedem Fall empfohlen“, sagt Professor Dr. med. Torsten Bauer, stellvertretender Präsident der DGP und Mitautor des Positionspapieres.
Bei einer Unterbrechung der Therapie sei davon auszugehen, dass der Schaden durch eine Verschlechterung der Grunderkrankung den Nutzen in Bezug auf das COVID-19-Risiko überwiege.
Lediglich bei nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion könne die Therapie
kurzfristig pausiert werden.
Trotz der immer besser werdenden Datenlage bleibt die Risikoabschätzung
für die verschiedenen Lungenerkrankungen, die das DGP-Statement anhand
von 13 konkreten Fällen und Fragen praxisnah beleuchtet, kompliziert:
Denn für das COVID-19-Risiko spielt die Lungenerkrankung selbst oft
nicht die wichtigste Rolle. Selbst das Vorliegen einer COPD, die bereits
früh als eigenständiger Risikofaktor genannt wurde, erhöht die Gefahr
eines schweren COVID-19-Verlaufs für sich genommen nur mäßig. „Hier
liegen jedoch häufig Begleiterkrankungen und zusätzliche Risikofaktoren
vor, deren Effekt nur schwer von dem der Lungenschädigung zu trennen
ist“, erklärt Professor Dr. med. Michael Pfeifer, Universität
Regensburg, Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Klinik Donaustauf und
der Klinik für Pneumologie und konservative Intensivmedizin, KH
Barmherzige Brüder, Regensburg und Präsident der DGP. Die Patienten
seien meist älter, viele wiesen auch Herz-Kreislauf-Risikofaktoren auf –
„allein dadurch ist das Risiko für einen schweren Verlauf deutlich
erhöht.“
Auch das Stadium der Erkrankung oder der Allgemeinzustand des Patienten –
etwa bei Krebspatienten – beeinflusst das individuelle COVID-19-Risiko
erheblich.
- Einen vorbeugenden Daueraufenthalt zu Hause empfehlen die DGP-Experten jedoch selbst bei erhöhtem Risikoprofil nicht.
„Dieser ist meist nicht erforderlich und angesichts der vielen positiven Aspekte von körperlicher Bewegung auch nicht sinnvoll“, so Pfeifer.
Die vom RKI empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln seien allerdings für all diese Patienten konsequent einzuhalten.
Je nach Risikokonstellation und in Absprache mit dem Arzt können auch FFP-Masken getragen werden.
Außerdem
raten die Lungen-Experten Lungenpatienten unbedingt zu einer Impfung
gegen Pneumokokken, die eine Vielzahl der bakteriellen
Lungenentzündungen verursachen.
Das vollständige Positionspapier der DGP können Sie unter dem folgenden Link abrufen: https://pneumologie.de/covid-19
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