WISP1 - Neuer Botenstoff des Fettgewebes identifiziert, der chronische Entzündungen fördern könnte

Ein internationales Wissenschaftlerteam hat nun unter
Führung von Andreas F. H. Pfeiffer und Natalia Rudovich vom Deutschen
Institut für Ernährungsforschung (DIfE) einen neuen von Fettzellen ans
Blut abgegebenen Botenstoff identifiziert, der bei starkem Übergewicht das
Entstehen einer Insulinresistenz* sowie chronische Entzündungen fördern
könnte und so Diabetes und Gefäßerkrankungen begünstigt. Die neuen
Erkenntnisse könnten künftig dazu beitragen, alternative Ansätze für die
Therapie übergewichtsbedingter Erkrankungen zu entwickeln. Die Forscher
veröffentlichten ihre Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift Diabetes
(Murahovschi, V. et al., 2014).

Die Zahl übergewichtiger Menschen hat in den letzten drei Jahrzehnten
weltweit stark zugenommen**. Nach Angaben der World Health Organization
gehen sogar inzwischen mehr Todesfälle auf ein zu hohes Körpergewicht als
auf ein zu niedriges zurück. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der
vergangenen Jahre belegen dabei, dass Übergewicht und das damit verbundene
metabolische Syndrom*** das Risiko für Typ-2-Diabetes, bestimmte
Krebsarten sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Nach neuestem,
wissenschaftlichem Stand sind chronische Entzündungsreaktionen ursächlich
am Entstehen dieser Folgeerkrankungen beteiligt. Die molekularen
Mechanismen, die zu diesen übergewichtsbedingten Entzündungsprozessen
führen, sind jedoch noch weitgehend unerforscht.

Das Team um die Mediziner Rudovich und Pfeiffer hat nun das Eiweißmolekül
Wingless-type signaling pathway protein-1 (WISP1) als ein weiteres
mögliches Bindeglied zwischen Übergewicht und chronischen
Entzündungsreaktionen bzw. einer Insulinresistenz identifiziert. Bislang
hatten Studien das Molekül nur mit der Regulation des Knochenwachstums und
dem Entstehen einiger Krebsarten in Verbindung gebracht.

Wie die Forscher jetzt erstmals anhand klinischer Untersuchungen zeigen,
produziert das so genannte viszerale Fettgewebe, das sich im Bauchraum um
die Eingeweide herum befindet, besonders viel WISP1, das es ans Blut
abgibt. Die Synthesemenge des Proteins steht dabei mit dem Grad der
Insulinresistenz sowie der Freisetzung bestimmter Entzündungsmarker in
enger Beziehung. Das Fettgewebe unter der Haut stellt dagegen nur moderate
Mengen dieses Eiweißmoleküls her. Zudem beobachteten die Mediziner, dass
sich nach einer Gewichtsreduktion der WISP1-Gehalt im Blut der
Studienteilnehmer verminderte. Darüber hinaus stimulierte das Protein
dosisabhängig die Differenzierung von in Kultur gehaltenen, menschlichen
Makrophagen**** zum klassischen M1-Typ, der eine Rolle bei vielen akut-
entzündlichen Erkrankungen spielt. „Wir vermuten, dass WISP1 einer der
Stoffe sein könnte, welche die Makrophagen-Funktion und -Einwanderung ins
Fettgewebe kontrollieren“, sagt Veronica Murahovschi, Erstautorin der
Studie.

„Je mehr wir über die molekularen Mechanismen erfahren, die den
übergewichtsbedingten Entzündungsprozessen zu Grunde liegen, desto
leichter wird es sein, zukünftig geeignete Medikamente zu entwickeln,
welche Erkrankungen wie Diabetes, Herzinfarkt oder Schlaganfall
entgegenwirken“, erklärt Pfeiffer, der die Abteilung Klinische Ernährung
am DIfE leitet. „Denkbar wären zum Beispiel Medikamente, die gezielt die
verstärkte Ausschüttung von Entzündungsmediatoren wie WISP1 auf ein
normales Maß verringern“, sagt Rudovich. Von der Grundlagenforschung bis
zum einsatzfähigen Therapeutikum sei es aber noch ein langer Weg, so die
Medizinerin weiter. Dennoch würden die Ergebnisse schon jetzt dazu
beitragen, die Zusammenhänge zwischen Übergewicht, Immunsystem und
Stoffwechsel-Erkrankungen besser zu verstehen.

Link zum Artikel: diabetes.diabetesjournals.org/content/early/2014/10/02/db14-0444.full.pdf+html>

Hintergrundinformationen:

* Der Begriff „Insulinresistenz“ bezeichnet ein vermindertes Ansprechen
der Körperzellen auf den Botenstoff Insulin. Hauptsächlich trifft dies auf
Muskel-, Leber- aber auch auf Fettzellen zu. Die Insulinresistenz ist die
Vorstufe zum Typ-2-Diabetes.

** Marie Ng et al. (2014), The Lancet 384:766-781

*** Das metabolische Syndrom ist eine Kombination aus Adipositas
(Fettsucht), Bluthochdruck, einer Insulinresistenz der Körperzellen und
einem gestörten Fettstoffwechsel.

**** Fresszellen (Makrophagen) sind Zellen des Immunsystems. Sie
entwickeln sich aus Monozyten und stellen mengenmäßig die größte Gruppe an
Entzündungszellen im Fettgewebe dar. Makrophagen können zu verschiedenen
Untergruppen von Makrophagen-Typen differenzieren, die sehr
unterschiedliche Funktionen ausüben. M1-Makrophagen spielen eine Rolle bei
vielen akut-entzündlichen Erkrankungen. M2-Makrophagen wirken dagegen eher
entzündungshemmend.

Das DIfE ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen
ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention,
Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Forschungsschwerpunkte
sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen
und Krebs. Näheres unter http://www.dife.de. Das DIfE ist zudem ein
Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für
Diabetesforschung (DZD). Näheres unter http://www.dzd-ev.de.

Die Leibniz-Gemeinschaft vereint 89 Einrichtungen, die anwendungsbezogene
Grundlagenforschung betreiben und wissenschaftliche Infrastruktur
bereitstellen. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Einrichtungen rund
17.200 Menschen – darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
– bei einem Jahresetat von insgesamt knapp 1,5 Milliarden Euro. Die
Leibniz-Gemeinschaft zeichnet sich durch die Vielfalt der in den
Einrichtungen bearbeiteten Themen und Disziplinen aus. Die
Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft bewahren und erforschen das
natürliche und kulturelle Erbe. Darüber hinaus sind sie Schaufenster der
Forschung, Orte des Lernens und der Faszination für die Wissenschaft.
Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

Medizin am Abend DirektKontakt:

PD Dr. Natalia Rudovich
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal/Deutschland
Tel.: +49 (0)33200 88-2789
E-Mail: rudovich@dife.de

Prof. Dr. Andreas F.H. Pfeiffer
Abteilung Klinische Ernährung
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal/Deutschland
Tel.: +49 (0)33200 88-2771
Tel.: +49 (0)30 450514 422
E-Mail: afhp@dife.de
E-Mail: afhp@charite.de

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