Studie: Hohe Entzündungs- und Insulinwerte weisen auf erhöhtes Leberkrebsrisiko hin

Wie eine große Langzeitbeobachtungs-Studie (EPIC*)
zeigt, weisen erhöhte Blutwerte von vier Biomarkern auf ein erhöhtes
Leberkrebsrisiko hin und zwar unabhängig von bislang bekannten
Risikofaktoren. Zu den Biomarkern zählen u. a. Entzündungsmarker wie
Interleukin-6 und ein hoher Insulinspiegel. Das Wissenschaftlerteam um
Krasimira Aleksandrova und Heiner Boeing vom Deutschen Institut für
Ernährungsforschung (DIfE) sowie Tobias Pischon vom Max-Delbrück-Centrum
für Molekulare Medizin (MDC), veröffentlichte seine Ergebnisse kürzlich in
der Fachzeitschrift Hepatology (Aleksandrova 2014; 60:858-871).

„Eine zusätzliche Untersuchung der vier Biomarker könnte Medizinern
zukünftig dabei helfen, das Leberkrebsrisiko einer Person genauer
abzuschätzen als dies bislang möglich ist“, sagt Erstautorin Aleksandrova.
„Zudem geben unsere Ergebnisse Hinweise auf die Stoffwechselvorgänge, die
an einer Leberkrebsentstehung beteiligt sein können und liefern so neue
Anhaltspunkte für Präventionsmaßnahmen“, ergänzt Tobias Pischon, der am
MDC die Forschungsgruppe Molekulare Epidemiologie leitet.

Leberkrebs steht weltweit an Position sechs der häufigsten bösartigen
Tumorerkrankungen. In Ländern mit westlichem Lebensstil ist diese Krebsart
zwar relativ selten, dennoch ist in den vergangenen Jahren die Zahl der
Neuerkrankungen in diesen Ländern inklusive Deutschland wieder
angestiegen. Die Krankheit verläuft meist tödlich. Die
5-Jahres-Überlebensrate liegt bei unter fünf Prozent.
Leberkrebs kann
verschiedene Ursachen haben, wie zum Beispiel Virusinfektionen oder
Alkoholmissbrauch. Aber auch Übergewicht und die damit verbundenen
Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes stehen im Verdacht, besonders
in den USA und Westeuropa zur Krankheitsentstehung beizutragen.

Um mehr über die Ursachen und Stoffwechselmechanismen zu erfahren, die in
den westlichen Ländern an dem Anstieg der Leberkrebserkrankungen beteiligt
sind, werteten die Wissenschaftler die Daten und Blutproben einer
Untergruppe der etwa 500.000 EPIC-Studienteilnehmer aus, von denen 296
während einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 7,7 Jahren erstmals
an Leberkrebs oder einem Krebs der Gallenwege erkrankt waren.

Wie die Wissenschaftler nun erstmals an den Daten dieser europäischen
Bevölkerungsgruppe zeigen, besteht ein starker Zusammenhang zwischen einem
erhöhten Leberkrebsrisiko und erhöhten Blutwerten der Entzündungsmarker
Interleukin-6 und CRP**, des Biomarkers Adiponektin*** sowie einem
erhöhten Insulinspiegel, dessen Höhe die Epidemiologen anhand des
Biomarkers C-Peptid****
einstuften. Dabei hatten die Studienteilnehmer mit
den höchsten Interleukin-6- und C-Peptid-Blutwerten im Vergleich zu den
Teilnehmern mit den niedrigsten Werten ein 3,8-fach bzw. ein 3,1-fach
höheres Leberkrebsrisiko.

„Unsere Beobachtungen sprechen dafür, dass zumindest bei einem Teil der
europäischen Bevölkerung übergewichtsbedingte Entzündungsreaktionen sowie
ein zu hoher Insulinspiegel, der zum Beispiel bei einer beginnenden Typ-2
-Diabetes-Erkrankung auftritt, an der Entstehung von Leberkrebs beteiligt
sein können“, sagt Pischon.
Wie klinische Studien belegen, setzt insbesondere das viszerale Fett im
Bauchraum verstärkt den Botenstoff Interleukin-6 frei, der wiederum die
Freisetzung von CRP in der Leber stimuliert. Beide Biomarker sind an
Immunreaktionen des Körpers beteiligt und weisen auf Entzündungsprozesse
hin, welche die Leberzellen schädigen und letztendlich zur Krebsentstehung
beitragen können. Der Botenstoff Insulin stimuliert dagegen die
Zellvermehrung und wirkt dem natürlichen Zelltod entgegen und könnte
hierdurch das Tumorwachstum fördern. Der vom Fettgewebe freigesetzte
Botenstoff Adiponektin beeinflusst die Signalwirkung des Insulins auf die
Leberzellen und spielt ebenso eine Rolle bei Entzündungsprozessen.

„Eine gesunde Lebensweise könnte somit nicht nur dazu beitragen,
krankhaftem Übergewicht und Typ-2-Diabetes vorzubeugen, sie könnte
gleichzeitig dem Anstieg der Leberkrebserkrankungen in Westeuropa
entgegenwirken“, folgert Heiner Boeing, Leiter der Potsdamer EPIC-Studie.

Hintergrundinformationen:

* EPIC: European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. Die
EPIC-Studie ist eine prospektive (vorausschauende) Studie, die
Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen
Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes untersucht. An der EPIC-Studie sind 23
Studienzentren in zehn europäischen Ländern mit insgesamt 519.000
Studienteilnehmern im Erwachsenenalter beteiligt. Die Potsdamer EPIC-
Studie ist mit mehr als 27.000 Teilnehmern ein Teil der EPIC-Studie.

** CRP: C-reaktives Protein wird in der Leber gebildet und ins Blut
abgegeben. Es gehört zu den Eiweißen, deren Konzentration im Rahmen von
entzündlichen Erkrankungen akut ansteigt. Es ist Teil des Immunsystems und
bindet an tote und sterbende Körperzellen sowie an einige Bakterienarten
und stimuliert dadurch deren Abbau über das Immunsystem.

*** Adiponektin ist ein von Fettzellen abgegebenes Hormon.

**** Das C-Peptid (connecting peptide) ist Teil des Proinsulins. Bei der
Umwandlung von Proinsulin zu Insulin wird das C-Peptid abgespalten, und
danach mit dem Insulin aus den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse ins Blut
abgegeben. Die Bestimmung des C-Peptids erlaubt Rückschlüsse auf die
Insulinkonzentration im Blut.

Medizin am AbendDirektkontakt:

Dr. Krasimira Aleksandrova
Abteilung Epidemiologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
E-Mail: Krasimira.Aleksandrova@dife.de

Prof. Dr. Heiner Boeing
Abteilung Epidemiologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel.: +49 (0)33200 88 2711
E-Mail: boeing@dife.de

Prof. Dr. Tobias Pischon
Forschungsgruppe Molekulare Epidemiologie
Max-Delbrück-Centrum für
Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
Robert-Rössle-Straße 10
13125 Berlin
Tel.: +49 (0)30 9406 - 4563
E-Mail: tobias.pischon@mdc-berlin.de

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