Autoimuneekrankungen

2022 über 6,3 Millionen gesetzlich Versicherte mit mindestens einer Autoimmunerkrankung // 

Jeder 12. Versicherte betroffen //

 Erkrankungshäufigkeit zwischen 2012 und 2022 um 22 Prozent stark angestiegen

Die Prävalenz diagnostizierter Autoimmunerkrankungen ist unter gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. 


Die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten zeigen zwischen 2012 und 2022 eine Zunahme von 7,06 auf 8,61 Prozent. 


Das entspricht einem relativen Anstieg um 22 Prozent. Insgesamt ist im Jahr 2022 bei mehr als 6,3 Millionen Patientinnen und Patienten (von insgesamt 73,24 Millionen gesetzlich Versicherten) mindestens eine Autoimmunerkrankung diagnostiziert worden. 


Die höchste Prävalenz wies Hashimoto-Thyreoiditis mit 2,3 Prozent auf, gefolgt von Psoriasis (1,85 Prozent) und Rheumatoider Arthritis (1,36 Prozent).

Bei 28 von 30 Autoimmunerkrankungen stieg die Prävalenz an. 

Die höchste Zunahme mit +130 Prozent war bei Zöliakie zu verzeichnen, gefolgt von Autoimmunhepatitis (+80 Prozent), Hashimoto-Thyreoiditis (+72 Prozent) und primärer biliärer Zirrhose (+68 Prozent).

Lediglich bei zwei Erkrankungen (Diabetes mellitus Typ 1 und Sjögren-Syndrom) war ein Rückgang der Prävalenz zu beobachten (–18 bzw. –27 Prozent). Bei weiblichen Versicherten fiel die Zunahme stärker aus als bei männlichen Versicherten (+28 versus +14 Prozent). Zudem war die Zunahme bei Erwachsenen im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen höher.

Regional betrachtet zeigten sich weitere Unterschiede: 

Insgesamt war die Prävalenz in den östlichen Bundesländern überdurchschnittlich höher als in den westlichen (Sachsen-Anhalt: 10,26 Prozent, Brandenburg: 9,65 Prozent, Thüringen: 9,39 Prozent). 

Den niedrigsten Anstieg zeigten die ausgewerteten Daten in Berlin (+9 Prozent), den höchsten im Saarland (+35 Prozent) und in Baden-Württemberg (+30 Prozent). Auf Kreisebene zeigten die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten Anstiege in fast allen Regionen mit Ausnahme von zwei Kreisen: Im Kyffhäuserkreis in Thüringen und im Rhein-Hunsrück-Kreis in Rheinland-Pfalz konnte eine rückläufige Prävalenz beobachtet werden (–13 und –3,1 Prozent).

Das sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Versorgungsatlas-Studie zur „Entwicklung der Prävalenz diagnostizierter Autoimmunerkrankungen im Zeitraum 2012–2022“, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) heute veröffentlicht hat.

„Unsere aktuelle Studie liefert erstmals belastbare epidemiologische Kennzahlen für die Erkrankungshäufigkeit eines breiten Spektrums an Autoimmunerkrankungen. Die Anzahl der Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen in Deutschland liegt deutlich höher als bisher angenommen. Jeder 12. gesetzlich Versicherte in Deutschland leidet an mindestens einer der 30 untersuchten Autoimmunerkrankungen – Tendenz steigend! Bei den meisten Autoimmunerkrankungen, die oftmals chronisch verlaufen, ist die Ursache ungeklärt. Daher ist es wichtig, das epidemiologische Geschehen genau zu beobachten“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

Weltweit steigt die Zahl der Menschen mit Autoimmunerkrankungen. Bei einer Autoimmunerkrankung handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung, bei der das Immunsystem körpereigene Zellen und Gewebe angreift. Bekannt sind bis zu 80 verschiedene Autoimmunerkrankungen, von denen mehr als die Hälfte selten vorkommen und eine Prävalenz von ≤0,05 Prozent aufweisen. Die Ursachen von Autoimmunerkrankungen werden im Zusammenspiel genetischer und umweltbedingter Faktoren vermutet. Zu den häufigsten Risikofaktoren zählen diverse bakterielle und virale Infektionen, Umweltschadstoffe und Lebensstilfaktoren. Zudem ist bekannt, dass Frauen ein höheres Risiko für Autoimmunerkrankungen haben als Männer. Das höhere Risiko für Autoimmunerkrankungen bei Frauen ist auf die geschlechtsspezifischen genetischen und hormonellen Unterschiede zurückzuführen.

Datengrundlage der heute veröffentlichten Studie waren die bundesweiten vertragsärztlichen Abrechnungsdaten gemäß § 295 SGB V aus den Jahren 2012 bis 2022. Der Datensatz umfasst Diagnosen von allen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland, die in den jeweiligen Jahren mindestens einmal eine vertragsärztliche Leistung in Anspruch genommen haben. Insgesamt sind 30 Autoimmunerkrankungen untersucht worden. Die Studienpopulation (weibliche und männliche gesetzlich Versicherte jeden Alters) variierte zwischen 68.959.472 Versicherten im Jahr 2012 und 73.241.305 Versicherten im Jahr 2022.

MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildung en VOR ORT
Dr. Manas K. Akmatov
Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland
Salzufer 8 – 10587 Berlin – Tel. (030) 220056114 – E-Mail: makmatov@zi.de

Originalpublikation:
Akmatov MK, Holstiege J, Dammertz L, Kohring C, Müller D. Entwicklung der Prävalenz diagnostizierter Autoimmunerkrankungen im Zeitraum 2012–2022. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 24/05. Berlin 2024 > https://doi.org/10.20364/VA-24.05

Insolvenz von Personen- und Kapitalgeselkschaften

Wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in einer heute veröffentlichten Analyse feststellt, ist die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland im Oktober sprunghaft auf 1 530 angestiegen. 

Das ist der höchste Oktoberwert seit 20 Jahren.

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im Oktober bei 1 530. 

Das sind 17% mehr als im Vormonat und 48% mehr als im Oktober 2023. 

Der aktuelle Wert liegt zudem 66% über dem durchschnittlichen Oktoberwert der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie. 

Das letzte Mal, dass in einem Oktober mehr Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften registriert wurden, war im Jahr 2004.

Steffen Müller, Leiter der Insolvenzforschung am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), führt die aktuell hohen Insolvenzzahlen auf das Zusammentreffen mehrerer Faktoren zurück. Eine anhaltende konjunkturelle Schwächephase trifft auf stark gestiegene Kosten bei Löhnen und Energie, während gleichzeitig Nachholeffekte aus der Pandemie sowie eine teils verzögerte Anpassung der Wirtschaft an neue strukturelle Rahmenbedingungen sichtbar werden. Während der Pandemie erhielten insbesondere schwächere Unternehmen Unterstützung durch staatliche Hilfsprogramme, wodurch Insolvenzen hinausgezögert wurden. Diese Insolvenzen holen die Unternehmen nun nach. Hinzu kommt, dass sich in der Niedrigzinsphase auch unproduktive Unternehmen mithilfe günstiger Kredite über Wasser halten konnten. Seit den Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) im Jahr 2022 trifft die hohe Verschuldung diese Unternehmen nun besonders hart, sodass es verstärkt zu Insolvenzen kommt.

„Die derzeitige Insolvenzwelle ist das Ergebnis eines perfekten Sturms aus langanhaltender konjunktureller Schwäche und drastisch gestiegenen Kosten“, sagt Steffen Müller. „Viele schwächere Unternehmen, die in der Niedrigzinsphase und mit Unterstützung während der Pandemie überlebt haben, stehen nun bei stark gestiegenen Kosten unter massivem Druck. Das treibt nun insbesondere hochverschuldete Firmen in die Insolvenz.“ Zu den besonders betroffenen Branchen zählen das Baugewerbe, der Handel und unternehmensnahe Dienstleistungen. Im verarbeitenden Gewerbe lagen die Zahlen ebenfalls auf sehr hohem Niveau.

Schließungen großer Arbeitgeber führen häufig zu erheblichen und dauerhaften Einkommens- und Lohnverlusten bei den betroffenen Beschäftigten. Die Zahl der von Großinsolvenzen betroffenen Jobs liefert zudem eine gute Annäherung an die Gesamtzahl der von Insolvenz betroffenen Arbeitsplätze. Laut IWH-Insolvenztrend waren im Oktober in den größten 10% der insolventen Unternehmen trotz der hohen Zahl an Insolvenzen lediglich knapp 11 000 Arbeitsplätze betroffen. Damit liegt die Zahl der betroffenen Beschäftigten mehr als die Hälfte unter dem Vormonatswert, in etwa auf dem Niveau von Oktober 2023, aber 30% über dem Durchschnitt eines typischen Oktobers der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019.

Die trotz hoher Insolvenzzahlen vergleichsweise geringe Zahl an betroffenen Jobs geht auf das Fehlen sehr großer Insolvenzen zurück. Große Insolvenzfälle hatten noch die Vormonate geprägt. Anders als die hohen Insolvenzzahlen vermuten lassen, waren die Auswirkungen des Insolvenzgeschehens auf den Arbeitsmarkt im Oktober somit überschaubar.

Das IWH erhebt Frühindikatoren, die dem Insolvenzgeschehen um zwei bis drei Monate vorauslaufen. Im Juli stiegen diese Indikatoren stark an. Daher war im Oktober mit einem hohen Wert zu rechnen gewesen. Da die Frühindikatoren zwischen August und Oktober wieder etwas unter das Niveau von Juli gefallen sind, sind im November und Dezember leichte Rückgänge bei den Insolvenzzahlen möglich, erwartet Steffen Müller. Allerdings werden die Insolvenzzahlen damit auch weiterhin deutlich über dem Niveau von vor der Doppelkrise aus Pandemie und Kostenschocks liegen.

IWH-Insolvenztrend: Hintergrund, Daten, Methodik

Deutlich schneller als die amtliche Statistik liefert der IWH-Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jeden Monat einen belastbaren Befund zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse weisen nur geringfügige Abweichungen von den amtlichen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben.

Der IWH-Insolvenztrend ist deshalb ein verlässlicher Frühindikator für das Insolvenzgeschehen und die wirtschaftliche Entwicklung. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise, gebündelt in der IWH-Insolvenzforschungsstelle, gehört das Institut bundesweit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet.

Die im IWH-Insolvenztrend gemeldeten Insolvenzen für Kapital- und Personengesellschaften umfassen in der Regel mehr als 90% der von Unternehmensinsolvenz betroffenen Arbeitsplätze und 95% der Forderungen. Damit bilden diese Zahlen verlässlich die direkten volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Insolvenzgeschehens ab.

Auch die amtliche Statistik weist monatlich vorläufige Insolvenzzahlen aus. Diese beziehen sich jedoch auf alle Regelinsolvenzen. Regelinsolvenzen umfassen neben den im IWH-Insolvenztrend erfassten Personen- und Kapitalgesellschaften auch die gesamtwirtschaftlich wenig relevante Gruppe der Kleinstunternehmen. Zudem werden auch bestimmte natürliche Personen wie Selbstständige oder ehemals selbstständig Tätige mit unüberschaubaren Vermögensverhältnissen sowie privat haftende Gesellschafter und Einzelunternehmer gemeldet.

Regelinsolvenzen sind also nicht mit Unternehmensinsolvenzen gleichzusetzen. Die Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften macht weniger als die Hälfte der Regelinsolvenzen aus. Die prozentualen monatlichen Veränderungen bei den Regelinsolvenzen können sich aufgrund der Vielzahl gesamtwirtschaftlich unbedeutender Insolvenzfälle deutlich von denen der Personen- und Kapitalgesellschaften unterscheiden.

MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildung en VOR ORT


Professor Dr. Steffen Müller
Tel +49 345 7753 708
Steffen.Mueller@iwh-halle.de


Weitere Informationen finden Sie unter


Alle zugrundeliegenden Daten als Excel-Download finden Sie unter diesem Link: https://www.iwh-halle.de/fileadmin/user_upload/data/insolvenztrend/iwh-insolvenztrend_daten.xlsx

 Mehr zur IWH-Insolvenzforschung und zur Methodik hinter dem IWH-Insolvenztrend: 

https://www.iwh-halle.de/insolvenzforschung

Die Anmeldung zur Borderline-Persönlichkeitsstörung BPS

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine schwerwiegende psychische Erkrankung, die unter anderem durch emotionale Instabilität und impulsives Verhalten gekennzeichnet ist. Etwa 1 bis 2 Prozent der deutschen Bevölkerung, also schätzungsweise bis zu 1,6 Millionen Menschen, sind betroffen. Um diesen Personen zu helfen, bietet das Universitätsklinikum Bonn (UKB) in Zusammenarbeit mit der Universität Bonn im Rahmen einer Therapiestudie ab sofort eine kostenfreie Gruppentherapie an. Sie richtet sich an Erwachsene zwischen 18 und 60 Jahren, die unter Ärgergefühlen, Reizbarkeit und aggressiven Verhaltensimpulsen leiden.

Das Programm umfasst 14 Sitzungen über etwa acht Wochen. Vor und nach der Therapie erfolgen Untersuchungen, um den Therapieerfolg zu messen. Interessierte aus Bonn und Umgebung, die aktuell nicht in psychotherapeutischer Behandlung sind, können sich ab sofort melden.

Instabil und wütend – so beschreiben viele Betroffene ihr tägliches Erleben. Die Kontrolle über Gefühle und Impulse zu verlieren, ist typisch für Menschen mit Borderline-Symptomen. Schon Kleinigkeiten können heftige Wutausbrüche auslösen und zu zwischenmenschlichen Konflikten führen. Die emotionale Instabilität ist oft auch geprägt von tiefen Selbstzweifeln und Unsicherheiten in vielen Lebensbereichen. Für Betroffene gleicht der Alltag einer emotionalen Achterbahnfahrt: Kleinste Auslöser führen zu explosiven Gefühlsausbrüchen, die oft nur kurz andauern, aber starke innere Unruhe hinterlassen. Diese ständige Überforderung belastet sowohl die Betroffenen selbst als auch ihr Umfeld erheblich.

Neues Therapieangebot zur Reduktion von Ärger und Aggression

Um betroffenen Personen gezielt zu helfen, bietet die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKB (Leitung: Prof. Dr. Alexandra Philipsen) eine kostenfreie Gruppenpsychotherapie an. Die 14 Sitzungen der Interventionsphase, die sich über einen Zeitraum von sieben bis zehn Wochen erstrecken, richten sich an Personen im Alter von 18 bis 60 Jahren, die unter starkem Ärger, Reizbarkeit und aggressiven Impulsen leiden. Teilnahmevoraussetzung ist, dass die Betroffenen aktuell keine andere Psychotherapie erhalten.

Im Rahmen der Therapie lernen die Teilnehmenden auf unterschiedliche Weise, besser mit ihren aggressiven Verhaltensimpulsen umzugehen. Ziel ist es, eine langfristige Verbesserung der emotionalen Stabilität und der sozialen Beziehungen zu erreichen.

Regelmäßige Studienbegleitende Untersuchungen zur Messung des Therapieerfolges

Die Therapie ist Teil einer größeren durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten wissenschaftlichen Studie, die an sechs Standorten in Deutschland durchgeführt wird. Vor und nach der Therapie werden Interviews sowie Online-Befragungen durchlaufen, um den Erfolg der Intervention zu dokumentieren und die Wirkung der Behandlung zu überprüfen. Der Nachbeobachtungszeitraum erstreckt sich über sechs Monate.

Wer kann teilnehmen?

• Personen zwischen 18 und 60 Jahren,
• die unter Borderline-Symptomen oder Schwierigkeiten in der Verhaltenskontrolle
leiden,
• die regelmäßig mit Ärger, Reizbarkeit oder aggressiven Verhaltensimpulsen kämpfen,
• und die derzeit keine psychotherapeutische Behandlung erhalten.

Kontakt und Anmeldung:

• E-Mail: maapstudie@ukbonn.de
• Telefon: 0228 287 16623

Dieses kostenfreie Therapieangebot bietet Betroffenen die Chance, wertvolle Techniken zur Emotionsregulation zu erlernen und ihre Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. Interessierte können sich ab sofort informieren und melden.
Bei Interesse erfolgt dann zunächst ein telefonisches Vorgespräch sowie die Terminvereinbarung für eine ausführliche Psychodiagnostik, auf deren Basis dann über die Eignung für die Studienteilnahme entschieden wird.

Anmeldung zur Hüftstudie...!

Zwei neue Forschungsprojekte an der OTH Regensburg widmen sich der Aufgabe, die hohe Zahl an Rücken- und Hüftoperationen in Deutschland zu senken. 

Mit präventiven und konservativen Behandlungsmethoden sollen Schmerzen gemindert und die Mobilität verbessert werden – ein Ansatz, der speziell darauf ausgerichtet ist, die körperliche Fitness und Selbstständigkeit der Betroffenen zu stärken.

Das Projekt „RELIEF“ setzt an der Ursache für Rückenschmerzen an, um den Bedarf an Operationen infolge von Bandscheibenvorfällen zu reduzieren. Prof. Dr. med. Joachim Grifka, Leiter der neuen Forschungsstelle für Orthopädie und Ergonomie an der OTH Regensburg, arbeitet an dem Projekt in Kooperation mit der AOK Bayern, Kliniken und der TU München. 


„In Deutschland werden heute deutlich mehr Bandscheibenvorfälle operiert als noch vor 20 Jahren“, so Prof. Grifka. 


Gemeinsam mit Orthopäden und Hausärzten sollen rund 100 Patienten über einen Zeitraum von drei Jahren an der Studie teilnehmen. 

Die Therapie besteht aus einer einwöchigen intensiven Behandlung im Krankenhaus, in der täglich spezielle Injektionen, Physiotherapie und ein gezieltes Muskeltraining zur Stärkung des Rücken- und Bauchmuskulatur durchgeführt werden.

Das Studienkonzept ist innovativ: 


Neben stationären Behandlungen beinhaltet das Programm exakte Übungsanleitungen für die Patientinnen und Patienten, um das Training zu Hause eigenständig fortzusetzen. 


Ziel der Forschenden ist es, eine möglichst breite Entlastung für den Rücken zu erreichen und so den Gang zum OP-Tisch zu vermeiden. 

„Schon erste Vorstudien zeigen, dass mehr als 80 Prozent der Teilnehmenden durch diese konservative Therapie langfristig beschwerdegebessert oder beschwerdefrei sind“, erläutert Prof. Grifka.

Biomechanische Analyse und gezielte Trainingsprogramme

Das zweite Projekt „Hüftfit“ soll die Anzahl der in Deutschland jährlich eingesetzten Hüftprothesen verringern – eine Zahl, die aktuell bei etwa 200.000 liegt. 

Damit ist Deutschland im internationalen Spitzenfeld häufiger Hüftprothesenimplantationen. 

Das interdisziplinäre Team um Prof. Dr. med. Joachim Grifka und Prof. Dr.-Ing. Sebastian Dendorfer, Professor für Biomechanik an der OTH Regensburg, untersucht und fördert die Hüftgesundheit mittels gezielter Trainingsprogramme, die zusätzlich in ihrer Wirkung mit biomechanischen Analysen evaluiert werden. 

Gemeinsam mit einer Masterandin der Medizintechnik und einer Doktorandin der Humanmedizin wird ein spezielles Trainingsprogramm entwickelt, das Beweglichkeit, Muskelkraft und Dehnfähigkeit der Hüfte steigert.

„Unser Ziel ist es, die Patientinnen und Patienten fit zu machen, bevor Operationen nötig sind“, so Prof. Dendorfer. „Hüftprobleme beginnen oft mit kleinen Beschwerden, die mit einem aktiven und gezielten Training aufgefangen werden können.“ 

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten Zugang zu einem digitalen Übungsprogramm, das sie eigenständig zu Hause absolvieren. 

Vor und nach dem achtwöchigen Trainingsprogramm erfolgt eine detaillierte Untersuchung am Biopark und an der OTH Regensburg, bei der modernste 3D-Bewegungsanalysen und biomechanische Messungen angewendet werden. 

So lässt sich der Effekt des Trainings objektiv erfassen und darstellen.

„Wir setzen gezielt auf Gamification-Elemente“

Ein innovativer Aspekt des Projekts ist die App-basierte Umsetzung: 

Ein Großteil der Übungen und Rückmeldungen wird spielerisch und nutzerfreundlich durch Apps vermittelt. 

„Wir setzen gezielt auf Gamification-Elemente, damit die Übungen Spaß machen und motivieren. So kann jeder Teilnehmende selbst Fortschritte tracken“, erklärt Dendorfer.

Die Bedeutung dieser Forschungsansätze ist gesellschaftlich weitreichend. Angesichts einer alternden Bevölkerung und der zunehmenden Inaktivität durch Homeoffice und bewegungsarme Tätigkeiten haben Rücken- und Hüftprobleme in den letzten Jahren massiv zugenommen.

 „Die moderne Medizin muss sich mehr auf Prävention fokussieren“, so Grifka. „Wir müssen frühzeitig ansetzen und mit praktischen Ratgebern, Trainingstools und einem besseren Zugang zu konservativen Therapien Wege aufzeigen, die ohne Operation auskommen.“

Diese Projekte eröffnen neue Perspektiven in der orthopädischen Versorgung und könnten langfristig helfen, die Operationen an Rücken und Hüfte signifikant zu reduzieren.

Für die Hüftstudie werden derzeit noch Probandinnen und Probanden gesuchten.

Eine Anmeldung ist möglich bei Daniela Maier per E-Mail: hueftstudie.regensburg@web.de oder Telefon: 0151/64396556.

Die Krankenhausreform

Im Interview spricht der Freiburger Politikwissenschaftler Uwe Wagschal über die Bedeutung des Bruchs der Ampel-Koalition, die geplanten Neuwahlen und wie sich die politische Situation in Deutschland bis dahin und danach verändern wird.

- Was bedeutet der Bruch der Koalition für Deutschland?

Die Bundesrepublik hatte seit 1949 keine wirkliche Minderheitsregierung auf Bundesebene. In Fällen, in denen keine klare Mehrheit bestand oder Regierungsparteien ihre Mehrheit verloren, wurden entweder neue Koalitionen gebildet oder es kam zu Neuwahlen. Generell sind Übergangs- und Minderheitsregierungen von politischer Schwäche, Unsicherheit und geringem Handlungsspielraum geprägt. Und daher auch nicht wünschenswert. Drängende Projekte wie der anstehende Nachtragshaushalt für 2024 und der ordentliche Haushalt für 2025 sollten eigentlich zügig, wie geplant noch im November, verabschiedet werden. Generell wird die Gesetzgebung fast unmöglich. Für das Verwaltungshandeln gibt es jedoch kaum Einschränkungen, es sei denn es fehlt ein Haushalt für das kommende Jahr. Schlimm könnte es werden, wenn sich die ökonomische Krise weiter verschärft oder neue dramatische Krisen auftauchen. Dann wäre gesetzgeberisches Handeln schnell notwendig.

- Wie ist die Auflösung des Bundestags über den Weg der Vertrauensfrage zu beurteilen?

In der Bundesrepublik ist es bereits das vierte Mal, dass über eine negative Vertrauensabstimmung vorgezogene Neuwahlen herbeigeführt werden. Insgesamt wurde bisher sogar fünfmal die Vertrauensfrage gestellt. Dreimal wurde dem Bundeskanzler das Vertrauen verweigert und es kam zu Neuwahlen. Willy Brandt hatte seit dem Frühjahr 1972 nach mehreren Parteiwechslern der FDP hin zur CDU, keine Bundestagsmehrheit mehr. Er stellte im September die Vertrauensfrage und es kam im November dann zur Neuwahl. Nach dem Austritt der FDP 1982 aus der SPD-geführten Regierung von Helmut Schmidt, stellte der neue Bundeskanzler Helmut Kohl im Dezember 1982 die Vertrauensfrage, worauf dann am 6 März 1983 neu gewählt wurde. Der dritte Fall eines abgelehnten Vertrauensvotums fand 2005 statt, als Gerhard Schröder, nach einer verlorenen Landtagswahl in NRW, im Juli 2005 die Vertrauensfrage stellte. Dies wäre nicht nötig gewesen, da seine Regierungsmehrheit davon nicht betroffen war. Dennoch kam es im September 2005 zur Neuwahl, die er gegen Angela Merkel verlor. Alle drei Fälle benötigten vom Beginn der Regierungskrise bis zur Wahl eine ähnliche oder gar längere Zeitspanne, wie das jetzt von Olaf Scholz vorgeschlagene Szenario. Daher kann auch kaum von einer Verschleppung des Wahltermins die Rede sein.

- Inwiefern wird die Übergangsregierung bis zu Neuwahlen handlungsfähig sein?

Die Restregierung aus SPD und Grünen versteht sich weniger als Übergangsregierung, sondern als Minderheitsregierung. Dies ist ein Unterschied, da letztere noch politisch gestalten und eigene Projekte durchsetzen möchte. Das wird angesichts der fehlenden Gesetzgebungsmehrheit jedoch schwierig werden. Die Lebenszeit der Regierung wird nur von kurzer Dauer sein. Im internationalen Vergleich gibt es allerdings zahlreiche Minderheitsregierungen, die auch länger im Amt sind, wie etwa in Schweden, Kanada, Dänemark oder aktuell auch in Spanien und Frankreich. In Frankreich hat die Regierung Barnier aktuell gerade mal knapp 37 Prozent der Abgeordneten hinter sich. Auf Länderebene sind solche Minderheitsregierungen öfters anzutreffen, in Thüringen hat die Minderheitsregierung von Bodo Ramelow über viereinhalb Jahre gehalten. Generell sind im deutschen System Minderheitsregierungen wesensfremd, weil sie eine Unterstützung anderer Parteien oder zumindest eine Duldung brauchen. Die ist jedoch nicht in Sicht und wird es auch nicht geben.

- Was wären aus Ihrer Sicht jetzt wichtige Schritte vonseiten der Regierung und der Opposition?

Zunächst sollten der Nachtragshaushalt 2024 und der Bundeshaushalt 2025 verabschiedet werden, damit die Regierung im kommenden Jahr handlungsfähig bleibt. Dann sollte sich zügig im Konsens auf einen Wahltermin geeinigt werden, der sowohl die Fristen des Grundgesetzes, des Wahlgesetzes sowie die Rechte kleiner politischer Parteien berücksichtigt. Zudem sollte die Regierung nicht den Versuch unternehmen, ihre Beamt*innen und Mandatsträger*innen noch großzügig mit Ämtern zu versorgen.

- Wie blicken Sie auf die vorgezogenen Neuwahlen?

Die Träume von einer schnellen Neuwahl sind aus meiner Sicht illusorisch. Stellt der Bundeskanzler die Vertrauensfrage dann wird zwei Tage später drüber abgestimmt. Dann hat der Bundespräsident wiederum 21 Tage Zeit den Bundestag aufzulösen und spätestens nach 60 Tagen kann es – nach der Verfassung – Neuwahlen geben. Insgesamt wären dies maximal 83 Tage. Dies lässt aber außer Acht, dass es auch Regelungen im Wahlgesetz gibt, die für eine Bundestagswahl relevant sind. So müssen Parteien spätestens 97 Tage vor der Wahl dem Bundeswahlleiter ihre Beteiligung an der Wahl schriftlich mitteilen. Dies bedeutet, dass der Wahltermin deutlich mehr als 97 Tage vorher bekannt sein muss, damit die Parteien ihr demokratisches Recht der Wahlteilnahme erörtern und mitteilen können.
Hinzu kommt der Prozess der Kandidat*innen- und Listenaufstellung. Die großen Parteien sind hier schon weit fortgeschritten, weil im Herbst 2025 gewählt werden sollte. Die kleinen Parteien jedoch nicht. Schließlich muss dem Bundeswahlleiter auch noch Zeit gegeben werden, die Parteien für die Wahl zu zulassen. Spätestens 79 Tage vor der Wahl muss er mitteilen, welche Parteien antreten dürfen. Beim letzten Mal waren 47 Parteien am Start und nur diejenigen Parteien, die mehr als 5 Abgeordnete im Bundestag oder einem Landtag haben sind vom dem Prozedere ausgenommen. Die Organisation einer Wahl braucht also Zeit und unterliegt Fristen, was den Befürwortern eines schnellen Wahltermins eigentlich klar sein sollte. Wer was Anderes will, riskiert damit auch die Anfechtung der Wahl beim Bundesverfassungsgericht. Der Zeitplan ist daher angemessen.

- Wie wird sich die politische Situation im Land bis dahin und danach verändern?

Die Politik wird noch polarisierter werden. Der Ton wird rauer, was sich ja schon abzeichnet. Mit Blick auf die letzten Landtagswahlen, den Europawahlen und die Wahlen in anderen großen Demokratien dürfte folgendes zu erwarten sein: Die politischen Ränder werden stärker werden. Ökonomische Themen, wie Steuern, Migration und Staatsverschuldung, werden wieder deutlich wichtiger werden. Umwelt-Klimaschutz und „Woke“-Themen werden dagegen etwas an Bedeutung verlieren. 

Die parteipolitische Zersplitterung bleibt hoch und könnte noch zunehmen, was dazu führen könnte, dass viele Parteien an der Fünf-Prozenthürde scheitern.

Fragen der Gesundheitsversorgung


Ukrainische Abgeordnete des Ausschusses für öffentliche Gesundheit der Werchowna Rada besuchen Berlin

Auf Einladung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages wird eine Delegation des Ausschusses für öffentliche Gesundheit, medizinische Versorgung und Krankenversicherung der Werchowna Rada der Ukraine vom 11. bis 14. November 2024 in Berlin erwartet. 

Die Gäste werden in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Ausschuss für Gesundheit unter der Leitung der amtierenden Vorsitzenden, Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther und des ukrainischen Ausschussvorsitzenden, Abg. Mykhailo Radutskyi, über den Arzneimittelsektor und die Implementierung europäischen Rechts u.a. Themen diskutieren. 

Darüber hinaus sind Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des Bundesministeriums für Gesundheit, des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen sowie des Gemeinsamen Bundesausschusses geplant. 

Schwerpunkte der Gespräche sind die Intensivierung der Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich sowie zentrale Fragen der Gesundheitsversorgung und des europäischen Rechts. 

Besonders im Fokus stehen zudem die psychische Gesundheit der vom Krieg betroffenen Menschen, der Aufbau von Klinikpartnerschaften und die Einrichtung einer Blutdatenbank. 

Ein weiterer Programmpunkt ist der Besuch von verwundeten ukrainischen Soldatinnen und Soldaten im Bundeswehrkrankenhaus Berlin. 

Der Delegation gehören an: Mykhailo Radutskyi (Ausschussvorsitzender), Olha Stefanyshyna, Dmytro Hurin, Oles Dovgiy, Yana Zinkevych, Oksana Dmytriieva und Lada Bulakh.