Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Wie die Raumfahrt bei Gelenkkrankheiten hilft
FAU-Forschende finden bei ESA-Studie Veränderungen des Gelenkknorpels
- Wie wirkt sich Bettlägerigkeit auf den Knorpel der Gelenke aus?
Ein interdisziplinäres Forschungsteam um PD Dr. Dr. Anna-Maria Liphardt vom Uniklinikum Erlangen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat durch die Teilnahme an einer von der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR geförderten Bettruhestudie hierzu neue Erkenntnisse gewonnen.
- Die Arbeitsgruppe kam zu dem Schluss, dass eine Bettruhe mit einer Dauer von 21 Tagen zum Abbau von Typ-II-Kollagen, einem wichtigen Knorpelbestandteil, führen kann.
Allerdings ist noch nicht klar, wie der übermäßige Abbau von Typ-II-Kollagen die Funktion dieses Gewebes beeinflusst.
Die Arbeit wurde in der Fachzeitschrift
„Osteoarthritis and Cartilage“ veröffentlicht.*
Bettruhestudien sind ein wichtiges Instrument nicht nur für die
Raumfahrtforschung und die Frage, wie der Zustand der Schwerelosigkeit
die Gesundheit beeinflusst, sondern geben zum Beispiel auch Aufschluss
darüber, welche Auswirkungen körperliche Inaktivität auf den Zustand von
Menschen mit einer Erkrankung des Bewegungsapparats haben kann.
Die
Erkenntnisse aus solchen Studien können zur Entwicklung von Behandlungen
beitragen, die einer Degeneration des Bewegungsapparats vorbeugen.
21 Tage strikte Bettruhe
Die Forschungsgruppe um PD Dr. Dr. Anna-Maria Liphardt,
Arbeitsgruppenleiterin am Lehrstuhl für Innere Medizin III, untersuchte
in einer Cross-over-Studie mit 12 gesunden männlichen Probanden, wie
sich die Konzentrationen von Markern für Typ-II-Kollagen im Blut und die
Ausscheidung dieses wichtigen Strukturbestandteils des Knorpels durch
den Urin während einer 21-tägigen Bettruhe veränderte.
Zunächst wurden
die Daten der Teilnehmer während einer Dauer von sechs Tagen vor der
Bettruhe ermittelt, in der sie ganz normal aktiv waren. Daran schlossen
sich 21 Tage strikte Bettruhe an, mit einer um 6 Grad gesenkten
Kopfseite des Bettes. Nur fürs Essen und aus Hygienegründen durften die
Teilnehmer diese Position kurzzeitig leicht verändern. Nach der Bettruhe
wurden sie sechs Tage lang weiter überwacht, während sie zu normaler
Aktivität zurückkehrten.
Während der drei unterschiedlichen Studien-Kampagnen mit 21-tägiger
Bettruhe erhielten die Teilnehmer entweder keine weitere Intervention,
ein sogenanntes resistives Vibrationstraining über ein horizontales
Vibrationstrainingsgerät oder resistives Vibrationstraining in
Kombination mit einer Nahrungsergänzung in Form von Molkenprotein und
Bikarbonat.
Auswirkungen auf Typ-II-Kollagen
- Schon nach wenigen Tagen Bettruhe stiegen die Konzentrationen der Marker für den Abbau von Typ-II-Kollagen im Blut an.
- Das Gleiche galt für die Ausscheidung von Typ-II-Kollagen über den Urin.
Einige der Marker
blieben auch noch in den sechs Tagen nach der Bettruhe im Vergleich zum
Ausgangswert erhöht. Nahrungsergänzung und Vibrationstraining wirkten
dem Abbau von Typ-II-Kollagen nur minimal entgegen.
Die Forschenden schließen daraus, dass die Nichtnutzung des
Bewegungsapparats – egal, ob durch Erkrankung oder Verletzung –
vermutlich zu einer Veränderung des Gleichgewichts im
Gelenkknorpelstoffwechsel führt.
Dies könnte möglicherweise die Belastungsfähigkeit des Knorpels verringern.
„Weitere Studien“, erklärt PD Dr. Dr. Liphardt, „sollten daher die näheren Auswirkungen auf den Knorpel im Blick haben und Gegenmaßnahmen entwickeln, damit Patientinnen und Patienten bei längerer Inaktivität, zum Beispiel durch wiederkehrende Krankenhausaufenthalte, keine weiteren Schäden davontragen.“
Das FAU-Forschungsteam will diese Fragen im Rahmen einer
60-tägigen Bettruhestudie der ESA mit einer Besatzung der
Internationalen Raumstation ISS in Toulouse, Frankreich, gemeinsam mit
Prof. Dr. Anja Niehoff von der Deutschen Sporthochschule Köln und
internationalen Kooperationspartnern, weiter untersuchen. Die Studie
wird vom Institut für Raumfahrtmedizin und Physiologie (MEDES)
durchgeführt.
* DOI: 10.1016/j.joca.2023.11.007
PD Dr. Dr. Anna-Maria Liphardt
Lehrstuhl für Innere Medizin III
Tel.: 09131/85-43206
anna-maria.liphardt@uk-erlangen.de
Blandina Mangelkramer Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Schlossplatz 4
91054 Erlangen
Deutschland
Bayern
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1016/j.joca.2023.11.007
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