Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Weltweit erste erfolgreiche Behandlung der Autoimmunkrankheit Myasthenia gravis
Magdeburger Mediziner setzen erstmals CAR-T-Zellen erfolgreich gegen die seltene Muskelkrankheit Myasthenia gravis ein.
Vorstellung der weltweit ersten erfolgreichen Behandlung der Autoimmunkrankheit Myasthenia gravis in Magdeburg. Universitätsmedizin Magdeburg
Foto (v.l.): Prof. Dr. med. Hans-Jochen Heinze, Ärztlicher Direktor des
Universitätsklinikums Magdeburg, Prof. Dr. rer. nat. Daniela Dieterich,
Dekanin der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke- Universität
Magdeburg, Prof. Dr. med. Aiden Haghikia, Direktor der
Universitätsklinik für Neurologie Magdeburg, Ministerpräsident Dr.
Reiner Haseloff, Prof. Dr. med. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der
Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie Magdeburg und Marco
Bohn, Kaufmännischer Direktor des Universitätsklinikums Magdeburg.
Fotograf: Emanuel Oropesa Benitez/UMMD
An der Universitätsmedizin Magdeburg wurde eine schwer an Myasthenia gravis erkrankte 34-jährige Patientin weltweit erstmals mit der neuartigen CAR-T-Zell-Therapie im Rahmen eines individuellen Heilversuchs erfolgreich behandelt.
Das Ärzteteam unter der Leitung von Prof. Dr. med. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie Magdeburg, und Prof. Dr. med. Aiden Haghikia, Direktor der Universitätsklinik für Neurologie Magdeburg, hat den Fall im Beisein von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff vorgestellt.
Die CAR-T-Zell-Therapie wird bisher vor allem bei der
Behandlung von Blut- und Lymphdrüsenkrebs eingesetzt. Die aktuellen
Ergebnisse der Magdeburger Gruppe wurden in dem renommierten Fachjournal
„The Lancet Neurology“ veröffentlicht. Bereits Ende 2021 berichtete
Prof. Mougiakakos als Erstautor im „New England Journal of Medicine“
über eine junge Patientin mit Systemischen Lupus Erythematodes, die
unter seiner Beteiligung weltweit erstmalig erfolgreich mit CAR-T-Zellen
behandelt werden konnte.
Gelähmte Augenlider, Doppelbilder, Muskelschwäche in Armen und Beinen
bis hin zu Schluck- und Atembeschwerden – all das sind typische Symptome
der seltenen neurologischen Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis, an
der Denise Hohmann seit 2012 leidet. Prof. Haghikia, Experte im Bereich
der Neuroimmunologie, erklärt:
„Mehrmals im Jahr musste unsere Patientin
aufgrund von schweren Krankheitsschüben intensivmedizinisch im
Krankenhaus behandelt werden und eine künstliche Beatmung war wiederholt
notwendig. Verschiedene immununterdrückende Therapien waren nur
unzureichend wirksam.“
Die Mutter von vier Kindern aus Salzwedel erzählt: „Vor der Therapie
habe ich mich extrem schlecht gefühlt und war regelrecht verzweifelt.
Insbesondere in den letzten fünf Jahren ging es mir sehr schlecht. Zwei
Jahre vor meiner Behandlung wurde ich zum Pflegefall und war auf eine
Gehhilfe angewiesen. Ich saß im Rollstuhl und konnte nichts mehr alleine
machen. Bei meinem letzten Krankenhausaufenthalt im Jahr 2021 hatte
sich mein Zustand dermaßen verschlechtert, dass ich in die Neurologische
Klinik des Universitätsklinikums Magdeburg verlegt werden musste. Prof.
Haghikia und sein Ärzte-Team der Neurologie haben sich sehr um mich
gekümmert und ich habe nach meinem regelrechten Ärztemarathon wieder
Vertrauen zu Ärzten gewonnen. Seit Beginn meiner CAR-T-Zell-Therapie bei
Prof. Mougiakakos und Prof. Haghikia im Mai 2023 geht es mir Woche für
Woche besser. Eine Gehhilfe benötige ich nicht mehr und ich gehe
zuversichtlich durchs Leben, insbesondere weil ich inzwischen alles
alleine erledigen kann. Ich bin sehr glücklich darüber und den Ärzten
sehr dankbar."
Prof. Mougiakakos erklärt das Prinzip der CAR-T-Zell-Therapie: „Der
Patientin wurden zunächst ihre eigenen T-Zellen – eine
Schlüsselkomponente des Immunsystems – entnommen und genetisch zu
sogenannten chimären Antigenrezeptor-(CAR-)T-Zellen reprogrammiert.
Diese erkennen ein bestimmtes Eiweiß auf der Oberfläche von B-Zellen und
zerstören sie dann. Anschließend haben wir dieses ‚lebende Medikament’
der Patientin als Infusion verabreicht. Nach kurzer Zeit waren alle
B-Zellen, auch die schädlichen, eliminiert und die Therapie wurde sehr
gut vertragen“. Prof. Haghikia betont: „Nach der stationären
Überwachungsphase konnten wir die Patientin zügig entlassen. Die
klinischen Symptome verbesserten sich rasch und wir konnten ihre
bisherige Dauertherapie, die das Immunsystem abschwächt, ausschleichen.“
Prof. Mougiakakos spricht von einem möglichen immunologischen
„Neustart“, der durch die CAR-T-Zelltherapie ausgelöst wird, da die
B-Zellen mittlerweile zurückgekehrt sind, diese jedoch keine
Autoantikörper zu produzieren scheinen und die Patientin damit
krankheitsfrei verbleibt. Die Autoren erklären in der gemeinsamen
Schlussfolgerung, dass dieser Ansatz einzigartig sei, weil er als
einmalige Intervention konzipiert ist, um eine lang anhaltende
medikamentenfreie vielleicht dauerhaftes Nachlassen bzw. Verschwinden
von Krankheitssymptomen zu erreichen. Dieser ehrgeizige Ansatz könnte
eine neue Ära der Behandlung von neurologischen Autoimmunkrankheiten
einläuten.
Prof. Mougiakakos und Prof. Haghikia betonen: „Jetzt sind größere
kontrollierte Studien wichtig, um diesen Behandlungserfolg zu validieren
und damit diese Form der Therapie möglichst vielen Patientinnen und
Patienten in der nahen Zukunft zugänglich zu machen. Magdeburg nimmt
dabei eine führende Rolle ein.“
Prof. Hans-Jochen Heinze, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums
Magdeburg, sagt: „Wir freuen uns sehr, dass es Frau Hohmann nach all den
lebensbedrohlichen Strapazen wieder deutlich bessergeht und zurück im
Leben ist. Neben der bestmöglichen Versorgung unserer Patientinnen und
Patienten haben wir als Universitätsmedizin auch den besonderen Auftrag
der translationalen Diagnose und Therapie, das bedeutet, die neuesten
Erkenntnisse der Forschung bzw. in der klinischen Behandlung zielgerecht
anzuwenden. Mit unseren brillanten Experten ist es uns gelungen, diesen
neuen Ansatz in der Behandlung einer schweren Autoimmunerkrankung
erstmals erfolgreich umzusetzen.“
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff erklärt: „Der heutige Tag macht
deutlich, dass der Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt und die
Landeshauptstadt Magdeburg exzellente Voraussetzungen für medizinische
Forschungsarbeit bieten. Ich freue mich über jeden Fortschritt, der ein
Grund zur Hoffnung für Menschen ist, die das Schicksal einer schweren
Krankheit zu tragen haben.”
Der Aufsichtsratsvorsitzende des Universitätsklinikums Magdeburg,
Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann, betont: „Der
beispiellose Erfolg bei der Behandlung zeigt die große Stärke unserer
Universitätsmedizin: Die Mischung aus klugen Köpfen und hochmoderner
Infrastruktur ermöglicht Spitzenforschung auf Top-Niveau. Davon
profitieren alle Beteiligten, insbesondere die Patientinnen und
Patienten. Meinen Glückwunsch an die behandelnden Ärztinnen und Ärzte
sowie der Patientin weiterhin gute Genesung.“
Myasthenia gravis
Die Myasthenia gravis (oder kurz Myasthenie) ist eine seltene
Erkrankung, bei der sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper
richtet (Autoimmunerkrankung).
- Autoantikörper stören die Impulsübertragung an der Schnittstelle zwischen Nerv und Muskel.
- Die Folge ist eine Muskelschwäche, die typischerweise bei körperlicher Belastung weiter zunimmt und sich in Ruhe wieder bessert.
In Deutschland
sind etwa 15.000 Menschen von der Krankheit betroffen.
Weltweit erste erfolgreiche Behandlung der Autoimmunkrankheit Myasthenia gravis
Prof. Dr. med. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie Magdeburg
Telefon: +49-391-67-21233, dimitrios.mougiakakos@med.ovgu.de
Prof. Dr. med. Aiden Haghikia, Direktor der Universitätsklinik für
Neurologie Magdeburg
Telefon: +49-391-67-13431, aiden.haghikia@med.ovgu.de
Ögelin Düzel Universitätsmedizin Magdeburg
Leipziger Straße 44
39120 Magdeburg
Deutschland
Sachsen-Anhalt
E-Mail-Adresse: oegelin.duezel@med.ovgu.de
Originalpublikation:
Anti-CD19 CAR T cells for refractory myasthenia gravis in „The Lancet Neurology“, DOI: https://www.thelancet.com/journals/laneur/article/PIIS1474-4422(23)00375-7/fullt...
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