Medizin am Abend Berlin - MaAB- Fazit: Christliche und nicht-religiöse Personen nutzen Online-Pornografie gleich häufig
Die Verwendung von Web-Tracking-Panel-Daten liefert neue Erkenntnisse über die Online-Pornografie-Nutzung der Deutschen.
Laut einer neuen Studie, die in Archives of Sexual Behavior veröffentlicht wurde, nutzen deutsche Angehörige des Katholizismus, des Protestantismus sowie religiös Ungebundene mit gleicher Wahrscheinlichkeit Online-Pornografie.
Im Vergleich dazu nutzen Angehörige von Minderheitsreligionen wie dem Islam oder dem orthodoxen Christentum in Deutschland Online-Pornografie seltener.
„Frühere Studien haben gezeigt, dass die Religiosität ein starker
Prädiktor für die Nutzung von Pornografie sein kann“, sagt Dr. Pascal
Siegers vom GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. „Wir
wollten diese Fragen noch einmal anhand von Webtracking-Daten
untersuchen, die weniger von sozial erwünschtem Verhalten beeinflusst
sind.“
Die Autoren der Studie, Maximilian T.P. von Andrian-Werburg, Pascal
Siegers und Johannes Breuer, kombinierten Daten aus einem groß
angelegten deutschen Online-Webtracking-Panel mit Umfragedaten, die von
den Teilnehmer*innen des Panels erhoben wurden. Im Großen und Ganzen
stimmen ihre Ergebnisse mit früheren Resultaten aus umfragebasierten
Studien in Deutschland und anderen Ländern überein.
Die Studie hat jedoch auch nennenswerte neue Einsichten hervorgebracht,
wie eben den Unterschied in der Rolle der religiösen Zugehörigkeit beim
Konsum von Online-Pornografie, insbesondere zwischen Angehörigen der
religiösen Mehrheit und Nichtreligiösen in Deutschland sowie Angehörigen
von Minderheitsreligionen.
Dabei unterscheiden sich die Daten für Deutschland von denen anderer
Länder:
- „In Deutschland verringert die Zugehörigkeit zur protestantischen oder katholischen Religion die Wahrscheinlichkeit, Online-Pornografie zu nutzen, nicht signifikant.
Dies unterscheidet sich
von den Befunden aus anderen Ländern, wie zum Beispiel den Vereinigten
Staaten", sagte Dr. Johannes Breuer, ebenfalls von GESIS. „Wir vermuten,
dass dies daran liegt, dass deutsche christliche Personen tendenziell
liberaler sind als zum Beispiel amerikanische Evangelikale“ fügt Breuer
hinzu und ergänzt: „Zu beachten ist, dass die Teilnehmenden des
Webtracking-Panels aus Datenschutzgründen das Tracking pausieren können.
Daher kann es auch sein, dass konservative amerikanische christliche
Personen, die an Webtracking-Studien teilnehmen, eher dazu neigen, das
Webtracking stumm zu schalten, wenn sie eine pornografische Website
besuchen, so dass es so aussieht, als würden sie solche Seiten nicht
besuchen.“
In den Sozialwissenschaften ist der Konsum von Pornografie gut
erforscht, ebenso die Persönlichkeitsmerkmale, die diese Nutzung
vorhersagen. Frühere Forschungen haben sich auf Umfragen gestützt, um
Daten zu erheben. Umfragen basieren jedoch auf Selbstauskünften, was,
wie in diesem Fall, zu Einschränkungen führen kann. So kann es
vorkommen, dass Befragte zu wenig über ihren Pornografie-Konsum
berichten, weil sie sich nicht mehr genau an die Häufigkeit erinnern
können, oder dass sie aus Scham keine genauen Angaben machen. „Mit der
Auswertung von Web-Tracking-Panels haben wir eine neue Möglichkeit, die
Nutzung von Online-Pornografie zu messen, die weit über die Daten aus
Selbstauskünften hinausgeht“, lobt Siegers den neuen methodischen
Ansatz.
„Frühere Studien von Morichetta und Kollegen haben gezeigt, dass
die Panelteilnehmer*innen im Durchschnitt 37 Minuten pro Woche mit
Online-Pornografie verbrachten, aber nur 24 Minuten angaben. Man kann
also definitiv festhalten, dass die im Internet verfolgten Aktivitäten
uns ein genaueres Bild davon geben, was die Leute online tun“.
Der vollständige Artikel ist kostenlos bei Archives of Sexual Behavior erhältlich:
von Andrian-Werburg, M.T.P., Siegers, P. & Breuer, J. A.
Re-evaluation of Online Pornography Use in Germany: A Combination of Web
Tracking and Survey Data Analysis. Arch Sex Behav (2023). https://doi.org/10.1007/s10508-023-02666-8
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Als eine der weltweit führenden Infrastruktureinrichtungen für die
Sozialwissenschaften steht das GESIS - Leibniz-Institut für
Sozialwissenschaften Forscher*innen auf allen Ebenen ihrer
Forschungsvorhaben mit seiner Expertise und seinen Dienstleistungen
beratend zur Seite, so dass gesellschaftlich relevante Fragen auf der
Basis neuester wissenschaftlicher Methoden, qualitativ hochwertiger
Daten und Forschungsinformationen beantwortet werden können. Um diesen
Service heute und in Zukunft sicherzustellen, verknüpft GESIS seine
integrierte Erhebungs- und Dateninfrastruktur mit Methoden, Modellen und
Algorithmen der Informatik im Anwendungsfeld Sozialwissenschaften und
erweitert kontinuierlich sein Angebotsportfolio im Bereich digitaler
Verhaltensdaten. GESIS ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft,
Konsortialführerin von KonsortSWD in der NFDI und unterhält
institutionelle und projektbezogene Kooperationen mit vielen
Universitäten und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland. GESIS ist
an wichtigen europäischen Projekten wie u.a. dem European Social Survey
(ESS), der European Value Study (EVS), dem europäischen Archivverbund
CESSDA oder dem OECD-Projekt Programme for the International Assessment
of Adult Competencies (PIAAC) beteiligt. Außerdem arbeitet das Institut
kontinuierlich daran, das junge Forschungsfeld der Computational Social
Science durch internationale Konferenzen, Symposien und Workshops in
Deutschland und Europa zu stärken und eine weltweite Vernetzung
voranzutreiben.
Originalpublikation:
von Andrian-Werburg, M.T.P., Siegers, P. & Breuer, J. A. Re-evaluation of Online Pornography Use in Germany: A Combination of Web Tracking and Survey Data Analysis. Arch Sex Behav (2023). https://doi.org/10.1007/s10508-023-02666-8
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