Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Zusammenhänge zwischen Darmmikrobiom und Vorhofflimmern entdeckt
Klassische Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erklären etwas mehr als die Hälfte des Vorhofflimmerrisikos.
Auf der Suche nach weiteren Einflussgrößen haben Forschende des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) zusammen mit internationalen Wissenschaftlern das Darmmikrobiom in den Fokus genommen und konnten Veränderungen der Mikroorganismen bei Vorhofflimmern aufzeigen.
Prof. Renate Schnabel beschäftigt sich mit ihrem Team bereits seit Jahren mit den Ursachen von Vorhofflimmern. privat
Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung, die vor allem bei älteren Menschen auftritt.
Acht Prozent der über 65-Jährigen in Deutschland sind davon betroffen.
Zu den gefürchteten Folgeerkrankungen zählen Schlaganfall, Demenz, Depression und Herzschwäche.
„Vorhofflimmern nimmt weltweit zu, was sich entsprechend
auf die Klinik und auf das Gesundheitssystem auswirkt. Vorbeugende
Maßnahmen sind notwendig, aber über die Risikofaktoren ist relativ wenig
bekannt. Neue Ansätze zur Verbesserung der Risikovorhersage sind daher
dringend erforderlich“, sagt Prof. Renate Schnabel, Wissenschaftlerin
des DZHK am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Schnabel und ihre Arbeitsgruppe konnten nun in einer großen,
internationalen Kooperation zeigen, dass bei Vorhofflimmern bestimmte
Bakterien vermehrt vorkommen.
- Und zwar Bakterien aus neun Gattungen bei Patienten mit bestehendem Vorhofflimmern und acht Gattungen bei Personen, die die Rhythmusstörung später entwickelten.
- Die größten Veränderungen wurden in beiden Patientengruppen bei den Gattungen Enorma, Bifidobacterium und Eisenbergiellea beobachtet.
- Diese Verschiebungen ähneln den bei Bluthochdruck und Herzschwäche auftretenden Veränderungen der Darmflora.
Bluthochdruck gehört zu den Risikofaktoren für Vorhofflimmern und Herzschwäche.
Um die Bedeutung der
Ergebnisse für die Risikovorhersage und die Behandlung von
Vorhofflimmern abzuschätzen, sind laut den Wissenschaftlern jedoch noch
umfangreiche Forschungsarbeiten erforderlich.
Ein finnischer Datenschatz
Ersten Hinweisen folgend, dass die Bakterien im Darm etwas mit
Vorhofflimmern zu tun haben könnten, untersuchten Young-DZHK-Mitglied
Dr. Christin S. Börschel aus Schnabels Arbeitsgruppe und Dr. Joonatan
Palmu, Postdoc an der finnischen Universität Turku, die Proben und Daten
von über 6.700 Teilnehmern der finnischen Langzeitstudie FINRISK. Die
Studie startete 2002 und bereits zu Beginn wurden Stuhlproben der
Probanden eingefroren. Die Studienteilnehmer werden seitdem regelmäßig
untersucht, sodass die Wissenschaftler die Ergebnisse der Untersuchungen
des Stuhlmikrobioms zusammen mit den individuellen
Krankheitsgeschichten auswerten konnten. Einige der Teilnehmer
entwickelten Vorhofflimmern, andere blieben gesund oder hatten es
bereits zum Zeitpunkt der Probenentnahme. „Aus Sicht der
epidemiologischen Forschung gehen wir davon aus, dass der Zusammenhang
stärker ist und einer Kausalität näher kommt, wenn wir beobachten
können, wie sich eine Erkrankung entwickelt. Deshalb sind die finnischen
Studiendaten mit der langen Nachbeobachtung so wertvoll für uns“,
erläutert Schnabel.
Mit Mitteln des DZHK bauten die Hamburger Forschenden dann eine
Vergleichskohorte mit 138 gesunden und erkrankten Teilnehmern auf, um
die Ergebnisse zu kontrollieren. Damit konnten sie die beobachteten
Veränderungen der Darmbakterien überwiegend bestätigen.
Direkt oder indirekt?
Die Daten zu erheben, zu analysieren und im klinischen Kontext zu
interpretieren, erforderte viele unterschiedliche fachliche Fähigkeiten.
So fanden die bioinformatischen Analysen im Rahmen einer Shared
Expertise in der Arbeitsgruppe von Dr. Sofia Forslund am
Max-Delbrück-Center in Berlin statt.
Als Nächstes möchte Schnabel mit ihren Greifswalder DZHK-Kollegen
aufschlüsseln, über welche Wege Darmbakterien das Herz beeinflussen
können.
Dabei stehen die Stoffwechselprodukte der Bakterien, sogenannte Metabolite, im Fokus, etwa Lipopolysaccharid (LPS) oder kurzkettige Fettsäuren.
Expertise hierzu kommt vor allem von Prof. Matthias Nauck und Prof. Nele Friedrich vom Institut für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin am Standort Greifswald.
„Wir versuchen, Metabolitmuster zu identifizieren, die mit den Veränderungen des Darmmikrobioms bei Vorhofflimmern verbunden sind und eventuell das erhöhte Risiko für die Rhythmusstörung vermitteln“, so Schnabel.
Da die beobachteten Veränderungen der Darmbakterien auch bei Patienten mit Bluthochdruck auftreten, stellt sich auch die Frage, ob die veränderte Darmflora direkt Herzrhythmusstörungen auslösen kann oder sich durch den Bluthochdruck verändert und dadurch Vorhofflimmern Vorschub leistet.
Prof. Renate Schnabel, Klinik für Kardiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, r.schnabel(at)uke.de
Christine Vollgraf Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V.
Potsdamer Str. 58
10785 Berlin
Deutschland
Berlin
Telefon: 030 3465 52902
E-Mail-Adresse: christine.vollgraf@dzhk.de
Telefon: 030 3465 529-18
E-Mail-Adresse: sarah.mempel@dzhk.de
Originalpublikation:
Palmu J, Börschel CS, Ortega-Alonso A, et al. Gut microbiome and atrial fibrillation-results from a large population-based study. EBioMedicine. 2023;91:104583. https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2023.104583
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