Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Schmerzen außer Kontrolle
Das Gefühl von Kontrolle lässt uns Schmerzen besser ertragen.
Bei Fibromyalgie funktioniert das allerdings nicht. Eine Studie gibt Hinweise darauf, warum.
- Die Fibromyalgie ist eine rätselhafte chronische Schmerzerkrankung, die schwierig zu behandeln ist.
Auch ihre Ursachen liegen noch weitestgehend im Dunkeln. Eine Studie des Teams der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum liefert Hinweise darauf, dass bei Betroffenen bestimmte Hirnareale, die an der Verarbeitung von Schmerz beteiligt sind, nicht normal funktionieren.
Sie sorgen bei gesunden Personen dafür, dass sich Schmerz, den wir kontrollieren können, besser ertragen lässt.
Bei Patientinnen mit Fibromyalgie zeigten diese Gehirnbereiche in der Studie eine veränderte Aktivität.
Das Forschungsteam um Prof. Dr. Martin Diers berichtet in der Fachzeitschrift NeuroImage: Clinical vom 21. Februar 2023.
Die sogenannte Thermode kann Hitzereize verabreichen, die die
Probandinnen entweder selbst beenden konnten, oder die der Computer
steuerte. © Benjamin Mosch
Hitzeschmerz selbst beenden
Wie stark wir Schmerz und die Einschränkung durch ihn erleben, hängt
entscheidend damit zusammen, wie wir ihn bewerten.
- Haben wir das Gefühl, den Schmerz kontrollieren und selbst beenden zu können, führt das zum Beispiel dazu, dass wir ihn besser ertragen, als wenn wir uns ihm ausgeliefert fühlen.
„Die geringe Kontrollierbarkeit wiederholter Schmerzattacken ist eine der bedeutendsten Ursachen für die eingeschränkte Lebensqualität von Menschen mit chronischen Schmerzen“, erklärt Benjamin Mosch, Erstautor der Studie.
„Die zugrunde liegenden
neuronalen Mechanismen wurden allerdings bisher hauptsächlich bei
gesunden Kontrollpersonen erforscht.“
In der aktuellen Studie verglich das Team zwei Gruppen: 21 gesunde
Frauen und 23 Fibromyalgiepatientinnen. Beide Gruppen wurden einem
Hitzeschmerz ausgesetzt, während ihre Gehirnaktivitäten mittels
funktioneller Kernspintomografie beobachtet wurden. In einem
Versuchsdurchgang konnten die Probandinnen den Schmerzreiz selbst
beenden. In einem weiteren Durchgang steuerte ein Computer Beginn und
Ende des Reizes. „Die Länge der durch den Computer beendeten Reize haben
wir dabei im Mittel zu den durch die Probandinnen beendeten Reizen
gleich gehalten“, so Martin Diers.
Kognitive Ressourcen sind beeinträchtigt
Wenn Frauen der gesunden Kontrollgruppe den Schmerzreiz selbst beenden
konnten, wurde eine Reihe vor allem frontaler Hirnareale aktiviert, die
eine wichtige Rolle bei der Modulation von Schmerzen zu spielen
scheinen.
Diese Beobachtung steht im Einklang mit älteren Studien an gesunden Probanden.
„Interessanterweise konnten wir derartige
Aktivierungen aber nicht in unserer Patientengruppe nachweisen“,
berichtet Martin Diers. „Das kann als Beleg für die beeinträchtigte
Schmerzverarbeitung von Patientinnen mit Fibromyalgie dienen. Es
verdeutlicht, dass die kognitiven Ressourcen im Umgang mit akutem
Schmerz bei diesen Patientinnen beeinträchtigt sind.“
Fibromyalgie
Fibromyalgie wurde 1994 in den Katalog der Weltgesundheitsorganisation
aufgenommen. Geschätzte zwei Prozent der deutschen Bevölkerung sind
davon betroffen, 90 Prozent von ihnen sind Frauen.
Die Erkrankung ist gekennzeichnet von wiederkehrenden Schmerzen sowie verschiedenen anderen Symptomen, darunter Schlafstörungen, depressive Verstimmungen, chronische Erschöpfung und Verdauungsbeschwerden.
Im Schnitt vergehen
bis zur Diagnose 16 Jahre.
Förderung
Die Arbeiten wurden unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Förderkennzeichen: DI1553/5).
Prof. Dr. Martin Diers
Klinische und Experimentelle Verhaltensmedizin
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
LWL-Universitätsklinikum
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 5077 3175
E-Mail: martin.diers@ruhr-uni-bochum.de
Universitätsstr. 150
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44780 Bochum
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E-Mail-Adresse: meike.driessen@presse.rub.de
Originalpublikation:
Benjamin Mosch, Verena Hagena, Stephan Herpertz, Michaela Ruttorf, Martin Diers: Neural correlates of control over pain in fibromyalgia patients, in: NeuroImage: Clinical, 2023, DOI: 10.1016/j.nicl.2023.103355, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S221315822300044X?via%3Dihub
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