Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Medikamente statt OP? Neue Erkenntnisse zur Therapie bei verkalkten Herzklappen
Die Diagnose Aortenklappenverkalkung ist sehr häufig:
Jede/r Zehnte über 80 ist davon betroffen.
- Bisher ist die einzige Behandlungsmöglichkeit ein operativer oder interventioneller Eingriff.
Nun liefert ein ForscherInnenteam der Medizin Uni Innsbruck neue Erkenntnisse zur Entstehung der Verkalkung der Aortenklappe im Herzen.
Ein Mechanismus, der für die Erkennung von Viren bekannt ist, spielt eine entscheidende Rolle.
Die Forschungsarbeit liefert wichtige Grundlagen für die Entwicklung einer medikamentösen Therapie.
Aortenklappen-OP an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Herzchirurgie David Bullock MUI/D. Bullock
Die Aortenklappe hat eine wesentliche Funktion:
Bei jedem Herzschlag verhindert sie den Rückstrom von Blut in die linke Herzkammer.
Mit fortschreitendem Alter kann es hier zu einer Verkalkung und damit Verengung kommen, die Diagnose lautet dann Aortenstenose.
Manchmal sind auch jüngere PatientInnen mit einem angeborenen Fehler der Klappe betroffen.
Diese wird durch eine Operation oder einen Klappenersatz behoben, bisher gibt es allerdings keine medikamentöse Therapie.
Die Aortenstenose gehört zu den häufigsten Todesursachen bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Österreich.
Ein Team von ForscherInnen an der Medizinischen Universität Innsbruck
trägt dazu bei, neue Therapiemöglichkeiten zu entwickeln. Eine aktuelle
Forschungsarbeit, bei der auch Daten von 300.000 PatientInnen
berücksichtigt wurden, liefert neue Erkenntnisse über die Entstehung der
Verkalkung, über mögliche Risikomarker und für die Entwicklung
medikamentöser Therapien. Eines der weltweit renommiertesten
Fachjournale in der Herzmedizin, Circulation, veröffentlichte nun die
Ergebnisse.
Mechanismus zur Virenbekämpfung führt auch zur Verkalkung der Aortenklappe
„Die neuen Einblicke in den Entstehungsmechanismus der Klappenverkalkung
sind bedeutend, um diese Erkrankung frühzeitig erkennen und in Zukunft
auch medikamentös behandeln zu können. Das ist aktuell noch nicht
möglich“, erklärt Can Gollmann-Tepeköylü von der Univ.-Klinik für
Herzchirurgie und Erstautor der Circulation-Publikation.
Eine große Rolle bei der Entstehung der Aortenstenose spielt ein Rezeptor, der bisher vor allem für seine Aufgabe bei der Virenbekämpfung bekannt war: Der sogenannte Toll-Like Rezeptor 3 (TLR 3) kommt unter anderem auf der Oberfläche von Zellen des Herzens und von Immunzellen vor und hat zur Aufgabe, Viren zu entdecken.
„Allerdings erkennt das menschliche Immunsystem auch körpereigene Schäden und nicht nur Viren, die eindringen“, erklärt Can Gollmann-Tepeköylü.
„Durch die hohe mechanische Belastung der Aortenklappe wird das Immunsystem aktiviert und sorgt über eine Entzündungsreaktion für eine Verknöcherung und damit Verstärkung der Aortenklappe.
Dieser angeborene Mechanismus wird
insbesondere im Alter in Gang gesetzt.“ Ziel der weiteren
Forschungsarbeit ist es daher, mit einem Medikament in den Mechanismus
rund um den Virenerkenner TLR3 einzugreifen und eine Verkalkung der
Aortenklappe zu verhindern. Verschiedenste Wirkstoffkandidaten werden in
aktuell laufenden Studien getestet.
Möglicher Risikomarker entdeckt
Voraussetzung für diese Therapieoption ist die frühzeitige Diagnose –
auch hier ist das ForscherInnenteam einen entscheidenden Schritt
weitergekommen. Durch die Analyse der Daten von rund 300.000
PatientInnen in Kooperation mit der renommierten kanadischen McGill
University haben die ForscherInnen Genvarianten entdeckt, die ein
wichtiger Risikomarker für die Entstehung einer Aortenstenose sein
könnten.
„Mit Hilfe dieser Varianten, die wir gefunden haben, könnte es möglich werden, frühzeitig zu erkennen, wer ein hohes Risiko für die Entstehung einer Aortenstenose hat“, erklärt der Herzchirurg und Seniorautor Johannes Holfeld.
Damit kann diese in Innsbruck begonnene Forschungsarbeit wichtige Grundlagen für die weitere Therapieentwicklung liefern. Translationale Forschung - die Entwicklung neuer Therapien, die aus Grundlagenerkenntnissen im Forschungslabor entstehen und dann klinisch getestet werden können – ist der Schwerpunkt des Teams um Johannes Holfeld.
Herzchirurg Can Gollmann-Tepeköylü ist Erstautor der neuen Studie. David Bullock MUI/D. Bullock
Erfolgreiche Forschung durch gute Zusammenarbeit
Die Erkenntnisse ermöglicht hat eine enge Zusammenarbeit zwischen den
ExpertInnen mehrerer Fachabteilungen. So fungiert als gleichgereihter
Erstautor Michael Graber, der wie Can Gollmann-Tepeköylü an der
Univ.-Klinik für Herzchirurgie (Direktor: Michael Grimm) im
Herzchirurgischen Forschungslabor tätig ist. Die korrespondierenden
Autoren sind der Herzchirurg Johannes Holfeld und der Pneumologe und
Internist Ivan Tancevski. Insgesamt waren 44 AutorInnen aus Innsbruck
sowie insbesondere Kanada, den USA und Europa beteiligt. Die
wissenschaftliche Forschungsarbeit ist bereits mehrfach von nationalen
und internationalen Fachgesellschaften ausgezeichnet worden und
unterstreicht die Expertise am Standort Innsbruck im Bereich der
Herzklappen-Forschung. Die Arbeit ist in Kooperation mit dem Tiroler
Forschungszentrum VASCAGE entstanden und wurde vom FWF gefördert.
Can Gollmann-Tepeköylü
Univ.-Klinik für Herzchirurgie
Medizinische Universität Innsbruck
E-Mail: can.gt@i-med.ac.at
www.carelab.at
Doris Heidegger Medizinische Universität Innsbruck
Innrain 52
6020 Innsbruck
Österreich
Tirol
E-Mail-Adresse: doris.heidegger@i-med.ac.at
Originalpublikation:
https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCULATIONAHA.122.063481
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