Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Übergewicht allein führt nicht zur Dialyse
Langzeitstudie zu Übergewicht und Nierenversagen mit 100.000 TeilnehmerInnen - Übergewicht und Adipositas bringen sehr oft Bluthochdruck, erhöhte Zucker-, Blutfett- und Harnsäurewerte mit sich.
Betroffene haben langfristig ein erhebliches Risiko, ein Nierenversagen zu erleiden.
Ein Team um Josef Fritz von der Med Uni Innsbruck und Emanuel Zitt vom Akademischen Lehrkrankenhaus Feldkirch errechnete die Bedeutung der einzelnen Faktoren. Das Journal of the American Society of Nephrology (JASN) berichtet.
Dialysestation im Akademischen Lehrkrankenhaus Feldkirch, Karin Nussbaumer, Akad. Lehrkrankenhaus Feldkirch
- Was die Waage anzeigt, ist nicht entscheidend, wenn es darum geht, die langfristige Gefahr für ein irreparables Nierenversagen mit Dialysepflicht einzuschätzen.
- Relevant ist, was die Messungen von TyG-Index* - ein neuer Parameter für Insulinresistenz –, Harnsäure und Blutdruck ergeben.
Zu diesem Schluss
sind Wissenschafter um Josef Fritz vom Institut für Medizinische
Statistik und Informatik (Direktor: Hanno Ulmer) an der Medizinischen
Universität Innsbruck und um den Nephrologen Emanuel Zitt, Oberarzt am
Akademischen Lehrkrankenhaus Feldkirch, gekommen.
Für ihre Untersuchung zogen die Forscher die Daten von 100.269 Personen
heran, die sich zwischen 1985 und 2005 in Vorarlberg einer
Gesundenuntersuchung unterzogen haben. Die Ergebnisse der ersten
Vorsorgeuntersuchung, die im Mittel 23 Jahre zurücklag, glichen die
Forscher mit den Einträgen des an der Univ.-Klinik für Innere Medizin IV
(Direk-tor: Gert Mayer) in Innsbruck angesiedelten Österreichischen
Dialyse- und Transplantationsregister ab. Anhand einer komplexen
Mediationsanalyse errechnete Fritz den Gesamteffekt von Übergewicht
sowie den Effekt der einzelnen Einflussgrößen auf eine drohende
Dialysepflicht.
- Dabei stellte sich heraus, dass ein hoher TyG-Index (33 %) und Bluthochdruck (34 %) wie erwartet gewichtige Risikofaktoren sind und jeweils rund ein Drittel zur Gefahr eines Nierenversagens durch Übergewicht und Adipositas beitragen.
Überraschend für die Wissenschafter, weil bisher kaum in der Fachliteratur berücksichtigt, ist der mit 30 Prozent ebenso große Einfluss von erhöhter Harnsäure.
- Vergleichsweise sehr niedrig fällt dagegen das Gefahrenpotential von erhöhten Cholesterinwerten (2 %) aus.
Übrig bleibt ein Rest von lediglich einem Prozent, der Übergewicht als
eigenen Risikofaktor an sich ausweist.
„Das Mediationsmodell ermöglicht es, den Einfluss von Übergewicht auf ein späteres Nierenversagen in indirekte und direkte Komponenten zu zerlegen.
Indirekt ist dabei jener Effekt, der durch die metabolischen Risikofaktoren – erhöhter TyG-Wert, erhöhtes Cholesterin, Bluthochdruck, erhöhte Harnsäure – erklärt werden kann.
Der direkte Effekt von Übergewicht ist jener, der nicht durch
diese Risikofaktoren erklärt werden kann, und der mit einem Prozent
sehr klein ist“, erläutert Fritz.
Stoffwechsel-Risikofaktoren wiegen schwerer
Entscheidend für das langfristige Dialyserisiko ist damit letztlich das
Risikofaktorenprofil, wie Institutsleiter Ulmer anhand der Zahlen
erläutert: „Während Normalgewichtige mit Risikofaktoren ein 4,5-fach
erhöhtes Risiko gegenüber Normalgewichtigen ohne Risikofaktoren
aufweisen, haben adipöse Personen ohne Risikofaktoren nur ein rund
zweifach erhöhtes Risiko; mit Risikofaktoren jedoch ein 5,8-fach
erhöhtes Risiko.“ Von den 100.269
StudienteilnehmerInnen, deren Daten der Vorarlberger Arbeitskreis für
Vorsorge und Sozialmedizin bereitgestellt hat, wiesen 32,4 Prozent bei
ihrer ersten Gesundenuntersuchung metabolische Risiken auf, 463 Personen
(0,5 %) entwickelten in den Folgejahren ein Nierenversagen.
Die gute Nachricht: Alle Risikofaktoren sind dank Lebensstilveränderung
und/oder entsprechender Therapie modifizierbar. „Gewichtsreduktion ist
ein wichtiger Nierengesundheitsfaktor, aber Normalgewicht noch kein
Garant.
Auch bei Normalgewichtigen erhöht ein ungesunder Stoffwechselstatus mit Bluthochdruck, Insulinresistenz und erhöhter Harnsäure das Dialyserisiko.
Übergewicht und Adipositas verschärfen die Situation zusätzlich.
Normalgewicht, normaler Blutdruck und gesunder
Stoffwechsel sind wahrscheinlich ein sehr hoher Garant für lebenslange
Dialysefreiheit“, bringt Zitt die Ergebnisse auf den Punkt.
- *TyG-Index: Der Triglyceride-Glucose-Index ist ein relativ neuer Parameter, der sich aus Triglyceriden und Glucose zusammensetzt.
- In dieser Kombination ergibt er einen aussagekräftigen Messwert für Insulinresistenz.
- In einer Vorstudie, die im März 2021 in JAMA Network Open publiziert wurde, erstellte Josef Fritz ein Mediationsmodell, das ausschließ-lich den TyG-Index für die Risikoberechnung von Übergewicht auf Nierenversagen berücksichtigte.
Zur Person:
Josef Fritz ist Wissenschaftlicher Assistent am Institut für
Medizinische Statistik und Informatik. Sein Forschungsschwerpunkt als
Biostatistiker ist die Analyse großer epidemiologischer Register- und
Kohortendaten mittels neuer Methoden aus dem Bereich der kausalen
Inferenz. Dabei untersucht er insbesondere den Einfluss von Lebensstil-
und metabolischen Faktoren auf kardiovaskuläre, onkologische und
nephrologische Outcomes.
Erstautor Josef Fritz von der Med Uni Innsbruck, David Bullock, MUI
Links zu den Forschungsarbeiten:
Fritz J. et. al.: “The Association of Excess Body Weight with Risk of
ESKD Is Mediated Through Insulin Resistance, Hypertension, and
Hyperuricemia”, JASN May 2022, ASN.2021091263; https://doi.org/10.1681/ASN.2021091263
Fritz, J. et. al.: “The Triglyceride-Glucose Index and Obesity-Related
Risk of End-Stage Kidney Disease in Austrian Adults”, JAMA Netw Open.
2021;4(3):e212612. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.2612; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33787913/
Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.200
MitarbeiterInnen und ca. 3.400 Studierenden ist gemeinsam mit der
Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in
Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol,
Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität
Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und
Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung
und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des
wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin
kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv
in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem
Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das
Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden. Ab Herbst 2022
bieten die Medizinische Universität Innsbruck und die
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck gemeinsam ein englischsprachiges
Masterstudium „Pharmaceutical Sciences“ an, in dem die Studierenden eine
fundierte Ausbildung im Bereich der Arzneimittelentwicklung erwerben
können.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale
Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden.
Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie,
Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie
Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die
wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck
ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national
auch international sehr erfolgreich.
Dipl.-Ing. Josef Fritz PhD
Institut für Medizinische Statistik und Informatik
Tel.: +43 512 9003 70915
E-Mail: Josef.Fritz@i-med.ac.at
ao.Univ.-Prof. Mag.Dr.rer.soc.oec. Hanno Ulmer
Institut für Medizinische Statistik und Informatik
Tel.: +43 512 9003 70900
E-Mail: Hanno.Ulmer@i-med.ac.at
OA Priv.-Doz. Dr. Emanuel Zitt, MD, ESENeph, FASN
Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie
Innere Medizin III (Nephrologie und Dialyse)
Akademisches Lehrkrankenhaus LKH Feldkirch
Carinagasse 47
6800 Feldkich
AUSTRIA
Tel.: +43 (0)5522 303 2700
Fax: +43 (0)5522 303 7506
@-mail: emanuel.zitt@lkhf.at
Theresa Mair Medizinische Universität Innsbruck
nnrain 52
6020 Innsbruck
Österreich
Tirol
Theresa Mair
Telefon: 0043 512 9003 71833
E-Mail-Adresse: theresa.mair@i-med.ac.at
Originalpublikation:
Fritz J. et. al.: “The Association of Excess Body Weight with Risk of ESKD Is Mediated Through Insulin Resistance, Hypertension, and Hyperuricemia”, JASN May 2022, ASN.2021091263; https://doi.org/10.1681/ASN.2021091263
Weitere Informationen für internationale Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33787913/ Vorläuferstudie zu TyG-Index
http://Fritz,
J. et. al.: “The Triglyceride-Glucose Index and Obesity-Related Risk of
End-Stage Kidney Disease in Austrian Adults”, JAMA Netw Open.
2021;4(3):e212612. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.2612
https://oedtr.i-med.ac.at/team-des-oedtr/ Österreichisches Dialyse- und Transplantationsregister (Leiter: Gert Mayer)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen