Medizin am Abend Berlin Fazit: Entzündungsschutz für Nierenkörperchen
Forscher am Gesundheitscampus Magdeburg untersuchen neue Therapien gegen diabetische Nierenschäden
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Die diabetische Nephropatie ist eine gefürchtete Folgekomplikation
eines seit Jahren bestehenden und/oder unzureichend behandelten Diabetes
mellitus.
Ein Team von Medizinern um Prof. Dr. Berend Isermann,
Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Pathobiochemie am
Universitätsklinikum Magdeburg, sucht in Kooperation mit Ärzten in den
USA und Großbritannien nach neuen Therapiemöglichkeiten, um das
Fortschreiten der diabetischen Nierenschädigung aufzuhalten und somit
das erhöhte Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle unter den
„Zuckerkranken“ zu senken.
Nierenkörperchen (Podozyt) mit Anzeichen einer Anzündung (rot angefärbt) Foto: Fabian Bock, Berend Isermann
- Diabetes ist eine Erkrankung, die den Menschen seit mindestens der
ägyptischen Pharaonenzeit begleitet.
Martin Luther, Johann Sebastian
Bach oder Franz-Josef Strauß litten darunter ebenso wie derzeit etwa
sechs Millionen Bundesbürger.
Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts
starben die meisten Menschen unmittelbar an dieser Krankheit.
Der
medikamentöse Insulin-Ersatz und diverse weitere Arzneimittel
ermöglichen inzwischen ein längeres und oft gutes Leben mit dieser
Stoffwechselerkrankung.
Erhöhte Blutzuckerwerte fördern Gefäßentzündungen
Hundertprozentig verhindert werden mit den heutigen Therapien die mit
dem Diabetes einhergehenden Gefäßschäden jedoch nicht.
- Die im Blut
transportierten kleinen Zuckermoleküle führen auf Dauer zu Gefäßschäden:
insbesondere in den kleinen, blutversorgenden Adern, an den Augen, in
den Extremitäten (vorrangig den Füßen) und nicht zuletzt in den kleinen
Zellen (Podozyten), die das Blut in der Niere filtern.
- Ein Grund: Die
leicht, aber dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerte führen zu einer
Aktivierung des Immunsystems und damit zu Entzündungen, die der Körper
durch Bildung neuen Gewebes zu ersetzen versucht („Narbengewebe“).
Leider ist dieses Ersatzgewebe schlechter als das Original.
- Es erfüllt
seine Aufgabe, die Ausfilterung von Schadstoffen aus dem Blut, nicht
mehr. Deshalb bleiben die mit der Nahrung aufgenommenen Gifte im Blut.
Sie fördern die Gefäßentzündung und die gefäßverengende „Verkalkung“
(Arteriosklerose). Irgendwann behindern dann die Ablagerungen den
Blutfluss. Es kommt u. a. zum gefürchteten Herzinfarkt oder
Schlaganfall.
„Die kardiovaskulären Risiken sind erheblich erhöht, wenn Diabetiker
eine Nierenschädigung aufweisen“, sagt Prof. Isermann.
In den frühen
Stadien der Erkrankung helfen blutdrucksenkende Medikamente, die sich
zudem protektiv (schützend) auf die Nierenfunktion auswirken.
Es sind
sogenannte ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Antagonisten, auch bekannt
unter dem Begriff Sartane.
Eine fortgeschrittene diabetische
Nierenschädigung können diese Wirkstoffe jedoch nicht mehr stoppen.
Wirkstoffe schützen Nierenzellen vor Entzündungen
Deshalb wird weltweit nach neuen Substanzen gesucht, die einen besseren
Nierenschutz ermöglichen.
„Unser gedanklicher Ansatz ist die Vermeidung
der Entzündungen, die zum Untergang der Nierenkörperchen, insbesondere
spezieller Nierenzellen (Podozyten) und der Gefäßzellen
(Endothelzellen), führen“, sagt Prof. Isermann.
In Versuchen mit
Labormäusen konnten die Magdeburger Forscher nachweisen,
dass ein
erhöhter Blutzuckerspiegel durch Aktivierung genetischer
Zell-Selbstmordprogramme (Apoptose) zu einem Absterben der
Nierenkörperchens führt.
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Die Magdeburger Forscher entdeckten neue Ansätze zur Behandlung der
diabetischen Nephropathie bei der Analyse der Blutgerinnung, bei dem
molekulare Eiweiß-Spaltungshelfer (Proteasen) eine wichtige Rolle
spielen.
Auf ihren Kenntnissen aufbauend, testeten die Wissenschaftler
in Tierversuchen verschiedene Wirkstoffe, die teilweise bereits zur
Behandlung anderer Erkrankungen medizinisch zugelassen sind. Diese
Arbeiten führt die Forschergruppe von Isermann in enger Kooperation mit
anderen Gruppen, wie z. B. der Universitätsklinik für Nieren- und
Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie Magdeburg durch.
Ein Antibiotikum gegen Nierenschäden
Unter diesen Wirkstoffen ist das Antibiotikum Minocyclin.
Aus
verschiedenen anderen Studien war schon bekannt, dass es u. a. den
Zelluntergang von Nervenzellen verhindert.
Im Versuchen an Mäusen konnte
das Team um Berend Isermann nachweisen, dass Minocyclin auch in den
Nieren den Zelltod stoppt.
„Aktuell planen wir zusammen mit Ärzten am
Los Angeles Biomedical Research Institute eine neue Studie, in der wir
den Nutzen dieses Antibiotikums auch am Menschen mit der
Blutzuckerkrankheit nachweisen wollen“, so der Magdeburger Forscher.
Ein Gallensäurederivat gegen Nierenschäden
Gleiches gilt für einen Wirkstoff, den das Team um Professor Isermann
als weiteren Kandidaten gegen die Nierenschädigung durch Diabetes
untersucht
. Dabei handelt es sich um ein Gallensäurederivat namens
Tauroursodeoxcholin (TUDCA). Diese Substanz ist in Großbritannien und
anderen Ländern bereits als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich und
wird, außerhalb kontrollierter medizinischer Studien, auch zur
Leistungssteigerung im Sport und zum Muskelaufbau im Body-Building
eingesetzt. In Kooperation mit der Abteilung von Luigi Gnudi, Professor
für Diabetes und metabolische Medizin am King‘s College in London,
sollen demnächst rund sechs Dutzend Diabetes-Patienten hinsichtlich der
die Nierenfunktion schützenden Wirkung von TUDCA im Vergleich mit einer
Placebo-Gruppe untersucht werden.
Rheumamedikament gegen Nierenschäden
Als dritten Ansatz gegen die diabetische Nierenschädigung untersucht das
Forscherteam um Professor Insermann
auch den Einsatz einer
Wirkstoffklasse namens Anakinra,
aus der Gruppe der sogenannter
Biolocials - einer neuen Medikamentengruppe, die zur Behandlung
entzündlich rheumatischer Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis
bereits zugelassen ist. „Hinsichtlich der molekularen
Entzündungsprozesse gibt es einige Ähnlichkeiten“, so Isermann.
- Das
betrifft den Entzündungsfaktor Interleukin-1-Beta, der sowohl das
Entzündungsgeschehen bei rheumatoider Arthritis als auch eine
diabetische Nephropathie fördert.
Nachweislich können Anakinra dieses
Entzündunsgeschehen blockieren. In einer Kooperation mit
Nierenfachärzten des Southend Hospitals im britischen Grafschaft Essex
will das deutsch-britische Forscherteam diesen neuen Therapieansatz bei
Patienten mit einer diabetischen Nephropathie testen.
Angesichts der vielen neuen Ansätze, die diabetischen Folgeschäden zu
vermeiden, sind die Hoffnungen auf bessere Therapien groß.
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Uwe Seidenfaden
Kornelia Suske
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